Betrieb & Gewerkschaft
Nach dem straf- jetzt das zivilrechtliche Urteil gegen die „Contis“

von Bernard Schmid

6/10

trend
onlinezeitung

Sechs Lohnabhängige von Continental sollen je 1.280 Euro „Schadensersatz“ an den Staat zahlen. Auch hier wurde jedoch Wert auf ein politisch eher „deseskalierendes“ Urteil gegen die Angeklagten, bei gleichzeitiger Anerkennung ihrer „Schuld“ und der Legitimität des staatlichen Anspruchs, gelegt.

Wir berichteten an dieser Stelle in der Vergangenheit bereits ausführlich über den militanten Protest von Lohnabhängigen des Reifenherstellers Continental, die im April 2009 eine Unterpräfektur (staatliche Behörde, juristische Vertretung des Zentralstaats im Bezirk) in Compiègne – fünfzig Kilometer nördlich von Paris – zu Kleinholz verarbeiteten. Voraus ging die Ankündigung von Continental, das in der Nähe liegende Werk in Clairoix dicht zu machen, und ihre Absegnung durch staatliche Gerichte. Die Firma hatte zuvor in Clairoix neue Produktions- und Managementmethoden erprobt, und die Lohnabhängigen hatten in den Jahren zuvor „freiwillige“ Mehrheit ohne Lohnausgleich „zum Erhalt des Produktionsstandorts“ hingenommen. Doch kaum waren die Methoden erfolgreich ausgetestet worden, ging das Unternehmen zu einer Auslagerung der Produktion und der Arbeitsplätze an „billigere“ Standorte über. Die Unterpräfektur von Compiègne wurde demoliert, nachdem ein staatliches Gericht in Sarregemuines die Unternehmenspläne abgesegnet hatte.

Am o6. Februar 2010 waren sechs Lohnabhängige des Unternehmens in Amiens in zweiter Instanz zu Geldstrafen in Höhe zwischen 4.000 und 6.000 Euro verurteilt worden. Die im erstinstanzlichen Prozess verhängten Haftstrafen (auf Bewährung) wurden im Berufungsverfahren ausnahmslos aufgehoben. (Vgl. dazu ausführlich:
Urteil im Berufungsprozess gegen militante Continental-Beschäftigte  ) Alles in allem konnten die Urteile dennoch, trotz der Geldbußen – für welche die politische und gewerkschaftliche Solidaritätsbewegung aufkommen würde – als Versuch zur Deseskalation gewertet werden. Härtere Urteile, vor allem in Verbindung mit Freiheitsstrafen, hätten zu neuen Protesten Anlass gegeben. Die real gefällten Urteile führten jedoch real tatsächlich eher zu einer Beruhigung der Lage.

Nun folgte auf die straf- noch die zivilrechtlichen Urteile, auf die „Schadensersatz“klage des französischen Staates hin. Diese folgten nun am Mittwoch, o2. Juni. Auch sie liegen wohl auf der Linie der Strafrechtsurteile. Jeder der sechs Angeklagten schuldet der französischen Republik nun jeweils 1.280 Euro. (Hinzu kämen dann noch die Gerichtskosten).

Der Gesamtschaden an der Unterpräfektur in Compiègne wurde zuvor auf 52.662 Euro beziffert. Doch 40.000 Euro waren dem Staat bereits durch Versicherungen erstattet worden, und er verzichtete darauf, diesen Teil geltend zu machen. Er forderte so „nur“ noch die Erstattung der verbleibenden Restsumme. Diese wurde nun durch sechs (Personen) geteilt.

Nach Verkündung des Urteils wurden die Angeklagten durch 200 bis 300 Kollegen mit geballter, erhobener Faust empfangen. Die juristischen Verfahren sind nun für die meisten von ihnen zu Ende. Doch könnte der „Rädelsführer“ und CGT-Vertrauensmann Xavier Mathieu noch strafrechtlich verfolgt werden, weil er anlässlich des Prozesses am 07. April einen Speicheltest zwecks Erstellung einer DNA-Probe – zur Feststellung seiner „Tatbeteiligung“ – verweigert hatte. Dies ist nach geltendem Gesetz eine eigenständige Straftat.

Zum Ausgang des Prozesses, vgl. http://abonnes.lemonde.fr

 

Editorische Anmerkung

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.