Die private Stadtpolizei
Rechtswidriges  “police private partnership“ zu Lasten des Steuerzahlers?

von Thomas Brunst

06/10

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Die Privatisierung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung treibt seltsame Blüten. In Südhessen ist der Geschäftsführer einer Sicherheitsfirma zum Stadtpolizisten ernannt worden. Parallel dazu sollen Kooperationen zwischen der Polizei und privaten Sicherheitsdiensten weiter ausgebaut werden. Durch den Verschmelzungsprozess der Sicherheitsbehörden mit der Sicherheitsindustrie werden die Grundrechte und das Gewaltmonopol beeinträchtigt.


Seit einigen Monaten wird - wieder einmal - verstärkt über private Sicherheitsdienste (PSD) diskutiert. Der Einsatz der Privaten im öffentlichen Raum und/ oder im Auftrag von Kommunen und Stadtverwaltungen ist ebenso umstritten wie offizielle Partnerschaften bzw. Kooperationsverträge (für größere Städte u. ganze Bundesländer) mit der Polizei. Gerade im Zusammenwirken mit der Polizei befürchten Kritiker eine Vermischung von öffentlichen und privaten Zuständigkeiten/Befugnissen, sowie eine Aufweichung des staatlichen Gewaltmonopols (Art. 33/4 GG) und des Datenschutzes. Die Fachwelt spricht bereits heute von “police private partnership“ (ppp), einem arbeitsteiligen Sicherheitsverbund, der künftig gemeinsam für öffentliche Sicherheit und Ordnung sorgen soll.

Im Bremen ist jüngst ein Kooperationsvertrag zwischen der Polizei und PSD gescheitert. Zu groß war der Widerstand seitens der Polizeibasis (Gewerkschaften und Personalräte) und der Politik gegen die Zusammenarbeit mit Sicherheitsfirmen. Quasi im Alleingang wollte Bremens Polizeipräsident einen Vertrag mit der Lobby der Sicherheitsindustrie, dem Bundesverband deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS), abschließen. Ungeachtet dessen möchte die Führung der Bremer Polizei die Zusammenarbeit mit den Privaten intensivieren.

In Niedersachsen besteht seit April dieses Jahres ein solches – landesweit gültiges – Abkommen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht schon jetzt von einem “Ausverkauf der Polizei“ sowie einer “Aushöhlung des staatlichen Gewaltmonopols“.

Auf einer Pressekonferenz tat sich Innenminister Uwe Schünemann sichtlich schwer, seinen Kooperationsvertrag mit dem BDWS zu begründen. BDWS-Unternehmen sollen im Rahmen dieser Partnerschaft “beobachten, erkennen und melden“ und somit das “Auge und Ohr“ der Polizei sein. Die Kooperationspartner verpflichten sich zudem zu regem und intensivem Informationsaustausch. Besonderst wird hierbei kritisiert, dass kooperierende PSD mit dem Schriftzug “Partner der Polizei“ auf ihren Einsatzfahrzeugen werben dürfen und in polizeiliche Fahndungen eingebunden werden sollen. Für die Öffentlichkeit entsteht so leicht der Eindruck, PSD hätten hoheitliche Befugnisse. (taz Nord, 16.04.10, Hamburger Abendblatt, 17.04.10)

“Schwarze Sheriffs“ im Main-Taunus-Kreis “ohne rechtliche Grundlage“

In Eschborn und Schwalbach (Main-Taunus-Kreis, Südhessen) wird seit Anfang dieses Jahres heftig um den kommunalen Einsatz privater Sicherheitsdienstleister gestritten. Landrat Berthold Gall und der Leiter der Polizeidirektion Main-Taunus, Jürgen Moog, halten PSD im öffentlichen Raum für rechtswidrig und empfehlen diese durch städtische Hilfspolizisten zu ersetzen. Laut Polizeidirektor Moog benötigen PSD auch für ihre bloße Anwesenheit auf öffentlichen Straßen und Plätzen eine rechtliche Grundlage. Diese gebe es jedoch nicht. Streifengänge seien laut Gesetz “hoheitliches Handeln“, das alleine der Polizei und den Ordnungsbehörden vorbehalten bleibe. Bereits mehrfach habe das Hessische Innenministerium diese Auffassung in Schreiben an Städte und Gemeinden klar vertreten.

Sogenannte “schwarze Sheriffs“ sind im gesamten Kreis in die Kritik geraten, weil u.a. bekannt wurde, dass sie noch nicht einmal um die Vorlage des Ausweises bitten dürfen. Allen Diskussionen zum Trotz will die Stadt Eschborn weiterhin mit Sicherheitsfirmen zusammenarbeiten und in neue Vertragsverhandlungen eintreten. (Frankfurter Rundschau, 05.02.10, 06.02.10 u. 03.05.10)

Baden-Württemberg: Private in 25 Städten und Gemeinden aktiv

In Baden-Württemberg haben rund 25 Städte und Gemeinden Sicherheitsfirmen mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beauftragt – Tendenz steigend.

Bei der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) ist man wenig erfreut über diese Entwicklung: "Polizeiliche Arbeit muss eine hoheitliche Aufgabe bleiben", sagt deren Landesvorsitzender Joachim Lautensack. Denn die Privaten verfügten einfach nicht über das Know-how der "umgänglich ausgebildeten" Staatsdiener. In brenzligen Konfliktsituationen könnten die Privatsheriffs nur "kommunikativ" auf die Übeltäter einwirken. Festnehmen darf laut Gesetz nur die Polizei.

Weniger begeistert von privaten Sicherheitsdiensten ist man auch in Kornwestheim. Am Bahnhof und im Stadtpark wollte die Gemeinde für Ordnung sorgen. Doch ohne Erfolg. "Den Jugendlichen ist durchaus bewusst, dass Sicherheitsdienste nur beschränkte Eingriffsrechte haben", heißt es auf dem Rathaus. Der Kommentartor der Schwäbischen Post kommt zu einem nüchternen Ergebnis: Zitat: “Gut möglich, dass der Boom der Security sogar politisch gewollt ist. Ihre Präsenz im öffentlichen Raum kaschiert nämlich den Mangel chronisch unterfinanzierter und unterbesetzter Polizeireviere. Doch im Kern stiehlt sich die Politik aus der Verantwortung, wenn sie das Gewaltmonopol an die Privatwirtschaft weiterreicht.“ (Stuttgarter Nachrichten, 21.02.10, Schwäbische Post, 30.04.10)

“Samurai Statt-Polizei“ – ppp in “höchster“ Vollendung

Im Odenwald (Südhessen) hat die Stadt Höchst den Geschäftsführer des “Samurai Security Service“, Ülkü Ismail, kurzerhand zum Stadtpolizisten ernannt. Mit städtischem Hoheitsabzeichen und dem Uniform-Schriftzug “Stadtpolizei“ ist der Security-Mann nun Hilfspolizist und somit Amtsträger der Stadt Höchst. Im Samurai Firmen-Pkw und zusammen mit anderen Samurai-Kollegen bestreift er – vorwiegend Nachts – im öffentlichen Auftrag das Stadtgebiet von Höchst und arbeitet ganz nebenbei seine Privatkunden ab. Der Fernsehsender Kabel 1 hat in seiner Reportagenreihe “Achtung, Kontrolle! Einsatz für die Ordnungshüter“ die “Samurai-Polizei“ begleitet; unter youtube (siehe “Textquellen/Links“) kann ein Mitschnitt angesehen werden. O-Ton K1-Reportage: „Für Ülkü und Arsu geht es weiter zum nächsten Einsatz. Sie sollen die Kunstsammlung eines Privatkunden überwachen. Drei mal pro Nacht müssen die beiden als Schafhirten arbeiten. Auch das gehört zur Arbeit eines Security Service einer Kleinstadt.“

Das ppp-Modell der Stadt Höchst gibt Anlass zur Kritik: Nicht nur das hier eine Sicherheitsfirma für öffentliche Sicherheit und Ordnung sorgt. Die private Stadtpolizei bzw. die Samurai Security tritt bei der Durchführung ihrer privaten Aufträge als staatliche Exekutive und somit als “Staatsmacht“ auf. Es besteht hier nicht nur die Gefahr, dass die zahlende Privatkundschaft die Arbeitsweise und das Handeln der höchster “Stadtpolizei“ beeinflusst; staatliche Ordnungsbefugnisse könnten zur Durchsetzung rein privater Auftragsinteressen missbraucht werden. Das Gewaltmonopol der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Art. 33 Abs. 4 Grundgesetz werden hierbei ignoriert.

Gemischte Streifen, bestehend aus Hoheits-/Amtsträgern und privaten Sicherheitspersonal (Stichwort: Bahnsicherheit der DB AG) sind allein aus Gründen des Datenschutzes sehr umstritten. Der Datenschutz ist bei der höchster Stadtpolizei faktisch nicht gegeben, weil Stadtpolizist Ülkü Ismail aus seiner Sicherheitsfirma heraus operiert und seine Firmenkollegen bei Streifen- und Einsatzfahrten an seiner Seite sind. Die Mitarbeiter der Samurai Security bekommen Identitätsfeststellungen durch den Stadtpolizisten mit; am Firmensitz des Samurai Security Service in Bad König gehen Informationen des Stadtpolizisten, der Landespolizei und des Ordnungsamtes ein und werden dort bearbeitet und weitergeleitet. Das Samurai Security Service auch eine Detektei betreibt macht das Thema Datenschutz nicht einfacher. Fest steht: Stadtpolizist Ülkü Ismail ist auch Geschäftsführer eines profitorientierten Unternehmens!

Polizeiliches Rechtsempfinden versus politischem Sicherheitshandeln

Der Umgang der Polizei mit PSD wirkt unentschossen und ist umstritten. Die Auftragsvergaben (an Private) vieler Stadt-/Gemeindeverwaltungen im Bereich der kommunalen Sicherheit und Ordnung sind rechtlicht fragwürdig. Sollte sich hier die Rechtsauffassung von Polizeidirektor Moog bestätigen, hieße dies, dass in vielen deutschen Städten und Gemeinden Sicherheitsfirmen unrechtmäßig und zu Lasten des Steuerzahlers ihre Arbeit verrichten. Fakt ist: Die steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürger müssen immer häufiger für ihre (öffentliche) Überwachung und Kontrolle durch Unternehmen bezahlen, weil hierbei - im Zuge von Privatisierungen - die höchste deutsche Rechtsordnung häufig keine Beachtung findet. Der Bund der Steuerzahler (BdSt) Niedersachsen kritisierte diese Entwicklung bereits im Jahr 2000, und meinte, dass es dem Steuerzahler nicht zugemutet werden können “doppelt“ für öffentliche Sicherheit und Ordnung zu bezahlen; einmal für staatliche Amtsträger (Polizei und Ordnungsämter) und zusätzlich noch für öffentlich beauftragte PSD (Neue Presse, 04.01.00). Alleine aus diesem Grund greift das Argument der “Kostenersparnis für die öffentlichen Hand“ durch “outsourcing“ von Sicherheitsdienstleistungen nicht.

Als Kooperations- bzw. “Juniorpartner“ der Polizei - durch ppp - möchten sich vor allem “Gütesiegel“-Unternehmen des BDWS verstärkt für öffentliche Auftragsnahmen qualifizieren; mit Kooperationsverträgen alleine lässt sich nämlich kein Geld verdienen. Langfristige und stabile Verträge (am Tropf des Steuerzahlers) sind gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise wichtig und Garant für lukrative Gewinne.

Dass durch den “Verschmelzungsprozess“ zwischen staatlichen und privaten Sicherheitsdienstleitern die Grundrechte und der Datenschutz beeinträchtigt und das Gewaltmonopol mehr und mehr ausgehöhlt wird, scheinen die ppp-Befürworter billigend in Kauf zu nehmen. Ob diese Entwicklung politisch gewollt ist, mag dahin gestellt sein. Das ein Sicherheitsunternehmen “Stadtpolizei“ spielen darf und dadurch wirtschaftliche Interessen mit staatlichen Machtbefugnissen ausgestattet werden sollte zu denken geben!

Textquellen/Links:

Securitys im staatlichen Dienst (taz Nord, 16.04.10)
http://www.taz.de/1/nord/artikel/1/securitys-im-staatlichen-dienst/

Polizei kooperiert mit privaten Sicherheitsdiensten (Hamburger Abendblatt, 17.04.10)
http://www.abendblatt.de/region/norddeutschland/article1461782/Polizei-kooperiert-mit-privaten-Sicherheitsdiensten.html  

Eschborn/Schwalbach: Hilfspolizei oder Schwarze Sheriffs? (Frankfurter Rundschau, 05.02.10)
http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen

Streit um Schwarze Sheriffs "Ohne rechtliche Grundlage" (Frankfurter Rundschau, 06.02.10)
http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen

Städte helfen sich mit Privatsheriffs (Stuttgarter Nachrichten, 21.02.10)
http://www.stuttgarter-nachrichten.de

Kommentar: Security (Schwäbische Post, 30.04.10)
http://www.schwaebische-post.de/login.php?aid=487035

Achtung, Kontrolle! Einsatz für die Ordungshüter (Kabel 1, 12.10.09)
„Bad König im Odenwald: Ülkü und Arsu vom Samurai Security Service sorgen im Auftrag der Gemeinde Höchst dafür, dass die Jugendlichen sich benehmen. Immer wieder macht eine Gruppe Jugendlicher die Stadt mit ihren getunten Autos unsicher.“  http://www.youtube.com/watch?v=YB2F4A2uJlM

Samurai Security Service, Bad König
http://www.samurai-security.eu/

Mehr Informationen zum Thema:

Die private Stadtsicherheit - Wie in Deutschland eine milliardenschwere Sicherheitsindustrie an Einfluß gewinnt und ihre Macht die Grundrechte gefährdet (Trend, Apr. 04)
http://www.trend.infopartisan.net/trd0804/050804.html

Schweiz/BRD: Polizeigewerkschaften und PSD (Indymedia, Sep. 05)
http://de.indymedia.org/2005/09/128757.shtml

Editorische Anmerkungen
Den Aufsatz und das Foto erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.