Betrieb & Gewerkschaft

Rücktritt vom Betriebsratsamt erklärt

von Christine Rosenboom

06/10

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Heute Morgen habe ich nach reiflichen Überlegungen und Gesprächen mit Freunden dem Betriebsratsvorsitzenden des Betriebs NSN Martinstraße meinen Rücktritt vom Betriebsratsamt erklärt.

Ich war mit dem Anspruch zur Wahl angetreten, mein rechtliches Know-How in den Betriebsrat einzubringen und mitzuhelfen, einen starken Betriebsrat zu bilden, in dem NCI- und IGM-Mitglieder im Interesse der Belegschaft zusammenarbeiten. Weiter habe ich euch im Wahlkampf für das Betriebsratsamt versprochen, euch auf der NCI-Homepage über das Geschehen im Betrieb zu informieren und euch über eure Handlungsmöglichkeiten aufzuklären, so wie wir das bereits jahrelang vor dieser BR-Wahl getan haben. Der Name NCI steht für diese Offenheit. Ich wollte nie ein Betriebsrat sein, der der Belegschaft das, was für sie wichtig ist, vorenthält.

An der Information für euch über die NCI-Homepage entzündete sich bald nach der Wahl ein Konflikt mit der IG Metall, die im Betriebsrat die Mehrheit hat. Es begann mit der Ankündigung des Stellenabbaus und der Umorganisation von NSN. Hier schlug ich angesichts einer das gesamte Unternehmen verändernden Umorganisation eine eingehende Diskussion über die Folgen dieses Umbaus und einen Interessenausgleich für die Belegschaft vor. Niemand sollte durch diese Betriebsänderung ins Abseits gedrängt werden. Der IG Metall geführte Betriebsrat lehnte das jedoch ab und warf mir dann vor, auf der NCI-Homepage über das, was der Arbeitgeber plane, zu berichten. Die Vorwürfe gegen mich wurden jedoch nie konkretisiert und mir wurde keine Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Stattdessen hat die Mehrheit der Betriebsräte mich ohne konkret benannten und damit nicht nachvollziehbaren Grund aus dem Betriebsausschuss (BA) abgewählt. An meiner Abwahl haben sich leider auch die beiden ersten Mitglieder der NCI-Liste beteiligt. Diese Kollegen verhalten sich seither vollkommen IGM-konform.

Die Situation im Betriebsrat ist mittlerweile völlig eskaliert. Die Mehrheit im Betriebsrat betreibt gezieltes Information-Hiding gegen mich. Durch zu spätes Zustellen von Betriebsvereinbarungen oder sonstigen Unterlagen durch den amtierenden Betriebsratsvorsitzenden, oft erst kurz vor einer Sitzung, ist es mir nicht möglich, eine gründliche rechtliche Analyse vor einer Beschlussfassung durchzuführen. Meine Argumente werden nicht angehört, eine sinnvolle Diskussion des Für und Wider wird im Gremium nicht geführt. Ein konstruktiver Meinungsaustausch über für die Belegschaft wichtige Entscheidungen findet nicht statt.

Darüber hinaus lassen etliche IGM-Betriebsräte keine Gelegenheit aus, haltlose Gerüchte über mich in die Welt zu setzen und Druck auf mich auszuüben. Dies geht hin bis zu Beleidigungen, die weit unterhalb der Gürtellinie treffen.
Nach langer Überlegung habe ich mich daher entschlossen, mein Betriebsratsamt niederzulegen.
Ich kann gegen die Mehrheit im Betriebsrat nichts für die Belegschaft erreichen oder durchsetzen, im Gegenteil. Ich sehe keinen Sinn darin, mich in einem sinnlosen Kleinkrieg mit der IG Metall aufzureiben.

Eine „Integration“ meinerseits im Betriebsrat könnte nur erfolgen, wenn ich meine Arbeit auf der NCI-Homepage aufgeben würde. Ich müsste mich mit meinen Forderungen für die Belegschaft im Betriebsrat zurückhalten und könnte sie nicht weiter argumentativ vertreten. Ich müsste mich, um im Betriebsrat keinen weiteren Angriffen ausgesetzt zu werden, in Zukunft vollständig IG Metall konform verhalten. Das aber würde bedeuten, ich könnte euch nicht mehr informieren, müsste also nicht nur mein Wahlversprechen brechen, sondern auch meine Überzeugung, dass die Belegschaft ein Recht auf Informationen hat, aufgeben.

Es lohnt sich nur dort zu kämpfen, wo auch Aussicht auf Erfolg besteht. An der BR-Front weiter zu kämpfen ist jedenfalls völlig sinnlos. Damit vergeude ich nur meine Zeit und Energie, die ich anderweitig besser einsetzen kann. Ich stand also letztlich vor der Wahl: Betriebsratsamt oder offene Information. Beides lässt sich in diesem Betriebsrat nicht vereinen.

Ich habe mich für die offene Information und für die NCI-Homepage entschieden, denn ich weiß, dass unsere Seite viel gelesen wird, vielen in den nicht einfachen Zeiten eine Stütze ist und vielen Menschen weitergeholfen hat.
Der Traum von Gestern ist die Hoffnung von Heute und die Realität von Morgen. Ich persönlich bin überzeugt, dass die Aufklärung der Menschen über ihre Rechte, über ein Geschehen, das sie unmittelbar betrifft, auf Dauer nicht unterdrückt werden kann. Und um diesen Traum weiter leben und realisieren zu können, war ich gezwungen, mein Betriebsratsamt niederzulegen.

Editorische Anmerkung

Wir wurden aus unser LeserInnenschaft auf diesen Vorfall aufmerksam gemacht und entschieden uns, den Artikel von der NCI Homepage, wo er am 17.05.2010 veröffentlicht wurde, zu spiegeln.

Christine Rosenboom hat zusammen mit Inken Wanzek das Buch Arbeitsplatz in Gefahr - das sind Ihre Rechte geschrieben.

Verlag: Linde-Verlag
Seiten: 240, Paperback,
ISBN: 9783839116289
Preis: 14,90 €
zu bestellen bei: Amazon.


Rezension: Süddeutsche Zeitung

Das Buch ist aus der Praxis für die Praxis geschrieben. Es deckt das ganze Spektrum ab, das uns täglich begegnet: Angst vor Arbeitsplatzverlust, Aufhebungsvertrag, Beschäftigungsgesellschaft, betriebsbedingte Kündigung, Betriebsübergang, Betriebsschließung, Insolvenz, Trennungsgespräche, Mobbing und Mitarbeiternetz.