Presseerklärung
zu Salvador Allende
06/05

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Dr. Nancy Larenas Ojeda
Mario Berríos Miranda
Olivia Alfaro Quade


Presseerklärung

Darstellung der Freundschaftsgesellschaft Salvador Allende e.V. auf Grundlage der Untersuchungen und Erklärungen der Stiftung Präsident Allende vom Mai 2005 im Bezug auf die anstehende Veröffentlichung der gesamten, bisher unveröffentlichten Dissertation des Dr. Salvador Allende zur Erlangung des Titels eines Arztes der Chirurgie der Universität von Chile im Mai 1933, mit dem Titel "Geistige Hygiene und Verbrechen" und der Gegendarstellung und Warnung bezüglich einer diffamierenden Schmähschrift über Salvador Allende, des Priv.-Doz. Dr. Víctor Farías, des Lateinamerika-Institutes der Freien Universität Berlin, die zur Zeit umhergeht und in fast allen Medien unkritisch, denunziatorisch, populistisch und im Einheitsgesang verbreitet wird.

I. Die bevorstehende Veröffentlichung der Universitätsdissertation des Dr. Allende

Im Juni soll der gesamte Text der Dissertation veröffentlicht werden. In dieser Arbeit untersucht Allende die verschiedensten 1933 auftretenden medizinischen Lehrrichtungen der kriminal- und rechtsmedizinischen Schulen in Bezug auf die Persönlichkeit von Kriminellen, ihre Ursprünge und die Methoden zur Vorbeugung von Straftaten sowie der Rehabilitierung des Straftäters.

Die jetzige Veröffentlichung des gesamten Textes der Dissertation Allendes verfolgt das Ziel, ein bisher unbekanntes Bindeglied für die Kohärenz Allendes in seinen Prinzipien des sozialen und kulturellen Fortschrittes mittels der Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Demokratie, der Respektierung der humanistischen Werte und der Verurteilung jeglicher rassistischer und antisemitischer Diskriminierung.

In dieser Dissertation des jungen Allende erwähnt er die Beobachtungen des italienischen Kriminologen Lombroso über die vermuteten Beziehung zwischen den Indern, Arabern, "Zigeunern" und Hebräern und bestimmten Arten von Verbrechen. Allende schlussfolgert, dass Lombroso nicht beweisen konnte, dass die "Rasse" Einfluss auf das Verbrechen hat ("...es mangelt uns an präzisen Daten, um diese Einwirkung in der zivilisierten Welt zu beweisen...", hält Allende fest).

Der junge Student der Medizin erwähnt die Dissertationen des bis dahin berühmten Endokrinologen Nicolás Pende über die Süditaliener, die Spanier und die Engländer in Bezug auf die Aktivität der Schilddrüse. Danach schlussfolgert Allende mit den Spaniern Suñer und Jiménez de Asúa, dass die Doktrinen der endokrinologischen Schulen unzureichend, simplifizierend und einseitig sind, die in der inneren Sekretion den Schilddrüsen und den Thymusdrüsen die einzige Erklärung des Verbrechens sehen.

Allende ordnet die damals entstehenden nazi-faschistischen Bewegungen in die Kategorie der "kollektiven Verbrechen" ein, die er, ohne sie namentlich zu zitieren, wie folgt beschreibt.: "die Weltwirtschaftskrise, und die bestehende politische Instabilität, hat militärische Institutionen mit Charakter von politischen Parteien hervorgebracht, die sich untereinander mit steigender Gewalttätigkeit in unterschiedlichen Ländern bekämpfen."

In seiner Dissertationen schätzt Allende ein, dass einige Führer von Volksmassen eine kriminelle Veranlagung besitzen, die die Gewalt einsetzen, um "ihre Prinzipien über alle und jegliche Dinge durchzusetzen". Ohne Hitler zu nennen, beschreibt er dieses zeitgenössische Phänomen in den folgenden Punkten:

"... So erklären sich einige wirklich tragische Aspekte, die diese kollektiven Verbrechen bekommen, da in den Massen sich mit exzessiver Leichtigkeit ein psychopathologisches Phänomen entwickelt, das prominente Psychiater untersucht haben und das als zerstörerischer Virus eingeschätzt wird. Nichts ist also einfacher als der bösartige Einfluss, den ein scheinbar normales Individuum, das uns bei näherer Untersuchung die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von geistig Verwirrten zeigen würde, über die Massen ausüben kann."

Folglich verurteilt Allende den Gebrauch des Terrors als Methode des Regierens:

"... Die Geschichte zeigt zahlreiche solche Beispiele, und so sehen wir, dass mit Hilfe der Psychiatrie das irregeführte Kollektiv, motiviert durch die unüberlegt Triebhaftigkeit eines Anführers, zu verstehen und zu begründen ist. Und so sind Robespierre, Marat und andere in verschiedenste pathologische Bilder eingeordnet worden."

Allende beendet seine Arbeit, indem er sein Vertrauen in den freien Willen und das humanistische Bewusstsein der Menschheit bekräftigt:

"... unsere Auffassungen identifizieren sich völlig mit Mariano Ruiz-Funes, wenn er sagt:: "ja, der Satz von Taine ist wahr, dass jeder Mensch ein Fidias in sich trägt, fähig Werke höchster Größe zu meißeln, aber ebenfalls fähig, den größten Ungeheuerigkeiten Leben zu einzuhauchen. Nicht weniger wahr ist es, dass jede Gesellschaft ihre Verbrecher formt oder ihre höchsten Menschen hervorbringt und dass in den einem oder anderem Fall, in dem individuellen oder dem gesellschaftlichen, ein ethischer Imperativ dazu zwingt, über jede Handlung zu entscheiden. Wenn dies nicht so eintrifft, ist es sicher, dass sich in unser Bewusstsein mit der Vorstellung belasten wird, dass wir es mit einem mittelmäßigen Bildhauer zu tun haben, der unsere Verachtung verdient."


II. Warnung vor einer diffamierenden Schmähschrift von Victor Farías, die im Umlauf ist

Der diffarmatorische Zweck wird beispielhaft verdeutlicht durch die Behandlung des Falles des Kriegsverbrechers und Nazis Walter Rauff.

1) Farías verschweigt, dass die Regierung Allendes es ermöglicht hatte, dass Rauff am 28. Juni 1972 in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Santiago durch einen deutschen Justizbeamten verhört werden konnte.

Die Erklärung wurde aufgenommen im Zusammenhang mit dem in Deutschland laufenden Prozess gegen den SS-Offizier Bruno Streckenbach. Der komplette Text der Erklärung ist veröffentlicht durch Nizkor auf http://www2.ca.nizkor.org/ftp.cgi/people/r/rauff.walter/Rauff-deposition-translation .

2) Er entstellt, wie sich der Präsident Allende mit Wiesenthal solidarisiert hat, als er ihm erklärte, dass der gültige Rechtsstaat in Chile den Präsidenten zwingt, den Inhalt des Beschlusses des obersten Gerichtshofes von 1963 in bezug auf Rauff zu erfüllen.


So beschreibt es Simon Wiesenthal in seinem Buch "Gerechtigkeit, nicht Rache"[1], mit den folgenden Worten:

"Rauff hatte Glück: nach der chilenischen Rechtsordnung zur Verjährung ist es nicht möglich, jemanden des Mordes zu beschuldigen, nachdem fünfzehn Jahre verstrichen sind, und als der Oberste Gerichtshof in Santiago den Fall behandelte, waren achtzehn Jahre vergangen. Mit drei Stimmen gegen zwei Stimmen wurde der Antrag auf Auslieferung abgewiesen. Ein Richter aus Hannover, der zum Verhör von Rauff in dem Prozess gegen Pradel in Chile war, kehrte überzeugt zurück, dass es nur möglich wäre, den Obersturmbannführer festzunehmen, wenn in Chile eine andere Regierung an die Macht käme. Acht Jahre später passierte genau dies: der Sozialist Salvador Allende wurde Staatschef. Am 21. August (1972) konnte ich dem Botschafter in Wien, Professor Benadava, einen Brief an Allende überreichen in dem ich ihn auf den Fall Rauff aufmerksam machte. Allende antwortete sehr herzlich, verwies aber auf die Schwierigkeit, die eine Wiederaufnahme eines Falles habe, wenn der Oberste Gerichtshof bereits ein Urteil gesprochen hatte. Ich bat Allende die Möglichkeit der Ausweisung Rauffs zu prüfen, da Rauff in Chile noch nicht eingebürgert worden war: wir können möglicherweise in einem anderen Land mit einer günstigeren Gesetzgebung gegen ihn vorgehen. Aber bevor Allende auf meinen zweiten Brief antworten konnte, gab es einen Staatsstreich und Allende starb".[2]

Das sind die von Wiesenthals unterschriebenen Worte, die die ihm in der Schmähschrift von Farías ohne jeden Beweis zugeschriebene Lügen strafen.

Es bestehen Verdachtsgründe, dass Farías ebenfalls den Text des Briefes, den er Präsidenten Allende als Antwort auf den von Herrn Wiesenthal zuschreibt, verfälscht oder manipuliert hat. Er veröffentlicht keine Fotokopie des Briefes, sondern einen durch irgendjemanden nicht Genannten mit der Maschine abgeschriebenen Text, ohne Stempel, noch Datum, noch Registernummer des mit "Außenministerium" überschriebenen und mit der Unterschrift "Präsident von Chile" hinter dem Namen "Salvador Allende G." versehenen Dokumentes. Diese drei Tatsachen sind unvereinbar mit der Korrespondenz des Staatschefs, der auf Papier mit Briefkopf des "Präsidialamtes" schrieb, der mit seinem eigenen Namen unterzeichnete (ohne "Präsident von Chile" anzufügen) und dessen Korrespondenz mit Datum und Ausgangsregister versandt wurde. Der Verdacht wird dadurch verstärkt, dass Farías die Quelle der Dokumente nicht belegt, sondern sich darauf beschränkt zu sagen: "ich habe sie im Archiv des Dokumentationszentrum von Wien gefunden".[3] Eine gravierende Unterlassung eines professionellen Akademikers, der den Nachweis der Aktennummer und/oder Aktenbündel umgeht, wo sich die Dokumente befinden, die er behauptet gefunden zu haben.


3) Farías verschweigt, dass Pinochet Rauff gegenüber jenen beschützt hat, die ihn einem Prozess unterziehen wollten.

So kann man es in dem Brief lesen, den der Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Dr. Efraim Zuroff, am 23. November 1997 an den Premierminister Israels Benjamín Netanyahu richtete[4]. Sein Text ist der folgende:

"Simon-Wiesenthal-Zentrum
23 Cheshvan 5758
23. November 1997
Premierminister Benjamín Netanyahu
Jerusalem

Sehr geehrter Herr Premierminister:

Kürzlich haben wir Kenntnis erhalten, dass der Oberkommandierende des Heeres Chiles und Expräsident dieses Landes, General Augusto Pinochet, die Absicht hat Israel zu besuchen. Obwohl er von "Machshirei Tenua", einem privatem Unternehmen, eingeladen wurde, hat der Besuch trotzdem wichtige öffentliche Implikationen, die uns veranlasst haben, diesen Brief zu schreiben.

General Pinochet war während vieler Jahre ein Diktator, der mit Vorbedacht und systematisch die Prinzipien der Menschenrechte und der Demokratie ignorierte. Während seiner Präsidentschaft wurden viele seiner politischen Gegner ermordet, unter ihnen zahlreiche Juden. Diese Tatsachen sind meiner Auffassung nach, ausreichende Gründe, um seinen Besuch in Israel zu vermeiden. Aber erlauben Sie mir eine weiter Dimension anzuführen, die im Zusammenhang mit den Aktivitäten des Simon-Wiesenthal-Zentrums steht.

Jahrelang gab General Pinochet Nazi-Kriegsverbrechern Unterschlupf, die nach Chile geflohen waren. Unter ihnen der alte SS-Offizier Walter Rauff, der die Gaswagen erfand, in denen Hundertausende Juden während des Holocausts im Todeslager Chelmno, in verschiedene Teilen der Sowjetunion und in Jugoslawien ermordet wurden. Später trat Rauff in Tunesien und in Italien in Erscheinung, wo er eine wichtige Rolle bei den Maßnahmen gegen die Juden spielte.

Nach dem Krieg floh Rauff aus Europa und ließ sich in Chile nieder. Ich kenne die großen Bemühungen gut, die durch das Wiesenthal-Zentrum und andere jüdische Organisationen während der späten siebziger und der frühen achtziger Jahre unternommen wurden, um die chilenischen Autoritäten mit Pinochet an der Spitze zu überzeugen, dass sie Rauff nach Deutschland ausliefern, dessen Behörden ihn anzuklagen beabsichtigten. Pinochet jedoch lehnte eindeutig ab, dieser Petition nachzukommen, und verteidigte den Nazi-Kriegverbrecher (der 1984 in Chile gestorben ist).

Von diesem moralischen Standpunkt aus kann der Staat Israel, als die nationale Heimstatt des jüdischen Volkes, Gäste wie Pinochet nicht empfangen, der den Juden so viel Schaden, Leiden und Schmerz verursacht hat. Ich ersuche folglich Ihre Intervention in Bezug auf dieses schmerzliche Thema, so dass wir den Besuch dieses Diktators und Mörders, eines Verteidigers von Nazi-Kriegverbrechern wie Walter Rauff verhindern. Bitte ersparen Sie uns diese peinvolle Situation.

Hochachtungsvoll grüßt Sie
Dr. Efraim Zuroff
Direktor"



4) Farías verschweigt, was öffentlich und offensichtlich ist, dass die Beziehung von Salvador Allende, in der Jugend und im Alter, mit allen Bekenntnissen, Glaubens- und ethnischen Gruppen in Chile ohne Unterschied immer ausgezeichnet gewesen ist.

III. Alle und jede der vermuteten "Entdeckungen" und "Funde", die Farías in Bezug auf Salvador Allende gemacht zu haben behauptet, sind gleich eine Kette von Unwahrheiten ohne jegliche Grundlage.

Unserer Ansicht nach versucht der Herr Farías sich hier nur in Szene zu setzen und aktuelle Stimmungen aufgrund der 60. Jahrestagen der Befreiung vom Faschismus, des Holocausts, etc. zu nutzen, nachdem seine Veröffentlichung in Chile wenig bis gar nicht gefruchtet hat, da er dem Irrglauben unterlag, dass er, wenn er nach links austeilt, von rechts Unterstützung ernten wird und dadurch die politischen Lager Chiles gegeneinander treiben würde, um sich an seinen Thesen zu reiben. Das Gegenteil ist tatsächlich eingetreten. Es war die bürgerliche Presse, die ihm Paroli bot, und es waren bürgerliche und konservative Kollegen, die ihn in diesen Medien widerlegten. Daraus ist nicht, wie behauptet, ein Bestseller geworden. Die Linke in Chile hat darauf nicht zu reagieren gebraucht, da solche Leichenschänder und Geschäftewitterer, wenn es um die Verfälschung historischer Tatsachen in Chile in den vergangenen drei Jahrzehnten geht, Schlange stehen. Er erhebt seit Jahren nur noch vermeintliche Skandale, um sich wichtig zu machen, da er kein ernstzunehmender Wissenschaftler mehr ist.

Als jahrzehntelang verschollen gilt so manch eine Diplomarbeit, -zeugnis, Adressen, Freunde und Bekannte, vor allem dann, wenn eine Diktatur 17 Jahre in Chile wütete und ihre Schatten darüber hinaus erstreckt. Folglich gehört Geheimniskrämerei, etwas bewusst versteckt zu haben, eher in den Bereich der okkulten Fantasien als in die Forschungsarbeit.

Die Entdeckung, dass in Lateinamerika deutsche Faschisten und Kriegsverbrecher Unterschlupf fanden und in den eurozentristischen und deutschtümelnden Oligarchien gern empfangen und hofiert wurden und dass die chilenischen Streitkräfte nicht nur preußische Generäle importierten, sondern dass auch deutsche Nazi-Schergen großzügig ihren Erfahrungsreichtum an Foltermethoden an Chilenen und Ausländern, Kommunisten, Sozialisten, Juden und Christen, Männern, Frauen und Kindern ausleben durften, ist nicht erst seit den Veröffentlichungen von Farías 2002 bekannt. So gesehen ist der Versuch, Allende in eine ideologische Nähe mit den Nazis in Chile zu bringen, nicht nur ein verzweifelter Versuch, sondern auch sinnlos, da der Werdegang Allendes das Gegenteil belegt.

Der Vergleich mit Goebbels und der damit einhergehenden Forderung nach Umbenennung aller nach Allende benannten Strassen, Schulen, Stadtteilen auf der Grundlage von eindeutig widerlegbaren Behauptungen ist eine Unverschämtheit und Dreistigkeit, wie sie auch hier nur selten zu Tage tritt. Allende war Bestandteil der Geschichte der organisierten und fortschrittlichen Arbeiterbewegung, die auch nicht von heute auf morgen an die Regierung gelangt ist, sondern sich über Jahrzehnte politische und soziale Errungenschaften hat erkämpfen müssen. Diese in den Kontext der faschistischen und verbrecherischen NSDAP eines Hitler und Goebbels zu stellen, die Unheil über die gesamte Menschheit gebracht haben, und dies jetzt in Fernsehen, auf populistische Art und Weise darzustellen, ist unseriös und unwissenschaftlich und unter juristischen Gesichtspunkten perfide. Das sollte ein Herr Farías vor seinem Hintergrund wissen. Seine Ergüsse sind wissenschaftlich nicht von ihm belegt und auch nicht haltbar. Beispielhaft steht da zum Beispiel ein Artikel in der Zeitschrift "Die Gazette", unter dem Titel "Alte Freundschaft - Der Schatten der Nazis über Chile": der ein Bild von Allende mit Pinochet veröffentlicht. Hier schreibt Farías den gesamten Artikel über Nazis in Chile, ohne dass irgendeine Verbindung zu Allende klar wird. Ihm geht es wohl nur darum, Allende mit diesem Foto und der Überschrift in die Nähe der Nazis zu rücken. Dass er dazu ein Foto des späteren Mörders mit seinem Opfer zeigt und diesem damit eine geistige Nähe zu Pinochet unterstellt, ist der Gipfel der Schamlosigkeit.

Wenn es den Herrn Farías denn so sehr um die Umbenennung von Strassen und die Geschichtspflege geht, dann sollte er vielleicht bei zahlreichen anderen Kollegen und Persönlichkeiten suchen, die tatsächlich und nachweislich Antisemiten und Rassisten gewesen sind. Dafür kann er vielleicht ein städtebauliches Kompletforderungspaket aufstellen und gleich die Kantstraße vorneweg abschaffen, da ja deutsche Philosophen zuweilen nicht nur befreundete Juden hatten, sonder sich gerne als ideologische Vorreiter antisemitischer und rassistischer Positionen anboten.

Dass Farías nur durch die Tatsache, dass er schon seit einigen Jahren (ähnlich lang wie andere Chilenen, die ins Exil mussten und in Deutschland politisches Asyl erhielten) in Deutschland lebt und ehemaliger Anhänger der Unidad Popular gewesen sein will, macht ihn noch lange nicht zum ex-linken Dissidenten und politisch verfolgten Emigranten. Im Gegenteil, unserer Ansicht nach ist die deutlich zu spürende Klassenverabscheuung mehr als deutlich. Wenn man ihn bei öffentlichen Veranstaltungen oder im Fernsehen auftreten sieht, wird klar, dass er heute nicht nur unseriös, sondern nur noch damit beschäftigt ist, die chilenische Linke (von damals und heute) zu diskreditieren. Farías muss wissen, was er macht, und das macht er nicht aus wissenschaftlichem Enthusiasmus, sondern aus seinem Werdegang als Opportunist und Wendehals heraus. Unter seinem wohl persönlichen Ziel, die chilenische Linke, die sich im Erstarken befindet, auf Kosten der Wahrheit zu diskreditieren.

Farías bleibt kein Verdienst, etwas vermeintlich Verschollenes entdeckt zu haben. Auch wird er es nicht schaffen, Allende zu begraben oder die Geschichtsschreibung zu verändern und Allendes Biographie zu entstellen. Genügend Verlagshäuser und Redaktionen haben sein Manuskript abgelehnt. Den Teil der deutschen Presseöffentlichkeit, die dieses zum Anlass nimmt, immer und immer wieder die gleichen Sätze und Behauptungen aus einer Quelle zu wiederholen, zeugt nur dafür, dass es auch ihr nicht um historische oder politische Wahrheit geht, sondern dass sie sich nur an diesem Thema hochziehen, ohne ihrer investigativen Sorgfaltspflicht nachzukommen. Sie nehmen lediglich vermeintlich reißerische Nachrichten als wahr an, ohne den Herrn Farías dafür ernsthafte Beweise abzuverlangen. Dies geschieht wohl unter dem Motto, dass jeder gegen Linke hetzen darf und schon irgendetwas hängen bleiben wird. Hauptsache man kann eine der letzten integren Persönlichkeiten der chilenischen und internationalen Linken diskreditieren. Das passt mit Bestimmtheit in den Zeitgeist, nachdem es der faschistischen Diktatur Pinochets nicht gelungen ist, das Ansehen Allendes aus dem historischen Gedächtnis des chilenischen Volkes auszulöschen.

Die aufrechten Chilenen, Mitstreiter, Freunde und Familienangehörigen Allendes sollten in Erwägung ziehen, ob man Farías nicht auf Unterlassung verklagen sollte.

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[1] Wiesenthal (S.): Justice, Not Vengeance. N. York, Grove Weidenfeld, 1989 1st US edition; Weidenfeld and Nicholson London 1989, pp. 62-64.

[2] "But Rauff was lucky: under the Chilean statute of limitations murder charges cannot be brought after fifteen years, and when the Supreme Court in Santiago dealt with the case eighteen years had elapsed. By three votes to two the application for extradition was rejected. A judge from Hanover, who went to Chile to interrogate Rauff in the action against Pradel, returned with the conviction that it would only be possible to get hold of the Obersturmbannführer if a different regime came to power in Chile.

Eight years later just that happened: the Socialist Salvador Allende became head of state. On 21 August I handed over to the Chilean ambassador in Vienna, professor Benadava, a letter to Allende, drawing his attention to the Rauff case. Allende relied very cordially but pointed to the difficulty of reopening a case when the Supreme Court had already handed down a judgment. I requested Allende to examine the possibility of having Rauff, who was not yet a Chilean citizen, deported: we might be able to proceed against him in a country with a more favourable legislation. But before Allende could answer my second letter there was a coup and Allende lost his life."

[3] FARIAS (V.): Los nazis en Chile, Barcelona, Seix Barral, 2000, pp. 450-453.

[4] Una copia de este documento fue aportada por el Dr. Efraim Zuroff en diciembre de 1998 al proceso que se sigue contra Pinochet en la Audiencia Nacional de España, por genocidio, terrorismo y torturas.

Editorische Anmerkung

Wir erhielten die PE  am 26. Mai 2005 von der Chile-Freundschaftsgesellschaft "Salvador Allende" e.V. Sociedad de amistad chileno-alemana "Salvador Allende" sociedad registrada
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