Sonderthema
Neuwahlen & "Links"bündnis
Es war unmöglich, dem einen zuzustimmen, ohne gleichzeitig das andere positiv zu sanktionieren
Erklärung von Sahra Wagenknecht zu ihrem Abstimmungsverhalten auf der Parteivorstandssitzung vom 11. Juni 2006
06/05

trend
onlinezeitung
Es ist vernünftig, daß PDS und WASG bei der kommenden Bundestagswahl nicht gegeneinander, sondern gemeinsam agieren. Angesichts der sozial verheerenden Politik, die Schröder in der Vergangenheit durchgepeitscht hat und die erwartbar eine schwarze, schwarz-gelbe oder auch eine große Koalition weiter verschärfen wird, braucht es eine starke linke Fraktion im nächsten Bundestag. Viele Positionen der WASG zu sozialen Fragen decken sich mit unseren. Damit ist eine gemeinsame Basis für einen gemeinsamen Wahlkampf gegeben.

Gegen den Antrag an den PDS-Parteivorstand, einer Vereinbarung zwischen WASG und PDS zuzustimmen, die das Verschwinden unserer Partei von der politischen Landkarte der Bundesrepublik innerhalb der nächsten zwei Jahre vorsieht, habe ich gestimmt. Einem Linksbündnis aus PDS und WASG n Vorbereitung der kommenden Bundestagswahl hätte ich meine Stimme gegeben - auch unter der Bezeichnung "Demokratische Linke – PDS". Der vorliegende Antrag allerdings machte es unmöglich, dem einen zuzustimmen, ohne damit gleichzeitig das andere positiv zu sanktionieren.

Die Debatten der letzten Wochen haben unter größtem Druck stattgefunden. Damit meine ich nicht nur den aus den bekannten Umständen resultierenden Zeitdruck, für den weder die WASG noch die PDS Verantwortung tragen. Ich meine vor allem den inhaltlichen und pseudomoralischen Druck, ausgelöst durch Oskar Lafontaine, vertieft durch Vertreter der WASG wie Klaus Ernst, und innerhalb der PDS bereitwillig toleriert bzw. genutzt durch die Protagonisten des Projekts einer neuen Linkspartei (seit 2002) Gregor Gysi und André Brie.

Dieser Druck erzeugte ein Klima der Demut, als müsse die PDS dafür dankbar sein, daß sich überhaupt Leute finden, die in ihr einen akzeptablen Kooperationspartner sehen. Die Behandlung der PDS als Schmuddelkind kennen wir seit nunmehr 15 Jahren. Ihr Fundament ist ein in der Alt-Bundesrepublik - wenn auch, vor allem bei Jüngeren, heute schwächer als vor zwanzig oder dreißig Jahren - tief verwurzelter Antikommunismus.

Oskar Lafontaine verband seine Bereitschaftserklärung, auf der offenen Liste der PDS zu kandidieren, bezugnehmend auf Vorwürfe, er mache sich mit der "Nachfolgepartei der SED" gemein, mit der Bemerkung, es habe in der Bundesrepublik nach dem Krieg auch "viele ehemalige NSDAP-Mitglieder in den Parteien" gegeben. Er tritt an, und unterwirft sich schon bei den ersten Angriffen dem unerträglichen Vergleich von Rot und Braun. Vielleicht bemerkt er es nicht einmal, was er damit jedem PDS-Mitglied zumutet, das seine eigene Würde nicht auf der Dreckhalde des Mainstreams entsorgt hat. Soweit zum Thema Antikommunismus. Eine antikommunistisch ausgerichtete Linke kann und wird es auf Dauer nicht geben.

Und noch etwas: Die PDS versteht sich als antikapitalistische Partei, die eine sozialistische Perspektive anstrebt. Die WASG hingegen versteht sich nach Äußerungen führender Mitglieder als Sozialstaatspartei. Daß hinsichtlich sozialer Fragen Gemeinsamkeiten existieren, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Unterschiede prinzipieller Natur sind. Deshalb bin ich der Überzeugung: Zusammenarbeit zwischen PDS und WASG vor und nach der Wahl in allen Punkten, die ein gemeinsames Vorgehen ermöglichen. Aber Erhalt der Identität der PDS: Festhalten an der sozialistischen Zielstellung, der antikapitalistischen Grundausrichtung und der uneingeschränkten Ablehnung des Einsatzes militärischer Mittel zur Lösung internationaler Konfliktsituationen.

Editorische Anmerkungen
Die Erklärung wurde gespiegelt von http://sozialisten.de/