Politisches Theater auf der Höhe der Zeit

von
Peter Nowak

06/09

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Arbeitet Sarah Wagenknecht jetzt im Theater? Diese Frage stellt man sich unwillkürlich, wenn man im Grips-Theater im Hansaviertel Platz genommen hat und das Theaterstück „Rosa“ beginnt. In 30 szenischen Folgen wird das Leben der Sozialistin Rosa Luxemburg auf der Bühne dargestellt und die Hauptdarstellerin sieht der Linksparteipolitikerin zum Verwechseln ähnlich. Auch sonst wird man bei dem Fortgang des ca. 3 Stunden dauernden Stücks immer wieder an die heutigen Sozialdemokraten von der Linkspartei erinnert.

Wenn Rosa Luxemburg und Clara Zetkin die Reformisten der SPD zu Beginn des 19.Jahrhunderts mit Hohn und Spott überziehen, fallen einen sofort Andre Brie, Gysi oder Lederer ein. Das Grips-Theater schafft es mit minimalistischen Mitteln, die Geschichte der frühen Sozialdemokratie lebendig und witzig darzustellen. Der Mythos von der angeblich so revolutionären Sozialdemokratie der Vorkriegszeit wird hier gründlich dekonstruiert.
Besonders gut gelingt es in einer Szene, wo die Neuberlinerin Rosa Luxemburg dem SPD-Vorstand ihre Mitarbeit anbietet und ein sozialdemokratischer Funktionär Ignaz Auer alles versucht, die unbequeme Genossin so schnell und weit wie möglich aus Berlin weg zu bekommen. Die Begegnung der beiden, die sich auf zwei Leitern gegenüberstehen, ist höchste Theaterkunst und noch ausgesprochen witzig.

Nicht alle Szenen können da mithalten. Die Sequenz, in der die kritischen Anmerkungen Rosa Luxemburgs zu der Taktik der Bolschewiki nach der Oktoberrevolution gespielt wird, bleibt oberflächlich. Die grundsätzliche Solidarität, die Luxemburg mit den Entwicklungen in Russland hat und die die Grundlage ihrer Kritik darstellen, wird unterschlagen. So wird hier das Bild einer frühzeitigen Gorbatschowa gezeigt, die noch von ihren engsten Genossen zensiert wird. Schließlich ist ausgerechnet Paul Levi, der sich weigert diese Kritik zu drucken, weil er befürchtet, sie könne zu dieser Zeit der revolutionären Bewegung schaden. Levi war allerdings keineswegs ein Vorläufer des Stalinismus, sondern ein linker Sozialdemokrat, der in der Weimarer Republik zwischen KPD und SPD stand, den Tod seiner Freundin Rosa Luxemburg nie verwinden konnte, und in der Endphase der Weimarer Republik Selbstmord verübte.

Anderen weitgehend vergessenen MitstreiterInnen von Rosa Luxemburg wird in dem Stück mehr Objektivität zu teil. Das gibt besonders für den Sozialisten Leo Jogiches, mit dem Rosa jahrzehntelang eine wechselvolle, von Krächen und Brüchen durchzogene politische und persönliche Beziehung unterhielt. Obwohl der Betrachter schon nach der Reise Luxemburgs nach Deutschland den Eindruck haben könnte, die Beziehung ist ob des gegenseitigen Austausches von Unfreundlichkeiten beendet, begegnen sich beide Revolutionäre immer wieder. Jogiches überlebt Luxemburg nur wenige Wochen. Auch er wird ein Opfer des konterrevolutionären Freikorpsterrors, mit in Deutschland die alten Mächte mit Hilfe der Sozialdemokratie an der Jahreswende 1918/19 ihre Macht retten konnten. Leider war Jogiches wie Tausende andere damals ermordete Sozialistinnen und Sozialisten lange Zeit weitgehend vergessen. Erinnert wird auch an die enge Mitarbeiterin von Luxemburg Mathilde Jacob, die 1943 als Jüdin von den Nazis im Theresienstadt ermordet wurde. Hier schließt sich auch biographisch der Kreis, vom Freikorpsterror gegen Linke und Juden, der schon Ende 1918 begann und schließlich in den Massenmorden des NS endete. Es war der liberale Historiker Sebastian Haffner, der diese Verbindung zog, während heute manche moderne Linke als später Enkel von Stoiber Seite um Seite darauf verwendet, um die kommunistische Bewegung und den NS-Bewegung in eine ideologische Nähe zu bringen. Dabei gibt zwischen nur eine Verbindung, die zwischen Henker und Gehenkten. Diesen Eindruck zumindest bleibt nach dem Theaterbesuch.

Das Theaterstück ist so ein Stück Geschichtsunterricht. Wer politisch engagiertes Theater sucht, sollte es nicht in den ausgebrannten postmodernen Ruinen der Volksbühne und auch nicht in dem linken Biedermeier des Berliner Ensembles suchen. Im Grips-Theater könnte er eher fündig werde . Das Stück „Rosa“ ist politisches Theater auf der Höhe der Zeit.

Die nächsten Termine:
Grips-Theater, U-Bf Hansaplatz
24.-27. Juni 2009, jeweils 19.30Uhr

 

Editorische Anmerkungen

Den Text  erhielten wir vom Autor.