Hintergründe der Intifada im 21. Jahrhundert

von der Gruppe "Aufheben"
06/04

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1. Einleitung

Während wir in Druck gehen [im September 2001, d.Ü.], unternehmen die USA ernsthafte Anstrengungen, den »Friedensprozeß« von Oslo zu retten, und zwar als zentralen Bestandteil ihrer Strategie einer Mobilisierung und Vereinheitlichung der Welt-Bourgeoisie hinter dem »Krieg gegen den Terrorismus«. Vorher hatten die USA Israel und die Palästinenser ein ganzes Jahr lang in einem einseitigen, bedrückenden und blutigen Konflikt versinken lassen. Der Eindruck, daß die USA den israelischen Staatsterrorismus gegen die Palästinenser unterstützen, hat stark dazu beigetragen, daß viele Menschen im Nahen Osten und anderswo mit gemischten Gefühlen oder sogar positiv auf den gegen das Herz der US-Militär- und Finanzmacht gerichteten Terrorismus reagieren. Dadurch ist der israelisch-palästinensische Konflikt in den Mittelpunkt gerückt, was eine Analyse der Kräfte hinter der neuen Intifada umso dringender macht.

Als World Trade Center und Pentagon angegriffen wurden, wütete die sogenannte »Al Aksa Intifada« schon etwa ein Jahr. Sie schien den Versuch eines bürgerlichen Friedens, wie ihn die Osloer Verträge darstellen, praktisch sabotiert zu haben. Das hat das palästinensische Proletariat allerdings teuer bezahlt: Es hat mehr Tote und Verletzte zu beklagen als während der Intifada von 1987 bis 1993. Vor allem ist die Intifada mit der hohen Anzahl von Toten unter der palästinensischen Bevölkerung im israelischen Kernland in bisher nicht gesehener Weise nach Israel zurückgekehrt: in den ersten Tagen des Aufstands gab es in Jaffa und Nazareth Generalstreiks und Riots, und die wichtigste Straße durch das nördliche Galiläa war mit brennenden Reifen übersät. Auf der anderen Seite der Grünen Linie steigt durch die israelische Attentatspolitik stetig die Zahl der Todesopfer, und jeden Tag werden neue Details über die Schrecken des Nationalismus und der Repression bekannt, die einen immer mehr abstumpfen lassen.

Was die gegenwärtige Intifada aber tatsächlich von der vorherigen unterscheidet, ist die Existenz eines palästinensischen Staatsgebildes, dessen Polizei-Rolle und Satelliten-Status durch den Aufstand deutlich geworden sind. Der israelische Staat hat angefangen, die von der palästinensischen Autonomiebehörde kontrollierten Gebiete offenbar vorübergehend wieder zu besetzen. Was auch immer die wirklichen Ziele des israelischen Staates sein mögen: Diese Besetzungen sollten die Autonomiebehörde brutal daran erinnern, daß Israel sie geschaffen hat und sie darum auch wieder zerstören kann.

Der Artikel soll keine Vorhersagen über zukünftige Entwicklungen im palästinensisch-israelischen Konflikt aufstellen, sondern die gegenwärtige Intifada in ihren historischen Zusammenhang stellen und sie aus der Perspektive des Klassenkampfs verstehen. Viele Leute reagieren auf das Palästina-Problem meist mit einem abstrakten Appell an die Solidarität zwischen arabischen und jüdischen Arbeitern. Gleichzeitig legitimiert die leninistische Linke die nationalistische Ideologie, die die Arbeiterklasse spaltet, indem sie das »Recht auf nationale Selbstbestimmung« bekräftigt und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) »kritische Unterstützung« anbietet. [1] Während wir dies schreiben, läßt die Intifada eine Überwindung der nationalistischen Ideologie kaum erkennen. Die arabischen und jüdischen Arbeiter »kämpfen zusammen« - offenbar aber zusammen mit ihren Bourgeoisien und gegeneinander.

Der Artikel wird einige materielle Gründe dafür skizzieren, warum es so wenig jüdisch-arabische proletarische Solidarität gibt. Die Besetzung und die schlechtere Stellung der Palästinenser auf dem Arbeitsmarkt in Israel wie in den besetzten Gebieten bedeuten für Juden aus der Arbeiterklasse materielle Vorteile. Seit Mitte der 70er Jahre verliert dieses Arrangement (das wir Arbeiterzionismus nennen) aber an Bedeutung, und die wirtschaftliche Lage der jüdischen Arbeiter wird prekärer. Die Besetzung der Westbank (auch: Westjordanland) und des Gaza-Streifens war notwendig, um die jüdische Arbeiterklasse in Israel zu befrieden. Die Siedlungen in den besetzten Gebieten funktionieren als sozialer Wohnungsbau, der die immer prekärere wirtschaftliche Lage der jüdischen Arbeiter abfedern soll, und dies ist für die Architekten des bürgerlichen Friedens inzwischen ein unlösbares Problem.

Eine typisch linke Position ist die Forderung nach einem »demokratischen, sozialistischen Staat Palästina«, »in dem Araber und Juden in Frieden leben können«. [2] Dies hört sich für uns vielleicht relativ reformistisch an, aber in Israel gilt eine derartige Forderung nach einem »weltlichen, demokratischen, binationalen Staat« als abenteuerlich revolutionär - sogar bei relativ radikalen Aktivisten. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts werden die Kämpfe beider Gruppen von Arbeitern zunehmend durch das nationalistische Prisma gebrochen. Trotzdem ist das gräßliche Schauspiel von Proletariern, die Proletarier töten, kein unausweichliches Schicksal; der Nationalismus im Nahen Osten ist als Antwort auf die Militanz der Arbeiterklasse entstanden und wird auch als solche weiter am Leben gehalten. Für uns läßt sich die Ideologie des Nationalismus, wie sie sich im Nahen Osten zeigt, nur über die Entstehung des Erdöl-Proletariats und die zunehmende Macht der USA in der Region verstehen. So waren die Formen, in denen sich der palästinensische Nationalismus - vor allem der PLO - ausdrückte, zum Beispiel eine praktische Antwort der palästinensischen Bourgeoisie im Exil auf ein offen rebellisches palästinensisches Proletariat. Der von den USA vermittelte »Friedensprozeß« entwickelte sich aus der Erkenntnis, daß die PLO in der Intifada eine integrative Rolle spielte, während das Scheitern von Oslo und die offensichtliche deutliche Zunahme der islamistischen Feindschaft gegenüber der USA damit zusammenhing, daß die PLO noch nicht einmal die grundlegenden Forderungen des palästinensischen Nationalismus erfüllen konnte.

Wir müssen deswegen erstmal die internationalen Zusammenhänge im Nahen Osten verstehen, vor allem die hegemoniale Rolle der USA in der Region.

2. Der Aufstieg Amerikas

Die militärische Bedeutung des Erdöls zeigte sich erstmals im Weltkrieg von 1914-18. Danach wurde der Einfluß Deutschlands im Nahen Osten drastisch zurückgestutzt, und allen Großmächten wurde klar, daß das Osmanische Reich sich nicht länger halten konnte (zum Teil infolge eines arabischen Aufstands 1917, den die Briten unterstützt hatten). England und Frankreich teilten den Nahen Ostens in Einflußsphären auf, wobei England Palästina kontrollierte. Obwohl dies angeblich dazu dienen sollte, Rußland daran zu hindern, in der Region Fuß zu fassen, wollte England auch die französischen Ambitionen in Syrien und Libanon zurechtstutzen, den Zugang zum Suezkanal sichern und für den ungehinderten Nachschub irakischen Öls sorgen.

Angesichts des britischen Niedergangs als imperialer Macht war seine Position in Palästina 1947 nicht mehr zu halten. Ausgelaugt durch den Zweiten Weltkrieg, angegriffen von militanten jüdischen Siedlern und außenpolitisch zunehmend von den USA ins Abseits gedrängt, wurstelte Großbritannien bis 1948 weiter, als nach Staatsgründung Israels sein »Abzug« inszeniert wurde.

Im selben Jahr expandierte und konsolidierte sich der israelische Staat durch Krieg gegen seine arabischen Nachbarn, und die USA stiegen zur dominierenden fremden Macht in der Region auf. Die USA hatten drei strategische Interessen: die Ausdehnung der Sowjetunion in den Mittelmeerraum zu stoppen, die neu gefundenen Ölfelder auf der arabischen Halbinsel zu schützen und schließlich jede Fortsetzung des britischen und französischen Einflusses in der Region zu torpedieren.

In den Jahren unmittelbar nach dem Krieg sahen die USA ihre Hauptkonkurrenten im Nahen Osten weniger in der Sowjetunion als vielmehr in den alten europäischen Mächten. Der von der CIA unterstützte Pahlewi-Putsch von 1953 im Iran - eine Reaktion auf die Verstaatlichung der britischen Ölfelder im Iran - hatte zur Folge, daß 40 Prozent des britischen Öls an die USA fielen. Der Putsch machte den Iran zu einem Satellitenstaat der USA im »weichen Unterbauch« an der Südgrenze der Sowjetunion, zu einer Bastion der »westlichen Kultur« im Nahen Osten. In ähnlicher Weise verhinderten die USA in der Suez-Krise 1956, daß England und Frankreich wieder ihre nationalen Interessen in Ägypten geltend machten, so daß diese alten imperialen Mächte im Nahen Osten fortan nur noch die zweite Geige hinter den USA spielten.

Als Ägypten aber nach dem Putsch der Freien Offiziere 1952 in die sowjetische Einflußsphäre geriet und 1955 Waffenlieferungen mit der Tschechoslowakei vereinbarte, erkannten die USA, daß die Sowjetunion versuchte, in der Region die Muskeln spielen zu lassen. Die offizielle Losung der US-Außenpolitik hieß jetzt Eindämmung der Sowjetunion, d.h. die Schaffung von Hindernissen für den sowjetischen Einfluß im Nahen Osten. Dahinter stand eine Politik einer Verteidigung der ökonomischen Interessen der USA um jeden Preis.

2.1 Die ökonomischen Interessen der USA im Nahen Osten

Das Hauptinteresse der USA in der Region gilt natürlich dem Öl. Der Zweite Weltkrieg hatte nicht nur die USA in der imperialistischen Hackordnung ganz nach oben befördert, sondern auch die zentrale strategische Bedeutung des Nahen Ostens als wichtigste erdölproduzierende Region bestätigt. 1945 nannte ein Bericht des amerikanischen Außenministeriums Saudi Arabien »eine unglaubliche Quelle strategischer Macht und eines der größten materiellen Besitztümer in der Weltgeschichte«. Daran hat sich seither wenig geändert, außer daß das Öl während des dynamischen fordistischen Wachstums der USA in den 20 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg sogar noch wertvoller wurde.

Mit der Ablösung des Eisenbahnbaus durch die Automobilproduktion und die petrochemische Industrie als Wachstumsmotoren ging das Kapital von der Kohle zum Erdöl als zentralem Rohstoff über. Ölquellen, vor allem im Nahen Osten mit seinen riesigen Vorkommen, erlangten zentrale Bedeutung. Nachdem die Bedeutung des Öls der Region in der Energiekrise der 70er Jahre deutlich geworden war, machten die USA vor nichts halt, um es sich vor und über allen anderen zu sichern. Eine sekundäre, aber nicht unwichtige Profitquelle entsteht den USA seit Anfang der 70er Jahre durch den Fluß arabischer Petrodollars nach Nordamerika in Form von Rüstungsaufträgen, Bauprojekten, Einzahlungen auf Bankdepots und anderen Investitionen.

2.2 Panarabischer Nationalismus und erdölproduzierendes Proletariat

Zunächst spielte der neugeborene Staat Israel in den US-Planungen keine große Rolle. In der Suez-Krise hatten sich die USA gegen den israelischen Expansionismus auf die Seite Ägyptens gestellt. Die Vorteile einer besonderen strategischen Partnerschaft mit »dem zionistischen Gebilde« erkannten die USA erst in den 50er Jahren mit dem Aufkommen eines aggressiveren arabischen Nationalismus.

Das Wachstum der Erdölproduktion im Nahen Osten hatte zu einer schnellen Modernisierung bislang traditioneller Gesellschaften geführt. Aus dem Militärapparat und der Bürokratie entstand eine Pseudo-Bourgeoisie, die eine nationale Akkumulation betrieb, sich am sowjetischen Modell der kapitalistischen Entwicklung orientierte und gegen den »Imperialismus« wandte.

Die konsequenteste Form des Anti-Imperialismus war der »pan-arabische« Nationalismus. Seine Ursprünge lagen im Osmanischen Reich, das die Araber unter türkischer Herrschaft geeint hatte, aber nach dem Ersten Weltkrieg zusammenbrach. Danach teilten die imperialistischen Mächten den Nahen Osten unter sich auf, um Zugang zu neuen Märkten und strategischen Rohstoffen zu erlangen. Die neuen Grenzen verliefen quer zum Gefüge der »Umgangssprachen, Gewohnheiten und Traditionen« unter den Einwohnern des Osmanischen Reichs. In der pan-arabischen Ideologie soll eine auf einer Idealisierung vorkapitalistischer Gesellschaftsverhältnisse basierende »natürliche Gemeinschaft« die Klassengegensätze neutralisieren. Der Pan-Arabismus ist zwar eine politische Bewegung der Moderne, aber mit Hilfe dieser vorgestellten »natürlichen Gemeinschaft« konnte er sein Modernisierungsprojekt vorantreiben und den Klassenkampf einbinden.

Als nationalistische Bewegung diente der Pan-Arabismus der Spaltung und Kooptierung der Arbeiterklasse der Region und damit der Förderung der kapitalistischen Entwicklung. Trotzdem bedrohten seine Orientierung an der Sowjetunion und seine staatskapitalistischen Tendenzen die besonderen Interessen des westlichen Kapitals. [3] Obwohl keineswegs alle westlichen Kapitale identische Interessen hatten, gefährdeten die staatskapitalistischen Tendenzen des arabischen Nationalismus langfristig den ungehinderten Zugang des westlichen Kapitals zu den Ölfeldern des Nahen Ostens.

Zu der Zeit, als der arabische Nationalismus sich zu einem kämpferischen Pan-Arabismus verbündete, wurde er aber von Israel vernichtend geschlagen. Und ökonomisch fiel es den Bourgeoisien der verschiedenen arabischen Staaten früher oder später schwer, den riesigen Wirtschaftshilfen zu widerstehen, die bei einer Wiederanlehnung an die USA winkten. [4] Ihr innenpolitisches Problem (und die PLO macht da keine Ausnahme), offen pan-arabisch zu sein oder nicht, besteht darin, sich glaubhaft mit Amerika zu verbünden und gleichzeitig den Traum von der arabischen Unabhängigkeit und der Zerstörung Israels am Leben zu halten.

Ein Ausdruck dieser Spannung war die drastische Ölpreiserhöhung 1973, die als Reaktion auf den Yom-Kippur-Krieg zwischen Israel und den arabischen Staaten gesehen wurde. Die Forderungen des erdölproduzierenden Proletariats führten aber dazu, daß in einigen Ländern ein unverhältnismäßiger Teil der von der OPEC durchgesetzten höheren Ölpreise für die Bedürfnisse der Arbeiterklasse ausgegeben wurde, statt für die umfangreiche Technologie, die für die industrielle Entwicklung notwendig gewesen wäre. [5]

Die strategischen Imperative der USA drehten sich vor allem um zwei Achsen: erstens Eindämmung der scheinbaren Bedrohung durch die Sowjetunion und zweitens Zerschlagung oder, wo möglich, Kooptierung der verschiedenen Erscheinungsformen des arabischen Nationalismus, der über die Region fegte.

Zusätzlich zu ihrer üblichen Vorgehensweise bei Interventionen von außen - enthusiastische Unterstützung der glaubwürdigsten pro-westlichen Fraktion der Bourgeoisie, Einbindung möglichst großer Teile jeder Volksbewegung, Eliminierung der unverbesserlichen Unruhestifter - stellten die USA in raffinierter Art und Weise den Nahen Osten als permanent krisenhaften und nicht rational zu verstehenden Teil der Welt dar. Sie gingen zu einer Politik des »Krisenmanagements« über, um »Frieden in die weltweite Krisenregion Nr. 1 zu bringen«. Unabhängig von den jeweiligen Krisen flossen aber das Erdöl und die Petrodollars weiter von Ost nach West, und die USA stehen nach wie vor nicht unter Druck, für einen dauerhaften bürgerlichen Frieden in der Region zu sorgen. [6]

2.3 Der palästinensische Nationalismus als illegitimes Kind des Arbeiterzionismus

Israel befindet sich zwar in der Nähe der Ölfelder des Nahen Ostens, hat aber keine eigenen, was zu seiner strategischen Verwundbarkeit gegenüber seinen Nachbarn beiträgt. Die USA nutzten Israels Ruf als »Bastion der westlichen Kultur in einem von kleinen Despoten beherrschten Meer der Rückständigkeit« [7], um die Kontrolle über die Ölfelder zu behalten.

Seit Ende der 50er Jahre wurde an den dramatisch ansteigenden finanziellen und militärischen Hilfeleistungen deutlich, daß die USA Israel als strategischen Verbündeten sahen, der als Gegengewicht zu den sowjetischen Satellitenstaaten Ägypten und Syrien fungieren und diese sogar besiegen konnte. Die Kriege von 1967 und 1973 zeigten der arabischen Welt deutlich, wie mächtig Israel geworden war, nämlich zur regionalen Supermacht. Besonders die israelische Luftwaffe hatte unumschränkte Kontrolle über den östlichen Mittelmeerraum.

Israel hatte für die politischen Entscheidungsträger in den USA noch eine zweite Funktion: Da die USA noch tief getroffen vom Vietnamkrieg waren und die öffentliche Meinung im eigenen Land oder Bedenken hinsichtlich ihrer internationalen Stellung sie häufig daran hinderten, nach Belieben an den politischen Brennpunkten der Welt zu intervenieren, benutzten sie vor allem in den 70er und 80er Jahren regelmäßig Israel als Kanal, durch den sie selbst oder Israel diverse Aufstandsbekämpfungsbewegungen mit Geld und Waffen versorgten. Unter anderem profitierten die herrschenden Klassen von Zaire, Südafrika, Angola, El Salvador, Guatemala und Indonesien bei der Niederschlagung von Aufständen von rechtzeitiger israelischer Hilfe.

Obwohl die Bourgeoisie der USA eher pro-zionistisch war, hat Israel aber »nie ausgereicht«, um die Sicherheit ihrer Interessen zu gewährleisten. Dafür mußte sie direkt mit den arabischen Staaten zusammenarbeiten, was sich zuweilen als höchst riskante Strategie erwies, die nicht immer im Sinne der USA aufging. Im Gegensatz zu den Golfstaaten und der Türkei, die ihre Rolle als Satellitenstaaten nie in Frage gestellt haben, ließen arabischer Nationalismus, »Sozialismus« und Islamismus einige arabische Nationen eine unnachgiebige Haltung gegenüber den USA einnehmen. Ägypten unter Nasser, Syrien unter Hafez al-Assad und der Iran unter den Mullahs sind einige Beispiele dafür.

Zur Zeit bereiten noch zwei Punkte den amerikanischen Politikern schlaflose Nächte: erstens der Aufstieg des Islamismus, der ursprünglich von den USA als Gegengewicht zur Sowjetunion gefördert wurde, sich inzwischen aber von den USA und ihren Satellitenstaaten kaum noch einbinden läßt. Von Syrien über Jordanien bis Ägypten sind die Gefängnisse im Nahen Osten voll mit radikalen, antiamerikanischen Islamisten. Zweitens die immer wieder auftauchende Palästina-Frage. Teile der arabischen Bourgeoisie nahmen eine radikal anti-amerikanische Haltung ein, weil Israel eine große palästinensische Diaspora quer durch das erdölproduzierende Proletariat des Nahen Ostens geschaffen hatte. Als »Wachhund« des US-Imperialismus sorgte Israel für die außenpolitische Bedrohung, die die entstehenden arabischen Bourgeoisien vereinigte und die arabischen Arbeiter mobilisierte. Jedes Mal, wenn sich die arabische Bourgeoisie mit der Gefahr des proletarischen Antagonismus konfrontiert sah, konnte sie die Wut des Proletariats auf »den wahren Feind« lenken: Israel. Nach 1967 wurde die PLO zum wichtigsten politischen Ausdruck des Pan-Arabismus.

Angesichts der pan-arabischen Feindseligkeit sucht die israelische Bourgeoisie immer wieder militärische Bündnisse mit nicht-arabischen islamischen Staaten. Die Verbindung zum Iran wurde allerdings 1979 durch den Sturz der Pahlewi-Dynastie abgebrochen. Das neue schiitische Regime war noch vehementer anti-westlich eingestellt als die arabischen Nationalisten. [8] Inzwischen hat Israel in der Türkei einen neuen nicht-arabischen Alliierten in der Region gefunden.

Der pan-arabische Nationalismus, die ideologische Basis des palästinensischen Nationalismus, hing also aufs engste mit dem Zionismus zusammen und von ihm ab. [9] Wie seine Nemesis war auch der Zionismus eine nationalistische Bewegung, die auf einer idealisierten »natürlichen Gemeinschaft« beruhte, in diesem Fall von Juden. [10] Den gegenwärtigen Aufstand und die nationalistische Ideologie, von der er getränkt ist, kann man nicht verstehen, ohne den Nationalismus zu verstehen, gegen den sie sich richten: den Zionismus. Wir wollen uns nun seiner bis vor kurzem herrschenden Form, die man als Arbeiterzionismus bezeichnen könnte, zuwenden.

3. Zwei nationale Befreiungsbewegungen:
der Arbeiterzionismus und die palästinensische National-Bewegung

3.1 Der Arbeiterzionismus und die Militanz der europäisch-jüdischen Arbeiterklasse

Die Basis des Arbeiterzionismus war traditionell das Umfeld einiger großer Institutionen, vor allem der Histadrut und des Jüdischen Nationalfonds (JNF). Die Histadrut ist eine staatliche »Gewerkschaft«, die auch schon immer ein großer Arbeitgeber war. Schon vor der Schaffung Israels war sie ein Arbeitsministerium in Embryonalform, das für Teile der jüdischen Arbeiter auch als Gewerkschaft fungierte. Der Jüdische Nationalfonds wurde 1903 als Fonds zur Sammlung von Spenden von Zionisten gegründet. Seine wichtigste Funktion war die einer nationalen Landverwaltungsbehörde. Im Namen »aller Juden« kaufte er große Landflächen und kontrollierte einen Großteil des in der Landnahme von 1948 gewonnenen Bodens. JNF-Land konnte nur an Juden verpachtet und von ihnen bestellt werden und ging 1948 in Staatseigentum über. Achtzig Prozent der Israelis leben auf Land, das ursprünglich einmal dem JNF gehörte, und ein Großteil davon wird immer noch vom JNF kontrolliert.

Die frühen Zionisten waren eine bürgerliche Interessengruppe, die bei verschiedenen europäischen Führern (einschließlich Mussolini) Lobby-Arbeit betrieben. Anders als die meisten europäischen Juden verstanden sich diese Zionisten als Antikommunisten. »Ehrliche Antisemiten« sahen sie als Verbündete, die ihnen Land geben würden, um die »revolutionäre Bedrohung« durch die Juden loszuwerden. Sie umwarben auch westeuropäische jüdische Kapitalisten, die die anhaltende Einwanderung militanter osteuropäischer Juden in ihre Länder als eine Gefahr für die Assimilierung und als Ermutigung des Antisemitismus betrachteten und sie deshalb verhindern wollten, und Kolonialstaaten, die ihnen Land geben oder verkaufen konnten (was damals nicht unbedingt Palästina sein mußte). Der Zionismus war aber immer darauf angewiesen, daß er eine Massenbewegung war, und die frühen Zionisten hielten ihre politischen Bündnisse zu diesem Zweck gerne flexibel.

In seinen frühen Tagen spielte der Zionismus für die meisten proletarischen europäischen Juden, die sich eher der über den Kontinent fegenden revolutionären Arbeiterbewegung verbunden fühlten, keine Rolle. [11] Und auch viele osteuropäische Juden aus der Mittelschicht sahen angesichts des rechten Antisemitismus ihren einzig möglichen Platz auf der Linken.

Um diese Basis anzusprechen, mußten die zionistischen Gruppen ihre »sozialistischeren« Aspekte betonen. [12] Das fiel zusammen mit der im Zionismus ausgedrückten Sehnsucht nach einer Rückkehr zu den vorkapitalistischen Gemeinschaftsbindungen als der eigentlichen Grundlage der »jüdischen Identität«. Die eher »sozialdemokratischen« Elemente im Zionismus traten in den Vordergrund und überdauerten als dominante Form. Dadurch konnten die zionistischen Gruppen in der jüdischen Arbeiterbewegung Fuß fassen.

Die Ankunft des Arbeiterzionismus in Palästina

Die frühen jüdischen Siedlungen waren mehr oder weniger geschäftliche Unternehmungen, die letztlich meistens arabische Arbeiter anstellten (welche oftmals durch die zionistischen Landnahmen frisch proletarisiert worden waren). [13] Neue jüdische Einwanderer auf der Suche nach Arbeit mußten manchmal sogar auf der gleichen Grundlage wie die Araber Gelegenheitsarbeiten annehmen. [14]

Der Aufstieg der Institutionen des Arbeiterzionismus in der jüdischen Gemeinschaft in Palästina begann in den 20er Jahren. Etwa seit 1905, als nach dem Scheitern der Revolution viele linke russische Juden zum Zionismus wechselten, hatte es einen anhaltenden Kampf gegeben. Die zweite Welle der zionistischen Einwanderung bestand v.a. aus jungen, gebildeten, linken Mittelschichts-Juden, die zurück aufs Land und dort als Pioniere arbeiten wollten. Von der zionistischen Kolonisation waren sie enttäuscht, weil sie diese im Gegensatz zu ihren Hoffnungen als viel zu kapitalistisch empfanden. Im Gegensatz zu den jüdischen Kapitalisten, die froh waren, (billige) arabische Arbeitskraft ausbeuten zu können, brachten sie die Idee auf, daß auf jüdischem Land und in jüdischen Unternehmen ausschließlich jüdische Arbeiter arbeiten sollten. Wenn ein Bestandteil des modernen Antisemitismus ein Pseudo-Antikapitalismus ist, in dem die Juden mit der abstrakten Seite der Warenform gleichgesetzt werden - mit abstrakter statt konkreter Arbeit, mit der »wurzellosen und kosmopolitischen« Finanz- und Zirkulations- statt der bodenständigen und auf nationaler Grundlage stehenden Produktionssphäre [15] - dann ist der Zionismus mit seiner Betonung der Arbeit und der Rückkehr aufs Land auf einer bestimmten Ebene eine Antwort darauf. In einem ausschließlich jüdischen Staat, glaubte man, würden sich die Juden nicht in ausgesuchten Gewerben oder Berufen konzentrieren, sondern das ganze Spektrum kapitalistischer Arbeitsteilung abdecken. Daher die Losungen: »Eroberung des Landes« und »Eroberung der Arbeit«.

Das führte zu einem Konflikt zwischen alten Siedlern und neuen Einwanderern. [16] Bei jüdischen Bossen, die weiterhin arabische Arbeiter beschäftigten, standen die zionistischen Gewerkschaften Streikposten. [17] Der Konflikt wurde durch die zionistische Organisation gedämpft, die den größten Teil ihrer Gelder benutzte, um die Löhne jüdischer Arbeiter zu subventionieren, sodaß die Unternehmer jüdische Arbeiter genauso billig wie arabische beschäftigen konnten. Trotzdem gab es immer noch Streiks. Als Reaktion darauf organisierte die rechte Opposition mit Hilfe polnischer Einwanderer aus dem Kleinbürgertum, reicher Bauern und Fabrikbesitzer eine »Nationale Gewerkschaft« mit Streikbrechern. Außerdem führten sie Angriffe auf proletarische Organisationen durch. [18] Andererseits erhielten die linken »Eroberung der Arbeit«-Zionisten starken Auftrieb durch die palästinensischen Generalstreiks von 1936, als jüdische Arbeiter sich als Streikbrecher gegen die streikenden Palästinenser betätigten.

Schon in den 20er Jahren waren über drei Viertel der jüdischen Arbeiter in der Histadrut organisiert, die nach der britischen Regierung der größte Arbeitgeber war. Sie betrieb auch die Arbeitsvermittlungsstellen und war eng mit den Handels- und Produktionsgenossenschaften verbunden. Mit dieser Struktur stellte die Histadrut eine lebenswichtige Grundlage der »Quasi-Regierung« der zionistischen Organisationen dar. Sie organisierte Ausbildung, Einwanderung und wirtschaftliche und kulturelle Angelegenheiten. Der zionistische Staat verwurzelte sich also bereits vor 1948 in korporatistischen sozialdemokratischen Formen. [19]

Die zionistische ethnische Schichtung

Nach der massenhaften Landnahme 1948 trat erstmals ein Problem auf, das seitdem ständig wiederkehrt: Mangel an jüdischen Arbeitskräften. Europäische bürgerliche Juden präsentierten ihren Geldgebern und Unterstützern den Zionismus als Problemlösung gegen die Militanz der jüdischen Arbeiter. Allerdings wollten die meisten Juden nicht nach Israel, sondern eher nach Amerika oder Westeuropa. Europäische Juden waren überhaupt nicht begeistert von der territorialen Unterlegenheit des winzigen Staats im Verhältnis zu seinen feindlichen arabischen Nachbarn, die letztlich den Expansionsdrang anheizte: Anders als Ägypten im Westen oder Syrien im Nordosten konnte Israel es sich nicht leisten, auch nur einen Hektar Land zu verlieren. Die daraus resultierende Militarisierung Israels schreckte potentielle Einwanderer erst recht ab.

Das Problem wurde teilweise durch die Einwanderung von Juden aus dem Nahen Osten und Nordafrika gelöst. Viele orientalische Juden hatten allerdings keine Lust, nach Israel zu gehen, und waren sogar gegen den Zionismus, weil er ihre Situation, vor allem in arabischen Ländern, noch schwieriger machte. Große Teile der arabischen Bourgeoisie versuchten, gegen den Zionismus den Pan-Arabismus zu unterstützen, und obwohl die orientalischen Juden keinem systematischen Völkermord auf dem Niveau des Holocaust ausgesetzt waren, gab es in einigen Ländern im Nahen Osten Pogrome. Die Gründung Israels, der Krieg von 1948 und das darauf folgende Erstarken des arabischen Nationalismus machten die Lage der orientalischen Juden noch schwieriger, so daß viele von ihnen nach Israel emigrierten. [20]

Die orientalischen Juden wurden in diesem Umsiedlungsprozeß häufig proletarisiert. Wer berufliche Qualifikationen besaß, stellte oft fest, daß diese in Israel nicht benötigt wurden, und mitgeführte Wertsachen wurden ihnen bei der Einreise oft weggenommen. Im völligen Gegensatz dazu wurden westliche Juden bei der Wohnungs- und Arbeitssuche bevorzugt behandelt, und einige konnten individuelle Entschädigungszahlungen aus Deutschland als Geldkapital nutzen. Orientalische Juden kamen regelmäßig auch in die Durchgangslager und Neubaustädte, die in Grenznähe lagen und ebenso überbevölkert wie gefährlich waren. Als die hauptsächlich nordafrikanischen Juden, die in Grenzstädten wie Musrara abgeladen wurden, die Häuser der durch den Enteignungskrieg 1948 vertriebenen Araber besetzten, drückte der Staat ein Auge zu. Praktisch führte das dazu, daß die orientalischen Juden die Grenzen gegen die Araber sicherten. Die Praxis des Arbeiterzionismus in Israel basierte also auf einer ethnischen Schichtung der Arbeiterklasse, nicht nur zwischen Juden und Arabern, sondern auch zwischen orientalischen und westlichen Juden. Die treibende Kraft hinter dem »Blühenlassen der Wüste« zu einem modernen kapitalistischen Staat war die Arbeit der orientalischen Juden und der wenigen verbliebenen Palästinenser.

Trotzdem entstand in Israel aufgrund der großen Bedeutung ausländischer finanzieller Unterstützung keine »normale« kapitalistische Ökonomie. Ab den 50er Jahren kam aus Deutschland jährlich eine Milliarde Mark an kollektiven Entschädigungen für den Nazi-Holocaust. Noch wichtiger waren die Beiträge aus den USA. 1983 erhielt Israel mit nur drei Millionen Einwohnern 20 Prozent aller amerikanischen Hilfsgelder. Jede israelische Familie erhielt mit anderen Worten 2 400 Dollar von der US-Regierung. Allerdings hatte sich die israelische Bourgeoisie im entwickeltsten kapitalistischen Staat der Region ihre eigenen potentiellen Totengräber akkumuliert: eine kämpferische Arbeiterklasse.

3.2 Widerstand der jüdischen Arbeiterklasse und Zwang zur Expansion

Anders als viele andere Länder im Nahen Osten hat Israel schon immer eine relativ große Arbeiterklasse auf einem kleinen Gebiet konzentriert. Die ethnische Schichtung hat verhindert, daß gegen das israelische Kapital ein homogenes Proletariat entstand. Trotzdem war die israelische Arbeiterklasse immer kämpferisch. Das Hauptmerkmal des Klassenkampfs in dieser Zeit war der Kampf orientalischer Juden gegen ihre untergeordnete Position in der israelischen Gesellschaft. Während der ganzen 50er Jahre gab es in den zum allergrößten Teil orientalischen Durchgangslagern »Brot und Arbeit«-Riots, die sich regelmäßig gegen die Polizei richteten. Die »Wadi Salib Riots« 1959 begannen in einem Slum von Haifa und sprangen sofort auf andere Orte mit einer starken marokkanisch-jüdischen Bevölkerung über.

Wie in westeuropäischen Staaten wurden die Klassenkämpfe in Israel durch sozialdemokratische Institutionen vermittelt. Viele der militanten orientalischen Juden sahen die Histadrut und die Arbeitspartei allerdings als Gegner, daher waren diese Institutionen oft Angriffen ausgesetzt. Bei einer Gelegenheit wurde 1953 das Büro der Histadrut Ziel eines Brandanschlages durch orientalisch-jüdische Demonstranten, die im nackten Korporatismus der Histadrut die Verkörperung ihrer eigenen Unterordnung unter die westlichen Juden sahen.

Anfang der 60er Jahre steckte die israelische Wirtschaft in einer Krise, zum Teil, weil die deutschen Reparationszahlungen, die dem israelischen Kapital einen guten Start verschafft hatten, langsam versiegten. Viele Einwanderer, die gekommen waren, weil sie auf ein besseres Leben hofften, sahen sich nun mit wachsender Arbeitslosigkeit konfrontiert. Die jüdischen Arbeiter machten den Kapitalisten das Leben weiterhin schwer; allein 1966 kam es zu 277 Streiks. [21]

Als das Verbrennen der roten Fahne (die die Hegemonie der Arbeitspartei symbolisierte) auf den Demonstrationen der Hafenarbeiter zur Routine wurde, war klar, daß es den sozialdemokratischen Formen des Arbeiterzionismus nicht mehr gelang, die Kämpfe der jüdischen Arbeiter zu befrieden.

Der Boom nach 1967

Nach dem Krieg von 1967 war Israel weiterhin von feindlichen arabischen Staaten umgeben - herrschte nun aber auch über die palästinensische Bevölkerung der besetzten Gebiete: Ein Drittel der Bevölkerung waren Palästinenser. Angesichts der Bedrohung von außen und innen verlangte das Überleben des zionistischen Staats die Einheit aller israelischen Juden - der westlichen wie der orientalischen. Aber um alle Juden hinter dem Staat Israel zu vereinigen, mußten die bisher ausgegrenzten orientalischen Juden in einen erweiterten Arbeiterzionismus integriert werden. Günstigerweise schufen dieselben Umstände, die die Ausweitung des Arbeiterzionismus notwendig machten, auch die Bedingungen für eine derartige grundlegende Umgestaltung der Gesellschaft.

Erstens hatte der Krieg von 1967 die USA gezwungen, sich zu Israel als Gegengewicht zum wachsenden panarabischen Nationalismus zu bekennen, der sich mit der UdSSR verbündete. Zweitens versorgte die Besetzung der Westbank Israel mit einem großen Reservoir hochgradig ausbeutbarer palästinensischer Arbeitskraft. Zusammen mit den immer reichlicher fließenden Hilfen aus den USA schuf die billige palästinensische Arbeitskraft die Bedingungen für das schnelle Wachstum der israelischen Wirtschaft im folgenden Jahrzehnt.

Nach 1967 konnte der israelische Staat eine militärkeynesianistische Politik betreiben, in den 70er Jahren stiegen die Militärausgaben auf bis zu 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Wirtschaftsboom wurde von steigenden öffentlichen Ausgaben angetrieben, die mit einem wachsenden Staatsdefizit finanziert wurden. Dadurch schuf die Regierung neue Arbeitsplätze, direkt durch die Ausweitung des öffentlichen Sektors, und indirekt, weil der private Sektor wuchs, um die Nachfrage der Armee zu bedienen. Die zunehmenden Forderungen aus dem israelischen Militär nach High-Tech-Bewaffnung verschafften den die israelische Wirtschaft beherrschenden und von der westlich-jüdischen Bourgeoisie kontrollierten fünf größten Konzernen sichere Profite. Zudem ließ das Militär auch Militärstützpunkte, Kasernen und andere Einrichtungen bauen, was dem erstarkenden orientalisch-jüdischen Kleinbürgertum Geschäftsmöglichkeiten bot, das hohe Gewinne aus der Ausbeutung billiger palästinensischer Arbeiter zog. Rüstungsgüter bedienten nicht nur die Binnennachfrage, sondern wurden zum wichtigsten Exportprodukt. Da ein Großteil des öffentlichen Sektors der militärischen Akkumulation diente, durften in diesen Branchen nur Wehrpflichtige arbeiten. Von diesem zweifelhaften Privileg waren selbst Araber mit israelischer Staatsbürgerschaft ausgeschlossen, von den Palästinensern in den besetzten Gebieten ganz zu schweigen. Somit waren die »strategischen« (besser bezahlten) Branchen per Definition den (oft orientalischen) Juden vorbehalten.

Die Militarisierung der Wirtschaft beförderte zwar die Integration der orientalischen Juden, verstärkte aber die Benachteiligung der nicht-jüdischen Arbeiter. Praktisch hatte Israel nun einen doppelten Arbeitsmarkt: einen jüdischen und einen palästinensischen. Bezeichnenderweise folgte der israelischen Besetzung dieser Gebiete kein de jure-Anschluß. Das hätte nämlich bedeutet, den Palästinensern der Westbank oder des Gazastreifens dieselben begrenzten Staatsbürgerrechte zugestehen zu müssen wie den Palästinensern, die es geschafft hatten, bis 1966 innerhalb der Grenzen von 1948 zu bleiben. Durch die Besetzung konnte das israelische Kapital, vor allem in der Landwirtschaft und auf dem Bau, Mehrarbeit aus palästinensischen Arbeitern pumpen, ohne den jüdischen Charakter des Staats anzutasten. Die Palästinenser wurden nicht in die israelische Gesellschaft integriert: tagsüber arbeiteten sie in Israel, nachts sollten sie in ihre Schlafstädte auf der Westbank oder im Gazastreifen zurückkehren. Und während ihre billige Arbeitskraft beiderseits der Grünen Linie einen Bau-Boom ermöglichte, zog die israelische Wirtschaft zusätzlichen Nutzen aus der Eroberung der besetzten Gebiete als Absatzmarkt für israelische Konsumgüter.

Außerdem konnte der israelische Staat durch gezielte staatliche Aufträge und die Zwänge der nationalen Sicherheit sowie militärische und zivile Bauprojekte eine Politik der schnellen Industrialisierung und Importsubstitution betreiben. Investitionen wurden durch hohe Importzölle und großzügige Exportsubventionen vor ausländischer Konkurenz geschützt und in den Aufbau einer modernen Industrie gelenkt. Dadurch konnte Israel importierte Industrieprodukte durch eigene Industrieerzeugnisse ersetzen. Mit dieser Politik etablierte sich Israel Ende der 70er Jahre als relativ hoch entwickeltes Industrieland.

Die militärkeynesianistische Politik und die schnelle Industrialisierung führten zu einem hohen Handelsbilanzdefizit, da die Nachfrage sowohl der Privatverbraucher als auch der Industrie dem Angebot davonlief. Das Handelsbilanzdefizit stieg schließlich auf 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was sich nur mit Hilfe des großzügigen Zustroms amerikanischer Hilfe finanzieren ließ.

Das schnelle Wirtschaftswachstum und die Entwicklung Israels in den zehn Jahren nach dem Sechstagekrieg schufen die materiellen Bedingungen, die notwendig waren, um den Arbeiterzionismus auszuweiten. Während die Arbeitslosigkeit in Israel 1966 noch 11 Prozent betragen hatte, herrschte nun mehr oder weniger Vollbeschäftigung. Der zionistische Staat konnte nun allen Juden, die sich entschieden, hier zu leben, einen Job und steigenden Lebensstandard in einer modernen Wirtschaft westlicher Prägung anbieten.

Siedlungen und Klassenkompromiß

Seit dem Ende des Sechstagekriegs war die Politik der Errichtung von jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten immer ein wichtiger Teil der Ausweitung des arbeiterzionistischen Klassenkompromisses mit dem Ziel gewesen, die vorher ausgeschlossenen orientalischen Juden zu integrieren. Das unmittelbare Ziel der Siedlungen bestand natürlich darin, die israelische Kontrolle über die besetzten Gebiete zu festigen. Aber die Siedlungspolitik bot den ärmeren Schichten der jüdischen Arbeiterklasse auch Wohnraum und Arbeitsmöglichkeiten, um aus ihrer benachteiligten Stellung in der israelischen Gesellschaft herauszukommen. Das war vor allem in den 70er Jahren wichtig, als das Fehlen von anständigem Wohnraum dazu führte, daß obdachlose orientalische Juden leerstehende Häuser in reichen, westlich-jüdischen Vororten besetzten.

Die Siedlungen boten eine Alternative zur direkten antagonistischen Aneignung, indem sie den Antagonismus in eine andere Richtung lenkten. Sie stellten die jüdische Arbeiterklasse direkt an die Front - in ein direktes und antagonistisches Verhältnis zum potentiell aufständischen palästinensischen Proletariat - und banden sie damit an den jüdischen Staat, der ihre neu erworbenen Privilegien gegen die Ansprüche der Palästinenser verteidigte. 1971 gab es bereits 52 solcher Siedlungen.

Die israelischen Black Panthers

Aber nicht alle waren in den Klassenkompromiß integriert, und die Kämpfe gingen weiter. Viele junge orientalische Juden waren von den »Vorteilen« der Vermittlung ausgeschlossen, weil sie vorbestraft waren und damit von den guten Jobs und Wohnungen ausgeschlossen waren, die angeblich in Israel für Juden ein Geburtsrecht waren. Der Boom nach 1967 führte in ehemaligen Grenzstädten wie Musara zu einer Gentrifizierung [Luxussanierung; A.d.Ü.], wodurch die armen nordafrikanischen Juden verdrängt wurden. Das war die Basis einer neuen Bewegung, der israelischen Black Panthers.

Obwohl ihre soziale Basis sicher kleiner war als die der Bewegungen der 60er Jahre, kamen 1971 Zehntausende von Leuten zu ihrer Demonstration gegen Polizeirepression, bei der es 171 Verhaftungen gab und 35 Menschen bei Auseinandersetzungen mit der Polizei verletzt wurden. Sie flirteten auch mit linken Antizionisten, und einige dachten sogar über Gespräche mit der PLO nach. Mitglieder oder Sympathisanten von Matzpen (einer kleinen, aber bekannten antizionistischen Gruppe) schrieben einige Flugblätter, und an manchen Punkten gab es eine Zusammenarbeit. Die Sprüche der Black Panthers zeigen, daß sie anfingen, einen Klassenstandpunkt zu vertreten: »Sie brauchen uns immer, wenn sie Krieg führen«, »Ich will gar nicht darüber nachdenken, was passieren wird, wenn es Frieden gibt«, »Wenn die Araber ein wenig Verstand hätten, würden sie die Juden alleine lassen, damit sie sich gegenseitig fertig machen«.

Aber ihre Kritik der israelischen Gesellschaft wurde von Leuten untergraben, die eine Vermittlung im Rahmen des Arbeiterzionismus suchten und sich deswegen gegen Verbindungen zur antizionistischen Linken und erst recht zu den gesellschaftlichen Parias - den Palästinensern - aussprachen. Führende Mitglieder der Black Panthers bekamen bessere Wohnungen und Jobs und verließen die Gruppe, die zunehmend von internen Spaltungen bestimmt wurde.

Trotzdem blieb die Unzufriedenheit mit dem arbeiterzionistischen Establishment unter orientalischen Juden stark, und der Kauf von jüdischen Radikalen wie den Führungsfiguren der Black Panthers war Teil eines Klimas, in dem jüdische Arbeiter allgemein einen höheren Lebensstandard als ihre Eltern erwarteten. Der Zwang, allen Juden Vollbeschäftigung zu garantieren, stärkte die Verhandlungsposition der jüdischen Arbeiter in Lohnverhandlungen, was für die israelische Wirtschaft letztlich zu Inflationsproblemen führte.

Diese Probleme gab es nicht nur in Israel. Auch in Westeuropa und Amerika sah man sich mit einem Proletariat konfrontiert, das sich nicht mit den »Errungenschaften« des Nachkriegs-Sozialpakts zufrieden gab, sondern diese nutzte, um die Freiheit der Kapitalakkumulation einzuschränken. In Israel wurden diese Probleme noch verstärkt durch die Beschränkungen einer intensiven Akkumulation und die Zwänge der Sicherheitspolitik.

Angesichts der Rigidität der jüdischen Arbeiterklasse war die Politik des auf Importsubstitution beruhenden intensiven Wirtschaftswachstums Ende der 70er Jahre an die Grenzen der engen Spielräume der israelischen Wirtschaft gestoßen. Das Wirtschaftswachstum, das Anfang der 70er Jahre noch über zehn Prozent betragen hatte, sank auf bescheidene drei Prozent. Der Wachstumseinbruch löste eine Inflationskrise aus, die Preise stiegen in sieben Jahren um 100 000 Prozent. Die Krise ließ sich nur durch tiefgreifende Einschnitte in den arbeiterzionistischen Klassenkompromiß mit seinem relativ großzügigen Soziallohn lösen.

Die Inflationskrise 1978-1985

In einer Wirtschaft, die von einigen Großkonzernen beherrscht wird und durch hohe Zollschranken vor ausländischer Konkurrenz geschützt ist, ist Vollbeschäftigung ein klassisches Rezept für Inflation. Da 85 Prozent der Tariflöhne und auch andere Unterstützungszahlungen und Einkommen an die Preisentwicklung gekoppelt waren, übersetzte sich jede Preissteigerung bald in höhere Löhne, was wiederum zu steigenden Preisen führte, weil höhere Lohnkosten an die Verbraucher durchgereicht wurden. Im Ergebnis neigte die israelische Wirtschaft zu einer sich selbst verstärkenden Lohn-Preis-Spirale.

Der Militärkeynesianismus führte fast die ganzen 70er Jahre hindurch zu Inflationsraten von 30 bis 40 Prozent. Der israelischen Regierung gelang es aber, die Inflation unter Kontrolle zu halten, indem sie (trotz des Zusammenbruchs des Systems fester Wechselkurse von Bretton Woods) am festen Wechselkurs des israelischen Pfunds zum US-Dollar festhielt. Die steigenden Inlandspreise wurden dadurch ausgeglichen, daß Importe durch den festen Wechselkurs billiger blieben, als sie eigentlich gewesen wären, und damit der Preisindex, auf den sich die Lohnerhöhungen bezogen, niedrig gehalten wurde. Natürlich wirkten sich die steigenden Preise bei festen Wechselkursen nachteilig auf die Konkurrenzfähigkeit der israelischen Industrie aus, was aber durch die Anhebung der Zölle, die Erhöhung der Exportsubventionen und gelegentliche kontrollierte Abwertungen des israelischen Pfunds ausgeglichen werden konnte.

Der ökonomische Einbruch in Verbindung mit der sich verändernden politischen Situation im Nahen Osten führte aber zu einem entscheidenden Schwenk in der Wirtschaftspolitik, der in den 80er Jahren eine Wirtschaftskrise auslöste. Diese politische Verschiebung wurde 1978 durch die Wahl der Likud-Regierung ausgelöst, womit eine dreißigjährige Regierungszeit der Arbeitspartei zuende ging. Durch die Neuordnung der Rechten und Spaltungen in der Arbeitspartei konnte Likud bei den Wahlen von der anhaltenden Unzufriedenheit orientalischer Juden mit der Arbeitspartei profitieren. Aber Likuds deflationäre Politik ließ sich nur durch einen Angriff auf die jüdische Arbeiterklasse durchsetzen, deren Rigidität zur Inflationskrise und zum Sinken der Profite für Teile der israelischen Bourgeoisie beigetragen hatte. Gleichzeitig stieß Likud mit Teilen seiner Politik auch auf Widerstände seitens des »Arbeiterestablishments« der westlichen Bourgeoisie, denn die Histadrut wollte eine Eskalation der Kämpfe der israelischen Arbeiterklasse wie z.B. der gewalttätigen Streikposten der Straßenbauarbeiter verhindern.

Arabische Staaten, Expansion und die USA

Israels entscheidender Sieg im Krieg von 1973 hatte die Einheit der arabischen Staaten endgültig zerstört. Israels Position im Nahen Osten war nun gegen die äußere Bedrohung durch ein feindliches arabisches Bündnis gesichert. Die darauf folgende Ausrichtung Ägyptens auf die USA verursachte jedoch einige Zweifel am langfristigen finanziellen Engagement der USA für Israel. Warum sollten die USA weiterhin Milliarden Dollar nach Israel pumpen, wenn arabische Staaten sich den USA annäherten?

Darüber hinaus war mit der Neutralisierung Ägyptens im Süden der Weg für eine israelische Expansion im Norden und Osten offen. Die Annexion der besetzten Gebiete der Westbank und die wirtschaftliche Unterordnung Jordaniens und des Libanon boten einen Ausweg aus den zunehmenden Beschränkungen der intensiven Akkumulation.

Aber diese Politik lief den Interessen der USA zuwider. Die USA wollten Israel als ihren imperialistischen Wachhund im Nahen Osten haben, aber dieser Wachhund sollte nicht die Region destabilisieren und Amerikas reiche Ölverbündete, wie z.B. Saudiarabien, verärgern. Die Likud-Politik, ein größeres Israel zu errichten, erforderte daher eine Lockerung der goldenen Ketten der US-Hilfe.

Die Kapitalflucht aus den westlichen Ökonomien Ende der 70er Jahre sowie das daraus folgende Anwachsen des globalen Finanzkapitals schuf die Aussicht auf eine Reduzierung der israelischen Abhängigkeit von US-Hilfe. Durch eine Politik der wirtschaftlichen Liberalisierung und Deregulierung hoffte man, Israel an den internationalen Kapitalfluß anschließen und dabei seine Abhängigkeit von den USA verringern zu können. Diese von der Likud-Partei befürwortete Liberalisierungs- und Deregulierungspolitik stimmte auch mit großen Teilen der israelischen Bourgeoisie überein, die angesichts fallender Profite größere Freiheiten für die Erschließung profitabler Investitionsbereiche wünschten.

Infolgedessen wurde innerhalb weniger Wochen nach Amtsantritt Milton Friedman - einer der Pioniere des sogenannten »Neoliberalismus« - beauftragt, Empfehlungen für ein Liberalisierungsprogramm vorzulegen. Aufgrund von Friedmans Rat senkte die neue israelische Regierung Einfuhrsteuern und Ausfuhrsubventionen, verringerte die Kontrolle des Währungstransfers ins und aus dem Land und setzte den festen Wechselkurs zwischen israelischem Pfund und US-Dollar aus.

Nachdem die Bindung an den US-Dollar gelöst worden war, verlor das israelische Pfund in wenigen Wochen ein Drittel an Wert. Die Preise für Importgüter stiegen drastisch und somit auch der Preisindex. In wenigen Monaten trieb die dementsprechende Lohnanpassung die Inflationsrate auf über 100 Prozent. In Folge dieser beschleunigten Inflation wurde das israelische Pfund durch den Schekel als israelische Währung ersetzt, zu einem Kurs von zehn zu eins.

Die Kombination der Liberalisierungspolitik mit den deutlichen Kürzungen der Reallöhne (weil die Lohnanpassung hinter dem Preisauftrieb zurückblieb) steigerte jedoch die Profite und führte zu einem neuen Wachstumsschub. [22]

Als Folge davon erreichte die israelische Wirtschaft 1981 wieder Wachstumsraten wie zu Beginn der 70er Jahre. Tatsächlich wurde damals, als die weltweite Krise immer noch andauerte, argumentiert, daß die hohe Inflation in Israel nichts ausmache. Da der Wert des Schekel gemessen am Dollar im selben Maß fiel wie die Inflation seine Kaufkraft im Land verringerte, wurde argumentiert, die Inflation sei gemessen am Dollarstandard mehr oder weniger gleich Null. Tatsächlich bedeutete eine Nullinflation gemessen am Dollarstandard, verglichen mit einer sehr viel höheren Inflationsrate in den USA und anderswo, eine steigende internationale Wettbewerbsfähigkeit der israelischen Industrie.

Aber der Optimismus hielt nicht lange an. Als das Wirtschaftswachstum ins Straucheln kam und das Haushaltsdefizit in Folge der Libanon-Invasion wuchs, stieg die Angst, daß die hohe Inflationsrate in eine unkontrollierbare Hyperinflation umkippen könnte. Deshalb führte die Regierung Begin eine neue Wirtschaftspolitik ein, um die Inflation zu senken: die öffentlichen Ausgaben wurden gekürzt, die Abwertung des Schekel zum Dollar wurde auf fünf Prozent im Monat begrenzt und der Inflationsausgleich der Einkommen wurde beschränkt.

Die Stabilisierung des Schekel erhöhte sofort die Popularität der Regierung, da die Einfuhr von Konsumgütern billiger wurde. Allerdings verloren dadurch israelische Exporte ihre Konkurrenzfähigkeit, israelische Firmen gingen bankrott und die Arbeitslosigkeit stieg. Die Versuche, die Löhne niedrig zu halten, führten zu wachsender Unruhe bei den Industriearbeitern.

Nach Begins Rücktritt im Herbst 1983 kam es aus Angst, die Regierung könnte den schnellen Wertverfall des Schekel nicht stoppen, zu einem Ansturm auf die Banken, die Sparer versuchten, ihre Schekel in Dollar zu tauschen. Die Regierung sah sich gezwungen, die großen Banken zu verstaatlichen und den Kurs des Schekel im Verhältnis zum Dollar einbrechen zu lassen. Um die Finanzmärkte zu beruhigen, wurden größere Einschnitte in den öffentlichen Ausgaben und eine strenge Geldpolitik angekündigt.

Diese neue Politik traf auf die entschlossene Opposition sowohl von seiten der Histadrut als auch führender Kapitalisten innerhalb des »Establishments der Arbeiterbewegung«. Die Histadrut rief zu einer Reihe von Streiks auf, die das Land lahmlegten. Da die Löhne nicht mehr niedrig gehalten werden konnten, führte die Drehung an der Lohn-Preis-Spirale, die durch den schnellen Fall des Schekel verursacht wurde, zu einer Beschleunigung der Preissteigerung. Zum Zeitpunkt der Wahlen im Juli 1983 näherte sich die Inflationsrate 400 Prozent. Da die Lohnsteigerungen hinter den Preissteigerungen zurückblieben, bewirkte diese Beschleunigung der Inflation einen Reallohnverlust von 30 Prozent.

Sowohl Arbeits- als auch Likudpartei verloren bei der Wahl Stimmen und waren gezwungen, eine Regierung der »Nationalen Einheit« zu bilden. Peres, der Vorsitzende der Arbeitspartei, wurde Ministerpräsident. Unter Ausnutzung seines Einflusses beim »Establishment der Arbeiterbewegung« schlug Peres ein Notstandsprogramm vor. Löhne sollten mit einer zehnprozentigen Steuer belegt, die Indexierung ausgesetzt und ein dreimonatiger Lohn- und Preisstop verhängt werden. Das ganze sollte durch ein beispielloses Programm zur Reduzierung des Haushaltdefizits unterstützt werden, das darauf abzielte, das Haushaltsdefizit in Höhe von 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu halbieren. Als dieses Programm nach langatmigen Verhandlungen, die sich den Sommer durch hinzogen, im Herbst 1983 eingeführt wurde, hatte die Inflationsrate 1 000 Prozent erreicht.

Peres' Programm war teilweise erfolgreich. Angesichts der starken Opposition seitens der Histadrut hatte die Likudregierung das Herumbasteln an Lohn- und anderen Einkommensanpassungen zurückgezogen. Ein Eingreifen bei den Lohnanpassungen erschien dem »Establishment der Arbeiterbewegung« jedoch eher legitim, wenn eine ihrer Gallionsfiguren es vorschlug. Bis zum Mai 1985 war die Inflationsrate auf 400 Prozent gedrückt und das Haushaltsdefizit trotz wachsender Opposition auf 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts reduziert. Nun kündigte Peres das nächste Maßnahmenpaket an. Löhne und Preise sollten für weitere drei Monate eingefroren und gleichzeitig weitere Einsparungen bei öffentlichen Ausgaben durchgeführt werden, um das Haushaltsdefizit der Regierung nochmal zu halbieren. Gleichzeitig wurde der Schekel um 19 Prozent abgewertet, danach sollte ein fester Wechselkurs zum US-Dollar eingehalten werden.

Vielleicht hätte man das »Establishment der Arbeiterbewegung« hinter diese Sparmaßnahmen bekommen können, aber der Antagonismus der jüdischen Arbeiter angesichts einer weiteren Runde des Gürtel-Enger-Schnallens drohte der Kontrolle der Histadrut zu entgleiten. Angesichts zunehmender wilder Streiks rief die Histadrut einen Generalstreik aus, der die Regierung zwang, eine begrenzte »Lohnaufholung« vor dem Lohn- und Preisstopp zuzulassen - was die zwanzigprozentigen Reallohnverluste und die hohe Arbeitslosigkeit, die aus der ersten Runde von Peres' Sparmaßnahmen herrührten, kaum abmilderte.

Die drakonische Politik der Likud-Arbeitspartei-Regierung besiegte schließlich die Inflation, 1986 war sie auf respektable 20 Prozent gefallen. Bei der Lösung der Inflationskrise hatte Peres jedoch den zionistischen Klassenkompromiß ernstlich untergraben. Während sich die Reallöhne nach 1986 langsam erholten, stieg die Arbeitslosigkeit auf Werte, wie man sie seit dem Konjunktureinbruch zu Beginn der 60er Jahre nicht mehr gesehen hatte, und blieb bis zu Beginn der 90er Jahre hoch. Die in den 80er Jahren fortgesetzten Sparmaßnahmen enthielten weitere Einschnitte im Sozialbereich und den Abbau sozialer Garantien. Das wurde der jüdischen Arbeiterklasse mit Hilfe der Histadrut aufgedrückt.

Politiker beider großer Parteien begannen nun »neoliberale« Politikmodelle gutzuheißen, obwohl der tatsächliche Fortschritt in Richtung Deregulierung und Privatisierung zuerst langsam vorankam, teilweise wegen des Widerstands der Histadrut, die viele der großen staatlichen Konglomerate besaß. Arbeitslosigkeit, Gelegenheitsarbeit und Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen sollten jedoch für immer mehr Teile der israelischen Arbeiterklasse zur Realität werden.

Mit dem Abbau der sozialeren Aspekte des Arbeiterzionismus im Gefolge der Inflationskrise von Anfang der 80er Jahre wurde die Politik der Siedlungsgründung in den besetzten Gebieten immer wichtiger, um die jüdische Arbeiterklasse in den zionistischen Staat einzubinden. Der Likud hatte verstanden, daß die Siedler die langfristige Strategie unterstützten, ein größeres Israel zu errichten, worin Teile der israelischen Bourgeoisie den Weg sehen, um aus der chronischen Stagnation der israelischen Wirtschaft seit Ende der 70er Jahre herauszukommen. Bis zu einem gewissen Grade enthoben die Siedlungen die Regierung der politischen Bürde der Besetzung, insbesondere was die Arbeitspartei angeht. Die Schuld für den Unwillen Israels, den Palästinensern Zugeständnisse zu machen, konnte auf die Kompromißlosigkeit und den »Extremismus« der SiedlerInnen abgewälzt werden, die sich dadurch stärker mit den Zwängen der Sicherheit identifizieren mußten, als eine aus noch so harten »Falken« bestehende Regierung.

Andererseits steht die Beschleunigung des Siedlungsbaus für einen kleinen Kompromiß mit den Teilen der israelischen Bourgeoisie, die eine auch rechtliche Annexion der besetzten Gebiete befürworteten. Weil die Krise nur durch den Abbau sozialer Aspekte des Arbeiterzionismus bewältigt werden konnte, wurden die Siedlungen sowohl zu einer Form der sozialen Entschädigung für arme Juden als auch zu einer tatsächlichen Annexion, um den Traum eines größeren Israels auf anderen Wegen zu realisieren. Israel ist aber weiter von US-Hilfe abhängig und muß seine expansionistischen Ausschweifungen daher zügeln.

Siedlungen und Widersprüche

Daß viele Israelis aus der Mittelklasse, die Peace Now unterstützten, gegen den Siedlungsbau waren, verstärkte die Probleme der israelischen Bourgeoisie. [23] Die Besetzung des Gazastreifens und der Westbank spielten für den israelischen Klassenkompromiß seit 1967 eine zentrale Rolle. Durch die Unterordnung der palästinensischen Arbeiter in Kombination mit den Vorteilen der US-Hilfe konnten jüdische Arbeiter höhere Löhne als ihre palästinensischen Nachbarn fordern und die schlechtesten Jobs vermeiden. Durch die Landbesetzung bekamen jüdische Arbeiter, die sich das Leben in den städtischen Gebieten nicht leisten konnten, subventionierte Wohnungen (gebaut mit billiger palästinensischer Arbeitskraft). So wurden Juden aus der Arbeiterklasse in einem Gebiet deponiert, das in Wirklichkeit eine Sicherheits-Pufferzone in den besetzten Gebieten war.

Diese Maßnahmen waren unbedingt notwendig, um die Militanz des jüdischen Proletariats zu schwächen, aber sie führten direkt zum Widerstand der liberalen Mittelklassen und, was bedeutsamer ist, zu dem der PalästinenserInnen. Das dauernde Problem der israelischen Bourgeoisie war, wie sie ihren Kompromiß mit der jüdischen Arbeiterklasse aufrechterhalten konnte, ohne die Palästinenser zu sehr zu provozieren. In den Flüchtlingslagern im Gazastreifen wurde die dichtgedrängt lebende palästinensische Bevölkerung durch die Ausweitung der Siedlungen auf immer engerem Platz zusammengezwängt, wobei viele von ihnen noch dazu gezwungen waren, in diesen Siedlungen zu arbeiten. Zu Beginn der 70er Jahre hatte es dort Aufstände gegeben, diese waren von Sharons Panzern buchstäblich zermalmt worden. Seitdem war es im Gazastreifen relativ ruhig - aber wie lange noch? Die israelische Bourgeoisie war in der Lage, jüdischen Arbeitern Zugeständnisse zu machen, aber um die Palästinenser zu befrieden, blieb ihr nur die Repression. Jedes Zugeständnis an die Palästinenser würde wahrscheinlich den zionistischen Klassenkompromiß untergraben.

1985 trugen die besetzten Gebiete die Hauptlast der Krise. Die Rettung des israelischen Kapitals schloß eine verstärkte Unterordnung der palästinensischen Bourgeoisie mit ein, weil Genehmigungen »zum Ausbau von Landwirtschaft oder Industrien, die mit dem Staat Israel konkurrieren könnten« [24] verweigert wurden. Mit der steigenden Arbeitslosigkeit in den besetzten Gebieten waren palästinensische ArbeiterInnen noch stärker gezwungen, Arbeit innerhalb der Grünen Linie zu finden oder beim Bau jüdischer Siedlungen - der ausgeweitet wurde, um jüdische ArbeiterInnen für den Mangel an erschwinglichem Wohnraum in den städtischen Gebieten des »eigentlichen« Israel zu entschädigen. Obwohl der Siedlungsbau den palästinensischen Arbeitern ein Einkommen verschaffte, war er auch Quelle von Ärger, und der Widerstand, den er provozierte, lieferte die Rechtfertigung für eine intensivierte Repression durch die Militärverwaltung.

Die Politik der »Eisernen Faust«, mit der der Widerstand in den besetzten Gebieten gezügelt werden sollte, ging 1985 Hand in Hand mit den Sparmaßnahmen, um die Krise zu Hause im Zaum zu halten. Die »Eiserne Faust« verschärfte Repressionsmaßnahmen wie die »Administrativhaft« für palästinensische Militante und Kollektivstrafen für die gesamte Bevölkerung. Das gab den Hintergrund der Intifada 1987-93 ab. Doch bevor wir dazu kommen, müssen wir einen Blick auf die Klassenzusammensetzung der PalästinenserInnen werfen.

3.3 Wie entstand die palästinensische Arbeiterklasse?

Ein Land ohne Volk?

Der Mythos, zionistische Pioniere seien in der unbewohnten Wüste gelandet und hätten sie in üppige Weinberge verwandelt, verdeckt eine alltäglichere Verwandlung - die der palästinensischen Bauern in Proletarier:

»Die vollständige Enteignung der palästinensischen Bauern ist die Voraussetzung für das »Paradies« der Negev-Wüste, den blühenden Anbau von Zitrusfrüchten und Avocados in der Küstenebene sowie den Boom der Industrie.« [25]

Dieser Prozeß war bereits im Gange, als die ersten jüdischen Siedler ankamen, und er ist immer noch nicht abgeschlossen. Zum ersten Mal durchdrang die kapitalistische Entwicklung den Nahen Osten in den Jahren nach den Napoleonischen Kriegen. Das Osmanische Reich, das die Region beherrschte, hatte schon ein Jahrhundert des Niedergangs hinter sich, und es sollte noch eines folgen. Den Weg zur neuen Ausbeutung der Region ebnete die Neuordnung des Kräftegleichgewichts nach Frankreichs und Napoleons Niederlage, die in den Jahren nach dem Wiener Kongreß formalisiert wurde und die zeitlich mit dem Aufschwung der industriellen Revolution in Britannien zusammenfiel.

Britannien und Österreich waren in anderen Regionen zwar Rivalen, aber sie stimmten darin überein, das Osmanische Reich als Schutzwall gegen die russische Expansionspolitik nach Osteuropa einzusetzen. Später wurde Deutschland der Hauptunterstützer des Osmanischen Reichs. In dieser Periode erlebten Teile des Nahen Ostens die Invasion der neuen kapitalistischen Produktionsweise. Die Textilindustrie der Region, besonders in Ägypten, war bereits in den 1830er Jahren durch billige englische Textilien zerstört worden, und in den 1860er Jahren hatten britische Fabrikbesitzer damit begonnen, entlang des Nils Baumwolle zu pflanzen. 1869 war der Suezkanal eröffnet worden, um den britischen und französischen Handel zu erleichtern. Einhergehend mit dieser Modernisierung kann man den Beginn der ursprünglichen Akkumulation auf das Bodenreformgesetz aus dem Osmanischen Reich von 1885 zurückdatieren. Das Gesetz ersetzte gemeinschaftliches Eigentum an Land durch individuellen Grundbesitz. Dörfliche Stammeschefs wurden zu einer Grundbesitzerklasse gemacht und verkauften diesen Besitz an libanesische, syrische, ägyptische und iranische Händler. Das Muster während dieser ganzen Periode war eines ungleicher Entwicklung, mit einer fremden Bourgeoisie, die die Initiative ergriff, und der einheimischen Bourgeoisie, die völlig schwach und politisch ineffektiv blieb.

Zur gleichen Zeit blieben riesige Gebiete im Nahen Osten, in denen niemand erkennbaren ökonomischen Nutzen sah, ungenutzt, und in diesen Gebieten konnte die Tradition von Subsistenzwirtschaft und Nomadentum fortbestehen.

Unter dem britischen Mandat verkauften viele woanders lebende Landbesitzer ihr Land an die Jewish Colonisation Association, was zur Zwangsräumung von palästinensischen Pächtern und Bauern führte. Wo der enteignete Fellache zum Landarbeiter auf seinem eigenen Land wurde, hatte eine ausschlaggebende Veränderung der Produktionsverhältnisse begonnen, die zu den ersten Anzeichen eines palästinensischen Proletariats führte. [26]

Dieser Prozeß stieß auf gewalttätige Opposition durch die Palästinenser. Der Wendepunkt in der Folge von Revolten war der Aufstand von 1936-1939. Seine Bedeutung lag in der Tatsache, daß die vorantreibende Kraft nicht mehr aus den Kleinbauern oder der Bourgeoisie bestand, sondern zum ersten Mal aus einem landwirtschaftlichen Proletariat, das der Mittel zur Arbeit und Subsistenz beraubt war, zusammen mit einer embryonalen Arbeiterklasse, die sich im wesentlichen in den Häfen und der Ölraffinerie in Haifa konzentrierte. [27]

Dabei gab es Angriffe auf palästinensische Landbesitzer genauso wie auf die englischen und zionistischen Kolonisten, und Britannien wurde gezwungen, die jüdische Migration nach Palästina für ein paar Jahre einzuschränken. Obwohl die Schüsse vom britischen Militär abgefeuert worden waren, mit etwas Hilfe von der Haganah, der linken zionistischen Miliz, spielten auch die örtlichen Stammeschefs eine Schlüsselrolle beim Niederschlagen der Rebellion.

Die »Nakba« (Katastrophe) von 1948 - die Gründung Israels - kann man als Vermächtnis dieser Niederlage sehen. Obwohl der Aufstand von 1936-1939 zeigte, daß in Palästina ein Proletariat am Entstehen war, bestand der größte Teil der palästinensischen Bevölkerung in Israel zu jener Zeit immer noch aus Bauern. Der neue Staat nutzte die Gesetze des britischen Mandats, um die Enteignung der Palästinenser fortzuführen. Mit diesem Gesetz konnten Bauern, die nur ein paar hundert Meter geflüchtet waren, um einem Massaker zu entgehen, als »nicht anwesend« erklärt und ihr Land konfisziert werden. Die wenigen, die es geschafft hatten, innerhalb der Grenzen von 1948 zu bleiben, erhielten als Entschädigung für die gewaltsame Trennung von ihren Produktionsmitteln die Bürgerrechte.

Die Proletarisierung der palästinensischen Bauern wurde mit der Besetzung der Westbank und des Gaza Streifens 1967 ausgeweitet. Die neue Welle der ursprünglichen Akkumulation nahm nicht nur die Form von Landraub an. Das israelische Kapital verschaffte sich auch die Kontrolle über die Wasservorräte der Westbank, indem sie ihre Brunnen tiefer grub als die der Palästinenser. Das Resultat war, daß die palästinensische Flüchtlingsbevölkerung außerhalb der israelischen Rechtsprechung die Bindung an ihr Land verloren hatte, und auch innerhalb des Gebietes, das Israels Jurisdiktion unterlag, hatte nur eine Minderheit noch Landbesitz. In beiden Regionen wurde die palästinensische Bevölkerung zu großen Teilen proletarisiert.

Das Niederhalten der örtlichen palästinensischen Bourgeoisie

Die Enteignung der palästinensischen Bauern schuf ein Proletariat, aber das Entstehen einer einheimischen industriellen Bourgeoisie wurde unterdrückt. Sie blieb hoffnungslos schwach und konnte nicht mit dem israelischen Kapital konkurrieren, obwohl »die Löhne, die von arabischen Chefs gezahlt werden, noch miserabler sind als die von deren zionistischen Herren«. Palästinenser aus den Gebieten besetzten die untersten Positionen auf dem israelischen Arbeitsmarkt, noch unterhalb der Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft. Nach dem Krieg von 1967 wurden in Israel arbeitende Palästinenser von palästinensischen Nationalisten als Kollaborateure betrachtet. [28] Die israelischen Gesetze verboten Palästinensern jedoch Geschäfte, die eine Konkurrenz für israelische sein könnten, und so sahen schließlich sogar die verhärtetsten palästinensischen Nationalisten ein, daß Arbeiten Gehen in Israel für viele die einzige Einkommensquelle war.

Die palästinensische Bourgeoisie teilte sich in drei Fraktionen. [29] Einige der reicheren Flüchtlinge bildeten eine Handels- und Finanzbourgeoisie im Libanon, in Syrien, Ägypten und anderen arabischen Staaten. Die örtliche Bourgeoisie, soweit vorhanden, bestand aus Kleinunternehmern, selbständigen Handwerkern und Bauern. Die Unterdrückung des produktiven Kapitals durch Israel machte es der lokalen Bourgeoisie unmöglich, die Produktivkräfte zu entwickeln. Die, die es versuchten, bildeten ein elendes Kleinbürgertum, sie teilten mit ihren proletarischen Nachbarn die gleichen tagtäglichen Entbehrungen und Demütigungen in den besetzten Gebieten, nur daß sie nicht von den Produktionsmitteln getrennt waren. [30]

Andere wurden zu einer »Lumpen-Bourgeoisie«, die von der halben Milliarde Dollar Hilfsgelder reich wurde, die die PLO zwischen 1977 und 1985 in die Gebiete pumpte. Das Geld wurde ausschließlich für ihren eigenen individuellen Konsum benutzt, und so zog sie den Groll des palästinensischen Proletariats und Kleinbürgertums auf sich.

Es war die ausgelagerte Bourgeoisie in der Diaspora, die die Klassenbasis für die PLO und den palästinensischen »Staat im Exil« bildete.

»Die einzige legitime Vertretung des palästinensischen Volkes«

Nach dem Krieg von 1967 ist der Pan-Arabismus am Boden zerstört, doch die Keime seiner Erneuerung sprießen (zugegebenermaßen weniger ansteckungsfähig) in Form der neuen Kohärenz und Organisation des palästinensischen Nationalismus, besonders der PLO. Diese Situation und die erste Intifada (1987-1993) hält die Flammen des Antiamerikanismus im Nahen Osten weiter am Lodern und stellt die Legitimation der pro-westlichen Bourgeoisie in der ganzen Region in Frage. Die Aktionen der PLO, der Vertretung der im Exil lebenden palästinensischen Bourgeoisie, widersprechen jedoch erwartungsgemäß oft den Bedürfnissen der Proletarier, deren Kämpfe die erdölproduzierenden Länder erschüttern.

3.4 Die PLO gegen die Selbsttätigkeit des Proletariats

Sechzig Prozent der palästinensischen Bevölkerung landeten in Flüchtlingslagern außerhalb Israels und der besetzten Gebiete. Der Prozeß, der die meisten in Proletarier verwandelte, verstreute sie gleichzeitig über den Libanon, Jordanien, Kuwait und Syrien. Wer in wohlhabendere Golfstaaten wie Kuwait emigrierte, konnte höhere Löhne verlangen, sogar im Vergleich mit den jüdischen Arbeitern in Israel. Doch die meisten waren weniger erfolgreich und wurden zu einem Katalysator für die Klassenkonflikte in der Region.

1964 halfen die arabischen Führer (gemeinsam mit der palästinensischen Handels- und Finanzbourgeoisie) beim Aufbau der PLO als Instrument zur Kontrolle dieser Diaspora. Die Nakba von 1948 hatten sie nicht verhindern können, und angesichts ihrer Machtlosigkeit gegenüber dem israelischen Militär war die arabische Bourgeoisie in den eigenen Ländern mit Revolten konfrontiert.

Jordanien

In Jordanien waren die palästinensischen Flüchtlinge nun wegen des Kriegs bewaffnet und im Verhältnis zur geringen Zahl der jordanischen Bevölkerung in der Mehrheit. Es hieß zwar, die PLO bilde einen Staat im Staat, doch sogar sie konnte die palästinensischen Flüchtlinge nicht unter Kontrolle halten. Ende der 60er und Anfang der 70er standen die Flüchtlingslager unter Waffen. Sie waren unabhängig von der PLO und ließen keine Polizei herein. Zudem benutzte die PLO Jordanien als Basis für Angriffe auf Israel, und so war der jordanische Staat israelischen Repressalien ausgesetzt.

Die Kämpfe des palästinensischen Proletariats in Jordanien wurden durch das Massaker des »Schwarzen September« ausgelöscht, bei dem 1970 in Amman 30 000 Palästinenser vom jordanischen Militär umgebracht wurden. Das wurde durch das Abkommen der PLO mit dem haschemitischen Regime erleichtert. Bei den Verhandlungen mit dem jordanischen Staat hatte die PLO ihren Rückzug aus Amman akzeptiert, was das Massaker an den Proletariern, die in der Stadt zurückblieben, erst ermöglichte.

Libanon

Viele der Überlebenden flohen in den Libanon, und die arabische Bourgeoisie war nun mit einem kampfbereiten Proletariat konfrontiert, das in überfüllten Flüchtlingslagern lebte. 1972 landeten 14 000 von ihnen in Tel-Al-Zatar im Libanon, einer industrialisierten Region, die 29 Prozent der libanesischen Industrie umfaßte. 1969 hatten die Flüchtlinge und andere Proletarier sich Waffen verschafft, sie besetzten die Fabriken und versuchten, Tel-Al-Zatar zu einer »no-go-area« [Zone, in die sich bestimmte Leute aus Angst nicht trauen, in diesem Fall staatliche Kräfte; A.d.Ü.] zu machen, in der sie vor dem libanesischen Militär und Staat sicher waren. [31] Als der libanesische Staat 1970 versuchte, die Macht der Arbeiterklasse zu brechen, beteiligten sich palästinensische, syrische und libanesische ProletarierInnen an Schießereien mit der libanesischen Polizei.

Das Vorhandensein von Waffen ermöglichte Streiks, die die Industrie im Libanon zerstörten. [32]

Es gab auch eine begrenzte Arbeiterräte-Bewegung. Aufgrund der Schwäche und Fraktionierung der libanesischen Bourgeoisie gipfelte ein großer Streik in der Fischindustrie in einem ausgedehnten Bürgerkrieg, der dann zum Schlachtfeld der konkurrierenden strategischen Ambitionen von USA und UdSSR wurde, in Gestalt ihrer jeweiligen Vermittler Israel und Syrien.

Nach ihrer Vertreibung aus Jordanien versuchte die PLO, einen neuen »Staat im Staat« zu errichten, diesmal im Libanon. Sie hatte jedoch kein Interesse an den autonomen Kämpfen der palästinensischen Flüchtlinge, die sich von der Hölle ihrer proletarischen Existenz emanzipieren wollten. Stattdessen wollte sie mit der libanesischen und syrischen Bourgeoisie gut Freund bleiben. Die allgemeine Instabilität und Schwäche des libanesischen Staates bedeutete, daß die Stärke des Proletariats durch Syrien und falangistische Truppen gebrochen werden mußte, mit Hilfe der israelischen Flotte. [33] Immer noch der verzweifelten Illusion des Nationalismus anhängend riefen die Palästinenser die PLO zu Hilfe.

Die PLO hatte - wenig überraschend - kein Interesse, ihnen in dem Kampf zu helfen, den sie als Ablenkung vom »Kampf gegen den wahren Feind Israel« sah.

Als die Kämpfer für den Kampf in Tel-Al-Zatar um militärische Hilfe ersuchten, antwortete die Führung der Fatah: »Al Naba'a, Salaf und Harash sind nicht das besetzte Aga, Haifa und Jerusalem«. [34]

Durch die Ausübung ihres »Rechts auf Nichteinmischung« half die PLO, die Revolte zu zerschlagen und sicherzustellen, daß die »no-go-area« zu einer Grabstätte für Proletarier wurde. Trotz seiner Rolle bei der Aufstandsbekämpfung in Tel-Al-Zatar wollte Israel auf keinen Fall einen starken libanesischen Staat. Im Gegenteil, sowohl Israel als auch Syrien strebten die »Balkanisierung« des Landes an, um ihre strategische Position zu stärken. Die Fragmentierung der libanesischen Bourgeoisie in gegeneinander Krieg führende Fraktionen lieferte den Vorwand für die Intervention der Nachbar-Staaten im Bürgerkrieg. Israel hatte ein zusätzliches Motiv für ein Engagement im Libanon: die Präsenz der PLO.

Das Streben der PLO nach einem »Staat im Staate« paßte nicht zusammen mit Israels Herrschaft im Libanon. Die massenhafte Präsenz von PalästinenserInnen stand seinen strategischen Interessen im Weg, und so marschierte Israel 1982 in Beirut ein, um die PLO von dort zu vertreiben. Die Grundlage für die Anziehungskraft des Nationalismus der PLO war ihre Bereitschaft gewesen, sich am bewaffneten Kampf gegen Israel zu beteiligen. Ihre Vertreibung aus Jordanien und dem Libanon zeigte jedoch ihre Schwäche gegenüber dem israelischen Militär. Ihre demütigende Evakuierung aus Beirut machte deutlich, daß sie ihre Strategie des bewaffneten Kampfs nicht erfolgreich umsetzen konnte. Was folgte, ähnelte dem Muster der Vertreibung der PLO aus Jordanien: ihr Abzug ebnete den Weg für das Massaker der Falangisten - unterstützt vom israelischen Militär - an den PalästinenserInnen in den Flüchtlingslagern in Sabra und Shatila.

Die israelische Invasion in Beirut stellte für das gesamte antiimperialistische Lager eine Demütigung dar. Da Ägypten jetzt unter US-Einfluß stand, war Syrien die Hauptmacht in der Region auf der Seite der UdSSR. Die israelische Invasion verdrängte jedoch nicht nur die PLO, sondern auch die syrische Armee wurde zum Rückzug gezwungen.

Mit jeder Konfrontation wurde klarer, daß die Palästinenser von den arabischen Staaten wenig Hilfe zu erwarten hatten. Die Kriege von 1967 und 1973 hatten den Pan-Arabismus effektiv untergraben und Israels Position als militärische Supermacht in der Region bestätigt. Die arabischen Staaten hatten keinen großen politischen Willen, Israel anzugreifen. Trotz seiner Wiederannäherung an Israel wurde Ägypten 1987 auf dem Gipfel in Amman freundlicher begrüßt als die PLO. Hier deutete sich an, daß die arabischen Staaten sich zunehmend Richtung USA orientierten. Arafat wurde von König Hussein vor den Kopf gestoßen, und es wurde offensichtlich, daß der Krieg zwischen Iran und Irak bei den Delegierten größere Priorität hatte als die Palästinenser. Das bestätigte die unter den Einwohnern der besetzten Gebiete weitverbreitete Vorstellung, niemand außer ihnen selbst könne die israelische Dominanz überwinden.

4. Die Intifada (1987-93)

Die Initiative für die Intifada kam von den BewohnerInnen des Flüchtlingslagers Jabalya in Gaza, nicht von der PLO, die ihre Basis in Tunesien hatte und vollkommen überrascht wurde. Es war eine spontane Massenreaktion der Bewohner Jabalyas auf die Tötung palästinensischer Arbeiter durch ein israelisches Auto, die sich schnell auf die Westbank und den Rest des Gazastreifens ausweitete.

Langfristig half die Intifada, die PLO diplomatisch zu rehabilitieren. [35] Letzten Endes mußte sie sich als kleineres Übel erweisen als die Selbsttätigkeit des Proletariats. Die Stärke der Verhandlungsposition der PLO als »einzige legitime Vertretung des palästinensischen Volkes« hing von ihrer Fähigkeit ab, ihre Mandanten zu kontrollieren. Das konnte jedoch nie als gesichert gelten, insbesondere jetzt, wo sich ihre Strategie des bewaffneten Kampfs als fruchtlos erwiesen hatte. Das machte es ihr schwierig, einen Aufstand zu vereinnahmen, den Proletarier angefangen hatten, die wenig Interesse am Nationalismus hatten und die palästinensische »Lumpen-Bourgeoisie« fast so haßten wie den israelischen Staat.

4.1 Kampf um »nationale Befreiung«?

Das Bulletin Worldwide Intifada Nr. 1 von 1992 versucht, der konventionellen linken Sichtweise der Intifada dadurch entgegenzutreten, daß es die Widersprüche zwischen den verschiedenen palästinensischen Klassen hervorhebt. [36] Obwohl die Sichtweise von Worldwide Intifada der Unterstützung für »nationale Befreiung« deutlich überlegen ist, hat ihre Argumentation gewisse Schwächen. Während Worldwide Intifada den Nationalismus korrekt als »Keim der Niederlage« der Intifada von 1987 identifiziert, diskutieren sie Nationalismus abstrakt, als ob er eine Art psychologischer Trick wäre, der von der palästinensischen Bourgeoisie gegen die palästinensische Arbeiterklasse ausgespielt wird. [37] Nationalismus ist allerdings eine Ideologie. Diese Ideologie ist jedoch mehr als bloße Irreführung: sie hat Macht, weil sie im Alltag eine materielle Basis hat.

Vieles in der Intifada ging über Nationalismus hinaus. Viele Kommentatoren sahen in der Intifada von Anfang an eine Kampagne zur Errichtung eines palästinensischen Staates, aber die ersten Tage des Aufstands legen etwas anderes nahe. Als die IDF (Israel Defense Forces) die ersten 100 verhafteten Aufständischen verhörten, fanden sie heraus, daß diese Proletarier »nicht in der Lage waren, die bekanntesten Parolen der Routine-Propaganda der PLO wiederzugeben, und sogar das zentrale Konzept des palästinensischen Kampfs - das Recht auf Selbstbestimmung - war ihnen vollkommen fremd«. [38] Was für ein Skandal!

Die Intifada als Klassenkampf und Klassenkämpfe innerhalb der Intifada

Die Unterordnung der palästinensischen Bourgeoisie nahm die Form der Unterdrückung der palästinensischen Kapitalakkumulation durch den israelischen Staat an, sodaß die palästinensische Bourgeoisie nicht in der Lage war, die Produktivkräfte angemessen zu entwickeln. Obwohl einige Palästinenser in palästinensischen Werkstätten, Farmen und kleinen Fabriken angestellt waren, waren diese auf Sektoren beschränkt, die nicht mit israelischem Kapital konkurrierten. Deshalb wurde ein erheblicher Teil des Geldes der palästinensischen Bourgeoisie als Einkommen für individuellen Konsum ausgegeben statt als Kapital für produktive Investitionen.

In den allerersten Tagen des Aufstands sah man in Gaza Tausende von Proletariern, die das Getreide benachbarter Grundbesitzer plünderten. Viele Vermieter wurden gezwungen, drastische Mietsenkungen bekannt zu geben. Reiche Ortsansässige riefen die IDF auf, ihr Eigentum zu schützen.

Der Schlachtruf der Aufständischen war: »Zuerst die Armee, dann Rimal!«. [39] Rimal war ein reicher palästinensischer Vorort von Gaza Stadt. Als die israelischen Behörden neue Ausweise ausgaben, um den Aufstand niederzuschlagen, wählten sie diesen Bereich aus, um das Projekt unter günstigen Voraussetzungen zu beginnen. Zum Glück für die PLO war sie genügend geeint, um durch das Entstehen der Vereinten Nationalen Führung des Aufstands (UNLU) im Aufstand Fuß zu fassen. Diese hatte ihre Basis in den besetzten Gebieten und damit als Instrument zur Vereinnahmung lokaler Militanter mehr Glaubwürdigkeit als die in Tunesien residierende »Fünf-Sterne-PLO«. Dadurch war sie bestens plaziert für den Versuch, den Aufstand von einem Angriff auf alle Formen bourgeoiser Macht in eine konzertierte »nationale« Anstrengung umzudrehen, einen embryonalen palästinensischen Staat zu errichten. Dies setzte aber voraus, die besetzten Gebiete unregierbar zu machen, was bei der bestehenden Unnachgiebigkeit des israelischen Staats leicht außer Kontrolle geraten konnte.

Einen Monat nach Beginn des Aufstands gab die UNLU ihr 1. Kommunique heraus, das sich zunächst an die »tapfere palästinensische Arbeiterklasse« wandte, dann an die »tapferen militanten Geschäftsinhaber« und der PLO als der »einzigen legitimen Vertretung des palästinensischen Volkes« zujubelte. [40] Ein Jahr später wurden Proletarier und Kleinbürgertum als »heldenhafte Massen unseres Volkes« zusammengefaßt, aber die PLO blieb die ganzen Kommuniques hindurch die »einzige legitime Vertretung«. [41]

Trotz der angeblich klassenübergreifenden Einheit, die von der UNLU beschworen wurde, mußte das Kleinbürgertum oft eingeschüchtert werden, die Geschäfte an Streiktagen zu schließen. Manchmal reichte ein Kind mit einem brennenden Streichholz vor der Tür des Geschäfts, um sie daran zu erinnern, daß es Ziel von Vergeltungsmaßnahmen werden könnte. Auch die militanten Proletarier an der Front machten Druck: »Wir sind bereit, unser Leben im Kampf zu geben, ist es da zuviel von euch verlangt, wenn ihr etwas von euren Profiten aufgebt?« [42] Die Kleinbürger sind aber nicht nur mit Tritten und Schreien in die Intifada hineingedrängt worden, obwohl es das auch gab. Das Eigentum von Geschäfts- und Werkstattbesitzern wurde konfisziert, weil sie sich weigerten, Steuern an die israelische Militärregierung zu zahlen. Gegen diese Maßnahmen streikten Geschäftsinhaber in Beit Sahour drei Monate lang. Um sich als wirkliche Bourgeoisie zu entwickeln, brauchten sie ihren eigenen Staat, mit einem anständigen Territorium. Die Eigentumsbeschlagnahmungen wegen Steuerverweigerung beschleunigten ihre Proletarisierung, anstatt ihre Entwicklung zu einer vollentwickelten Bourgeoisie zu unterstützen. Oft hatten »Geschäftsstreiks« schlicht die Wirkung, palästinensische Kaufleute in den Bankrott zu treiben.

Auch wenn zu einem gewissen Grad alle Klassen ihre Rolle bei der Zerrüttung der israelischen Wirtschaft spielen konnten, indem sie der Militärregierung ihre Steuereinkünfte verweigerten oder ihre Waren boykottierten, kam die sichtbarste Zerrüttung der israelischen Wirtschaft aus der Arbeiterklasse.

Im wilden Generalstreik im Dezember 1987 gingen 120 000 Arbeiter nicht zur Arbeit in Israel. Und das während der Zitrusernte, bei der die Palästinenser ein Drittel der Arbeitskraft stellen! Auf Grund der verlorenen Aufträge für den britischen Markt kostete das die israelische landwirtschaftliche Vertriebsbehörde in den ersten beiden Monaten des Aufstands 500 000 $. Viele Palästinenser arbeiteten auch als Tagelöhner in einem anderen Schlüsselsektor, der Bauindustrie. Sie waren in der Lage, etwas zu erreichen, wovon PLO und Friedensbewegung nur träumen konnten: den Siedlungsbau abrupt zu stoppen.

Die »Rebellion der Steine«

Während der Intifada erzählte man sich eine Geschichte über eine Auseinandersetzung. Als jemand versuchte, seine Autorität mit dem Anspruch zu behaupten, einer der Führer der Intifada zu sein, hielt ein 14-Jähriger einen Stein hoch und sagte: »Das ist der Führer der Intifada«. So viel zur UNLU! Sogenannte »Führer« wurden von Palästinensern bei Demonstrationen angegriffen, wenn sie zu gemäßigt wurden. [43] Die aktuellen Versuche der Palestinian National Authority (PNA), die heutige Intifada zu militarisieren, sind eine Taktik um zu verhindern, daß diese »Anarchie« wieder auftritt.

Der weitverbreitete Gebrauch von Steinen als Waffe gegen das israelische Militär lief auf die Erkenntnis hinaus, daß die arabischen Staaten nicht in der Lage waren, Israel mittels konventioneller Kriegsführung zu überwältigen, vom »bewaffneten Kampf« der PLO ganz zu schweigen. »Unbewaffneter« ziviler Aufruhr bootete notwendigerweise die »Kriegsführungslogik des Staats« aus, [44] (obgleich er sicher auch eine Antwort auf eine verzweifelte Situation war, in der man den Tod als »Märtyrer« der aktuellen Hölle des Lebens vorziehen konnte). Das Steine-Werfen überlistete gewissermaßen die bewaffnete Macht des israelischen Staats. Um den Geldfluß und die Unterstützung der USA aufrechtzuerhalten, mußte Israel den Anschein wahren, es sei eine wehrhafte Demokratie, die von barbarischen Horden belagert wird. Das Töten zu vieler unbewaffneter Zivilisten konnte diesen Anschein zu einer Zeit zerstören, wo Ägyptens pro-amerikanische Position die Rolle von Israel als strategischer Aktivposten zu untergraben drohte.

Dennoch hatten die IDF bereits Mitte Juni 1988 300 Palästinenser getötet. Aber das persönliche Dilemma der Erfahrung, unbewaffneten Zivilisten mit tödlicher Gewalt zu begegnen, vermehrte den Druck auf die Moral der israelischen Soldaten. Sie sollten Teil dieser mächtigen Armee sein, die Ägypten und Syrien besiegt hatte, und hier wurde ihnen befohlen, mit scharfer Munition auf Kinder zu schießen, die mit Steinen bewaffnet waren! Dies trug zur Wiederbelebung der »Kriegsdienstverweigerungs«-Bewegung bei. [45]

Die Steine waren auch ein großer Gleichmacher, da sie Waffen sind, zu denen jeder Zugang hat. Das palästinensische Proletariat nahm nach Jahren erfolgloser Appelle an die arabische Bourgeoisie den Kampf buchstäblich in die eigenen Hände. In der vordersten Kampflinie stand eine neue Generation junger Proletarier, die unter der Besatzung aufgewachsen waren. Aber im Laufe ihrer Entwicklung von einer spontanen proletarischen Erhebung zu einer nationalen Bewegung unter Schirmherrschaft der UNLU wurde die Intifada allmählich zum Ausdruck einer unsicheren Allianz zwischen Proletariat und Kleinbürgertum.

Die Antwort der israelischen Bourgeoisie

In den 70er und 80er Jahren war die israelische Regierung eisenhart in ihrer Linie. Bis hin zur »linken« Peace Now wollte man mit der PLO nichts zu tun haben und versuchte, eine alternative palästinensische Führung aufzubauen, um mit ihr Geschäfte zu machen. Aber die »Dorf-Bündnisse« waren so offensichtliche Marionetten, daß der Versuch komplett scheiterte.

Die Intifada trieb Peace Now in eine radikalere Richtung, weil kleinere Friedensgruppen schon dabei waren, Verbindungen zu Palästinensern herzustellen, die im Allgemeinen die Form von »humanitärer« Unterstützung annahmen. Die langfristige Strategie des Friedenslagers benötigte einen »Friedenspartner« und das Scheitern der »Dorf-Bündnisse« machte die PLO zur einzigen Adresse.

Seit Mitte der 80er Jahre hatte man mit der Idee gespielt, die Palästinenser massenhaft nach Jordanien umzusiedeln. Das war nicht möglich und so gingen der israelischen Bourgeosie die Optionen aus. Jordanien hatte bereits sein eigenes Palästinenser-Problem und Ende der 80er Jahre war das Letzte, was König Hussein wollte, mit noch mehr von ihnen fertig werden zu müssen. Palästinensische Bürokraten in den besetzten Gebieten, ob nun von Jordanien oder Israel ernannt, waren gezwungen worden, zurückzutreten oder sich der revolutionären Justiz zu stellen. Falls dies ein Beispiel dafür war, wie sehr seine zukünftigen Staatsbürger das jordanische Regime dem israelischen vorzogen, war König Hussein nur zu froh, seinen Anspruch auf die Westbank losgeworden zu sein.

Trotz dieser Faktoren war der Likud-Flügel der Einheitsregierung unnachgiebig, aber die USA standen unter wachsendem internationalen Druck, ihren diplomatischen Boykott der PLO zu beenden. Während Likud zu reiner Unterdrückung tendierte, gab es jedoch unter dem wachsenden Druck der USA und angesichts des mangelnden Interesses israelischer Wehrdienstpflichtiger an einer Tötungsorgie eine Grenze für das, was mit brutaler Gewalt und Terror zu erreichen war. Außerdem war es ja die »Eiserne Faust« gewesen, die erst dazu beigetragen hatte, die Bedingungen für die Revolte zu schaffen.

Als die USA bereit waren, im Gegenzug für eine Deeskalation des Konflikts und die Anerkennung Israels die PLO anzuerkennen, war der israelische Ministerpräsident Shamir zu entsprechenden Zugeständnissen gezwungen. Sein Angebot »freier und demokratischer Wahlen« für palästinensische Delegierte, die »eine Interimsperiode für eine selbstregierende Verwaltung aushandeln« würden, wurde ebenfalls unter der Bedingung einer Deeskalation der Unruhen gemacht.

Obwohl die PLO das »Existenzrecht« Israels formal schon im Dezember 1988 anerkannt hatte, war in Israel der Prozeß zur Anerkennung der PLO noch keineswegs abgeschlossen. Der Prozeß, PLO und Israel an den Verhandlungstisch zu bekommen, wurde zu einer Sackgasse, nie gab es mehr als Gespräche über Gespräche, und die israelische Taktik des politischen Hinhaltens (während sie ständig Palästinenser ermordeten) schien sich auszuzahlen. Die durch US-Hilfe gepolsterte israelische Wirtschaft konnte den Anfangsschock der wirtschaftlichen Zerrüttung auffangen, die Intifada hingegen erschöpfte sich, je länger sie anhielt. Mit der Zeit wurde das bißchen palästinensische Wirtschaft, das es gab, zerstört. In der Zwischenzeit konnte israelisches Kapital das Netz nach alternativen Quellen billiger Arbeitskraft auswerfen, um die Palästinenser zu ersetzen und sie aus dem israelischen Arbeitsmarkt hinauszudrängen.

Die Islamisten

Noch dazu begann ein erbitterter Revierkampf darum, wer der Hauptwachhund auf den palästinensischen Straßen werden sollte. Die nationalistischen Banden übten schon ihre zukünftige Rolle als Wächter von bürgerlichem Recht und Gesetz und Privateigentum. Während der Aufstand sich erschöpfte, wurde das Proletariat in den besetzten Gebieten durch Fraktionskämpfe und das »Töten von Kollaborateuren« dezimiert, wobei im Frühjahr 1990 mehr Palästinenser von anderen Palästinensern getötet wurden als von israelischen Kräften. Viele dieser »Kollaborateure« waren Plünderer oder Klassenkampfmilitante.

Beteiligt waren auch neue Gruppen, Hamas und Islamischer Jihad. Um ein authentisches palästinensisches Gegengewicht zur PLO zu schaffen, hatte Israel Anfang der 80er Jahre die Moslem-Bruderschaft gefördert. Seit diese ihre Einstellung gegen die Arbeiterklasse gezeigt hatte, indem sie eine Bücherei als »Brutstätte des Kommunismus« niederbrannte, versorgte Israel sie mit Waffen. [46] Da sie glaubten, die israelische Vorherrschaft könne nur überwunden werden, wenn alle Palästinenser gutgläubige Moslems wären, schien es, als könne ihr Wachstum den Widerstand gegen die Besatzung dämpfen. Während der Intifada politisierten sich die Islamisten als islamischer Jihad und Hamas. Um Wirksamkeit zu entfalten und die PLO herauszufordern, organisierten die Islamisten Streiktage gegenläufig zum UNLU-Kalender. Diese »Streiks gegen den Friedensprozeß« bestätigten sie als »authentische, einheimische und Massen-Opposition« zur PLO. [47]

Hamas wollte die PLO untergraben, aber sie wollte sie nicht ersetzen. Ihr militanter-als-du-Wettkampf mit der Fatah (dem militärischen Flügel der PLO) war eher darauf ausgerichtet, ihnen selbst eine Rolle im zukünftigen palästinensischen Staat zu garantieren. Sie lehnten nicht nur den »Friedensprozeß« und die Übereinkunft mit Israel ab, sie waren auch gegen die bloße Idee eines weltlichen bürgerlichen Staates. Trotz ihrer »Ablehnungs«-Haltung suchte Hamas eine Verständigung mit der PLO, weil sie die Form des palästinensischen Staates beeinflussen wollte.

Die Anfangsphasen der Intifada hatten ein Element der Revolte gegen die Institution der patriarchalen Familie enthalten. Palästinensische Frauen hatten ihre gesellschaftliche Unsichtbarkeit verweigert und sich dem Militär entgegengestellt. In Ramallah bewarf eine Gruppe von Mädchen ihre Eltern mit Steinen, als diese versuchten, sie von der Teilnahme am Aufstand abzuhalten. Für Hamas muß ein palästinensischer Staat per Definition ein muslimischer Staat sein, einschließlich Einführung des Scharia-Rechts, um genau die Formen einer »sozialen Kontrolle niedriger Intensität« wiederherzustellen, die die Intifada in Frage gestellt hatte.

Der Golfkrieg von 1991

Der »Friedensprozeß« wurde zudem durch die Golfkrise in die Länge gezogen, die Arafats gespaltene Loyalität infrage stellte. Während ein großer Teil der arabischen Bourgeoisie sich auf die Seite der USA stellte, konnte Arafat sich wegen Iraks pro-palästinensischem Standpunkt und massiver palästinensischer Unterstützung für dessen Konfrontation mit den USA nicht leisten, dasselbe zu tun. Der Golfkrieg untergrub endgültig die Illusionen in einen »progressiven Nationalismus«, der von der nunmehr ehemaligen UdSSR unterstützt wurde. Gleichzeitig verstärkten die Scud-Angriffe auf Israel dessen öffentliches Image im Westen als eine Bastion der Demokratie inmitten aggressiver »Schurkenstaaten«.

Trotz der neuen globalen Realität, die dem Zusammenbruch der UdSSR folgte, ist Israel ein lebenswichtiger strategischer Aktivposten für das US-Kapital geblieben. Jene wenigen arabischen Staaten, die sich an Moskau orientiert hatten, mußten mittlerweile im Bemühen um einen neuen Sponsor die vorsichtige Neuausrichtung nach Westen beginnen. Fast sofort bot sich den widerstrebenden arabischen Bourgeoisien eine Gelegenheit, ihr Verständnis der »Neuen Weltordnung« zu demonstrieren, indem sie Partei ergriffen für die Koalition gegen den Irak. Fast alle bedeutenden arabischen Hauptstädte unternahmen diesen Schritt. Mehr und mehr erscheint der Golfkrieg als eine Sache Amerikas, das plötzlich von den Zwängen des Kalten Krieges befreit war und nun schlicht auf brutalste und willkürlichste Weise zeigte, wie vollständig seine Vorherrschaft über die Ölfelder im Nahen Osten war. Als der »Schurkenstaat« jedoch wirklich von einem kurdischen Aufstand im Norden und einer schiitischen Rebellion im Süden bedroht wurde, ließen die USA ihn von der Kette, weil sie ein arabisches Regime, das sie verteufeln und periodisch bestrafen konnten, der Möglichkeit vorzogen, eigenhändig eine gesellschaftliche Revolution zerschlagen zu müssen, was das Risiko einer weiteren Verstärkung anti-amerikanischer Gefühle im Nahen Osten mit sich gebracht hätte.

Der Golfkrieg war Teil einer Neuzusammensetzung der gesamten Arbeiterklasse der Region. Die Massenvertreibung palästinensischer Arbeiter aus Kuwait trug zur allgemeinen Verarmung der palästinensischen Proletarier bei. Einige hatten aufgrund der Löhne, die ihre Angehörigen aus Kuwait geschickt hatten, einen höheren Lebensstandard als ihre jüdischen Nachbarn genossen.

Die von Israel während des Kriegs verhängte allgemeine Ausgangssperre verstärkte die wirtschaftlichen Härten in den besetzten Gebieten. Israelische Bosse konnten viele palästinensische Arbeiter entlassen, weil sie die Ausgangssperre befolgt hatten oder nicht befolgt hatten oder in Zukunft befolgen sollten. Das verschärfte wiederum die Klassenantagonismen in den besetzten Gebieten und führte zu Diebstahl und allgemeiner Gesetzlosigkeit. Während der Ausgangssperre wurden Geschäfte, deren Waren als überteuert betrachtet wurden, angegriffen und zu Preissenkungen gezwungen.

4.2 Der Weg nach Oslo

Als die USA nach dem Golfkrieg die unangefochtene Hegemonie über die Region erlangt hatten und die einheimischen Bourgeoisien vor allem in Ägypten und Syrien die Gefahr der islamistischen Militanz fürs erste einigermaßen im Griff hatten, blieben den USA als einziges Problem die Palästinenser. Die breite Unterstützung für die erste Intifada bedrohte die US-Interessen zweifellos, und der Osloer »Friedensprozeß« bedeutete auf rhetorischer Ebene, daß wirklich Schluß sein sollte mit dem jahrelangen Konflikt und dem Krisenmanagement, zu dem eine US-Administration nach der anderen gezwungen gewesen war.

Da Amerikas arabische Verbündete den alles entscheidenden Loyalitätstest des Golfkriegs bestanden hatten, eröffnete die »Neue Weltordnung« die Möglichkeit, daß Israel als strategischer Hauptverbündeter der USA in der Region überflüssig werden könnte, da der Großteil der arabischen Bourgeoisie Ruhe gab und Israels Unfähigkeit, das Palästina-Problem zu lösen, diese vielbeschworene neue Ära bürgerlichen Friedens bedrohte.

Für den israelischen Staat bedeuteten Konzessionen an die Palästinenser die Möglichkeit einer Konfrontation mit seiner eigenen Arbeiterklasse. Da aber die israelische Wirtschaft immer noch an den Folgen der Krise und der Intifada litt, benötigte man immer noch US-Hilfe, was sich dazu benutzen ließ, den israelischen Staat zu einem Abkommen mit den Palästinensern zu drängen.

Angesichts der ausbleibenden Fortschritte bei der Lösung der Intifada zeigten sich die USA bereits 1989 zunehmend frustriert. Israel sollte einer ihrer regionalen Polizisten sein. Stattdessen hatte es mit einem inneren Aufstand zu tun, der wegen der palästinensischen Diaspora die gesamte Region zu destabilisieren drohte. Shamir konnte die Situation nicht lösen - vor allem nach dem Zusammenbruch der Einheitsregierung und unter Druck der rechten Koalitionspartner.

Als die Arbeitspartei, die versprach, den »Friedensprozeß« zu beschleunigen, an die Regierung gewählt wurde, wollte Hamas ihre Basis als wichtigste »Ablehnungs«-Alternative zur PLO festigen. Die Tötung von sechs israelischen Soldaten durch Hamas-Guerillas im Dezember 1992 bewies, daß sich Israels Förderung des politischen Islam als Gegengewicht zur PLO ausgezahlt hatte, allerdings nicht so, wie Israel es sich vorgestellt hatte. Andererseits hatte der Aufstieg von Hamas nicht nur tödliche Nebenwirkungen, sondern bot auch einen Vorwand für die IDF, im Frühjahr 1993 hart durchzugreifen. Der Schlag richtete sich hauptsächlich gegen Gaza als angebliche »Basis für Hamas«.

Als Teil dieser allgemeinen Repressionswelle verhängte Israel unter dem Vorwand des »Antiterrorismus« außerdem eine »unbefristete« Abriegelung über die Gebiete. Das hieß, daß 189 000 PalästinenserInnen nicht zur Arbeit nach Israel konnten. Während der ganzen 90er Jahre wurde die Politik der Abriegelung immer wieder als »Kollektivstrafe« für Selbstmordbombenattentate und andere Anschläge benutzt. Nach der Abriegelung der besetzten Gebiete im März 1993, die auf dem Bau und in der Landwirtschaft zu Arbeitskräfteknappheit führte, gab die Regierung grünes Licht für die Anwerbung von Gastarbeitern.

Die Intifada zwang die israelische Bourgeoisie also dazu, das Monopol der Palästinenser auf den unteren Rand des Arbeitsmarkts zu beenden und eine stabilere Quelle billiger Arbeitskraft zu finden. Da die jüdischen ArbeiterInnen ihre Stellung zäh verteidigten, wäre es problematisch gewesen, sie in diese Rolle zu drängen. Zu Beginn der Intifada hatten Baustellen in Jerusalem erfolglos versucht, jüdische Arbeiter für das Doppelte des normalen Palästinenserlohns zu bekommen. Die jüdischen ArbeiterInnen sind zwar eher loyal dem Staat gegenüber und identifizieren sich auch mehr mit seinen Sicherheitserfordernissen. Sie an den unteren Rand des Arbeitsmarktes zu drängen, hätte aber eine Neuverhandlung des nach 1967 ausgehandelten Klassenkompromisses bedeutet, und außerdem gab es sowieso schon eine Knappheit bei jüdischen Arbeitskräften. In den 80er Jahren verließen mehr Juden Israel, als neu hinzukamen.

Der Zusammenbruch der UdSSR schien eine Lösung zu bieten in Form einer neuen Welle von potentiellen Einwanderern. Auch das brachte aber Probleme mit sich, denn die meisten der neuen EinwandererInnen hatten eigentlich nach Amerika gehen wollen, und als Ausgleich dafür, daß sie in Israel festsaßen, verlangten sie einen Teil vom zionistischen Kuchen. Der untere Rand des Arbeitsmarktes war weit weg von den hochqualifizierten Jobs, die viele von ihnen früher in der Sowjetunion gehabt hatten.

Außerdem brauchte Israel für die Integration der neuen EinwandererInnen US-Hilfe, und wegen der Frustration der US-Bourgeoisie über Israels Siedlungspolitik hatte Bush Senior 1991 damit gedroht, den Kredithahn zuzudrehen, und klargemacht, daß Israel die neuen EinwandererInnen nicht ohne substantielle Fortschritte bei der Lösung der Intifada integrieren konnte.

Die russischen EinwandererInnen sind in Israel zum Streitobjekt geworden, da viele Leute meinen, ihre Aufnahme sei auf Kosten von anderen jüdischen ArbeiterInnen gegangen. Die Aufnahme der russischen Einwanderer wird mit dem Anstieg der Mieten in »gesuchten Wohngegenden«, der Verdrängung von ärmeren Juden und der Notwendigkeit der Ausweitung der Siedlungen in Verbindung gebracht. Dieses Ressentiment und eine allgemeine Sorge über die Erosion des exklusiv jüdischen Charakters des Staats heizt daher Gerüchte über die mangelnde Authentizität der »jüdischen Identität« der neuen Immigranten an.

Weiter angeheizt werden diese Sorgen durch den zunehmenden Einsatz von nichtjüdischen GastarbeiterInnen aus Osteuropa und dem Pazifikraum. Diese Gastarbeiter, hauptsächlich aus Rumänien und von den Philippinen, teilweise auch aus Jordanien und Ägypten, arbeiten meist über Leiharbeitsagenturen wie Manpower. Sie haben äußerst miese Arbeitsbedingungen und Wohnverhältnisse, und es gibt regelmäßig Berichte über körperliche Übergriffe durch Arbeitgeber [48]. Ihre Pässe werden ganz selbstverständlich von der Agentur einbehalten, so daß sie an den Job gebunden sind, wenn sie im Land bleiben wollen. Viele Arbeitgeber behalten den Lohn ein und lassen die Leute abschieben, wenn diese die Auszahlung fordern. Neuerdings müssen die ArbeiterInnen den Agenturen eine Kaution zahlen, die sie erst bei Erfüllung ihres Arbeitsvertrages zurückbekommen. Angesichts dieser Bedingungen arbeiten viele Arbeitsmigranten natürlich lieber illegal [49]. Die meisten männlichen Arbeitsmigranten arbeiten in der Landwirtschaft und - vor allem - auf dem Bau. Die Baubranche will ständig mehr Migranten einstellen, die Regierung beschränkt ständig die Zahl der Visa, so entsteht ein Markt für illegale Arbeiter. Arbeitsmigranten arbeiten für noch weniger als Palästinenser in Israel und aus den Gebieten, was in einem Fall in einer palästinensischen Kleinstadt in Galiläa schon zu einem Pogrom gegen jordanische und ägyptische Arbeiter, die Land besetzt hatten, geführt hat.

Sowohl die äußerst hohe Arbeitslosigkeit unter den PalästinenserInnen als auch die Herausforderung von Arafats Führung durch Hamas und Arafats Isolierung wegen seiner Unterstützung des Irak im Golfkrieg haben zur Schwächung der Verhandlungsposition der PLO beigetragen. Während der Aufstieg von Hamas die eher ablehnende Haltung des lokalen Kleinbürgertums repräsentierte, waren die Handels- und Finanzkapitalisten der Diaspora eher bereit, den angebotenen verarmten Kleinstaat anzunehmen. Schließlich brauchten sie zur Realisierung ihrer Profite kein Land und waren anders als das lokale Kleinbürgertum nicht mit den täglichen Realitäten der israelischen Herrschaft konfrontiert. Und sie wollten die relative Sicherheit ihrer Position nicht dadurch gefährden, daß sie zu laut gegen die »Neue Weltordnung« aufmuckten.

5. Der Osloer »Friedensprozeß« (1993-2000)

Die anfangs als Gaza-Jericho-Abkommen bekannten Osloer Abkommen waren eine Neuauflage all dessen, was die PLO jahrelang abgelehnt hatte. Der PLO wurde als erster Schritt die Verwaltung von Gaza und Jericho angeboten. Obwohl widerwillig mehr Land übergeben wurde, kontrolliert Israel immer noch die Grenzen, die Außenpolitik usw.. Trotzdem war der Deal für die PLO so demütigend, daß sogar Israel besorgt war, es könnte zu weit gegangen sein.

In Kairo warnte Israels Umweltminister davor, daß eine »besiegte« PLO nicht mehr in Israels Interesse liege als eine »siegreiche«. »Wenn man Arafat im Namen der Sicherheit den Arm umdreht, muß man aufpassen, daß man ihn nicht bricht. Mit gebrochenem Arm wird Arafat nicht in der Lage sein, die Kontrolle in Gaza und Jericho aufrechtzuerhalten.« [50]

Das Abkommen wird oft mit dem System der »Bantustans« verglichen, die es in Südafrika gab. Das Fortbestehen der Siedlungen und der Bau von Straßen nur für Siedler verstärken diese Ähnlichkeit noch.

Die meisten nationalistischen palästinensischen Gruppen waren von Anfang an gegen die Osloer Abkommen, beschlossen aber, bei ihrer Rolle als »loyale Opposition« zu bleiben. Hamas führt weiterhin Anschläge gegen Israelis durch, aber nicht gegen die PNA. Zu Beginn der PNA-Regierung sagte Hamas: »Wir begrüßen die palästinensischen Sicherheitskräfte als Brüder«, und versprach »die getrennten Aufrufe zu Streiktagen zurückzufahren, um die wirtschaftliche Last, die auf unserem Volk liegt, zu erleichtern«. Die leninistischen Gruppen, hauptsächlich DFLP (Demokratische Front zur Befreiung Palästinas) und PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas), genießen weniger Unterstützung als Hamas und scheinen wenig ausrichten zu können. Sie sind gegen Oslo, aber sie sprachen sich nicht für einen aktiven Kampf gegen die PNA oder auch nur gegen Israel aus, jedenfalls nicht, bis die Intifada losging.

Die PLO als Polizist

Trotz dieser »loyalen Opposition« hörte der Widerstand in der Westbank und in Gaza mit dem Machtantritt der PNA nicht einfach auf. Arafat wurde am 1. Juli 1994 in Gaza nicht der erhoffte triumphale Heldenempfang bereitet, und die PNA versuchte verzweifelt, die Begeisterung der Massen über seine Rückkehr aus dem Exil anzufachen.

Für die Proletarier in Gaza waren die Preise der Grundnahrungsmittel wichtiger. Die Gemüsepreise stiegen durch die relativ freien Exportbedingungen, die den palästinensischen landwirtschaftlichen Produzenten durch das Pariser Protokoll von 1994 auf dem israelischen Markt eingeräumt wurden, um 250 Prozent. Israel heizte die verfahrene Situation noch an, indem es sofort den Gaza-Streifen abriegelte und bei den daran anschließenden Unruhen Palästinenser tötete. [51] Hamas tötete als Vergeltung Israelis, und die neue PNA verurteilte die Angriffe und versprach, gegen zukünftige Angriffe mit Israel zusammenzuarbeiten. Das führte fast unmittelbar zu großen Protestkundgebungen gegen die PNA.

Durch die palästinensische Autonomie in den am dichtesten besiedelten Gebieten konnte Israel die politische Last der öffentlichen Ordnung auf die Schultern der palästinensischen Bourgeoisie abladen, die nicht durch Israels westeuropäisch-demokratische Gepflogenheiten behindert war. Die PNA gibt einen Großteil ihres Budgets für Sicherheit aus (das meiste für wirtschaftlichen Wandel vorgesehene Geld hat die für ihre Korruption berüchtigte PNA »verloren«): auf 30 Palästinenser kommt 1 Polizist. [52] Sie hat die Todesstrafe wieder eingeführt, während der neuen Intifada wurden »Kollaborateure« öffentlich hingerichtet, und zahllose Menschen ohne Prozeß eingesperrt - meist ihre politischen Gegner.

Trotz dieser Repression innerhalb der PNA-Gebiete gab und gibt es Proteste und Generalstreiks gegen die Behandlung von Hamas-Militanten durch die PNA. In den Flüchtlingslagern in Gaza, die Arafat bekanntlich so ungern besucht, gab es im Sommer 2000 mehrmals Schießereien zwischen PNA-Sicherheitsbeamten und Lagerbewohnern; Gegner wurden dabei festgenommen und ohne Prozeß festgehalten. 200 Lehrer haben ihre Gewerkschaft verlassen, weil diese der PNA zu nahe steht, eine unabhängige Gewerkschaft gegründet, die Schulen geschlossen und einen langen Streik begonnen. [53] Viele von ihnen wurden eingesperrt. Vor kurzem haben auch 20 in den Gebieten lebende Akademiker und Fachleute ein Manifest veröffentlicht und verteilt, in dem die PNA kritisiert wird.

5.1 Friedensprozeß und Umstrukturierung des israelischen Kapitals

Für den Teil der israelischen Bourgeoisie, der sich mit den Palästinensern arrangieren wollte, stellte Oslo einen dritten Weg dar zwischen der intensiven Akkumulation der 70er Jahre und den expansionistischen Träumen von einem Großisrael. Wenn das israelische Kapital neue Investitionsgebiete nicht durch Eroberung gewinnen konnte, dann durch eine stärkere Integration in die Wirtschaft der Region. Um die Konkurrenz zu stärken, sollten Importkontrollen abgeschafft werden, und die großen staatlichen Konglomerate sollten privatisiert werden, während sich die Rolle der privaten Subunternehmer und Leiharbeitsagenturen ausweiten sollte. Für den israelischen Staat bedeutete dies, die israelische Arbeiterklasse zu disziplinieren, während gleichzeitig die politische Last der sozialen Kontrolle der palästinensischen Arbeiterklasse auf die Schultern des neuen palästinensischen Ministaats abgewälzt wurde.

Das Allheilmittel von Oslo stieß aber auf den Widerstand der Proletarier, der israelischen wie der palästinensischen. 1996, drei Jahre nachdem sich Yassir Arafat und Yitzhak Rabin auf dem Rasen vor dem Weißen Haus die Hand gegeben hatten, führten die Versuche der Likud-Regierung, die Privatisierung einzuführen, zu einer Welle von Arbeitskämpfen, während der Bau eines Tunnels in Jerusalem Unruhen auslöste, die zur höchsten Zahl von palästinensischen Todesopfern in der ganzen zwanzigjährigen Besatzungszeit führten. Dennoch gab es keine Verbindung zwischen diesen Kämpfen, und die von Oslo repräsentierten Versuche einer ökonomischen Rationalisierung gingen im wesentlichen durch.

Die palästinensische Arbeiterklasse

Oslo hat der israelischen Bourgeoisie Zeit verschafft, um die billigen aber aufsässigen Palästinenser durch billigere und weniger aufmüpfige ArbeiterInnen zu ersetzen. Während des Golfkriegs wurden Tausende von Palästinenser gefeuert. Das war möglich, weil sie, wie oben dargestellt, durch GastarbeiterInnen ersetzt werden konnten. Der Gebrauch von Arbeitsmigranten macht es Israel möglich, die Gebiete viel wirksamer abzuriegeln, als sie es während der letzten Intifada je konnten. Die Blockaden, die verhängt wurden, als die PNA an die Macht kam, machten es den PalästinenserInnen schwer oder unmöglich, zur Arbeit in Israel zu kommen. Das half, in Gaza die Bedingungen für eine Massenarbeitslosigkeit zu schaffen. ArbeiterInnen mußten durch die Blockade kommen, um sich auf »Sklavenmärkte« an Straßenkreuzungen in den Gebieten zu stellen. [54] Aber wie Peres es im November 1994, drei Monate nach den Unruhen am Grenzübergang Erez, ausdrückte: »Wenn die Palästinenser nicht mehr in Israel arbeiten können, dann müssen wir die Bedingungen schaffen, um die Arbeitsplätze zu den Arbeitern zu bringen.« [55]

Das geschieht im wesentlichen auf zwei Arten. Einige Palästinenser arbeiten in den neuen Gewerbegebieten, von denen noch mehr direkt hinter der jordanischen und der libanesischen Grenze in Planung sind. [56] Viele andere Palästinenser arbeiten für palästinensische Subunternehmer. Die Subunternehmer importieren israelische Rohmaterialien und zahlen sehr niedrige Löhne. Die dort produzierten Waren werden dann von israelischen Firmen in den Handel gebracht, wodurch die israelischen Bosse wegen der palästinensischen Lohnniveaus ihre Profite steigern können. Diese neue Kooperation zwischen der israelischen und der arabischen Bourgeoisie verschlechtert nicht nur die Arbeitsbedingungen für das palästinensische Proletariat, sondern weitet auch die Proletarisierung des palästinensischen Kleinbürgertums aus. Zum Beispiel errichten israelische und palästinensische Investoren direkt auf der PNA-Seite der Grenze gerade ein großes Gewerbegebiet zur Produktion von Molkereiprodukten zusammen mit Tnuva, einem der größten israelischen Lebensmittelkonzerne. Das wird zur Schwächung und wahrscheinlich zur Pleite der meisten palästinensischen Milchbauern führen, bei denen zur Zeit 13 Prozent der palästinensischen ArbeiterInnen in den Gebieten beschäftigt sind.

Die palästinensische Bourgeoisie hat ihre Unterordnung unter das israelische Kapital akzeptiert, erstens weil sie davon profitiert und zweitens weil eine vollständige Abkopplung von der israelischen Wirtschaft sie der Konkurrenz benachbarter Kapitale aussetzen würde, die Zugang zu noch billigerer Arbeitskraft haben. Das würde eine weitere Konfrontation mit der Arbeiterklasse bedeuten. Andererseits haben die israelische und palästinensische (und die jordanische) Bourgeoisie alle ein Interesse daran, daß die Gebiete ein großer Pool billiger Arbeit bleiben, der israelische, palästinensische und internationale Investitionen anzieht.

Die jüdische Arbeiterklasse

Obwohl die Palästinenser zunehmend aus dem israelischen Arbeitsmarkt herausgedrängt werden, sind die Gastarbeiter nicht die ideale Lösung. Eigentlich muß das israelische Kapital der jüdischen Arbeiterklasse schlechtere Bedingungen aufzwingen. Als Likud aber 1996 versuchte, mehr Privatisierung durchzusetzen, nahm sogleich die Unruhe unter der jüdischen Arbeiterklasse zu.

Oslo bedeutet einen weiteren Versuch, die israelische Wirtschaft in Hochlohnjobs und prekäre schlecht bezahlte Jobs zu spalten und den nach 1967 ausgehandelten Klassenkompromiß neu zu verhandeln. Der mit Oslo verbundene Versuch, die Handelsbeziehungen mit der arabischen Welt zu »normalisieren«, kann nur bedeuten, daß die Arbeiterklasse in Israel der Konkurrenz durch schlechter bezahlte Arbeiter in den Nachbarländern ausgesetzt sein wird. Das verspricht großen Profit, da deren Löhne noch niedriger als selbst die der israelischen Palästinenser sind. Der Friedensschluß mit Jordanien enthielt auch Vereinbarungen über die freie Bewegung des Kapitals, also gingen israelische Firmen sofort nach Jordanien, um die billigere Arbeitskraft zu nutzen. Dadurch erhöhte sich die Arbeitslosigkeit unter jüdischen ArbeiterInnen in Gegenden wie Dimona und arabischen Textilarbeiterinnen im Norden auf acht Prozent und steigt weiter.

Das Oslo-Abkommen zieht nicht nur Entlassungen im Privatsektor nach sich, sondern verstärkt auch die wirtschaftliche Unsicherheit der ArbeiterInnen im Öffentlichen Dienst. Massenweise jüdische ArbeiterInnen im öffentlichen Dienst arbeiten inzwischen mit Zeitverträgen, vor allem Frauen, junge Leute und neue Einwanderer, und auch im öffentlichen Dienst wird mit Subunternehmern gearbeitet, also sind die Arbeitsbedingungen schlechter. Arbeitslose Juden müssen inzwischen jeden Job annehmen, so wie wir es ja auch ganz gut kennen. Die Histadrut deckt immer weniger ArbeiterInnen ab, nennt sich jetzt »Neue Histadrut« und führt Befragungen darüber durch, warum die Leute ihr nicht vertrauen. Vor kurzem gab es einen großen Streik einer unabhängigen Eisenbahnergewerkschaft, die forderte, von der Histadrut anerkannt zu werden. Es gibt auch einen Versuch, eine Gewerkschaft für LeiharbeiterInnen zu gründen. [57]

In einem Versuch, die jüdische Arbeiterklasse ruhig zu halten, wurden diese Maßnahmen von einer Beschleunigung im Siedlungsbau in den besetzten Gebieten begleitet. Zwar enthält jedes neue von Amerika vermittelte Abkommen ein israelisches Versprechen, den Siedlungsbau einzustellen, aber die israelische Bourgeoisie hat keine andere Wahl, als diese Versprechen zu ignorieren, wenn sie die Bedürfnisse der jüdischen ArbeiterInnen befriedigen will. Zur Zeit versucht Israel, dieses Problem durch die »Judaisierung« von arabischen Gebieten innerhalb der Grünen Linie zu umgehen, eine Politik, die direkt zur Beteiligung von israelischen Arabern an dieser Intifada geführt hat.

6. Die Intifada im 21. Jahrhundert

Der wegen seiner Verbindung zu Sharons provokativem Besuch der Al-Aksa-Moschee im September 2000 als Al-Aksa-Intifada bekannt gewordene Aufstand war - zumindest anfänglich - wie die Intifada von 1987 spontan, »eher von der enormen Frustration der Palästinenser angetrieben als von irgendeiner strategischen Entscheidung der palästinensischen Führung«. [58] Der Funke, der die proletarische Wut zur Explosion brachte, war die Tötung von sieben Palästinensern durch israelische »Aufstandsbekämpfungs«-Polizei an der Al-Aksa-Moschee am Tag nach Sharons Besuch - und die breit veröffentlichte Ermordung eines 12jährigen an der Netzarim-Kreuzung in Gaza. Wie schon gesagt, gibt es ständig Kämpfe im Gaza-Streifen und der Westbank. Als dauerhafteste Revolte seit der letzten Intifada hat dieser aber den Titel »Intifada« verdient.

Vor diesem Kampf lag, wie schon erwähnt, eine Zeit der Konflikte zwischen palästinensischem Proletariat und palästinensischer Bourgeoisie. In Ramallah gab es im September 2000, einen Monat vor Beginn der Intifada, Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der palästinensischen Polizei. Also kam es der palästinensischen Bourgeoisie gelegen, den massenhaften proletarischen Ärger von sich selbst ab- und auf »den wirklichen Feind« zu lenken, wie sie sagen würden. Außerdem hilft Hamas in diesem Aufstand, die Legitimität der PLO/PNA bei ihrer Basis wiederherzustellen, indem sie sich der NIF, der neuen Bündnisorganisation aller nationalistischen Organisationen zur Kontrolle des Aufstands angeschlossen hat. Die palästinensische Polizei, die sich auf die Fatah stützt, hilft ebenfalls sicherzustellen, daß der Aufstand »der Kriegslogik des Staates« folgt, indem sie den Kampf militarisiert.

Trotzdem ist dieser neue Aufstand wie auch die letzte Intifada der Logik des Nationalismus oder der Unterstützung der arabischen Bourgeoisien nicht vollständig verhaftet. In der ganzen arabischen Welt und nicht nur unter der palästinensischen Diaspora gibt es Massenproteste. In Jordanien gab es Zusammenstöße zwischen der jordanischen Armee und 25 000 Palästinensern, die zu einem Verbot antiisraelischer Demonstrationen in Jordanien führten, und in Ägypten gab es die größten und härtesten Studentenproteste seit den 70er Jahren.

Die israelischen Araber [59]

Außerdem verschwimmt die Grüne Linie immer mehr, da sich zunehmend die israelischen Araber als wahrnehmbarer Teil dieser Intifada einmischen. Auch an der Intifada von 1987 hatten israelische Araber teilgenommen, aber damals spielten sie hauptsächlich eine Unterstützerrolle für die Palästinenser in den Gebieten. Trotz ihrer angeblichen »demokratischen« Privilegien sind sie nie vollständig in den israelischen Staat integriert worden. Das wurde 1976 sehr deutlich, als bei Protesten gegen Landenteignungen mehrere israelisch-palästinensische Bauern erschossen wurden. An das Massaker wird seitdem durch einen jährlichen Generalstreik an diesem Tag, dem »Landtag«, erinnert. Am Landtag 1989 blockierten junge israelische PalästinenserInnen Straßen, warfen Molotow-Cocktails auf Polizeiwagen und unterbrachen Wasserleitungen zu jüdischen Siedlungen. Wegen solcher Vorfälle während der Intifada von 1987 begannen Teile der israelischen Bourgeoisie, sie als fünfte Kolonne innerhalb der Grünen Linie zu sehen und verlangten, die Wehrpflicht auf sie auszuweiten, um ihre Loyalität dem Staat gegenüber sicherzustellen. Während der Intifada von 1987 bekamen es israelische Palästinenser nur mit Gummigeschossen zu tun. Diesmal wird scharf geschossen, und schon in den ersten Tagen der Intifada wurden 12 israelische Araber durch Sicherheitskräfte erschossen.

Tatsächlich war eine der Ursachen für die Entstehung dieser Intifada der Kampf israelischer Araber gegen Zwangsräumungen im Zuge der offiziellen Politik der »Judaisierung« Galiläas. [60] Im Sommer 2000 wurde in den Dörfern in Galiläa fast jede Woche mindestens ein Haus abgerissen, und ganze Dörfer unterstützten den Widerstand dagegen, was sie in fast ständige Auseinandersetzungen mit der Polizei brachte. Zu dieser Politik der »Judaisierung« Galiläas gehört auch die Schikanierung von arbeitslosen israelischen Arabern. In Nazareth wurde das Arbeitsamt weiter weg verlegt, die Unterlagen von Leuten gingen ständig verloren oder wurden manipuliert. In einem Fall wurde einem ganzen Dorf die Unterstützung gestrichen, weil es Arbeit abgelehnt habe, die nie angeboten worden war! Das hat zu großen Demos und Auseinandersetzungen mit den Bullen geführt. In einem Fall hat sich eine Menge von Frauen aus Nazareth ihren Weg in ein Amtsgebäude freigeprügelt.

In den ersten Tagen des Aufstands streikten ganze Dörfer in Galiläa, und die Hauptstraße durch diese Gegend war mit brennenden Reifen übersät. Die israelischen Araber erweisen sich auch als zunehmend desillusioniert über die Wahlen. Bei den vorigen allgemeinen Wahlen hatten 90 Prozent der israelischen Araber für Barak gestimmt, was allgemein als Grund gilt, warum er gewonnen hat. In der Wahl 2001 gab es eine konzertierte Kampagne von arabischen »Gemeindeführern«, um die israelischen Araber zu überzeugen, daß sie Barak wählen sollten - alles außer Sharon! - die Reaktion war ein fast vollständiger Wahlboykott. Tatsächlich bestand die Reaktion einiger israelisch-palästinensischer ArbeiterInnen auf »ihre« arabischen Knesset-Abgeordneten darin, daß sie sie aus den Dörfern jagten, als sie auf Wahlkampftournee kamen. [61]

Weitere Diskreditierung der PNA und Militarisierung des Kampfs

Die Rolle der PNA im gegenwärtigen Kampf besteht im wesentlichen in ihrem Versuch, den Massenwiderstand zu kontrollieren und zugleich von ihm zu profitieren. Auch die aktuelle Intifada enthält immer noch ein starkes Massenelement, und die PNA versucht, ihre Kontrolle über die »palästinensische Straße« zu festigen - oder zu erlangen. Die PNA muß auch sicherstellen, daß sie sich die Loyalität ihrer eigenen Polizei erhält. Viele palästinensische Polizisten sind Fatah-Militante. Sie haben zwar keinerlei Hemmungen, Demos gegen die PNA anzugreifen, aber unter Umständen zögern sie, wenn sie auf Palästinenser schießen sollen, die den israelischen Staat angreifen. Außerdem ist es ihnen lieber, wenn die Wut des palästinensischen Proletariats sich gegen die israelischen Bullen und Soldaten richtet als gegen sie selbst. Wie schon erwähnt, hatte der Sommer 2000, als die Camp-David-Abkommen zwischen Arafat und Barak keine Fortschritte machten, im Zeichen einer Reihe von brutalen Schlachten zwischen der PNA-Polizei und der »Straße« gestanden. Die heutigen Kämpfe kamen in Gang, als staatliche bewaffnete Polizei sich auf die Seite der Demonstrationen stellte und auf die IDF schoß. Das bot wiederum einen Vorwand für gezielte Todesschüsse der IDF und den Einsatz des vollen Gewichts der israelischen Militärmacht, einschließlich Kampfhubschraubern, gegen die palästinensische Bevölkerung.

Wegen der Rolle der PNA ist die aktuelle Intifada, vor allem verglichen mit der »Rebellion der Steine« von 1987, eine hoch militarisierte Angelegenheit. Während die Steinewerfer von 1987 die »Kriegslogik des Staates« vielleicht abgelehnt haben, läßt sich das von der paramilitärischen palästinensischen Polizei nicht sagen. Das führt unter anderem dazu, daß ein wesentlich kleinerer Ausschnitt der palästinensischen Bevölkerung beteiligt ist. Die Protagonisten sind hauptsächlich männlich und zwischen 17 und 25 Jahre alt. Es führt auch dazu, daß es viel mehr Todesopfer unter den Palästinensern gibt als bei der letzten Intifada, was es der PLO ermöglicht, sich einen Teil der verlorenen Glaubwürdigkeit zurückzuholen und gleichzeitig ein paar aufmüpfige arme Leute loszuwerden. In begrenztem Umfang stärkt die Verwandlung eines spontanen Volksaufstands in einen quasi-militärischen Konflikt den »Staat im Embryonalzustand« der PNA. Zu einem Staat gehört schließlich die Fähigkeit, die eigenen Grenzen zu verteidigen. Auf der anderen Seite führt die erdrückende militärische Überlegenheit Israels dazu, daß Teile der PLO versuchen, den Konflikt zu deeskalieren. Diese Teile versuchen, den Aufstand wieder auf seinen zivilen Massencharakter zurückzuführen.

6.1 Die Wirkung der neuen Intifada

Trotz der Versuche des israelischen Staates, die Palästinenser durch Gastarbeiter zu ersetzen, hat die neue Intifada nicht zuletzt zu einer Krise in der Baubranche geführt, weil diese von billigen palästinensischen Arbeitern abgeschnitten wurde. Es wird damit gerechnet, daß Israels Wirtschaftswachstum von sechs Prozent im Jahr 2000 in 2001 auf zwei Prozent sinkt. Die Häuserpreise in Jerusalem sind seit letztem Jahr schon um 20 Prozent gefallen. Viele dieser Zahlen lassen sich zwar durchaus mit dem weltweiten Rezessionsdruck erklären, aber es wird ganz klar, daß die Intifada den weltweiten Druck noch gesteigert hat, wenn man bedenkt, daß das Handelsvolumen Israels mit den Gebieten, das zuletzt zwei Mrd. Dollar im Jahr betrug, halbiert wurde. Die Bedingungen auf dem Weltmarkt werden zwar als offizieller Grund dafür angegeben, daß die ausländischen Investitionen in diesem Jahr um 50 Prozent zurückgegangen sind, aber die Intifada wird kaum zusätzliche ausländische Investitionen nach Israel locken. Andererseits boomen die Start-Ups in Tel Aviv immer noch, was auf die relative Stärke der Kapitalakkumulation in Israel hinweist, die außerdem durch US-Hilfen in Höhe von über vier Mrd. Dollar im Jahr vor einigen normalen ökonomischen Zwängen geschützt wird. Diese Hilfe ist aber ein zweischneidiges Schwert, denn die Abhängigkeit vom guten Willen der USA beschränkt Israels Handlungsfreiheit bei seinen Versuchen, die Revolte niederzuschlagen.

Die Intifada hatte die Arbeitspartei schon vor ihrer vernichtenden Wahlniederlage in die Krise gestürzt, teils wegen der oben erwähnten unlösbaren Probleme mit den Siedlungen. Obwohl Sharon diese Probleme selbst angeheizt hat, hat die Bourgeoisie ihn politisch rehabilitiert. Und im vorherrschenden Klima des nationalen Notstands hat ihn sein Ruf als »harter Mann« für die Rechte zur natürlichen Wahl gemacht, während liberalere Wähler sich von seiner Buhmannrolle nicht abschrecken ließen.

Der neue Aufstand hat außerdem größere Veränderungen in der Außenpolitik der arabischen Staaten nach sich gezogen. Der versöhnliche Ton Israel gegenüber ist verschwunden; vor allem aber ist auch der Konsens über den Irak verschwunden, den Amerika und England seit 1991 aufrechterhalten hatten. Saddam Hussein, der als einer der wenigen Führer des Pan-Arabismus und als begeisterter Unterstützer der Sache der Palästinenser gilt, wird im Nahen Osten zunehmend rehabilitiert, und das Sanktionsregime steht kurz vor dem Zusammenbruch. Zumindest bis vor kurzem bedeutete Bushs Teilrückzug aus dem Friedensprozeß - d.h. in Wirklichkeit seine unmißverständliche Unterstützung der israelischen Politik in der Westbank und im Gazastreifen - daß kaum ein Ende der gegenwärtigen Intifada in Sicht war. Die Öffentliche Meinung in den arabischen Ländern war zunehmend gegen die USA eingestellt.

Angesichts der Intifada, die der Unruhe in den arabischen Ländern wie Ägypten und Jordanien Vorschub leistete, war die arabische Bourgeoisie gezwungen, den ersten arabischen Gipfel seit vier Jahren einzuberufen und den Irak mit an den Tisch zu lassen. Ägypten berief zum ersten Mal seit 18 Jahren seinen Botschafter aus Tel Aviv zurück, und vier arabische Staaten brachen die diplomatischen Beziehungen ab. Diese Veränderung sollte allerdings nicht überbetont werden - Libanon und Jordanien sind nach wie vor darauf erpicht, die gemeinsam finanzierten Gewerbegebiete zu bauen, um sich einen möglichst großen Teil der Friedensdividende zu sichern - wenn sie denn kommt. Jordanien und Ägypten haben außerdem anti-israelische Demonstrationen verboten.

Die westliche Bourgeoisie wiederum ist sich überhaupt uneins über ihr Verhältnis zum Nahen Osten. Das zeigte sich an der Isolation der USA und Englands, als sie kurz nach dem Amtsantritt von George W. Bush wieder anfingen, den Irak zu bombardieren. Palästinensische Diplomaten suchen nach europäischen Verbündeten - höchstwahrscheinlich Frankreich.

Die israelische Bourgeoisie muß erst einmal ihre langfristigen Ambitionen zurückstellen, ihre Handelsbeziehungen zum restlichen Nahen Osten zu »normalisieren«. Mit der Wahl von Sharon wurde dieser Punkt von der Tagesordnung gestrichen. Seit die israelische Bourgeoisie aber den »Friedensprozeß« aufgegeben hat, [62] ist sie mehr denn je abhängig vom guten Willen des Westens, vor allem von der finanziellen Unterstützung durch die USA, die ihre Unterstützung Israels mit ihren sonstigen Interessen in der Region ins Gleichgewicht bringen muß. Das macht die israelische Politik einigermaßen verwirrend: in der einen Minute lassen sie Panzer nach Gaza rollen, in der nächsten ziehen sie sie nach einem Rüffel von den USA wieder ab. Eine der wichtigsten Taktiken des israelischen Staates besteht in der Ermordung von palästinensischen Führern, v.a. von Hamas-Leuten. Die massenhafte öffentliche Wut der Palästinenser nach solchen Anschlägen zeigt, wie beliebt Hamas ist. Es ist für die israelische Bourgeoisie aber leichter, diese Art von staatlicher Gewalt als legitim darzustellen, als das wahllose Töten von Kindern (wenngleich sie nicht in der Lage zu sein scheinen, »die Terroristen zu erledigen«, ohne daß dabei auch andere Leute getötet werden).

Trotz der Einschränkung seiner Handlungsfreiheit durch die USA konnte der israelische Staat seine blutige Politik bis jetzt sehr weitgehend durchsetzen, da es keine wirkliche Reaktion seitens der Arbeiterklasse gab und gibt. Die Intifada hat zwar Rebellionen von Arabern innerhalb der Grünen Linie wie auch anderswo im Nahen Osten ausgelöst, aber die jüdischen ArbeiterInnen scheinen sich mit den Zwängen der Sicherheit zu identifizieren, obwohl es auch Hinweise darauf gibt, daß unzufriedene Wehrpflichtige Waffen »zur anderen Seite« schmuggeln - angeblich stecken dahinter Drogenprobleme in der Armee. Die Selbstmordanschläge auf Busse, Discos, Läden und andere belebte Gegenden verstärken die Spaltungen zwischen jüdischen und palästinensischen ArbeiterInnen natürlich noch. Andere jüdische ArbeiterInnen wohnen in den Siedlungen, die inzwischen als legitime Ziele von palästinensischen Guerilla-Angriffen gelten. Und neben der gegen die Proletarier der besetzten Gebiete entfesselten ganzen Feuerkraft des israelischen Militärs verschärft die Bewaffnung der Siedler die Gräben zwischen den Proletariern nur noch mehr.

7. Zusammenfassung: Vom Aufstand zum Krieg?

Der »Friedensprozeß« war das Eingeständnis der israelischen Bourgeoisie, daß sie die PLO als Polizei gegen das palästinensische Proletariat brauchte. Das brachte die PLO in eine Zwickmühle: Einerseits wollte sie den Lohn für die Drecksarbeit kassieren, andererseits durfte sie aber nicht die ideologische Fähigkeit verlieren, proletarische Kämpfe einzubinden. Der Ausbruch der neuen Intifada zeigte, daß sie in beiderlei Hinsicht versagt hatte.

In Israel war vom Widerstand der Arbeiterklasse gegen die Rationalisierung der Wirtschaft weniger zu spüren als in anderen Ländern wie etwa Ägypten und Tunesien. Die Entschädigung der jüdischen ArbeiterInnen für ihre zunehmende Unsicherheit bedeutete aber, daß der Siedlungsbau beschleunigt werden mußte, was wiederum den Verhandlungsspielraum des israelischen Staates den Palästinensern gegenüber auf Null beschränkte. Zum Siedlungsbau in der Westbank kam noch die »Judaisierung« Galiläas in Israel selbst. Das bedeutete zunehmende Arbeitsamtsschikanen und Häuserabrisse gegen die israelischen Palästinenser in der Zeit direkt vor dem Neuausbruch der Intifada 2000.

Trotz zunehmender Eskalation der Intifada zu einem ausgewachsenen militärischen Konflikt wurde der zivile Aufstand nicht völlig beendet. Bestimmte Teile der palästinensischen Bourgeoisie versuchen immer wieder, massenhafte zivile Kampfformen zur Geltung zu bringen, um damit die Intifada zu deeskalieren. Eine Deeskalation ist ihnen damit bisher aber nicht gelungen. Die Intifada hat dazu geführt, daß die israelische Bourgeoisie den »Friedensprozeß« aufgegeben hat; ihre Abhängigkeit von den USA, die im Nahen Osten noch andere Rücksichten nehmen muß, hat aber die Verschärfung der Unterdrückung des Aufstands gebremst.

Inwieweit ist die Intifada also ein vermittelter Ausdruck des Klassenkampfs und inwieweit ein nationaler Befreiungskampf? Und warum unterstützen immer noch ArbeiterInnen den Nationalismus, wenn Arbeiter doch kein Vaterland haben? Der Verweis darauf, daß Palästinenser zunehmend die etablierten politischen Vertretungsformen angreifen, beantwortet diese Frage höchstens zum Teil, denn dahinter steckt oft die Kritik, daß diese Vertreter nicht nationalistisch genug seien. In diesem Szenario bedeutet die Legitimationskrise der PLO nicht die Ablehnung aller Formen von Repräsentation, sondern trägt eher die massenhafte Unterstützung für eine kämpferischer ausgeprägte nationalistische Vertretungsform in sich, z.B. Hamas.

Wegen der Unterordnung der palästinensischen Bourgeoisie mußten viele PalästinenserInnen für das israelische Kapital arbeiten, ob innerhalb der Grünen Linie oder im Siedlungsbau. Für sie trägt der Boss das Gesicht der israelischen Militärregierung. Das ermöglichte es ihnen, sich eher als Palästinenser zu sehen denn als Proletarier und sich daher leichter mit kleinbürgerlichen Ladenbesitzern zu identifizieren, die die täglichen Demütigungen und Entbehrungen ähnlich erleben wie sie. Solange es nicht zur Revolution kam, konnten sie eine Verbesserung ihrer täglichen Lebensumstände von einer funktionierenden palästinensischen Bourgeoisie erwarten, die in Industrien investierte und Arbeitsplätze und damit beiden Klassen Einkommen bot.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die rituellen Forderungen nach abstrakter Solidarität zwischen jüdischen und palästinensischen ArbeiterInnen die sehr realen Spaltungen ignorieren, die zwischen diesen im Alltag bestehen. Der »Friedensprozeß« versprach diese Spaltungen durch die Integration des israelischen Staats in den übrigen Nahen Osten teilweise aufzulösen. Implizit bedeutete dieser Prozeß einen Angriff auf die Rigidität der jüdischen ArbeiterInnen, der sie gezwungen hätte, Teil der übrigen Arbeiterklasse der Region zu werden, wenn auch mit relativ privilegierter Stellung. Dagegen hat die Arbeiterklasse Widerstand geleistet, z.B. im Streik israelischer Juden und Araber bei Tempo Beers, der von der israelischen Linken als seltenes Beispiel von Klassensolidarität zwischen Juden und Arabern begrüßt wurde.

Wie wir schon in Aufheben Nr. 2 geschrieben haben, drückt die Unterstützung des Nationalismus durch die Massen eine »oberflächliche Identität« widersprüchlicher Klasseninteressen aus. [63] Die jüdischen ArbeiterInnen in Israel haben ihre relativ privilegierte Stellung der Tatsache zu verdanken, daß sie so kämpferisch sind. Sie lassen sich nur durch die Herrschaft des israelischen Kapitals in den besetzten Gebieten einbinden. Die Unterordnung der palästinensischen Bourgeoisie hat die Klassenantagonismen in den Gebieten verschärft, was die Bourgeoisie dazu zwingt, die Wut des Proletariats ausschließlich gegen Israel zu lenken. Angesichts der klassenübergreifenden Erfahrungen der PalästinenserInnen mit der Repression durch die israelischen Behörden scheint das nationalistische Bündnis zwischen Proletariern und Kleinbürgertum stärker zu sein als die Bindungen der Klassensolidarität zwischen palästinensischen und jüdischen ArbeiterInnen. Die nationalistischen Angriffe der Palästinenser richten sich zunehmend gegen alle Manifestationen der israelischen Herrschaft, gerade auch gegen die SiedlerInnen selbst und sogar gegen Zivilisten in Israel. Die physische Gefahr, die dies für jüdische ArbeiterInnen bedeutet, treibt sie den Sicherheitszwängen des israelischen Staats in die Hände.

Sowohl bei Palästinensern als auch bei Israelis gibt es Tendenzen, ihrer Einbindung in die entgegengesetzten Staatsmaschinen und deren Kriegslogik zu widerstehen. Aber letztlich läßt sich die Entwicklung solcher Tendenzen zu einer sozialen Bewegung, die aus der Blockierung einander gegenseitig verstärkender Nationalismen ausbrechen kann, nicht isoliert innerhalb der Grenzen dieses Konflikts finden. Eine solche Entwicklung hängt vielmehr mit der Verallgemeinerung der proletarischen Kämpfe im Nahen Osten und, ganz wichtig, im Westen zusammen. Je nachdem, wieviel Klassenwiderstand er, vor allem in einer Zeit weltweiter Rezession, hervorruft, eröffnet »der Krieg gegen den Terrorismus« wenigstens die Möglichkeit einer solchen Verallgemeinerung.

September 2001

 

Nachwort (Wildcat)

[Siehe auch die »Ergänzungen« in Wildcat-Zirkular Nr. 63]

Aufheben will hinter die ideologischen Fronten blicken und sehen, welche Funktion der Krieg klassenpolitisch hat. Dazu legen sie ein materialistisches Interpretationsraster über die Geschichte, das mit Begriffen wie Bourgeoisie, Arbeiterklasse, Klassenkompromiß, Kettenhund und Imperialismus hantiert. Komplexe und für den weiteren Verlauf bestimmende Ereignisse werden zuweilen weggelassen, wo sie nicht hineinzupassen scheinen.

Der Begriff settlement (im Text meist mit »Klassenkompromiß« übersetzt) ist eine zentrale Kategorie in der Analyse von Aufheben. Er meint ein System der Schlichtung von gegenseitigen Interessen, die auch aufgezwungen werden kann. Der Begriff wird nicht aus den Klassenbeziehungen in Israel entwickelt, sondern alle Auseinandersetzungen mit einem aus Europa bekannten sozialdemokratischen Modell erklärt. Die handelnden Kräfte sind die verschiedenen Bourgeoisien oder »der Arbeiterzionismus«. Die Sonderrolle der palästinensischen Arbeiter wird »gesetzt«, gleichzeitig bleibt dieses »palästinensische Proletariat« recht blaß.

Entgegen ihrem Anspruch, das gesamte Proletariat im Nahen Osten zu thematisieren, verengt sich der Blick von Aufheben am Schluß auf die Frage, wie israelische und palästinensische Arbeiter zusammenkommen können.

Wer konsequent hinter die ideologischen Vorhänge schauen will, kann den Antisemitismus und die Vernichtung von Millionen Juden nicht ignorieren. Aufheben klammert beim Staatsgründungsprozeß die Vorgeschichte aus. Die 30er Jahre werden nur ein Mal erwähnt mit dem Generalstreik der palästinensischen Arbeiter; die 40er Jahre und das Jahr 1945 werden nur im Rahmen des imperialistischen Interesses an der erdölreichen Region abgehandelt. Aber genau in dieser Zeit wurden die Fundamente für die Staatswerdung und zugleich für den Palästina-Israel-Konflikt gelegt. Die Verquickung von Kolonialpolitik (England), antikolonialen Bestrebungen (Juden und Araber in Palästina gegen England) und dem Kampf von einheimischer, meist bäuerlicher Arbeitskraft (Palästinenser) gegen zuwandernde halb- bis vollproletarisierte Arbeiter und später auch Bürger (Juden), der sich auch antiimperialistisch äußerte, bleibt im Aufheben-Text unverstanden.

All dies sind Fragen, die wir hier nicht beantworten können, sondern die Gegenstand weiterer Untersuchungen und Diskussionen sein müssen. Wir können nur ein paar Lücken in der historischen Darstellung von Aufheben benennen.

Jüdische Immigration nach Palästina und die Vorstellung der Produktivierung

Die jüdische nationale Befreiungsbewegung, der Zionismus, folgte in besonderer Weise der Ideologie der Arbeit und der Produktivierung. Die frühen Einwanderungsideologien waren proletarisch-bäuerlich, volkstümlich, kollektivistisch. Die Erfahrung vieler Juden (besonders in Osteuropa) mit dem Antisemitismus radikalisierte diese fast allen Befreiungsbewegungen inhärenten Ziele. Man wollte das von den Antisemiten als »unproduktiv« verfolgte eigene Volk »produktivieren« und arbeitete an einer umfassenden Berufsumschichtung, die im neuen Land einen neuen Menschen zur Folge haben sollte. In den Vorstellungen von Aaron David Gordon steigerte sich dies zur Erlösung durch Arbeit: die Juden seien Parasiten, von der wahren Quelle des Lebens - der Arbeit - entfremdet, durch eigene Arbeit werde der Jude aber zum Menschen und könne seine »Händler«-Existenz mittels Selbsterziehung und Selbstverwirklichung in der Arbeit beenden.

Nach der gescheiterten Revolution in Rußland 1905 gab es eine zweite große Einwanderungsbewegung nach Palästina. Ber Borochow, dessen Vorstellungen die russische Partei »Poale Zion« (Arbeiter Zions) übernahm, versuchte eine Synthese von Marxismus und Zionismus (übrigens eine Entwicklung, die wir nach dem Scheitern der weltweiten Revolutionsbewegung 1905 sehr oft finden: Nationalisierung der Sozialdemokratie): die Klassenkampftheorie allein könne die jüdische Frage nicht erklären, man müsse nationalen und rassischen Konflikten besondere Aufmerksamkeit schenken. Dabei besetzte er das »Nationale« positiv: Der Klassenkampf werde um den Besitz der Produktionsmittel geführt, der nationale Kampf um die Produktionsbedingungen. Für die Produktivierung der Juden eigne sich Palästina besonders gut. Bevor man dort eine territoriale Basis errichtet habe, solle das jüdische Proletariat nicht gegen seine Oberschicht kämpfen, erst danach solle es den Klassenkampf aufnehmen. Die Araber würden sich an die Juden assimilieren und mit ihnen gegen die Kapitalisten vorgehen.

Teilen und herrschen

Nach dem Ersten Weltkrieg war die zionistische Bewegung in Palästina mit dem britischen Kolonialismus konfrontiert, der die dort lebenden Bevölkerungsteile gegeneinander zu hetzen versuchte. Sie bauten den Mufti von Jerusalem, einen religiösen Fanatiker und reaktionären Nationalisten, als Gegengewicht zu den Zionisten auf: »Ein kleines loyales jüdisches Ulster inmitten eines Meeres von potentiell feindlichen Arabern« sollte als Dämpfer zwischen Kolonialherren und Kolonisierten dienen. Bereits in den 20er Jahren gab es Pogrome und Auseinandersetzungen, die in der damaligen Literatur als »Rassenhaß« etikettiert wurden. Hintergrund war die Furcht der Araber, ihres Bodens enteignet zu werden.

Nach diesen Unruhen, v.a. nach einem Massaker an der jüdischen Bevölkerung Hebrons 1929, verschwand eine Richtung im Zionismus, die seit 1906 den Pansemitismus vertrat. Sie war strikt antistaatlich, wollte von den Fellachen vor allem Feldarbeit lernen, strebte einen gemeinsamen sozialistischen Aufbau in Palästina an. Viele Kommunisten und linke Aktivisten verließen das Land wieder. Poale Zion schwenkte mehrheitlich auf den Kurs der Kolonisierung ein. Durch Aufbau einer »Arbeiterwissenschaft«, der Histadrut, wollten sie die Produktionsmittel vergesellschaften. Ihr messianisch aufgeladenes nationales Endziel war die Schaffung einer geschlossenen jüdischen und ökonomisch selbständigen Siedlung.

Ab Mitte der 20er Jahre machte sich eine rechte zionistische Tendenz in Palästina breit, die sogenannten Revisionisten, die auf die Durchsetzung der Kultur, des Geistes mit militärischen Machtmitteln setzte. Diese Gruppierung blieb lange Zeit recht schwach. Erst unter dem Druck der Judenverfolgung in Europa und als Reaktion auf den Einfluß der Nazis auf den arabischen Nationalismus griffen aktivistische Arbeiterführer unter David Ben Gurion diese Vorstellungen auf.

Unvollständige Proletarisierung

In den 20er und 30er Jahren änderte sich durch die Einwanderung die Sozialstruktur rapide: es entstand ein palästinensisches Proletariat. Die ersten Streiks 1925/26 und 1933 richteten sich bewußt gegen die britische Kolonialherrschaft. Antibritische Tumulte gab es zu dieser Zeit auch in Syrien und in Ägypten, der siegreiche Generalstreik in Syrien strahlte auf die ganze Region aus, doch dies mündete im antiimperialistischen Kampf mit stark pan-arabischen Vorstellungen.

Die Entstehung der palästinensischen Arbeiterklasse war überlagert von den archaischen Strukturen der palästinensischen Gesellschaft, der ländlichen Zersplitterung in eine Vielzahl von Dörfern und den Rivalitäten, die die großen Familien untereinander austragen - und in denen den Juden eine ähnliche Sündenbockfunktion zukam wie in Europa. Die Bewegung von 1936 war zu Beginn ein Bündnis zwischen Großgrundbesitzern, Mittelklassen und Intellektuellen, das von Teilen der Arbeiterklasse unterstützt wurde, aber die feudalen Vorstellungen der Effendis waren dominant. Die Engländer gingen offensiv gegen diese Bewegung vor, riefen den Ausnahmezustand aus, erlaubten aber dem Mufti und Jamal Effendi Husseini die Flucht, denn man brauchte die Ikone des Nationalismus.

Der Generalstreik scheiterte - an der zionistischen Infrastruktur: »Während die arabischen Arbeiter in der Verwaltung, den öffentlichen Diensten ... und den arabischen Handelsunternehmen streiken, ergreifen die Zionisten die Gelegenheit, die entscheidenden Positionen in der Wirtschaft des Landes zu erobern. Unbeabsichtigt vollendete der Generalstreik die zionistischen Separationsbestrebungen.« (Nathan Weinstock, Das Ende Israels?, Wagenbach Berlin 1975, S. 152)

Flucht, nicht Aufstieg

Die Einwanderungsbewegungen in den 30er und 40er Jahren hatten nicht mehr den messianischen Glauben, einen »neuen Menschen« in einer neuen Umgebung zu schaffen. Viele kamen widerwillig nach Palästina, 1933 ging nur jeder zehnte jüdische Auswanderer dorthin, insgesamt etwa 50 000-60 000. Die meisten gingen in die USA, andere waren gar nicht erwünscht. Da die britische Mandatsregierung in den 30er Jahren die Einwanderung rigide kontingentierte, kamen auch 1934 die ersten Illegalen nach Palästina - bis zur Staatsgründung waren es 100 000.

Die Frage, welche Art von Menschen im neu zu gründenden Staat erwünscht sei, bestimmte die Einwanderungspolitik der jüdischen Organisationen. Einwanderer mußten sich für zwei Jahre in der Landwirtschaft verpflichten. Dem entzog sich über die Hälfte. Viele Einwanderer waren ursprünglich keine Zionisten, sondern »Hitler-Zionisten«, assimilierte bürgerliche jüdische Deutsche, von den Nazis zu Zionisten gemacht, die oft mit der ausgegebenen »hebräischen Leitkultur« und dem Arbeitskollektivismus der frühen Jahre kollidierten.

Den »Holocaust« sahen die zionistischen Führer als große historische Widerlegung ihres Projekts. Chaim Weizmann befürchtete, der Zionismus habe mit der Vernichtung der meisten osteuropäischen Juden seine Daseinsberechtigung verloren. Der Historiker Evyatar Friesel: »Die Auswirkungen des Holocaust auf die Schaffung des jüdischen Staates war genau das Gegenteil dessen, was gewöhnlich angenommen wird. Er machte die Geburt Israels beinahe unmöglich.«

Weder in den USA - wohin über 100 000 Überlebende migrierten - noch in Palästina gab es ein öffentliches Interesse am »Holocaust«. Die elenden Überlebenden entsprachen nicht den zionistischen Vorstellungen des starken Juden, der seinen Staat aufbaut. Die Rachegedanken vieler Überlebender entsprachen nicht der Realpolitik Ben Gurions, die sich in der baldigen »Versöhnung« mit Deutschland über Reparationszahlungen ausdrückte. Erst als im Zuge der Besetzungen nach 1967 internationale Kritik an der Politik Israels aufkam, wurde der Holocaust als Schuldabwehrstrategie benutzt. Das »Holocaust-Bewußtsein« als identitätsstiftendes Moment wuchs in dem Maße, wie die israelische Gesellschaft selbst unfähig war, andere ideologische Klammern anzubieten.

Der Krieg 1948

beendete auch die übergreifenden Klassenkämpfe: »[1946 und 1947] brachen in Haifa Streiks aus, bei denen jüdische und arabische Arbeiter solidarisch Seite an Seite gekämpft haben (Arbeiter und Angestellte des Staates, die in der Petroleum-Raffinerie beschäftigt waren). Dennoch wuchs der Chauvinismus auf beiden Seiten, da sich die internen Spannungen zwischen Juden und Arabern verschärften und von der KP Konzessionen an den Chauvinismus gemacht wurden. Die KP besaß einen großen Einfluß unter den arabischen Arbeitern. Eine zionistische Provokation bewirkte in der Raffinerie von Haifa ein Massaker gegen die jüdischen Arbeiter, an denen die am wenigsten bewußten arabischen Arbeiter teilnehmen. Seit diesem Zeitpunkt weicht die Solidarität der Klassen dem Partikularismus. Die jüdischen und arabischen Arbeiter treiben eigene Forderungen, insbesondere in bezug auf ihre Sicherheit, voran. Der Krieg von 1948 fügt zu den ideologischen Barrieren, die das jüdische und arabische Proletariat trennt, noch das materielle Hindernis der Staatsgrenze hinzu.« (Weinstock, S. 212)

Der israelisch-palästinensische Konflikt war geboren. In diesem Konflikt läßt sich nicht eine ideologische Schicht (Nationalismus) von den darunter liegenden Widersprüchen abziehen. Hinter den Ideologien liegt nicht die ganz andere klassenkämpferische Wirklichkeit, sondern die Schwäche des Klassenkampfs.

Wildcat

Zahlen über Palästina

Einwohner
Westbank und Gaza insgesamt:         3,3 Mio
Westbank:                            2,1 Mio
Gaza:                                1,2 Mio
Zuwachs: 4 % pro Jahr
47 % der Einwohner sind unter 15 Jahre alt.

Israelische Siedler
1999:                                177 000
2000:                                199 000
davon in Gaza:                         6 500
zusätzlich in Ostjerusalem:          180 000

Anzahl der Siedlungen: zwischen 145 und 190 (je nach Quelle).
Der Hausbau innerhalb der Siedlungen stieg zwischen
1993 und 2000 um mehr als 50 Prozent. 85 Prozent der
Siedlungen in der Westbank sind kleiner als ein qkm
und haben weniger als 700 Einwohner.

Beschäftigung im ersten Quartal 2001
(gerundet)

»Aktive Bevölkerung«
(Beschäftigte und Arbeitslose
älter als 15 Jahre):                         39 %

Beschäftigungsrate (Leute,
die mehr als 35 Stunden
die Woche arbeiten):                         69 %

Arbeitslosenquote:                           27 %

Lohnarbeiter:                                64 %

Selbständige
(employers, self-employed
and own-account workers):                    26 %

Mithelfende Familienangehörige:               9,5 %

In Israel und Siedlungen beschäftigt:        15 %


Lohnarbeiter nach Branchen im ersten Quartal 2000:
Dienstleistungen (inkl. PNA):                29,0 %
Handel, Hotel und Tourismus                  17,3 %
Transport                                     5,3 %
Landwirtschaft                               12,6 %
Handwerk/Industrie:                          14,4 %
Bauwirtschaft                                21,4 %

Beschäftigte in absoluten Zahlen:
In den Industriezonen:                       4 000
Bei der PNA:                               130 000

(Quelle: Statistik Stand 2001, ILO Report vom Juli 2001, unter Berufung auf PCBS)

Fußnoten:

[1] Tendenziell spricht sie dem Zionismus auch den Status eines »echten« Nationalismus ab und konzentriert sich auf seinen ausschließenden Rassismus. Dieser existiert zwar, aber Nationalismus beruht immer auf Ausschluß und hat daher mit Kommunismus nichts zu tun.

[2] The New Intifada: Israel, imperialism and Palestinian resistance (Socialist Worker, Jan. 2001).

[3] Somalia and the »Islamic Threat« to Global Capital (Aufheben #2, Summer 1993).

[4] Die UdSSR dagegen hatte potentiellen Satelliten in dieser Zeit sehr wenig zu bieten. Mit den riesigen finanziellen Anreizen der Amerikaner konnte sie nicht mithalten und statt der 1001 Arten, auf die das Kapital einem arabischen Staat helfen konnte, nur militärische und begrenzte technische Hilfe anbieten. Im Vergleich zu den USA war die russische Nahostpolitik unbeholfen und konnte selbst ihrem engsten Verbündeten Syrien nur äußerst begrenzten Schutz bieten.

[5] Siehe »Somalia and the 'Islamic threat' to global capital« (Aufheben #2, Summer 1993). Siehe auch »When crusaders and assassins unite, let the people beware« (Midnight Notes, 1990. Deutsche Übersetzung: www.wildcat-www.de/wildcat/54/w54assas.htm).

[6] Der israelisch-ägyptische Friedensschluß von 1979 zeigte nur, wie vollständig Ägypten seit Nassers Tod auf die amerikanische Umlaufbahn eingeschwenkt war.

[7] Siehe 'Capitalist Carnage in the Middle East', (britische) Wildcat #6, 1983.

[8] Und zwar so sehr, daß in den 80er Jahren das pan-arabische aber anti-schiitische Baath-Regime im Irak als Gegengewicht zum Iran benutzt werden mußte.

[9] Das ist natürlich ein gegenseitiges Arrangement: Der israelische Nationalismus wird durch den Eindruck verstärkt, daß »die Araber uns ins Meer treiben wollen«.

[10] »Der Grundwiderspruch des Zionismus war, daß er versuchte, den Juden als Juden, vor allem die gemeinschaftlichen Bindungen, die dem modernen Kapitalismus lange vorausgehen, zu retten, indem er ihn in die modernste Welt des Kapitals integrierte.« 'The Future of a Rebellion', Le Brise-Glace, 1988. [Auszüge auf deutsch in Wildcat 51, Juni 1990] Wie wir sehen werden, nimmt die widersprüchliche Logik dieser Ideologie in der Praxis die Form von Tendenzen an, die eben diese Identität untergraben - jedenfalls soweit Israel stärker in den Nahen Osten integriert wird.

[11] Eine der größten und bekanntesten jüdischen Organisationen war der BUND (Allgemeiner Bund jüdischer Arbeiter von Litauen, Polen und Russland), der 1898 gegründet wurde, um verschiedene Gruppen von jüdischen Arbeitern im zaristischen Reich zusammenzubringen. Er gehörte kurz der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands an, die sich später in Menschewiken und Bolschwiken spaltete. 1903 hatte der BUND 40 000 Mitglieder und spielte eine »Pionierrolle in der russischen Arbeiterbewegung«, er hatte mehr »echten Rückhalt unter den Arbeitern« als jede andere Arbeitergruppe in Osteuropa. Vgl. Nathan Weinstock, Zionism: False Messiah (Paris, 1969). Der BUND war zwar entschieden gegen den organisierten Zionismus, aber es gab in ihm immer Auseinandersetzungen über das Ausmaß der Unterstützung für den jüdischen Nationalismus. Die Debatten kreisten darum, ob Forderungen nach einem jüdischen Staat die Solidarität der Arbeiterklasse brechen und vom Klassenkampf ablenken würden und ob sich jüdische Arbeiter getrennt von anderen Arbeitern organisieren sollten. Der BUND organisierte nicht nur traditionelle Arbeiterkämpfe, sondern zusammen mit nichtjüdischen Sozialisten auch die Selbstverteidigung gegen Pogrome. Nachdem die Mitgliedschaft des BUND von 40 000 auf 500 zurückgegangen war, wurde er zunehmend nationalistisch.

[12] Ben Gurion (Israels erster Premierminister) soll auf dem Schreibtisch eine Leninbüste gehabt haben, was den Einfluß des Bolschewismus auf die europäisch-jüdische Arbeiterklasse andeutet.

[13] Baron Rothschild, der der Ansicht war, jüdische Siedlungen seien den französischen Interessen nützlich, finanzierte Ende des 19. Jahrhunderts die erste zionistische Einwanderung nach Palästina. Er hatte eine eigene Verwaltung, die Widerstand gewaltsam unterdrücken konnte. Alle Siedler mußten einen Vertrag unterschreiben, in dem sie erklärten, »keinen unerlaubten Organisationen anzugehören«, und anerkennen, daß sie auf den Ländereien des Barons, auf denen hauptsächlich Wein produziert wurde, nur »Tagelöhner« waren. Das Projekt war sehr teuer: Die Ansiedlung einer Siedlerfamilie kostete mehrere tausend Pfund. Nathan Weinstock, Zionism: False Messiah, a.a.O.

[14] »Hunderte Araber versammeln sich auf dem Marktplatz in der Nähe des Arbeiterhotels. Sie warten hier seit dem Morgengrauen. Das sind die Saisonarbeiter ... Insgesamt sind jeden Tag etwa 1500 von ihnen da, und wir, ein paar Dutzend jüdische Arbeiter, bekommen oft keinen Job ab. Auch wir kommen zum Marktplatz, um eine Arbeit für einen Tag zu finden.« a.a.O., S. 68.

[15] Siehe dazu Moishe Postone, Antisemitismus und Nationalsozialismus, zuerst in Merkur, H. 1/1982, S. 13-25.

[16] »Diese Frage war in den ersten 30 Jahren dieses Jahrhunderts der wichtigste Streitpunkt innerhalb der Siedlergemeinschaft«, a.a.O., S. 71.

[17] Solche Streikposten waren recht verbreitet bei linken Zionisten, z.B. bei denen, die bei den britischen Eisenbahngesellschaften im Mandats-Palästina arbeiteten (damals eine der größten Industrien in Palästina). Unter ihnen war immer mal wieder die Rede von Klassensolidarität und der Gründung gemeinsamer jüdisch-arabischer Gewerkschaften. Trotzdem beteiligten sie sich an Streikposten, um britische Unternehmer dazu zu bewegen, nur jüdische Arbeiter zu beschäftigen.

[18] Wegen der zunehmenden Kontrolle der Linken über Haganah (die Haupt-Miliz) wurde 1931 als Miliz der Rechten Irgun Zvai Leumi gegründet.

[19] Mit »korporatistisch« sind hier sozialdemokratische Praktiken wie trilaterale Vereinbarungen zwischen Staat, Gewerkschaften und Unternehmen gemeint. Im Rahmen des Arbeiterzionismus erfüllte die Histadrut natürlich viele Funktionen von allen drei.

[20] Manchmal half der israelische Staat nach, z.B. indem er für einen Bombenanschlag auf eine Synagoge im Irak sorgte und die irakische Regierung für jeden Juden bezahlte, der nach Israel ging.

[21] Siehe dazu »Zwei lokale Kriege« in: Situationistische Internationale Nr. 11, Oktober 1967.

[22] Die meisten Löhne wurden alle sechs Monate der Inflation angepaßt. Ein Steigen der Inflation bedeutete eine Senkung der Reallöhne bis zur nächsten Lohnangleichung. Die zeitlich verzögerten Lohnerhöhungen trugen dazu bei, daß Einkommen statt in Löhne in Profite flossen.

[23] Seit 1978 schoß sich die Opposition der arbeiterzionistischen Mittelklassen gegen den Likud auf den Siedlungsbau ein. Der »officers' letter« sprach sich gegen diese Expansion aus, weil sie den »jüdischen demokratischen Charakter des Staates« bedrohe. Dieser »wachsende Graben zwischen den Methoden der westlichen Demokratie und denen Israels« war die ideologische Basis der Friedensbewegung. Bequemerweise vergaßen sie dabei, daß die Siedlungen unter der Labourpartei eingeführt wurden. Der Unterschied, den sie vor 1967 einfach ignorieren konnten, war mit der Besetzung immer deutlicher sichtbar geworden. Die radikaleren Elemente der Friedensbewegung erwogen etwas in der israelischen Gesellschaft beinahe Undenkbares: die offene Verweigerung des Militärdienstes. Aufgrund der Zentralität der allgemeinen Wehrpflicht für die Reproduktion der israelischen Gesellschaft führte dies zu tiefen Spaltungen in der Bewegung. Ihre Hauptströmung Peace Now verurteilte einen Brief von Reservesoldaten an das Verteidigungsministerium, in dem diese drohten, die Verteidigung der Siedlungen zu verweigern. Die »Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen« gewann 1982 an Legitimation, weil die Invasion im Libanon das bedrohte, was viele Arbeiterzionisten als ausschließlich defensive Rolle der IDF verstanden. 160 Soldaten wurden angeklagt und verurteilt für ihre Weigerung, an der Invasion teilzunehmen. Das Kiffen in der Armee und die Wirtschaftskrise stellten jedoch eine größere Bedrohung der israelischen Kriegsführung im Libanon dar als die »Kriegsdienstverweigerung«. Damit konnte man noch umgehen, indem man die relativ kleine Anzahl von Verweigerern »aus psychischen Gründen« untauglich schreiben ließ und sie von der Front wegverlegte. Die Demonstration von 400 000 Menschen gegen die Massaker in Sabra und Shatila wurde weithin als der Höhepunkt der israelischen Antikriegsbewegung betrachtet. Der Krieg im Libanon brachte nicht den erwarteten schnellen Sieg, und viele Eltern standen vor der Aussicht, ihre Kinder in Leichensäcken nach Hause zurückkehren zu sehen.

[24] So der israelische Verteidigungsminister Yitzhak Rabin 1985.

[25] »The agonising transformation of the Palestinian peasants into proletarians«, S. 1, International Library of the Communist Left

[26] a.a.O., S. 3. »Fellache« bedeutet Bauer.

[27] a.a.O., S. 3.

[28] 1973 arbeiteten 52 Prozent von ihnen auf dem Bau und 19 Prozent in der Landwirtschaft, den Branchen mit den niedrigsten Löhnen.

[29] Siehe »The Palestine proletariat is spilling its blood for a bourgeois state«, Revolutionary Perspectives #20, Winter 2001; Zeitschrift der Communist Workers' Organization

[30] Ebenda

[31] »In memory of the proletarian uprising in Tel-Al-Zatar«, Worldwide Intifada #1, Sommer 1992

[32] Ebenda

[33] Die Falangisten waren von Israel unterstützte christliche Milizen.

[34] »In memory of the proletarian uprising in Tel-Al-Zatar«, a.a.O.

[35] Zu dieser Zeit waren mit Hilfe der UdSSR die verschiedenen nationalistischen Fraktionen vereint und die PKP (Palästinensische Kommunistische Partei) Vollmitglied in der PLO geworden. Dazu sollte angemerkt werden, daß das unter dem Druck der Palästinenser in den besetzten Gebieten zustande kam, die durch die neuen Siedlungen zunehmend unter Belagerung standen.

[36] »Palestinian autonomy? Or the autonomy of our class struggle?«, Worldwide Intifada, Sommer 1992

[37] Siehe »Intifada: uprising for nation or class?«, a.a.O.

[38] IDF-Bericht, zitiert a.a.O.

[39] a.a.O.

[40] aus »Call no. 2 - the united national leadership for escalating the uprising in the occupied territories« vom 10. Jan. 1988 (No voice is louder than the voice of the uprising) Ibal Publ. Ltd 1989; Aufruf Nr. 2 - Die Vereinte Nationale Führung für die Zuspitzung des Aufstands in den besetzten Gebieten (Keine Stimme ist lauter als die Stimme des Aufstands)

[41] Aus »Call no.32 - the call of revolution and continuation« Aufruf Nr. 32 - Der Ruf nach Revolution und Kontinuität, 8. Jan 1989; a.a.O.

[42] Zitiert nach Andrew Rogby, »Living the Intifada«, Zed Books 1991.

[43] Wenn sie sich z.B. an einer Plattform zusammen mit Meretz beteiligten, einer israelischen Partei der linken Mitte.

[44] Siehe »Future of a Rebellion« (Zukunft einer Rebellion), Le Brise-Glace 1988.

[45] Bedeutung und Größe dieser Bewegung können nur geraten werden. Sie war immer sehr klein.

[46] Siehe Andrew Rigby, a.a.O. - Der Islamismus ist eine modernistische politische Bewegung, die auf vorkapitalistische Formen zurückgreift. Daher kann er sich wie der Faschismus gleichzeitig gegen Kommunismus und Kapitalismus positionieren. Seine politische Opposition zum Kapitalismus ist aber in Wirklichkeit eine moralische Opposition gegen Wucher, sprich: Zinsen. Wie Formen des Anti-Semitismus und Anti-Amerikanismus ist er nur scheinbar gegen den Kapitalismus.

[47] Aus Graham Usher - »Palestine in crisis: the struggle for peace and political independence after Oslo«, Pluto Press 1995.

[48] Dokumentiert von Kav la Oved (ArbeiterInnen-Hotline).

[49] Es gibt in Israel grob geschätzt 100 000 ausländische ArbeiterInnen. Davon arbeiten über 66 000 auf dem Bau (von insgesamt 160 000 Beschäftigten in der Baubranche). Von den 66 000 ausländischen Bauarbeitern sind ca. 51 000 registriert, weitere 15 000 sind illegal.

[50] Graham Usher, a.a.O.

[51] Es hat, besonders am Grenzübergang Erez, schon eine Reihe von Unruhen von PalästinenserInnen gegeben, die nicht zu ihren Arbeitsplätzen im Industriegebiet Erez auf der anderen Seite des Übergangs kamen. Bei einer dieser Unruhen wurde eine Tankstelle angezündet, Busse auf einem Parkplatz abgefackelt, 65 palästinensische ArbeiterInnen wurden verletzt und zwei kamen ums Leben. Die neue palästinensische Polizei lieferte sich Schußwechsel mit der israelischen Armee, und 25 der Polizisten wurden verletzt. Im selben Monat gab es bei Brotunruhen Zusammenstöße zwischen ArbeiterInnen aus Gaza und den IDF.

[52] Einer der Gründe, warum Sicherheit so betont wird, ist die Notwendigkeit, Arbeitsplätze für Fatah-Kader zu schaffen.

[53] LehrerInnen in den PNA-Gebieten sind stärker proletarisiert als fast überall im Westen, da sie von ihrem Lehrergehalt nicht leben können und in den Schulferien als LandarbeiterInnen usw. arbeiten müssen.

[54] In den ersten Tagen der PNA-Herrschaft war die Arbeitslosigkeit in Gaza auf 60 Prozent gestiegen, und nur 21 000 der 60 000 in Israel arbeitenden PalästinenserInnen wurden nach Israel hineingelassen. Nach Unruhen machte Israel den Gaza-Streifen auf unbestimmte Zeit ganz dicht. Die Arbeitslosigkeit wird noch dadurch verschärft, daß Ghaddafi alle PalästinenserInnen aus Libyen ausweisen ließ - als Geste der Solidarität mit der PLO!

[55] Zitiert bei Graham Usher, a.a.O. Diese Maßnahmen sind besonders nützlich, da israelische Firmen dadurch über arabische Subunternehmer Produkte an arabische Staaten verkaufen können, die nicht zugeben wollen, daß sie mit Israel Handel treiben.

[56] Sogar nach Beginn dieser Intifada hat die jordanische Regierung inoffiziell darum gebeten, das israelische Handels- und Industrieministerium möge noch zwei weitere Industriegebiete in Jordanien einrichten.

[57] Das hat mit Kav La Oved (ArbeiterInnen-Hotline) zu tun, einer der vielen Gruppen, die aus dem Zerfall von Matzpen entstanden sind. Sie unterstützen ArbeiterInnen, die sich schlecht verteidigen können, vor Gericht, im wesentlichen machen sie politisches Arbeitsrecht. Außerdem veröffentlichen sie in der Presse Vorgänge wie Abschiebungen von ArbeitsmigrantInnen und illegale Kündigungen von palästinensischen ArbeiterInnen (siehe Anm. 48).

[58] Graham Usher: »Palestine: the Intifada this time«, Race & Class, Vol. 42, #4.

[59] Die Beteiligung von AraberInnen in Israel selbst ist nicht auf palästinensische israelische ArbeiterInnen beschränkt geblieben. Es hat auch Massenkündigungen von drusischen (arabische Sekte, deren Angehörige in der israelischen Armee dienen müssen) Soldaten aus den IDF gegeben. Das Dorf eines drusischen Soldaten, der bei Zusammenstößen mit PalästinenserInnen getötet wurde, weigerte sich, ihn zu begraben.

[60] Diese Gegenden dienen normalerweise als Deponien für die neuen jüdischen EinwandererInnen aus Äthiopien.

[61] Und im Sommer 2000 wurde ein arabischer Knesset-Abgeordneter, der im Flüchtlingslager Al Baqaa (Jordanien) eine Rede halten wollte, von einem Steinhagel begrüßt.

[62] Und die Mehrheit der Friedensbewegung hat aufgegeben, weil sie »keinen Partner für den Frieden« hat.

[63] »Yugoslavia unravelled: class decomposition in the 'New World Order'« (Aufheben #2, Sommer 1993): »Der Nationalismus spiegelt die oberflächliche Interessengleichheit zwischen einer bestimmten nationalen Bourgeoisie und dem Proletariat dieses Landes, so lange die kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse vorherrschen. Eine Interessengleichheit, da die Verwertung und Realisierung des Kapitals sowohl Kapitalisten als auch ArbeiterInnen eine Einkommensquelle verschafft, mit der sie als rechtlich von Subsistenzmitteln getrennte unabhängige Marktsubjekte Waren auf dem Markt kaufen können, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen (wenn auch in entfremdeter Form). Oberflächlich, weil es sich dabei um einen Prozeß der Klassenausbeutung und damit des Antagonismus handelt, auch wenn er nicht unmittelbar so erscheint. Soweit sich die Bourgeoisie auf nationaler Ebene organisiert und man überhaupt noch von nationalen Volkswirtschaften sprechen kann, ist das Proletariat eine universelle Klasse, die an nationalen Linien gespalten ist. So lange wir weiterhin besiegt sind, d.h. solange die Wertform besteht, kann sich der Nationalismus aus dieser Spaltung speisen. Das Kapital ist vielleicht eine Einheit, aber eine differenzierte, die sich durch die Konkurrenz auf internationaler Ebene herstellt. Mit der Konkurrenz auf dem Weltmarkt auf der Grundlage von immer billigeren Waren bedeuten Hinnahme des 'nationalen Interesses' und Opfer zugunsten der nationalen Bourgeoisie für die Arbeiterklasse vielleicht zunehmende Ausbeutung und die Hinnahme eines Lebens wie Tote oder des wirklichen Todes als Kanonenfutter, aber sie stärken auch die Konkurrenzfähigkeit des nationalen Kapitals auf dem Weltmarkt, erhöhen seine Realisierungschancen und helfen damit, zukünftiges Einkommen für beide Klassen zu sichern.«

Editorische Anmerkungen:

Die HerausgeberInnen und ÜbersetzerInnen von der Gruppe Wildcat leiten den Text folgendermaßen ein:

Die in England erscheinende Zeitschrift »Aufheben« versucht eine Analyse des Israel/Palästina-Problems und der jüngsten Intifada von einem Klassenstandpunkt aus, d.h. aus dem Zusammenhang der proletarischen Kämpfe im Nahen Osten. In der hiesigen Debatte werden dagegen meist Bilder gebraucht wie: ein unterdrücktes Volk kämpft gegen eine Besatzungsmacht oder: ein antisemitischer Mob rennt gegen einen von allen Seiten bedrohten und angefeindeten Staat an, der das Vermächtnis von Auschwitz darstelle. Der Text ist uns wichtig, weil er gegen solche ideologischen Zuweisungen in den materiellen Hintergründen nach den Möglichkeiten sucht, die ganze Scheiße aufzuheben. Wir hoffen, daß er frischen Wind in eine sterile Diskussion bringt. Auf einige kritische Punkte und Fehlstellen gehen wir im Nachwort ein. Angefügt sind noch ein paar Zahlen zu Palästina.

Er stammt aus: Aufheben Nr. 10, 2002   [englischer Originaltext]   [PDF] und wurde auf Deutsch herausgegeben in: Wildcat-Zirkular Nr. 62 - Februar 2002

Wir spiegelten den Text bei:
http://www.wildcat-www.de/zirkular/62/z62aufhe.htm