Meine DNA bekommt ihr nicht
Ein Interview mit
Susanne Schultz vom Gen-ethischen Netzwerk Berlin

von
Peter Nowak

06/11

trend
onlinezeitung

Mit einer Straßenkunstaktion und einem offenen Brief an die Bundesjustizministerin begann am 23. Mai die Kampagne DNA-Sammelwut stoppen. Susanne Schultz ist Mitarbeiterin des Gen-ethischen Netzwerkes Berlin, das die Kampagne koordiniert.

1.) Welche Gefahren sehen Sie in der Ausweitung der DNA-Daten?

A.: Die besteht vor allem der enormen Expansion, die die DNA-Speicherung erfahren hat. 1998 wurde die zentrale DNA-Datenbank beim Bundeskriminalamt eingerichtet. Mittlerweile sind über 700.000 Personendatensätze und 180.000 Spurenprofile gespeichert. Wir sehen hier die Tendenz der Etablierung eines präventiven Überwachungsstaates, in dem jeder, gegen den ermittelt wurde mittels biologischer Spuren überwacht werden soll. Zudem können mittlerweile mittels DNA-Analyse auch Verwandte überprüfter Personen gesucht werden.

2.) Dient diese Methode nicht der Verbrechensaufklärung?

A.: Unter 4 % der Delikte, die über DNA-Datenbanktreffer beim BKA ermittelt wurden, waren Kapitalverbrechen. Diese Fälle werden aber medial gerne zur Verteidigung der DNA-Analyse in den Mittelpunkt gestellt. Unseres Erachtens wiegen selbst einige spektakuläre Erfolge die Gefahren der Totalüberwachung durch DNA-Datenbanken nicht auf. Noch in den 90er Jahren haben feministische Antigewalt-Gruppen die Einrichtung der DNA-Datenbank beim BKA als Mittel zur Aufklärung von Sexualdelikten abgelehnt und als trojanisches Pferd für den Überwachungsstaat bezeichnet. Sie haben darauf verwiesen, dass sexuelle Gewalt zum überwiegenden Teil nicht von Fremden, sondern von Personen aus dem familiären Umfeld oder Bekannten ausgeübt wird. Zudem zeigt zum Beispiel der Fall des Phantoms von Heilbronn, dass die DNA-Analyse längst nicht so fehlerfrei ist, wie immer behauptet.

3.) Basiert die DNA-Analyse nicht auf Freiwilligkeit?

A.: Über 90 Prozent der DNA-Profile in der BKA Datenbank werden von den Betroffenen ohne richterliche Anordnung abgegeben. Das macht den Druck deutlich, unter den diese Personen etwa in Verhörsituationen stehen und relativiert die vorgebliche Freiwilligkeit. Auch bei formal freiwilligen Massengentests ist der soziale Druck so hoch, dass nur wenige die Teilnahme verweigern.

4.) Was sind Ihre zentralen Forderungen?

A.: Zusammen mit dem Chaos Computer Club, der Humanistischen Union und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen fordern wir eine unabhängige, regelmäßige Kontrolle der Datenbanken. Nach einer Stichprobe des Datenschutzbeauftragten von Baden-Württemberg gab dieser im Jahre 2007 bekannt, dass 42 Prozent der überprüften Datensätze gelöscht werden mussten, weil sie unrechtmäßig gespeichert worden waren. Zudem fordern wir eine Revision des umstrittenen Gesetzes von 2005, das zu einer drastischen Expansion der DNA-Datenbank beim BKA geführt hat. Ein Verbot mittels DNA-Tests Verwandtschaftsbeziehungen und persönliche Eigenschaften zu ermitteln gehört ebenso dazu. Zudem setzen wir uns für einen Ausstieg aus dem globalen Datenaustausch ein.


5.) Welchen Vorteil sehen Sie darin?

A.: Der sogenannte Prozess von Prüm zur Vernetzung aller europäischen DNA-Datenbanken ist bereits in einem Beschluss der Europäischen Union (EU) verankert und soll bis zum 26. August diesen Jahres abgeschlossen sein. In einigen Ländern sind die rechtlichen Bedingungen noch schlechter als in Deutschland. So stellte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EuGH) fest, dass die britische Polizei mit ihrer DNA-Datenbank das Grundrecht auf Datenschutz sehr weitgehend verletzt hat. Dort wurden sogar bei einer Festnahme ohne Ermittlungsverfahren und bei jedem Bagatelldelikt auch die Daten von Kindern auf Dauer gespeichert.

6.) Ist Datenschutz bei der DNA-Analyse überhaupt möglich?

A.: Ein selbstorganisierter Datenschutz der DNA ist im Gegensatz zu den Kommunikationstechnologien nahezu unmöglich. Man kann seine DNA nicht einfach zu Hause lassen wie das Handy – und das DNA-Profil auch nicht verschlüsseln. Antirepressionsgruppen sollten darauf hinweisen, dass die Polizei keine DNA ohne richterliche Anordnung abnehmen darf. Außerdem gibt es die Möglichkeit mittels Klagen unrechtmäßig gesammelte DNA löschen zulassen. Allerdings gilt die Devise, die beste DNA ist die, die nicht abgegeben wurde.
 

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten das Interview vom Autor für diese Ausgabe.