Diese Woche
(25.KW) gibt es wieder Streiks. Nachdem
letzte Woche Mittwoch in Schöneberg und Donnerstag in Wedding
die südlichen Berliner Bezirke mit Streiks dran waren, sind es
diese Woche die Nördlichen. Es fing Dienstag an mit einer
Kundgebung am Roten Rathaus, gestern eine Demo vom Rathaus
Pankow zum Garbatyplatz und heute eine Demo vom Rathaus
Charlottenburg zum Ernst-Reuter-Platz und zurück.
Nachdem letzte Woche schon über
die Streiks berichtet wurde, startete diese Woche der DGB eine
Art Aktionswoche. Nachdem der "Koordinierungskreis
gewerkschaftlicher Erwerbslosengruppen" des DGB-Berlin zum
Montag, den 16. Juni um 11 Uhr zu einer Kundgebung auf den
"Platz des 18. März" aufgerufen hatte um für die Erhöhung des
Regelsatzes des Arbeitslosengelds II, auch bekannt als das "Hartz
IV" Gesetz, zu demonstrieren, rief nun Ver.di einen Tag später
zu einer Kundgebung in der Jüdenstraße am "Roten Rathaus" auf!
Die Kundgebung fand diesmal am 17.Juni um 8 Uhr morgens statt.
es waren ca 200 Angestellte von berliner Grünflächenämtern und
Friedhofsgärtnereien da. Es war schon ehrlich gesagt ein sehr
trauriges Bild. Ob das nur mit meiner Wahrnehmung zusammenhängt
weiß ich ehrlich gesagt nicht. Angekündigt war ein ehrenvolles,
solidarisches Gedenken an den Arbeiteraufstand in der DDR indem
man ihn sozusagen, wenigstens medial-populistisch, wiederholt.
Keine Ahnung wieviel hunderttausend Arbeiter_Innen sich an
Aufständen so beteiligen, aber 200 schien mir ein bisschen
wenig. Es mag ja sein das vielleicht 700 in den Streiklisten
standen oder später heimlich nochmal ein paar hundert
hingegangen sind. Aber meiner Meinung nach waren es dort eher
sogar nur 100-150 und es gab kaum eine Fluktuation.
Da stand sie nun die vorgetäuschte "soziale Revolution", der
Ver.di Aufstand, kurz vor der geplanten Erstürmung des Berliner
Rathauses. Das Rote Rathaus ist aber nicht der Petersburger
"Winterpalais" und die Stimmung ist auch nicht revolutionär. Wir
standen östlich der Jüdenstraße und östlich vom Rathaus. Auf
dieser "anderen Seite" der Jüdenstraße hinter den Becken- oder
Bauchhohen Absperrgitter umzäunt von und von "rot-weißem"
Absperrband gefangengehalten, die meisten auf die Streiklisten
oder Senatoren wartend. Mensch kam sich psycholgisch wie im
Knast vor, psychisch Gefangen, obwohl so gut wie keine Polizei
da war. Im Zaum halten brauchte man die "frustrierte Masse" eh
nicht.
Die Fünf bis Sechs Funktionäre allerdings, unter anderem die
Verhandlungsführerin und einige andere (selbst-)wichtige
Gestalten standen auf der Rathaus-Seite mit einem Lauti. So
standen sie auch räumlich den "Regierenden" näher als der
Arbeiterklasse. Manchmal könnte mensch denken sie halten einen
entweder für dumm oder sie bereiten sich nicht genügend vor.
Gedacht haben allerdings scheinen sich die Funktionäre, das die
Arbeiter_Innen den Herren und Damen Senatoren "Guten Morgen"
sagen und sie so ein bisschen schockieren. Was ich auch immer
über den Innensenator und sein Auftreten denken mag, so muß doch
erwähnt werden das er einer der wenigen war die den Anstand
hatten und sich "trauten" zu Fuß reinzugehen und wenigstens
einen Satz, wenn auch kein ermunternder (zumindest nicht für
mich), zu sagen: "Ich hoffe das wir im Gespräch bleiben und zu
einer Lösung kommen." Danach gab er der Presse Interviews. Es
war wohl so das die ganze Kundgebeung auf Herrn Körting
ausgerichtet war, denn 10 Minuten später war sie zuende! Deshalb
ist es sinnvoll beim Ende anzufangen. Immerwieder zwischendurch:
"Herr Körting hat versprochen was zu sagen", "Herr Körting soll
schon ganz in der Nähe sein", "Es sollen schon Herrn Körtings
Persönenschützer gesichtet worden sein", "Gleich kommt bestimmt
Herr Körting", "Herr Körtings Auto wurde gesichtet" usw. Wär das
nicht so rührselig musste ich denken, die Gewerkschaftsführer
haben einen an der Waffel. Ob die Arbeiter_Innen das auch so
armselig wie ich fanden kann ich nicht sagen, aber auch ihnen
muss aufgefallen sein das der Innensenat eigentlich der
"Tarifgegner" ist und das Rot-Rot, also die Linkspartei-SPD
Regierung alles andere als sozial ist, denn sie sind ja
schließlich aus dem Flächentarifvertrag ausgetiegen, nicht etwa
um den Leuten 50 Prozent mehr als im Bundesdurchnitt zu zahlen
sondern um Inflations- und Mehrwertsteuerbedingt ihnen
mindestens 20 Prozent aus der Tasche zu ziehen.
Wären die Kämpfe nicht ökonomistisch könnte mensch meinen die
Monarchie mit dem Proto-Kanzler Wowereit sei zurück, denn seine
Majestät ließ sich nicht blicken. Aber was sind auch schon so
ein paar Leibeigene-Lohnsklaven, könnte sich der oberste
Arbeitgeber gedacht haben. Senatorinnen wie Heidi Knake-Werner
fuhren im Auto einfach rein, andere wahrscheinlich auf der
anderen Seite. Nur Körting, wie gesagt, ließ einen Zivil-Typen
hinstellen der sah das alles o.k. ist, dann kam er mit
Personenschützern um die Ecke und kurz nach ihm ist seine
"Ministerkarre" eingefahren.
Als ich ankam unterhielten sich die meisten über Fussball und
das Länderspiel am Vorabend.
Vom Lauti auf der anderen Seite kamen hilflose Appelle an den
Klassenfeind, pseudopopulistische Phrasendrescherei gegen "die
da oben" um nicht zu sagen wirklich selbstherrlicher "verkürzter
Antikapitalismus" (Ich kritisiere diesen Begriff und benutze
dieses Wort eigentlich nie aber da traf das mal wirklich absolut
zu) und vieles häßliches mehr, dafür auf unserer Klassenseite ne
traurige Basis und ein ziemliches (So sahen sie zumindest aus
[subjektive Projektionsgefahr]) Ohnmachtsgefühl unter den
Anwesenden, Leere tief-traurige Blicke der Streikenden, als ob
sie betrogen wurden, und ein blecherndes lustloses in die
Triller pfeiffen konzertierte unterschwellig die
Perspektivlosigkeit einer fatalistisch-defätistisch wirkenden
"Unterschicht". Ein für mich unterschwellig wahrnehmbarer "Haß
aus Enttäuschung" auf die Linkspartei aufgrund ihrer
"Verlogenheit" will ich auch bemerkt haben.
Wie dem auch sei kamen wenigsten noch 2 Linksparteiler aus
Neukölln mit Fahne und verteilten Flugblätter. Allerdings waren
diese nicht geschnitten sondern gerissen, so daß ich meine das
sich die "Genossen vom Richardplatz", nicht meine Genossen, aber
die Bündnisgenossen der SPD (auch in Neukölln, da sie den
Bürgermeister mitwählten), dachten: "Wir müssen die Arbeiter
beschwichtigen" und einfach spontan handelten. Neukölln gilt ja
als "Problembezirk" mit gleich mehreren "Problemkiezen" und
deren Quartiersmanagements. In ihrem Flugblatt versprachen sie
"innerparteilichen Druck" zu machen. Ich sah mindestens eine
Person die extra zum Mülleimer mit dem Flugi ging um ihn
wegzuwerfen. Eine andere Person sagte sinngemäß, zustimmend zur
Moderatorin "auf der anderen Seite" also nicht wörtlich: "So
weit ist es schon gekommen das die Oppositionspartei CDU
sozialere Forderungen aufstellt als die Arbeiterparteien." Die
Verhandlungsführerin machte sich über die "Sarrazene" lustig.
Ist wohl so eine Art Running-Gag. Offenbar braucht es wieder
Feindbilder. Bei diesem wird aber oft unterschlagen das er von
der SPD ist, mit der Linkspartei koaliert und was dahinter steht
(ne komplette Stadt-Regierung).
Ein Zeitungstyp war da und zwei Fernseh-Sender, ausserdem Radio
wie mir schien. So das war alles was ich über die frustrierenste
und jämmerlichste Streik-Kundgebung, bis jetzt, schreiben
wollte. Nur ein paar Ergänzungen noch. Diesmal war wirklich die
"Arbeiterschicht" da und als gesagt wurde, das die
"Personenschützer gesichtet worden seien" sagte einer ganz leise
zu seinen Kollegen: "Buddelt die Steine aus!", ein Fahrradfahrer
der vorbeifuhr halb verarschend, halb ernst gemeint zeigte die
erhobene Linke Faust beim vorbeiradeln und die Arbeiterklasse
stand im Schatten, deren Führung stand im Sonnenlicht, "Doch man
sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht".
Am 18. Juni 2008 morgens um 10 war der gesamte Bereich zwischen
S+U -Bahnhof Pankow und Rathaus Pankow auf der Berliner und
Breite Straße gesäumt von Grüppchen Erwachsener Männer und
Frauen. Am Rathaus Pankow sollte nämlich ne Demo starten. Davor
standen getrennt voneinander Gewerkschaft der Polizei (GdP) und
Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG). Wieder sollte erwähnt
werden das es "Keine Zusammenarbeit mit staatlichen
Repressionsorganen" und deren Helfern geben sollte, das
Polizeibedienstete auf der anderen Klassenseite stehen,
Klassenfeinde sind und aus der Arbeiterbewegung rausgeschmissen
werden sollten.
Die ökonomistische Avantgarde, die Kindergärtnerinnen und
Horterieher_Innen, standen allerdings hinter der neuen
Schönhölzer in die Wollankstraße, westlich des Rathauses, rein
und agitierte ununterbrochen nach innen und aussen bis zur
Endkundgebung, meiner Wahrnehmung nach immerwieder das selbe,
wie ein Sprung in einer Platte. Wurde vorher gesagt das das
Anliegen nicht vermittelt werden könne, so wurde es diesmal
meiner Meinung nach zu Gut vermittelt. Für mich kam das nämlich
alles so rüber als sei es nur eine rein finanzielle, keine
strukturelle Sache. Aber selbst der dümmste unreflektierteste
Menschenhaufen im, von mir so wahrgenommenen
"pogromstimmungsartigen" islamophoben Stadtteil der christlichen
und heidnischen Moscheegegner, und von solch unreflektierten
Gestalten wurden so einige am Staßenrand gesichtet, haben es mit
Sicherheit verstanden. 1000 Kindergärtnerinnen aus
Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, Pankow und Reinickendorf
liefen also los, am Rathaus Pankow vorbei die Breite Straße in
Richtung Osten. Ihnen schlossen sich immer wieder
entgegenkommende Grüppchen Erzieher_Innen an, so das es auf der
Berliner Straße locker mal 2000 bis 3000 Demonstranten waren,
darunter auch "Mitarbeiter von Repressionsorganen", wie zum
Beispiel Ordnungsamtsangestellte. Diesmal nur Polizei die den
Verkehr regelte. In dem Fahnenmeer wurde eine DKP (Deutsche
Kommunistische Partei) Fahne gesichtet und ein BüSo verteilte
Anti-EU Zeitung.
Im Vergleich zum Vortag war das ja mal eine richtig erfrischende
Demo, aber subjektiv eher nur langeweiltes rumgelatsche. Bei
diesem Rumgelatsche und das hab selbst ich mitgekriegt
unterhielten sich fast ausnahmslos alle über ihre Situation bei
der Arbeit und was verbessert werden müsste. Das klang nun nicht
mehr nur so ökonomistisch. 10:15 Uhr, also viertel Elf war die
Demo mit der Ver.di Pritsche vorne losgelaufen und ca
dreiviertel Elf, also 10:45 Uhr kam sie am Garbatyplatz an. Da
sagte der Moderator sinngemäß-spöttisch: "Die Polizei wollte uns
ja nicht glauben das der Platz zu klein ist". Die politische
Stoßrichtung die ganze Zeit war dann immer gegen die SPD. Da
sagte selbst ein SPD´ler aus Tegel, das die Linkspartei mit an
der Regierung sei worauf der Moderator konterte "Die Linken
bekommt ihr Fett auch noch weg" er meinte mit "Linken" die
Linkspartei und deutete an das es wohl demnächst vors
Karl-Liebknecht-Haus geht.
Es standen von den beteiligten sogenannten Gewerkschaften
Hochfahnen am Ort. Ich schätze, jetzt im Nach-hinein, so 5 Meter
hoch. Auf einer GEW Fahne stand: "Wer hat uns verraten?
Sozialdemokraten!". Es wurde zwischenzeitlich zum skandieren
angestimmt aber keiner wollte so Recht mitmachen, nicht aus
Unlust, wie mir schien, sondern einfach aus Passivität und
Unerfahrenheit. Die ganze Zeit gingen die Modertor_Innen durch
die Leute und interviewten sie zu ihrer Situation.
Da sagte eine Sachbearbeiterin des Job-Centers Marzahn
Hellersdorf, es seien pro Sachbearbeiterin 200 "Kunden"
vorgesehen, tatsächlich hätten sie aber 450. Für mich persönlich
gehören DIESE Sachbearbeiterinnen zu den "Repressionsorganen".
Da ergriff ein GdP´ler sehr aufgeregt das Mikrofon, das "Ab
SOFORT" gleich richtig angezogen wird und ab Montag "unbefristet
bei den Ordnungsämtern, bei der Polizei, in den
Gefangenensammelstellen und Werkstätten gestreikt wird" dadurch
würde dem Senat richtig viel Geld verloren gehen und das würde
denen dann "Richtig wehtuen".
Es kamen zur Abwechslung auch richtig viele "echte"
Arbeiter_Innen (also aus meiner subjektiven Klassenseite) zu
Wort aus Bibliotheken, Grünflächenämtern, Hausmeisters,
Kindergärtnerinnen und Horterzieher_Innen. "Die Eltern
solidarisieren sich mit den KiTa-Angestellten und wollen sich
morgen sogar mit ihren Kindern solidarisieren und sich an der
Demonstration in Charlottenburg beteiligen!"
11:40 Uhr beendete die Moderatorin die "öffentliche" Kundgebung,
aber die Leutz blieben nochn bisschn.
ES könnte noch erwähnt werden das mit Kreide auf den Boden
gemalt werden sollte und der Finanzsenator angeblich mit 5 Euro
die Stunde zufrieden sei.
Heute, den 19.6., um 10 Uhr sind
die Streikenden am Rathaus Charlottenburg,
um zum Ernst-Reuter-Platz und zurück zu demonstrieren.
Editorische
Anmerkungen
Den Text
erschien bei Indymedia am 19.6.08. Wir spiegelten.
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