Die
französischen Präsidentschaftswahlen, die in nunmehr elf Monaten
stattfinden werden, werfen ihre Schatten voraus. Die beiden (auf
dem derzeitigen Stand) mutmablichen
SpitzenkandidatInnen der beiden groben
politischen Blöcke, Nicolas Sarkozy auf der bürgerlichen Rechten
und Ségolène Royal im Lager der Sozialdemokratie, haben in den
letzten Tagen bzw. Wochen auch Vorschläge zur Umgestaltung der
französischen Gewerkschaftslandschaft gemacht. Diese Vorschläge
haben inzwischen bereits zu Reaktionen geführt.
Die
Ausgangssituation ist davon geprägt, dass der Organisationsgrad
in Frankreich (gemessen an vergleichbaren Industrieländern) sehr
niedrig ist. Im nationalen Durchschnitt beträgt er derzeit 8
Prozent, verteilt auf mehrere miteinander konkurrierende
Richtungsgewerkschaften. Allerdings darf man dabei nicht Äpfel
mit Birnen vergleichen. Denn vergleichsweise wenige Menschen
treten in Frankreich einer Gewerkschaft als passive Mitglieder
bei, wie man einer Versicherung (für Notmomente) beitritt. Dies
hätte auch wenig Sinn, denn es wäre in Frankreich etwa rechtlich
verboten, den Nutzen des Tarifvertrags auf die
Gewerkschaftsmitglieder zu beschränken. Streikgeld gibt es auch
ohnehin keines, vielmehr bezahlen die streikenden Lohnabhängigen
den Ausstand aus ihrer eigenen Tasche. Umgekehrt sind sie selbst
es, die allein (auch ohne oder sogar den Willen einer
Gewerkschaft, im Notfall) über die Ausübung oder Nichtausübung
ihres Streikrechts entscheiden.
Ségolène Royal: Warum nicht Pflichtmitgliedschaft in einer
Gewerkschaft?
Die, nach derzeitigem Stand, wahrscheinliche
Präsidentschaftskandidatin der französischen Sozialdemokratie
für das kommende Jahr war am vorigen Freitag (19. Mai 06) mit
einem längeren Interview in der Wirtschaftstageszeitung ‘Les
Echos’ vertreten. Dabei fiel vor allem auf, dass sie sich bei
einem Grobteil der aufgeworfenen Themen und Fragen schlichtweg
nicht festlegen wollte. Zur Frage einer Erhöhung des
gesetzlichen Mindestlohns (SMIC) etwa blieb ihre Antwort äuberst
vage.
Bisher gehört es allgemein zur politischen Technik von Ségolène
Royal (die auch ehemalige Umweltministerin und, nebenbei, Gattin
des sozialdemokratischen Parteivorsitzenden und Oberlangweilers
Françoise Hollande ist), sich nicht festzulegen, «denn wenn ich
jetzt schon mein Programm bekannt gebe, dann werden die anderen
Mitbewerber mein Programm kopieren». Derzeit hat sie noch mit 6
mit 8 innerparteilichen Konkurrenten (fast ausschlieblich
männlich) um die sozialdemokratische Präsidentschaftskandidatur
zu kämpfen. Der ‘Parti Socialiste’ (PS) entscheidet im November
2006 durch eine innerparteiliche Urabstimmung, wer im kommenden
Jahr für ihn ins Rennen gehen wird. Ségolène Royal kann aber auf
gute Umfragewerte bauen, aber auch auf die Unterstützung der
Medien: Von der liberalen Pariser Abendzeitung ‘Le Monde’ über
die PS-nahe ‘Libération’ bis hin zur linksliberalen, sonst eher
Grünen-nahen Wochenzeitung ‘Charlie Hebdo’ haben einige
Presseorgane bereits einen Medienhype um sie begonnen und ihren
Bekanntsheitsgrad stark anwachsen lassen. Zwischendurch setzt
Royal aber schon mal einige inhaltliche Duftmarken. So lobte sie
etwa vor ein bis zwei Monaten, ohne näher darauf einzugehen, die
Politik Tony Blairs. Ferner spricht sie häufig über das Thema
«Innere Sicherheit», wie auch den sie unterstützenden Medien
bereits auffiel.
Zu
einem Thema aber wagte Ségolène Royal sich in ihrem Interview
bei ‘Les Echos’ mit einem neuen, als ungewöhnlich geltenden
Vorschlag vor. Zum Thema Gewerkschaften führte sie in diesem
Gespräch aus: «Man wird in Frankreich ein
Massen-Gewerkschaftswesen/Gewerkschaften mit Massenbasis (im
Original : ‘un syndicalisme de masse’) schaffen müssen. Warum
nicht (durch) eine obligatorische/pflichtmäbige Mitgliedschaft
(für jede/n) in der Gewerkschaft seiner Wahl?» Ende des
Originalzitats.
Eine Zwangs- oder Pflichtmitgliedschaft in einer Gewerkschaft
kann man sich nur so vorstellen, dass sie vom Staat garantiert
würde, indem dieser etwa jeder/m lohnabhängig Beschäftigten eine
Geldsumme zur Verfügung stellt, die er als Mitgliedsbeitrag
einer Gewerkschaft ihrer/seiner Wahl übermitteln kann. Ähnliche
Erfahrungen, auf niedrigerem Level, bestehen in der Form
freiwilliger Selbstverpflichtungen durch grobe Unternehmen. Am
bekanntesten wurde das Beispiel des Versicherungskonzerns AXA,
der im Jahr 1990 eine entsprechende Betriebsvereinbarung mit den
dort vertretenen Gewerkschaften abschloss. Darin verpflichtete
der Konzern sich freiwillig, «seinen» MitarbeiterInnen einen so
genannten «Gewerkschafts-Scheck» (chèque syndical) zur Verfügung
zu stellen. Also einen Werttitel über eine pauschal berechnete
Summe, die jede/r Angestellte einer Gewerkschaft seiner Wahl
(soweit sie als «repräsentativ» anerkannt ist, dafür gibt es in
Frankreich gesetzliche Kriterien) zur Verfügung stellen kann.
Die Gewerkschaft kann sich dann die Summe, die dem Gesamtwert
der von ihr eingesammelten «Schecks» entspricht, vom Unternehmen
ausbezahlen
lassen.
Dass Arbeitgeber auf solche (freiwilligen bzw. mit den
Gewerkschaften ausgehandelten) Selbstverpflichtungen
zurückgriffen, hängt damit zusammen, dass viele
Unternehmensleitungen auf der Suche nach «berechenbaren
Ansprechpartnern» sind. Gewerkschaften, deren Verhalten sie als
«verantwortungsvoll» betrachten, sollen ihnen (aus ihrer Sicht)
als Frühwarnsystem für sich anbahnende soziale Konflikte
innerhalb des Personals dienen. Denn viele Unternehmensleitungen
kamen zu der Auffassung, dass er der Produktivität mehr schade,
wenn soziale Konflikte unerkannt vor sich hin schwelen, weil sie
(erstens) zu indirekten Ausdrucksformen wie etwa erhöhtem
Krankenstand und Abwesenheitsquoten führen und (zweitens) zu
einem aus Sicht des Arbeitgebers besonders ungünstigen Zeitpunkt
ausbrechen können. Gewerkschaften sollen so, aus ihrer Sicht,
zur Institutionalisierung von sozialen Konflikten und ihrer
Kanalisierung dienen. Im Februar 1996 wurde ein in diesem Sinne
argumentierendes Strategiepapier eines Arbeitgeberverbands
bekannt. Allerdings warnt dieses Strategiepapier auch vor
«neuen, radikalen gewerkschaftlichen Akteuren» wie den
SUD-Gewerkschaften, so dass offenkundig nicht jede Form von
Gewerkschaft geeignet ist, diesem Bedürfnis Genüge zu tun.
Reaktionen von Gewerkschaftsseite: ausschlieblich ablehnend
Die notwendige
Kehrseite einer solchen Vorstellung, in welcher der Staat (statt
der einzelnen Unternehmen) eine solche Selbstverpflichtung zur
indirekten – über die einzelnen Beschäftigten vermittelt
ablaufenden – Finanzierung der Gewerkschaften übernimmt, wäre
das damit verbundene strategische Kalkül. Selbstverständlich
würde der Staat gegebenenfalls eine solche deutliche Stärkung
der Gewerkschaften, deren Organisationsgrad (jedenfalls auf dem
Papier) gewaltig angehoben würde, mit seinen eigenen Interessen
verbinden. Notwendig wäre ein solches «Geschenk» an die
Gewerkschaften mit Gegenleistungen verbunden: Stärkere
Institutionalisierung als bisher, stärkere Einbindung in
«sozialpartnerschaftlich» Konfliktregelungsmechanismen,
Verpflichtung auf die «Stabilität» des Wirtschaftssystems u.ä.
Bisher
reagierten unterdessen ausnahmslos alle Gewerkschaften, die sich
zum Vorschlag Ségolène Royals äuberten,
ablehnend.
Schon am vorigen
Freitag erklärte der Vorsitzende des sozialliberalen
Dachverbands CFDT, Françoise Chérèque, er sei «total gegen eine
gewerkschaftliche Pflichtmitgliedschaft». Anlässlich einer
Vorbereitungssitzung für den kommenden CFDT-Kongress, der vom
12. bis 16. Juni in Grenoble stattfinden wird, fügte er hinzu:
«Gewerkschaftsmitglied werden ist eine individuelle und
persönliche Entscheidung, die man nicht zur Pflicht machen
kann». (Zitiert aus ‘Les Echos’ vom Montag, 22. Mai)
Auch die
übrigen Gewerkschaften reagierten ngeativ. Die CGT, der gröbte
Gewerkschaftsverband (bis Ende der 1990er Jahre der KP nahe
stehend), erklärte, sie sei «sehr skeptisch». Man ziehe diesem
Vorschlag, der nicht «französischen Gewerkschaftstraditionen»
entspreche, die Einführung von «Rechten und Garantien, die eine
bessere Betätigungsmöglichkeit für Gewerkschaften (in den
Betrieben) ermöglichen», vor.
Der
drittgröbte
Gewerkschaftsbund, Force Ouvrière (FO,
«unpolitisch»-populistisch), erinnerte daran, dass der
Europäische Gerichtshof soeben ein Urteil gefällt habe, in dem
das dänische Modell in Frage gestellt werde. In Dänemerk
existieren ähnliche Mechanismen, die einer solchen
obligatorischen Mitgliedschaft bei einer Gewerkschaft nahe
kommen. Der christliche Gewerkschaftsbund CFTC erklärte, man
ziehe das System einer Finanzierung von Gewerkschaften durch
freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen (wie im o.g.
Fall des Versicherungskonzern AXA, wo die christliche
Gewerkschaft Mit-Unterzeichnerin der entsprechenden Vereinbarung
ist) vor. Und seitens des Vorsitzenden der CGC (Gewerkschaft der
höheren und leitenden Angestellten), Bernard Van Craeynest,
schlieblich
hieb
es, dass «Zwangsmabnahmen,
die eine solche Pflichtmitgliedschaft begleiten würden, mehr
Probleme schaffen, als dass sie lösen würden» (zitiert nach ‘Les
Echos’ vom Dienstag, 23. Mai).
Sarkozy:
Gewerkschafts(bund)freie Listen bei Betriebsratswahlen zulassen
Einen anderen Weg
gehen möchte der höchstwahrscheinlich antretende konservative
Spitzenkandidat, UMP-Chef und Innenminister Nicolas Sarkozy. Der
extrem ambitionierte Sarkozy, der seine Kandidaturabsichten
bereits im November 2003 verkündete, steht für eine Mischung aus
Wirtschaftsliberalismus und autoritär unterlegtem Populismus.
In Sachen
Entwicklung der Gewerkschaftslandschaft schlug Nicolas Sarkozy
vor, «die überkommene Regel aufzuheben», wonach nur als
repräsentativ geltende Gewerkschaften Listen zum ersten
Durchgang von Betriebsrats- und Personalratswahlen antreten
dürfen. Einen solchen Vorschlag erhob er erstmals bereits im
September 2005. Nunmehr wiederholte er ihn am 13. Mai 2006 vor
dem Führungspersonal der UMP.
Solche
Wahlen werden in Frankreich in einem oder zwei Wahlgängen
abgehalten: Wird eine Wahlbeteiligung von mindestens 50 Prozent
der Beschäftigten erreicht, dann ist die Wahl damit zu Ende, und
die Sitze werden auf die «repräsentativen» Gewerkschaften
verteilt. Wird die Mindestbeteiligung verfehlt, was öfter der
Fall ist, dann kommt es zu einem zweiten Wahlgang. In dieser
zweiten Runde dürfen dann alle Listen teilnehmen, also auch
solche anderer Gewerkschaften sowie nicht gewerkschaftlich
gebundene Kandidatenlisten. - Welche Gewerkschaft als
«repräsentativ» zu gelten hat, regeln Gesetze sowie eine
Verordnung aus dem Jahre 1966. Erstens gelten demnach alle
Gewerkschaften, die einem der 5 groben
Dachverbände (CGT, CFDT, FO, CFTC, CGC) angehören, automatisch
als «repräsentativ». Zu ihren Gunsten besteht eine «gesetzliche
Vermutung» ihres Repräsentativcharakters, der auch nicht durch
die Erbringung eines gegenläufigen Beweises (etwa vor Gericht)
widerlegt werden kann. Diese Regel dient dazu, die Existenz von
Gewerkschaften zu schützen. Denn ansonsten wäre es den
Arbeitgebern möglich, vorhandenen Gewerkschaften im Betrieb ihre
«Repräsentativität» zu bestreiten und sie dadurch vorübergehend
aus dem Unternehmen zu drängen (bzw. zu Gerichtsprozessen zu
zwingen, in denen sie nachweisen müssten, dass sie tatsächlich
«repräsentativ» für das Personal sind). Jede
Betriebsgewerkschaft, die einem der 5 Dachverbände beitritt,
wird dadurch automatisch geschützt. Andere Gewerkschaften können
aber ebenfalls den Nachweis antreten, dass sie (über die
Mitgliedsorganisation der 5 Dachverbände hinaus) ebenfalls in
einem Betrieb oder einer Branche «repräsentativ» sind. Dafür
müssen sie dann aber auf dem Gerichtsweg den Beweis antreten.
D.h. sie müssen nachweisen, dass sie «repräsentativ» sind, weil
sie über genügend Einfluss und Verankerung in dem Betrieb/der
Branche verfügen.
Nicolas Sarkozy
beruft sich nun darauf, die «Monopolstellung» der 5
Gewerkschafts-Dachverbände (die eine relative, nicht eine
absolute ist!) sei «historisch überholt» und ein Produkt der
Nachkriegszeit. Dies ist nicht einmal falsch, allerdings muss
man eben bedenken, dass der zu ihren Gunsten bestehende
Automatismus eben auch dafür sorgt, dass in manchen Betrieben
überhaupt Gewerkschaften existieren können. Ansonsten würde der
Druck des Arbeitgebers bzw. die Angst vor dem
Arbeitsplatzverlust übermächtig.
Die CGT und die
CFDT sind sogar selbst dafür, den bestehenden rechtlichen
Automatismus (jedenfalls unter bestimmten Bedingungen, was die
CGT betrifft) aufzugeben. Sie vertreten die Auffassung, dass ein
solcher Automatismus die Legitimität der Gewerkschaften nicht
unbedingt stärke, sondern in den Augen der öffentlichen Meinung
sogar eher schwäche. Vielmehr müssten Gewerkschaften sich durch
ihre Mitgliederzahlen und ihre Verankerung im Betrieb
legitimieren können – wozu die Mitgliedsorganisationen dieser
beiden Gewerkschaftsbünde auch noch, vielerorts, am ehesten in
der Lage wären. Wahrscheinlich könnte eine Infragestellung der
bestehenden Regelungen der CGT und CFDT sogar in vielen Sektoren
dazu verhelfen, einige lästige Konkurrenten los zu werden, etwa
in Gestalt «gelber» Sektionen der kleineren und rechteren
Gewerkschaftsbünde (CFTC und CGC). FO ihrerseits tritt – im
Gegenteil - deutlich für eine Aufrechterhaltung des Status quo
ein, von dem sie profitiert, während ihre Aussichten sich sonst
eher verschlechtern dürften.
Aber
dennoch bleiben die Gewerkschaften gegenüber dem Vorstob
von Nicolas Sarkozy äuberst
skeptisch. Die CGT erinnert ebenso wie FO daran, dass Sarkozys
Vorschlag dazu beitragen könne, dass zahlreiche «gelbe
Gewerkschaften» in den Betrieben entstehen könnten. (Mutmablich
ist er sogar dazu konzipiert worden.... !)
Ähnlich
argumentiert die sozialliberale CFDT, die selbst am deutlichsten
für die Aufgabe der bisherigen rechtlichen Quasi-Monopolstellung
der 5 Dachverbände eintritt – auch deswegen, weil die CFDT am
stärksten eine Kultur der «Betriebsvereinbarungen» (statt
Flächentarifverträgen) entwickelt möchte, die mit einer
stärkeren Verankerung der Verbände in den Betrieben einher gehen
soll. Bezogen auf den Vorschlag des konservativen Spitzenmanns
Nicolas Sarkozy argumentiert die CFDT, man müsse in einem
solchen Falle zumindest die Kandidatur von Listen ohne jede
Gewerkschaftsbindung ausschlieben.
Nur tatsächliche organisierte Gewerkschaften sollten kandidieren
können, im Gegenzug dafür, dass man das Recht zur Kandidatur
nicht mehr von vornherein auf bestimmte («repräsentative»)
Gewerkschaften beschränke. Tatsächlich treten bereits heute
zahlreiche «gewerkschaftsfreie», sich als pragmatisch
präsentierende Listen in vielen Betrieben zum zweiten Wahlgang
an, dort, wo eine solche Runde stattfindet. Laut den Statistiken
des französischen Arbeitsministeriums bilden die
«gewerkschaftsfreien» Listen sogar, nimmt man sie alle zusammen,
landesweit die zweitstärkste Komponente bei den
Betriebsratswahlen (nach der CGT).
Die christliche
CFTC ihrerseits (die, als kleinster allgemeiner
Gewerkschaftsbund, wohl mit Abstand am meisten von einer
Aufhebung des bisherigen rechtlichen Monopols der 5 Dachverbände
zu befürchten hätte!) warnt ihrerseits davor, dies werde die
Gewerkschaftslandschaft unnötig zersplittern. In ein, und
demselben Atemzug warnen die Christenheinis vor «rechtsradikalen
und linksradikalen Gruppierungen, und sogar Sekten», die in
einem solchen Falle dann Listen aufstellen könnten. (Zitat nach
‘Les Echos’ vom 23. 05. 2006) Die Qualität dieses Arguments mag
dahin gestellt bleiben.
Jean-Marie Le
Pen: Nieder mit den «repräsentativen» Gewerkschaften!
In erheblich
radikalerer Form tritt noch ein weiterer französischer Politiker
für das Ende der «Monopolstellung» der «repräsentativen»
Gewerkschaften ein. Es handelt sich um den rechtsextremen
Präsidentschaftskandidaten Jean-Marie Le Pen. Bei ihm handelt es
sich freilich ganz eindeutig darum, die Entstehung
rechtsextremer «gelber» oder berufsgruppen-korporatistischer
Pseudogewerkschaften zu fördern.
In seiner
Ansprache vom 01. Mai 2006 vor rund 3.000 Anhängern - die an
diesem Tag (jährlich seit 1988) zu Ehren der «Nationalheiligen»
Jeanne d’Arc aufmarschieren, um dem Arbeiterfeiertag
einen rechten Termin entgegen zu setzen - erklärte Le Pen dazu
wörtlich:
«Die
jüngste Krise um den CPE hat uns gezeigt, dass die Arbeitswelt
nicht besser durch die Gewerkschaften vertreten wird, als die
Bürger durch die politischen Institutionen. (Anm. d. Verf.: eine
Anspielung auf die übliche Klage Le Pens, dass das
Mehrheitswahlrecht den Wählerwillen verfälsche – was es auch
tatsächlich tut -, weil ‘Millionen von Wählern des Front
National vom Parlament ausgeschlossen bleiben’.) Es wäre darum
angemessen, demokratische Spielregeln auch dort einzuführen, die
den Gewerkschaften wie den politischen Institutionen die
Legitimität verschaffen werden, ohne welche man nicht auf die
Mitwirkung des Volkes zählen kann. Französische Arbeiter, bleibt
nicht im Kerker veralteter politischer Auffassungen und
überkommener Gewerkschaftstreue eingeschlossen. Was habt Ihr
gemeinsam mit den sozialistischen Bourgeois und dem Rest an
kommunistischen Apparatschiks? (Anm. d. Verf.: Le Pen spricht
hier anscheinend sowohl von den ‘Links’parteien als auch von den
Gewerkschaften.) Schliebt
Euch dem Kampf der Patrioten an... blabla, bla.»
Ansonsten
denunzierte Le Pen, im Rückblick auf die CPE-Krise, einmal mehr
in heftigen Worten die Schwäche des Staates, der unbedingt hätte
auf seinem Autoritätsanspruch beharren müssen und nicht
nachgeben dürfen. Der rechtsextreme Politiker mokierte sich in
seiner 1. Mai-Ansprache seinerseits darüber, dass «Schulkinder
die Regierung zum Nachgeben zwingen», wobei er die Studierenden
meinte. Erstmals seit Ausbruch des Konflikts um den CPE
kritisierte er am 1. Mai allerdings auch die Deregulierung im
Arbeitsrecht, die im Interesse «multinationaler Konzerne»
betrieben werde - während er zugleich das Leistungsprinzip an
und für sich sowie die Wertarbeit französischer Unternehmer und
Mittelständler verteidigte. An gleicher Stelle forderte Le Pen
freilich auch seinerseits eine Deregulierung der Ökonomie (das
Sozialsystem sei unbezahlbar geworden, wegen der Einwanderer,
und: «Man muss die Ökonomie befreien. Es kommt ein Moment, wo
die Reglementierungen zu Ketten der Knechtschaft werden»). Aber
eben nicht im Sinne der multinationalen Unternehmen, sondern des
«guten» nationalen Kapitals... Die hohe Arbeitslosigkeit, so Le
Pen, sei «die Frucht der weltweiten Konkurrenz ohne nationalen
Schutz». Nationale Ausbeutung – möglichst ohne «Fesseln und
Begrenzungen» - ist also gut, aber Ausbeutung unter
internationalen Vorzeichen von Übel.
Editorische Anmerkungen
Den Artikel
erhielten wir am 28.5.2006 vom Autor.
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