HO-Gaststätte „Tutti Frutti“ in
der Spandauer Straße 4 in Berlin-Mitte,
wo am 22.9.1987 die „Arbeitsgruppe
Staatsbürgerschaft der DDR“
gegründet wurde - Aufnahme aus
den 80er Jahren von A. Dick
Was noch gar nicht
systematisch aufgearbeitet worden ist: Es gab in der DDR
nicht nur die innerparteiliche, die kirchliche, die
intelligenzgestützte, die Jugend- und die
Arbeiteropposition, es gab auch das, was man, ihrer
historischen Wurzeln wegen, auch die
jüdisch-sozialistische Opposition nennen
könnte, die in großer Streuung auftrat, nie nach außen, aber
doch stets hier und da spürbar vorhanden
war, als diffuser geistiger Unterstrom im
Massiv der DDR-Gesellschaft. Man wirkte in Bündnissen, leise und
unangestrengt, fühlte sich ihnen verpflichtet,
inspirierte sie aus eigener historischer
Erfahrung heraus, mehr unbewusst als bewusst, im steten
Verständnis jedoch, dass Bewegung und Gegenbewegung zwei
Seiten eines einheitlichen
gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses in der DDR bildeten.
Zu dieser Opposition gehörten nicht zuletzt die Töchter
und Söhne antifaschistischer Emigranten
mit ihrer internationalistisch grundierten
Sozialisation.
Deren Bezug zur DDR war nie antagonistisch, weil sie diese als
Schutzmacht gegen Restauration und
Neonazismus in der BRD anerkannten, aber sie waren
von ihrer Grundhaltung her zugleich nie national, sondern
vertraten einen sozialen
Internationalismus à la Marx, der bekanntlich vom Sozialismus
als einem welthistorischen Prozess
sprach, nicht vom isolierten Aufbau des
Sozialismus in einem Land. Deutschland? Das konnte unmöglich das
Ziel dieser zahlenmäßig kleinen und
diffusen DDR-Strömung sein. Die libertäre
Internationale? Die gab es noch nicht. Das war ihr treibender
Widerspruch, ein Widerspruch übrigens,
der sich aus den Grundwidersprüchen der gesamten
politischen Emigration ableitete, wie sie auf das
prägnanteste von ihrem Haupt, Thomas
Mann, unmittelbar nach der militärischen Niederringung
Nazideutschlands auf den Begriff gebracht worden waren,
in seiner Rede nämlich vom 6. Juni 1945
in der Library of Congress in Washington, die als
Broschüre dann den Weg in die Welt antrat, zuerst unter
dem Titel „Germany und the Germans“ in
einer Drucklegung der Library of Congress in Washington,
ab Oktober 1945 als erste deutschsprachige
Veröffentlichung unter dem Titel
„Deutschland und die Deutschen“, die der nach Stockholm
emigrierte Bermann-Fischer Verlag
besorgte, und ab Mai 1947 schließlich, sieht man von
einer Auszugsveröffentlichung in einer Rückübersetzung
aus dem Englischen am 30. Juni 1945 in
einer Münchener Zeitung ab, als erste deutschsprachige
Veröffentlichung auf deutschem Boden in einer Auflage von
20.000 Exemplaren, besorgt vom Suhrkamp
Verlag in Berlin, in der Stadt, in der ich vierzig
Jahre später als Aktivist eben jener
jüdisch-sozialistischen Opposition die
autonome „Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“
gründete, im Ostteil der Stadt,
Hauptstadt der DDR. Doch davon später.
Als universitär ausgebildeter Theaterschaffender geriet ich Ende
der siebziger Jahre zunehmend in
Kollision mit der DDR. Das Deutsche Theater
Berlin, an dem ich als Dramaturg tätig gewesen war,
beauftragte mich 1978 mit der Leitung des
Arbeitertheaters des Kabelwerkes Oberspree Berlin, mit
dem es durch einen Patenschaftsvertrag, der auf den
Exiltheaterschaffenden Wolfgang Langhoff
zurückging, freundschaftlich verbunden gewesen war.
Inspiriert von den Erfahrungen des jungen Brecht, der
ganz zielgerichtet mit
Arbeiterschauspielern kooperierte, von Ernst Tollers
proletarischer Revue „Hoppla, wir
leben!“, von den Theaterumwälzungen Piscators und der jungen
Sowjetmacht, von der Bildkraft eines John Heartfield und
von der Rhythmik und Sprachkunst der
Lieder und Märsche der internationalen Arbeiterbewegung,
setzte ich die Schwerpunkte der künstlerischen Arbeit:
Arbeiterdemokratie, Antikriegsarbeit,
antifaschistische Jugendarbeit, Demokratisierung der
Beziehungen zwischen Theater und Publikum, Theater der
Improvisation in Schulen, Jugendwerkhöfen
und Jugendclubs, Straßentheater. Es hagelte
Medaillen und Verbote in irritierender Abfolge. Im Jahre 1982,
auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges,
dann die jähe Wende: eine Performance des
KWO-Arbeitertheaters gegen die Aufrüstung mit atomaren
Mittelstreckenraketen in West- und
Osteuropa, ein kollektiver Akt der Empörung gegen den
todbringenden Aufrüstungswahn auf beiden Seiten der
Mauer, mit dem ich mir den harten Vorwurf
des Pazifismus einhandelte, nicht zuletzt wegen der
Theatralisierung des Wortes von Brot und Wein, einer
Metapher für engagierte Brüderlichkeit
aus der jüdisch-biblischen Überlieferung, die später nicht
nur die christliche Kirche, sondern auch Dichter wie
Hölderlin oder der Exilautor Kurt Barthel
(Kuba) emblematisch verarbeitet hatten. Allein: Meine
Verteidigung verhallte in den endlosen Wandelgängen der
DDR-Kulturbürokratie, denn ein solcher Empörungsakt, zu
dem sich kein einziges Theater der DDR,
ob Berufs- oder Amateurtheater, aufschwingen
wollte, zog mit militärdemokratischer Konsequenz nur zwei
Antworten nach sich: Berufsverbot und
MfS-Repressalien. Das Ensemble von hervorragend
arbeitenden Amateurschauspieler wurde zerschlagen,
zunichte gemacht wurde auch ein letzter
und tapferer Versuch eines Initiativkreises der
Amateurschauspieler zur Rettung dieses innovativen
Arbeiterkulturprojektes kraft Bittgesuch
an die Verantwortlichen, indem man nach bewährter Methode
disziplinierte.
Nach so erzwungenem Antrag auf Ausreise aus der DDR vom Dezember
1986 gründete ich zusammen mit einem
anderen Theaterregisseur und zwei anderen
Aktivisten nach langer, gründlicher Vorbereitungsphase im Herbst
1987 die „Arbeitsgruppe
Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“. Diese Oppositionsgruppe,
die ich strikt auf Dialog statt Konfrontation mit der
Staatsmacht orientierte, gewährte sowohl
ausreisewilligen DDR-Bürgern als auch in der
DDR lebenden Ausländern Beratung und rechtlichen Beistand
in staatsbürgerschaftsrechtlichen Fragen,
nicht zuletzt auch und gerade unter
Berufung auf das moderne Völkerrecht und die Allgemeine
Erklärung der Menschenrechte vom 10.
Dezember 1948.
Was geschah nach meiner Ausreise in der ersten Oktoberwoche 1987
mit dieser wirkmächtigen Gruppe? Sie driftete, die Konfrontation suchend,
ins Nationale ab, wie auch der Politikwissenschaftler Jan Athmann in
seiner vom Historiker Wolfgang Wippermann betreuten Magisterarbeit „ ‚Wir
bleiben hier’ Die Auseinandersetzung innerhalb der neueren
DDR-Oppositionsbewegung um die ‚Ausreiser’ “ diagnostizierte: „Ausreise …, ohne sich für die
alternativen politischen Ideen zu interessieren.“ Zuletzt war sie nur noch
eine an „nationalstaatlichen Werten orientierte Formation“ und zerbrach
daran. Statt diese für DDR-Verhältnisse einzigartige Bürgerrechtsgruppe durch
die Irrungen und Wirrungen der Zeiten zu tragen, vor allem um
Flüchtlingen, Asylbewerbern, Gastarbeitern, in- und ausländischen
Antragstellern auf gesicherte Ein- oder Ausbürgerung, Doppelstaatlern und
Staatenlosen
wirksamen Rechtschutz bieten zu können, wie es beispielsweise
unabhängige Gewerkschafter in Österreich in selbstlosem Einsatz für
Migranten seit Jahren in einer solchen Staatsbürgerschaftsrechtsgruppe
praktizieren, instrumentalisierte man sie für das Projekt einer schnellen
Massenausreise aus der DDR und verriet damit das eigentliche politische
Anliegen dieser Gruppe – die Solidarität, sowohl die mit Antragstellern als auch
die mit Nichtantragstellern. Unter der Wucht des Massenexodus von
Antragstellern im Januar / Februar 1988 und der ihr folgenden staatlichen
Gegenwehr zerbarst die „Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“. Dies alles
geschah in diametralem Gegensatz zum Grundkonsens der Gründer dieser
Oppositionsgruppe: unbedingter Erhalt der Gruppe als ständiger Anlaufpunkt für
Hilfesuchende, keine Gefährdung ihres Überlebens durch mediengestütztes
Ausreisebegehren.
In der offiziösen DDR-Forschung insgesamt, nicht nur bei dem
hier zu kritisierenden Autor Ehrhart Neubert, wird der Widerspruch
zwischen dem Ideal der politischen Emanzipation und dem nationalen Impuls,
der die Entwicklung dieser wichtigen Oppositionsgruppe nach ihrer
Gründung zunehmend charakterisierte, ignoriert, um diesen Verrat nicht
thematisieren zu müssen. In dem von der in Bonn ansässigen Bundeszentrale für politische
Bildung im Jahre 2006 herausgegebenen Standardwerk „Geschichte der
Opposition in der DDR 1949 – 1989“ eliminiert der Autor Ehrhart Neubert (CDU), ein
Aktivist der kirchlichen Opposition, mich, einen Aktivisten der
jüdisch-sozialistischen Opposition, sowie einen anderen
kosmopolitisch orientierten Mitbegründer der „Arbeitsgruppe
Staatsbürgerschaftsrecht der
DDR“ aus der geschriebenen Geschichte, und dies gegen alle
wissenschaftlich gesichtete und gesicherte Wahrheit. Auf meine begründete
Intervention vom April 2006 an den Präsidenten der Bundeszentrale für politische
Bildung Thomas Krüger (SPD) wird die Rehabilitierung der historischen
Wahrheit über die „Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“ verbindlich
zugesichert, doch Ehrhart Neubert entzieht sich ihr elegant
mittels Verlagswechsel. Im Piper Verlag München kommt 2009 sein zweites
Standardwerk „Unsere Revolution. Die Geschichte der Jahre 1989 / 90“ heraus,
durchsetzt, was die Darstellung der „Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht
der DDR“ anbetrifft, von demselben Eliminierungsverfahren.
Auf meine erneute Intervention vom April 2009 folgte nichts als
Schweigen von Autor und Verlag. Auch ein Schreiben vom Juni desselben
Jahres vermochte dieses Schweigen nicht aufzubrechen. Dann ein
Telefonat: Der Piper Verlag verweigerte, ganz im Gegensatz zur Bundeszentrale für
politische Bildung, die Korrektur der Falschdarstellung.
Warum diese neue Mauer, nunmehr eine des Schweigens über die
Zeiten der Mauer?
Die eigenständige und höchst widersprüchliche Geschichte der
„Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“ soll umgedichtet werden zu
einer widerspruchsfreien Zuliefergeschichte für die Gesamtdarstellung
eines von nationalen Kräften geschaffenen Nationalepos Deutschland. Dass
Ehrhart Neubert dabei nicht davor zurückschreckt, Glaubensbrüder aus der
Geschichte zu vertreiben, wie beispielsweise das bereits erwähnte
Gründungsmitglied, das sowohl ein inspirierter Christ als auch ein
Nicht-Antragsteller war,
scheint ihn nicht weiter anzufechten.
Überhaupt scheint diesem DDR-Forscher, zugespitzt formuliert,
die Opferung behutsam aufgebauter und dynamisch sich entfaltender
alternativer Bündnisarbeit auf dem Altar des Nationalen das eigentliche Ziel
bei der Erforschung der Geschichte der „Arbeitsgruppe
Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“ zu sein. Nach Dokumentenlage dürfte ihm aber bekannt sein,
dass die Initiative zur Gründung dieser Oppositionsgruppe, einschließlich
ihrer Namensgebung, von mir ausging, und zwar auf dem Ostberliner
Evangelischen Kirchentag im Protestsommer von 1987 im Rahmen der „Kirche von
unten“, dieses wundervoll-buntscheckigen Sammelbeckens aller
alternativen Strömungen der DDR, auf dem er – niemand möge dies bezweifeln! –
an herausragender Stelle tätig gewesen war, während ich mich,
vorwiegend noch zuhörend, unter alternativen Umweltgruppen umtat, um eine
wahrheitsgetreue Publikation über die Lage der Grünen in der DDR vorzubereiten.
Nach Dokumentenlage müsste ihm ferner bekannt sein, dass vielfältige
christlich-marxistische und christlich-jüdische
Bündnisaktivitäten der im September 1987 vollzogenen Gründung der „Arbeitsgruppe
Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“ vorausgingen, ohne
Schwerpunktlegung auf das Nationale, ganz im Gegenteil, in bewusster Fortsetzung der
Bündnisarbeit von Marxisten, Juden und Christen auf einem hohen Niveau der
politischen
Reife während der Zeit des antifaschistischen Widerstandes,
wovon meine Eltern und andere Widerstandskämpfer immer wieder mit
Hochachtung zu berichten wussten. So kooperierte ich zwecks Verständnis des
Gegensatzes zwischen Menschen- und Staatsrechten sowohl mit dem in ganz
Ostberlin geachteten Pfarrer Martin-Michael Passauer von der Evangelischen
Gemeinde der Sophienkirche im Stadtbezirk Berlin-Mitte, dessen Vater als
Mitglied der Bekennenden Kirche von den Nazis verfolgt und ins Gefängnis
geworfen worden war, als auch mit namhaften Vertretern der „Aktion
Sühnezeichen“, die sich weltweit und mit großem Engagement um die jüdischen Opfer der
Hitlerdiktatur kümmerten, und nicht wenige der hierbei gewonnenen
Diskussionsergebnisse
beflügelten auch die dann folgende Gründung der „Arbeitsgruppe
Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“. Nicht unwesentlich zu
betonen, dass sich diese Bündnisarbeit jüdisch-sozialistischer Opposition bereits
während der Theaterarbeit im KWO-Arbeitertheater herausgebildet hatte, so
beispielsweise bei der Vorbereitung und Inszenierung der Antikriegsperformance,
die durch ausführliche Fachgespräche mit dem Leiter des Ostberliner
Antikriegsmuseums, einem engagierten Katholiken, kontinuierlich begleitet wurden.
Dass die offiziöse DDR-Forschung insgesamt, so auch Ehrhart
Neubert, in der Darstellung der Geschichte der „Arbeitsgruppe
Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“ einen ihrer wichtigsten Mitbegründer gezielt eliminiert,
nur weil er zu den Protagonisten der internationalistisch denkenden
jüdisch-sozialistischen Opposition in der DDR gehörte, beweist aber nicht nur, um einen
klassischen Ausdruck von Marx zu verwenden, deren „nationale Borniertheit“,
sondern auch deren Unfähigkeit, die eigenen progressiven Denk- und
Bündnistraditionen, soweit sie im christlich-jüdischen Menschenbild ihre Wurzeln
haben, zu bewahren und schöpferisch weiterzuentwickeln. Brot und Wein im
übertragenen
Sinne des Wortes dagegen teilte mit einem ehemaligen Aktivisten
der jüdisch-sozialistischen Opposition auch zwanzig Jahre später
ganz bewusst ein anderer ehemaliger Aktivist der oppositionellen „Kirche von
unten“, nämlich der bereits erwähnte Präsident der Bundeszentrale für
politische Bildung Thomas Krüger, Theologe wie Ehrhart Neubert. Kurz nach
Zusicherung für die Korrektur der Falschdarstellung der Geschichte der
„Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“ in dem von der Bundeszentrale
für
politischen Bildung im Jahre 2006 herausgegebenen Standardwerk
„Geschichte der Opposition in der DDR 1949 – 1989“ ließ er mir in
Anerkennung des politischen Engagements meiner Eltern während des
antifaschistischen Exils sowie in Anerkennung meines eigenen Engagements innerhalb der
jüdisch-sozialistischen Opposition der DDR zwei Grundlagenwerke
der wissenschaftlichen NS-Forschung sowie eine Dokumentation über
ein individuelles jüdisches Verfolgungsschicksal, als deren
Herausgeber die Bundeszentrale für politische Bildung verantwortlich zeichnet,
zwecks Fundierung von Fragestellungen der wissenschaftlichen
Exil-Forschung, an denen ich gerade intensiv arbeitete, zukommen: Saul Friedländers
Standardwerk „Das Dritte Reich und die Juden. Verfolgung und
Vernichtung 1933 – 1945“, den von Karl Dietrich Bracher, Manfred Funke und
Hans-Adolf Jacobsen betreuten Sammelband „Deutschland 1933 – 1945. Neue
Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft“ sowie Martin Doerrys
biographischer Bericht „ ,Mein verwundetes Herz’ . Das Leben der Lilly Jahn
1900 – 1944“.
Und die aktuelle Bedeutung dieser zeitgeschichtlichen
Kontroverse?
Die Antwort liegt auf der Hand: Schutz des jüdischen Lebens,
Schutz der jüdischen Tradition, Schutz des jüdischen Erbes, wozu
zweifelsohne auch die fruchtbringenden Beiträge der jüdisch-sozialistischen Opposition
in der DDR gehören. Der Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und dem Zentralrat der Juden hebt gleich mit den ersten Worten der
Präambel dieses unveräußerliche Recht auf Schutz unmissverständlich hervor: „Im
Bewusstsein der besonderen geschichtlichen Verantwortung des deutschen
Volkes für das jüdische Leben in Deutschland, angesichts des unermesslichen
Leides, das die jüdische Bevölkerung in den Jahren 1933 bis 1945 erdulden
musste, geleitet von dem Wunsch, den Wiederaufbau jüdischen Lebens in Deutschland
zu fördern und das freundschaftliche Verhältnis zu der jüdischen
Glaubensgemeinschaft zu verfestigen und zu vertiefen, schließt die Bundesrepublik
Deutschland mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland folgenden Vertrag …“ Ein
weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu: die besondere Verantwortung Ehrhart
Neuberts als Christ gegenüber den Juden und ihrem Erbe. Die in der
Bundesrepublik Deutschland arbeitenden Gesellschaften für Christlich-Jüdische
Zusammenarbeit, die von allen demokratischen Parteien getragen
und unterstützt werden, also auch von der CDU, d. h. von der Partei,
der Ehrhart Neubert angehört, sind unmittelbar nach Zerschlagung des
Hitlerfaschismus von Teilen der Anti-Hitler-Koalition sowie der
Schweiz auf dem Boden des untergegangenen Deutschen Reiches ins Leben
gerufen worden. „Die Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit“,
heißt es in einer Erklärung des Deutschen Koordinierungsrates dieser
gesellschaftlichen Verbände, „sind in der Bundesrepublik nach der Befreiung vom
nationalsozialistischen Unrechtsstaat entstanden. Sie wissen von
der
historischen Schuld und stellen sich der bleibenden
Verantwortung angesichts der in Deutschland und Europa von Deutschen und in deutschem
Namen betriebenen Vernichtung jüdischen Lebens. Begründet in der
biblischen Tradition folgen sie der Überzeugung, dass im politischen und
religiösen Leben eine Orientierung nötig ist, die Ernst macht mit der
Verwirklichung der Rechte aller Menschen auf Leben und Freiheit ohne
Unterschied des Glaubens, der Herkunft oder des Geschlechts.“ Die von Ehrhart
Neubert im Rahmen seiner DDR-Forschung exzessiv betriebene Eliminierung
gegenüber einem ehemaligen Aktivisten der jüdisch-sozialistischen Opposition in
der DDR hat vor den bedeutsamen Zielen und Aufgaben der in der
Bundesrepublik Deutschland tätigen Gesellschaften für Christlich-Jüdische
Zusammenarbeit keinen Bestand. Der Christ und Theologe Ehrhart Neubert steht
jedoch kraft dieser von allen demokratischen Parteien der Bundesrepublik
getragenen Grundsatzerklärung ohne Wenn und Aber in einer „bleibenden
Verantwortung“ gegenüber dem jüdischen Erbe mit all seinen Zeugen und
Repräsentanten.
‚Brot und Wein’ – in welcher Beziehung steht dieses biblische
Symbol zu den hier skizzierten Auseinandersetzungen um die Wahrheit in der
zeitgeschichtlichen Forschung?
‚Brot und Wein’ versinnbildlicht Gerechtigkeit. Erstes Buch Mose
14, 18: „Und Malki-Zedek, König von Schalem, brachte Brot und Wein
heraus; er war aber Priester des höchsten Gottes.“ Zedek bedeutet
Gerechtigkeit. Geht es denn gerecht zu in der von Ehrhart Neubert geschaffenen Welt von
Fehlinterpretationen der „Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht
der DDR“? Gerechtigkeit in vorliegender Auseinandersetzung hieße, die
Kraft aufzubringen, einem Beteiligten zuzuhören, der sich zu Wort
meldet gegen
das ungerechtfertigte Weglassen empirisch belegter
Geschichtsfakten. Gerechtigkeit hieße diesbezüglich, die Kraft aufzubringen, einem
Beteiligten zuzuhören, der sich zu Wort meldet gegen die Umdichtung
historisch erwiesener Zusammenhänge. Gerechtigkeit hieße diesbezüglich die
Kraft aufzubringen, einem Beteiligten zuzuhören, der sich zu Wort
meldet gegen die Eliminierung der sie tragenden Protagonisten aus dem Korpus der
Geschichtsschreibung. Wie kann es sein, dass ein gläubiger
Mensch, der als
Historiker arbeitet, Ort und Zeit der Gründung der
„Arbeitsgruppe
Staatsbürgerschaft der DDR“ in seiner Darstellung einfach
umfälscht? Aus dem
22. September 1987, dem tatsächlichen Tag der Gründung dieser
Oppositionsgruppe, den wahrheitswidrigen Tag 27. September 1987
macht? Aus der HO-Gaststätte „Tutti Frutti“ in der Spandauer Straße 4 in
Berlin-Mitte, dem tatsächlichen Ort der Gründung dieser Oppositionsgruppe, den
wahrheitswidrigen Ort Umweltbibliothek der Zionskirch-Gemeinde
in der Griebenowstraße 16 in unmittelbarer Nähe zum Stadtbezirk
Berlin-Prenzlauer Berg macht? Und diese Fälschung über einen Zeitraum von fast
einem halben Jahrzehnt aufrechterhält? Trotz Abmahnung durch den
Gruppengründer und die Bundeszentrale für politische Bildung? Und dies nicht in
irgendwelchen Detailuntersuchungen, sondern in von renommierten Verlagshäusern
betreuten Standardwerken der DDR-Aufarbeitung?
‚Brot und Wein’ versinnbildlicht Frieden. Die Friedenssehnsucht
lebt vor allem am Sabbat, an dem Tag des Ruhens und Nichtarbeitens, an
dem gemeinsam das Brot gebrochen, an dem gemeinsam der Wein getrunken wird.
‚Brot und Wein’ wurde bei der Antikriegsperformance von 1982 in Ostberlin
zu eines der Hauptgestaltungsmittel des KWO-Arbeitertheater, um dieser
fundamentalen Sehnsucht in Zeiten lebensbedrohender Aufstellung von atomaren
Mittelstreckenraketen auf beiden Seiten der Mauer lebendigsten
Ausdruck zu verleihen. In dem von Ehrhart Neubert erarbeiteten Standardwerk
„Geschichte
der Opposition in der DDR 1949 – 1989“ wird jedoch diese
wichtige oppositionelle Friedensarbeit des KWO-Arbeitertheaters
ausgegrenzt, mit keinem einzigen Wort erwähnt. Für ein Standardwerk über
DDR-Opposition absolut nicht nachvollziehbar, repräsentierte doch dieser
Einsatz für den Frieden eine für DDR-Verhältnisse radikal und geschichtsbewusst
durchgeführte oppositionelle Friedensarbeit außerhalb der
Kirche, nämlich betriebsgebunden, womit sich übrigens eine an das Kabelwerk
Oberspree gebundene Friedensarbeit interessanterweise wiederholte bzw.
fortsetzte, denn ein Angehöriger der jüdischen Unternehmerfamilie Cassirer,
die maßgeblich am wirtschaftlichen
Aufstieg des Berliner Kabelwerkes Oberspree
beteiligt gewesen war, der Kunstmäzen und Verleger Paul
Cassirer, wurde 1916 wegen seines offenen Bekenntnisses zum Pazifismus
kurzzeitig von den Nationalen in Haft genommen, worauf er nach Entlassung sofort in
die Schweiz emigrierte, um dort die internationale Friedensarbeit
gegen die in einen blutigen Weltkriegswahn verwickelten Nationalstaaten
systematisch
vorantreiben zu können.
‚Brot und Wein’ versinnbildlicht Weltbürgerlichkeit. Jesaja 58,
5 – 7: „Ist das ein Fasten, an dem ich gefallen habe, etwa wie dies: Ein
Tag, an dem ein Mensch sich demütigt? Seinen Kopf zu beugen wie eine Binse und
sich in Sacktuch und Asche zu betten? Nennst du das ein Fasten und ein
dem Herrn wohlgefälligen Tag? Ist nicht vielmehr das ein Fasten, an dem
ich gefallen habe: Ungerechte Fesseln zu lösen, die Knoten des Joches zu
öffnen, gewalttätig Behandelte als Freie zu entlassen und dass ihr jedes
Joch zerbrecht? Besteht es nicht darin, dein Brot dem Hungrigen zu
brechen und dass du heimatlose Elende ins Haus führst?“ Im Gegensatz zu
diesem biblisch-weltbürgerlichen Gebot des Eintretens für „heimatlose
Elende“ schlägt sich der christliche Theologe Ehrhart Neubert in seiner
Untersuchung zur „Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“ auf die
Seite der Fraktion der Nationalen und grenzt dabei die Fraktion der
Weltbürger und politische Alternativen Suchenden aus. Statt sich den auf der
Tagesordnung stehenden wissenschaftlichen Aufgaben zu stellen, d. h. den real
existierenden gesellschaftlichen Gegensatz zwischen diesen
beiden Fraktionen unter Zugrundelegung der gesammelten empirischen Daten und
Fakten bewusst aufzunehmen, sorgfältig zu analysieren und zeitgeschichtlich
einzuordnen, vor allem seine konkrete Bewegung präzise nachzuzeichnen und
dann, das Feld seiner vielfältigen Lösungsmöglichkeiten, und zwar möglichst
unter Angabe von Wahrscheinlichkeiten, aufspannend, die sich am Ende real
durchsetzende Lösung des nach Auflösung drängenden Gegensatzes zu erfassen und
adäquat abzubilden, möglicherweise sogar unter Herausarbeitung der aus
dem Ergebnis dieser Gegensatzbewegung hervorgehenden
gesellschaftlichen Perspektiven, reduziert Ehrhart Neubert die hier zu leistende
historiographische Arbeit im Kern auf die bloße Parteinahme für
die Fraktion der Nationalen, also auf Ideologie.
Gerechtigkeit, Frieden, Weltbürgerlichkeit – bezüglich aller
drei Aspekte des komplex zu verstehenden Lebenssymbols ‚Brot und Wein’, wie
es die jüdische Denktradition Schritt für Schritt entwickelt hat,
scheitert, wie man gesehen hat, Ehrhart Neubert als Theologe und
Wissenschaftler im Rahmen der hier zur Diskussion stehenden Aufarbeitung von Kollisionen
in der DDR, weil er dem offenen Dialog mit einem Andersdenkenden ausweicht,
weil er die Notwendigkeit der Aufarbeitung der oppositionellen
Friedensarbeit des Arbeitertheaters des Kabelwerkes Oberspree negiert, weil er die
Aufarbeitung der oppositionellen Bürgerrechtsarbeit der
„Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“ unter untauglichen Prämissen
angeht.
Bleibt abschließend der Hinweis an den interessierten Leser,
dass beim Berliner Matthias-Domaschk-Archiv die bereits erwähnte
Magisterarbeit „ ‚Wir bleiben hier’ Die Auseinandersetzung innerhalb der neueren
DDR-Oppositionsbewegung um die ‚Ausreiser’ “ des
Politikwissenschaftlers Jan Athmann, erarbeitet an der Freien Universität Berlin, sowie
die von mir verfasste Studie „Zum gegenwärtigen Stand der Erforschung der
oppositionellen ‚Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR’
“ zur allgemeinen Nutzung vorliegen. Trotz seines äußerst
eingeschränkten Kenntnisstandes zu Entstehung und Geschichte der oppositionellen
‚Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“ verweigert
Ehrhart Neubert hartnäckig die Nutzung dieser beiden wichtigen
zeitgeschichtlichen Arbeiten, betrachtet man die Literaturverzeichnisse seiner beiden
Standardwerke. Auch das Quellenstudium anhand der Dokumentationen der
„Schubladentexte aus der DDR“, für deren Veröffentlichung der Mitbegründer der
oppositionellen DDR-SPD Torsten Hilse (MdA) sowie der Systemkritiker und
alternative DDR-Forscher Dieter Winkler verantwortlich zeichnen, verweigert
Ehrhart Neubert. In seinen beiden Standardwerken findet sich weder ein
Bezug auf Band II der „Schubladentexte aus der DDR“, in welchem die
oppositionelle
Friedensarbeit des Arbeitertheaters des KWO ausführlich
dokumentiert wird, noch ein Bezug auf Band III der „Schubladentexte aus der DDR“,
in welchem die oppositionelle Bürgerrechtsarbeit der „Arbeitsgruppe
Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“ ausführlich dokumentiert wird.
Anhang
Korrespondenz mit Autor und Verlagen im Ringen um die
Verteidigung der historischen Wahrheit bei der Darstellung der oppositionellen
„Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“ in wissenschaftlichen
Untersuchungen zur Geschichte der DDR:
Dr. Antonín Dick
Zu Händen von
Herrn Thomas Krüger
Präsident
BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG
Adenauerallee 86
53113 Bonn
24. April 2006
Darstellung der DDR-Freiheitsbestrebungen
Sehr geehrter Herr Krüger,
gestatten Sie mir bitte, mich vertrauensvoll an Sie in einer
Angelegenheit wahrheitsgetreuer Darstellung eines Beispiels der
Freiheitsbestrebungen in der DDR zu wenden.
Die Darstellung der Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der
DDR in dem von der Bundeszentrale für Politische Bildung edierten Werk
„Geschichte der Opposition in der DDR 1949 – 1989“ entspricht nicht der
Wahrheit, weil eine Hälfte der Wahrheit schlichtweg eliminiert wurde.
Im Jahre 1987 gründete ich, ein mit Berufsverbot belegter
DDR-Regisseur, zusammen mit dem Regisseur Günter Jeschonnek in Berlin (Ost) die
Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR.
Anfang der schwierigen 80er Jahre der DDR war ich im Rahmen der
oppositionellen DDR-Friedensbewegung aktiv tätig. Wegen der
Inszenierung eines Theaterstückes in Berlin (Ost) gegen die Bewaffnung Ost-
und Westeuropas mit atomaren Mittelstreckenraketen – die einzige
politisch direkte Theaterinszenierung in der gesamten damaligen DDR gegen
den Wahnsinn der Aufrüstung! – erhielt ich Berufsverbot und wurde Opfer von
Aktivitäten
des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. 1986 stellte ich
einen Antrag auf Ausreise aus der DDR, und Anfang Oktober 1987 erhielt ich
nach großen Schwierigkeiten die Genehmigung zur Emigration – fünfzig Jahre
nach Flucht meiner deutsch-jüdischen Eltern aus Nazideutschland, die beide
im aktiven Widerstand gegen die Hitlerdiktatur standen.
Zur Gründung der Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR
existieren bisher folgende, detailliert Auskunft gebende Publikationen:
1. Günter Jeschonnek: Ausreise – Das Dilemma des ersten
deutschen Arbeiter-und-Bauernstaates, in: Ferdinand Kroh (Hrsg): „Freiheit
ist immer Freiheit ...“, Frankfurt/Main, Berlin 1988
2. Jan Athmann: Zur Problematik der DDR-Ausreisebewegung,
Magisterarbeit, Bibliothek der Technischen Universität zu
Berlin, Berlin 1997
3. Neubert, Ehrhart / Bundeszentrale für Politische Bildung:
Geschichte der Opposition in der DDR 1949 -1989, Bonn 1997 bzw.
2000
4. Antonín Dick: Dokumente zur Gründung der „Arbeitsgruppe
Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“, in: Manchmal habe ich Angst.
Schubladentexte aus der DDR III (Hrsg. Torsten Hilse/ Dieter
Winkler), Berlin 2002
Während die Publikationen 1, 2 und 4 die sachlichen und
personellen Fakten im Zusammenhang mit der Gründung der Arbeitsgruppe
Staatsbürgerschaftsrecht der DDR zutreffend wiedergeben, wird die Wahrheit in der von
Ihrer Einrichtung edierten Publikation 3 insofern massiv abgefälscht,
als einer der beiden Gründungsaktivisten dieser oppositionellen
Gruppierung – nämlich meine Person – bewusst eliminiert wird. Da heißt es auf Seite
672 des von Ihrer Einrichtung betreuten Werkes: „1987 kam es in Berlin zu
einer
Kooperation zwischen Oppositionellen und einer sich
organisatorisch formierenden Ausreisebewegung. Initiator war der
Theaterregisseur Günter Jeschonnek, Sohn einer SED-Kulturfunktionärsfamilie und Mitglied
der Berliner Gethsemanegemeinde, der nach einem Berufsverbot 1986
einen Ausreiseantrag gestellt hatte. Jeschonnek, der auch bei
oppositionellen Aktivitäten wie dem Olof-Palme-Friedensmarsch mitgearbeitet
hatte, beschäftigte sich mit Freunden seit dem Frühjahr 1987 mit der
rechtlichen Situation der Antragsteller und den verfassungsrechtlich und
völkerrechtlich verbindlichen Regelungen und Möglichkeiten der Übersiedlung. In
Eingaben und Erklärungen stellten sie ihre Ergebnisse der Regierung und
anderen Behörden vor, um auf die Willkürpraxis im Umgang mit den Antragstellern
aufmerksam zu machen. Seit Mitte 1987 versuchten sie, in verschiedenen
Oppositionsgruppen mitzuarbeiten. Da diese jedoch eine
Relativierung ihrer
Anliegen befürchteten, beschlossen sie eine eigene Gruppe zu
gründen. Durch Vermittlung der IFM-Mitglieder Lotte und Wolfgang Templin, stets
Unterstützer der Ausreisewilligen, bekamen sie Kontakt zu
weiteren an Rechtsproblemen arbeitenden Antragstellern. Die IFM trat 1989
mit weiteren Aktionen zugunsten der Antragsteller hervor. Die
Umweltbibliothek gestattete, daß sich die Gruppe in ihren Räumen traf. Dort
konstituierte sie sich am 27. September 1987 als Arbeitsgruppe
Staatsbürgerschaftsrecht der DDR, die sich nun 14tätig traf.“
Folgende Korrekturen prinzipiellen Charakters sind dazu
vorzutragen:
1. Initiatoren der Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der
DDR waren zwei Theaterregisseure: ich – der übrigens dieser oppositionellen
Gruppierung auch diesen Namen verlieh! – und Günter Jeschonnek.
2. Nicht irgendwelche anonymen Freunde beschäftigten sich seit
Frühjahr 1987 in intensiver, gemeinsamer Arbeit mit den komplexen Rechts- und
Sozialfragen der Ausreiseproblematik und reichten Eingaben ein,
sondern eben nur zwei Aktivisten: Günter Jeschonnek und ich.
3. Den Arbeitskontakt zu Lotte und Wolfgang Templin von der
Initiative Frieden und Menschenrechte stellte ich persönlich, ein
ehemaliger Kommilitone von Wolfgang Templin von der Sektion Philosophie der
Humboldt-Universität Berlin, her.
4. Die Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR
konstituierte sich nicht am 27. September 1987, sondern am 22. September 1987. Und
sie konstituierte sich nicht in der Umweltbibliothek, sondern in der
HO-Gaststätte „Tutti Frutti“ in der Spandauer Straße 4 in
Berlin-Mitte.
Sehr geehrter Herr Krüger, ich darf davon ausgehen, dass Sie mit
mir darin übereinstimmen, dass in dem hier besprochenen Fall der
öffentlichen Darstellung eines nicht unwesentlichen Vorgangs der
DDR-Freiheitsbestrebungen eine Rehabilitierung der Wahrheit
unumgänglich ist, um den hohen Maßstäben sorgfältig betriebener
zeitgeschichtlicher Forschung gerecht werden zu können. Herr Torsten Hilse (MdA) und
Herr Dieter Winkler sind anerkannte und engagierte Mitglieder der
Sozialdemokratischen
Partei Deutschlands, die nicht umsonst mit großer Sorgfalt meine
Publikation über die Gründung der Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der
DDR in den Schubladentexten aus der DDR, Band III, betreut haben. Diese
Publikation hat übrigens gegenüber den anderen Publikationen zur Gründung der
Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR den großen Vorzug, dass sie mit
Originaldokumenten arbeitet und daher die Gründungszusammenhänge
intersubjektiv zugänglich und exakt nachprüfbar darstellt, also
zwei elementaren Anforderungen wissenschaftlicher Arbeit voll und
ganz genügt.
Ich rechne mit Ihrer freundlichen Unterstützung, eine nunmehr
auf der Tagesordnung stehende Rehabilitierung der Wahrheit auch
tatsächlich auf den Weg zu bringen.
In Erwartung einer Nachricht von Ihnen verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Dr. Antonín Dick
Dr. Antonín
Dick
Zu Händen von
Herrn
Ehrhart Neubert
c/o PIPER VERLAG GmbH
Georgenstraße 4
D – 80799 München
26. April 2009
Sehr geehrter Herr Neubert,
mit großem Interesse ist Ihr neues Standardwerk zu Fragen der
Auflösung der DDR „Unsere Revolution. Die Geschichte der Jahre 1989 / 90“ in
der Öffentlichkeit aufgenommen worden.
Sie werden mir hiermit bitte gestatten, daß ich als ehemaliger
Oppositioneller in der DDR (1982 Antikriegsprogramm in Berlin
Ost gegen die Aufrüstung mit atomaren Mittelstreckenraketen in West- und
Osteuropa, 1987 Gründung der „Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“ in
Berlin Ost) einen gewichtigen Einwand vortrage. Auf Seite 54 Ihres
wissenschaftlich angelegten Werkes steht der Satz: „In Berlin konstituierte sich
am 27. September 1987 eine ‚Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der
DDR’, die sich um den Theaterregisseur Günter Jeschonnek gesammelt hatte.“
Die Aussage dieses Satzes entspricht jedoch nicht der Wahrheit. Die
„Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“ wurde nicht am 27. September
1987, sondern bereits am 22. September 1987 gegründet, und zwar in der
HO-Gaststätte „Tutti-Frutti“ in der Spandauer Straße 4 im Stadtzentrum von
Berlin Ost. Teilnehmer dieser Gründungsversammlung – hier in alphabetischer
Reihenfolge – waren: Antonín Dick, Olaf Herfurth, Günter Jeschonnek und
Heintz-Jörg Richter. Initiatoren dieser wichtigen Oppositionsgruppe waren
Günter Jeschonnek und ich, beide politisch engagierte
Theaterregisseure, die wir seit Ende 1986 gemeinsam und systematisch zu den rechtlichen
Gegebenheiten der DDR-Staatsbürgerschaft eine autonome Forschungsarbeit sowie
zahlreiche Solidarisierungsaktivitäten mit ausreisewilligen DDR-Bürgern,
ausländischen Staatsbürgern und DDR-Bürgern mit ausländischer Herkunft
aufgenommen hatten.
Als wissenschaftlichen Beleg für die von mir hier verteidigte
Wahrheit über die Gründung der „Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der
DDR“ nenne ich Ihnen den Beitrag „Ausreise – das Dilemma des ersten deutschen
Arbeiter-und-Bauern-Staates?“ von Günter Jeschonnek, der im
Jahre 1988 in dem von Ferdinand Kroh herausgegebenen Sammelband „’Freiheit ist
immer Freiheit …’ Die Andersdenkenden in der DDR“ publiziert worden
ist, sowie meinen Beitrag „Dokumente zur Gründung der ‚Arbeitsgruppe
Staatsbürgerschaftsrecht der DDR’ “ der im Jahre 2002 in dem von
Torsten Hilse und Dieter Winkler herausgegebenen Sammelband „Manchmal
habe ich Angst. Schubladentexte aus der DDR III“ publiziert worden ist.
In beiden Beiträgen ist übrigens, und dies völlig unabhängig voneinander,
das Gründungsdokument der „Arbeitsgruppe
Staatsbürgerschaftsrecht
der DDR“ zitiert bzw. als Original abgedruckt worden.
Freundlichst ersuche ich Sie darum, bei der Zweitauflage Ihres
Werkes diese fundamentale Falschdarstellung der Gründung der „Arbeitsgruppe
Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“ zu korrigieren und auf
Grundlage der nachprüfbaren Fakten die Gründungszusammenhänge wissenschaftlich
seriös darzustellen.
Ich bedanke mich im voraus für Ihre Bemühungen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Dr. Antonín Dick
Dr. Antonín Dick
PIPER VERLAG GmbH
Verleger
Georgenstraße 4
D – 80799 München
27. April 2009
Sehr geehrte Damen und Herren,
zu dem kürzlich von Ihrem Haus verlegten Buch „Unsere
Revolution. Die Geschichte der Jahre 1989 / 90“ von Ehrhart Neubert gibt es
meinerseits einen gewichtigen Einwand, die Sicherstellung der historischen
Wahrheit betreffend.
Als ehemaliger Oppositioneller der DDR habe ich mir erlaubt, an
den Autor dieses wissenschaftlichen Werkes, Herrn Ehrhart Neubert, einen
entsprechenden Brief zu schreiben. Ich lege diesen Brief diesem
Schreiben mit der Bitte bei, es an Herrn Neubert zwecks Korrektur
weiterzuleiten.
Ich darf davon ausgehen, daß auch Sie bei der Zweitauflage
dieses Werkes darauf hinarbeiten werden, daß die historische Wahrheit im
Zusammenhang mit der Gründung der „Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der
DDR“ wiederhergestellt wird.
Mit bestem Dank und mit freundlichen Grüßen
Dr. Antonín Dick
Dr. Antonín Dick
PIPER VERLAG GmbH
Verleger
Georgenstraße 4
D – 80799 München
01. Juni 2009
Sehr geehrte Damen und Herren,
vertrauensvoll habe ich mich mit Schreiben vom 26. 04. 2009 an
den Autor Herrn Ehrhart Neubert bzw. sowie mit Schreiben vom 27. 04. 2009
an Sie gewandt, die Korrektur einer falschen Darstellung historischer
Fakten der DDR-Oppositionsbewegung in dem wissenschaftlichen Standardwerk
„Unsere Revolution. Die Geschichte der Jahre 1989 / 90“ betreffend.
Zu meinem Erstaunen halten es weder der Autor noch Sie für
erforderlich, auf meine gewichtigen wissenschaftlichen Einwände zu reagieren.
Dieses Verhalten entspricht weder dem Geist dieser Oppositionsbewegung noch den
internationalen Gepflogenheiten wissenschaftlicher Arbeit. Ich
ersuche Sie hiermit höflichst um eine Antwort auf meine freundlichen
Schreiben. Ich behalte mir eine Veröffentlichung der vorliegenden nicht
hinnehmbaren Manipulierung geschichtswissenschaftlich ermittelter Fakten vor.
Ich bedanke mich für Ihre Bemühungen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Dr. Antonín Dick
Editorische
Anmerkungen
Text und Foto erhielten wir zur
Veröffentlichung vom Autor.
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