Arbeitet Sarah Wagenknecht jetzt
im Theater? Diese Frage stellt man sich unwillkürlich, wenn man
im Grips-Theater im Hansaviertel Platz genommen hat und das
Theaterstück „Rosa“ beginnt. In 30 szenischen Folgen wird das
Leben der Sozialistin Rosa Luxemburg auf der Bühne dargestellt
und die Hauptdarstellerin sieht der Linksparteipolitikerin zum
Verwechseln ähnlich. Auch sonst wird man bei dem Fortgang des
ca. 3 Stunden dauernden Stücks immer wieder an die heutigen
Sozialdemokraten von der Linkspartei erinnert.
Wenn Rosa Luxemburg und Clara
Zetkin die Reformisten der SPD zu Beginn des 19.Jahrhunderts mit
Hohn und Spott überziehen, fallen einen sofort Andre Brie, Gysi
oder Lederer ein. Das Grips-Theater schafft es mit
minimalistischen Mitteln, die Geschichte der frühen
Sozialdemokratie lebendig und witzig darzustellen. Der Mythos
von der angeblich so revolutionären Sozialdemokratie der
Vorkriegszeit wird hier gründlich dekonstruiert.
Besonders gut gelingt es in einer Szene, wo die Neuberlinerin
Rosa Luxemburg dem SPD-Vorstand ihre Mitarbeit anbietet und ein
sozialdemokratischer Funktionär Ignaz Auer alles versucht, die
unbequeme Genossin so schnell und weit wie möglich aus Berlin
weg zu bekommen. Die Begegnung der beiden, die sich auf zwei
Leitern gegenüberstehen, ist höchste Theaterkunst und noch
ausgesprochen witzig.
Nicht alle Szenen können da
mithalten. Die Sequenz, in der die kritischen Anmerkungen Rosa
Luxemburgs zu der Taktik der Bolschewiki nach der
Oktoberrevolution gespielt wird, bleibt oberflächlich. Die
grundsätzliche Solidarität, die Luxemburg mit den Entwicklungen
in Russland hat und die die Grundlage ihrer Kritik darstellen,
wird unterschlagen. So wird hier das Bild einer frühzeitigen
Gorbatschowa gezeigt, die noch von ihren engsten Genossen
zensiert wird. Schließlich ist ausgerechnet Paul Levi, der sich
weigert diese Kritik zu drucken, weil er befürchtet, sie könne
zu dieser Zeit der revolutionären Bewegung schaden. Levi war
allerdings keineswegs ein Vorläufer des Stalinismus, sondern ein
linker Sozialdemokrat, der in der Weimarer Republik zwischen KPD
und SPD stand, den Tod seiner Freundin Rosa Luxemburg nie
verwinden konnte, und in der Endphase der Weimarer Republik
Selbstmord verübte.
Anderen weitgehend vergessenen MitstreiterInnen von Rosa
Luxemburg wird in dem Stück mehr Objektivität zu teil. Das gibt
besonders für den Sozialisten Leo Jogiches, mit dem Rosa
jahrzehntelang eine wechselvolle, von Krächen und Brüchen
durchzogene politische und persönliche Beziehung unterhielt.
Obwohl der Betrachter schon nach der Reise Luxemburgs nach
Deutschland den Eindruck haben könnte, die Beziehung ist ob des
gegenseitigen Austausches von Unfreundlichkeiten beendet,
begegnen sich beide Revolutionäre immer wieder. Jogiches
überlebt Luxemburg nur wenige Wochen. Auch er wird ein Opfer des
konterrevolutionären Freikorpsterrors, mit in Deutschland die
alten Mächte mit Hilfe der Sozialdemokratie an der Jahreswende
1918/19 ihre Macht retten konnten. Leider war Jogiches wie
Tausende andere damals ermordete Sozialistinnen und Sozialisten
lange Zeit weitgehend vergessen. Erinnert wird auch an die enge
Mitarbeiterin von Luxemburg Mathilde Jacob, die 1943 als Jüdin
von den Nazis im Theresienstadt ermordet wurde. Hier schließt
sich auch biographisch der Kreis, vom Freikorpsterror gegen
Linke und Juden, der schon Ende 1918 begann und schließlich in
den Massenmorden des NS endete. Es war der liberale Historiker
Sebastian Haffner, der diese Verbindung zog, während heute
manche moderne Linke als später Enkel von Stoiber Seite um Seite
darauf verwendet, um die kommunistische Bewegung und den
NS-Bewegung in eine ideologische Nähe zu bringen. Dabei gibt
zwischen nur eine Verbindung, die zwischen Henker und Gehenkten.
Diesen Eindruck zumindest bleibt nach dem Theaterbesuch.
Das Theaterstück ist so ein Stück Geschichtsunterricht. Wer
politisch engagiertes Theater sucht, sollte es nicht in den
ausgebrannten postmodernen Ruinen der Volksbühne und auch nicht
in dem linken Biedermeier des Berliner Ensembles suchen. Im
Grips-Theater könnte er eher fündig werde . Das Stück „Rosa“ ist
politisches Theater auf der Höhe der Zeit.
Die nächsten Termine:
Grips-Theater, U-Bf Hansaplatz
24.-27. Juni 2009, jeweils 19.30Uhr
Editorische
Anmerkungen
Den Text erhielten wir vom Autor.
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