Blankovollmacht für die Oligarchie - Demokratie ade!
ATTAC kritisiert Landesbürgschaft für Bankgesellschaft Berlin

von
Max Schumacher
06/02
 

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„Eine gezielte Plünderung des Landes Berlin, für die es scheinbar keine Schuldigen gibt“ - so nannte der Journalist Mathew D. Rose Gesetz zur „Risikoabschirmung“ der Bankgesellschaft Berlin, das am 9. April vom Abgeordnetenhaus beschlossen wurde. Mit diesem Gesetz übernimmt das Land Berlin eine Bürgschaft für Immobiliengeschäfte der Bankgesellschaft Berlin (BGB) in Höhe von 21 Mrd. €, die das Land Berlin in den kommenden Jahren mit jährlichen Raten von mindestens 300 Mio. € wird abstottern müssen. Auf Einladung von ATTAC Berlin diskutierte am 8. Mai eine hochkarätige Runde von Expertinnen und Experten, was von diesem Gesetz zu halten sei und wie man Widerstand gegen die absehbaren Folgen dieses Gesetzes organisieren könne.

Windige Fondskonstruktionen

Die Finanzwissenschaftlerin Mathilde Stanglmayer skizzierte, wie es zu dem aktuellen Desaster der Bankgesellschaft Berlin kam. Schon bei Gründung der Bankgesellschaft litten die privaten Banken, wie z.B. die Berliner Bank, unter Eigenkapitalproblemen. Durch die Verschmelzung mit öffentlich-rechtlichen Banken (LBB/Berliner Sparkasse) wurden diese nur kaschiert. Mit der kaum begründeten „Vision“ von Berlin als zweitem Finanzzentrum Deutschlands erfolgte ab dem Jahr 1996 der Einstieg in das Immobilienfondsgeschäft. Diese Fonds zeichneten sich durch untypische Regelungen aus, die für die Anleger das Risiko gleich null und die Rendite traumhaft werden ließen: Mietgarantien bis zu 25 Jahre und Rückgaberecht zum Ausgabepreis nach Ablauf dieser Frist. Diese Sonderkonditionen machten aus den BGB-Fonds echte Schnäppchen für die Anleger, jedoch wurden die damals schon bestehenden Probleme (Sättigung auf dem Immobilienmarkt, Leerstand usw.) praktisch nur verschoben und letztlich entscheidend verschärft: „Da die Fonds zu zwei Dritteln mit Krediten der BGB finanziert waren und die Einnahmen immer mehr hinter den Erwartungen zurückblieben, entsteht letztlich ein Geldkreislauf, in dem die Rückzahlung der Kredite ebenso wie die Renditen der Privatanleger nur noch durch die öffentliche Haftung gedeckt werden können. Es wurde praktisch ein Schneeballsystem aufgebaut, das eines Tages zusammenbrechen musste“. Da bei der Übernahme der Objekte in die Fonds die üblichen Bewertungsregeln völlig ignoriert wurden, sei der tatsächliche Wert der Immobilien äußerst fraglich. Insofern befürchtet sie, dass Berlin tatsächlich für den größten Teil der Risiken wird aufkommen muss.

Unabhängige Kontrolle erforderlich

In seinem Beitrag zählte Hans Georg Lorenz (MdA, SPD) die Schwachpunkte des Gesetzes auf. So haftet das Land Berlin nicht nur für die bereits beschlossenen 21 Mrd. €, sondern für weitere Risiken in Höhe von 16 Mrd. €: „Die Bank ist durch das Gesetz nicht gerettet.“ Zweitens betrachtet er die Haftungsübernahme als verfassungsrechtlich bedenklich, da durch die Haftungszusagen der BGB das Budgetrecht des Abgeordnetenhauses ausgehebelt und durch die einseitige Belastung der Bevölkerung zugunsten der Privatanleger die Sozialbindung des Privateigentums nach Artikel 14 Grundgesetz faktisch aufgehoben worden sei. „Es handelt sich um die größte Umschichtung von öffentlichem Vermögen an Private in den letzten 50 Jahren! 3,5 Millionen Berliner zahlen für 70.000 Fondsanleger,“ so Lorenz. Aus diesen Gründen hatte er gefordert, das Gesetz nicht zu verabschieden, sondern zunächst gründlich die Alternativen zu prüfen. Trotzdem sei es nach wie vor richtig, dafür zu kämpfen, dass das Risiko für Berlin so klein wie möglich gehalten werde. „Der im Gesetz vorgesehene Ausbau der bankinternen Controllingabteilung reicht nicht aus, das Abgeordnetenhaus muss eine eigene, unabhängige Kontrollinstanz schaffen“. Es dürften nur gerichtlich bestätigte Forderungen vom Land übernommen werden, nicht sämtliche Ansprüche aus Schneeballgeschäften. Er ist aber skeptisch, ob eine solche Minimierung des Risikos politisch überhaupt gewollt ist: „Oder warum beschäftigen sich in der Finanzverwaltung nur zwei Beamte mit der Bankenaufsicht?“

„Legalisierter Raub“

Die Soziologin Maria Mies stellte nach einem Vergleich des Kölner Klüngels mit dem Berliner Filz fest: „Das sind keine lokalen Spezialitäten, dahinter steckt System!“ Sie analysierte, wie durch die fortschreitende Privatisierung öffentliche Belange immer mehr der Mitsprache von (Kommunal-) Parlamenten entzogen werden. Um den Investoren die verlangte Investitionssicherheit zu geben, werden Entscheidungen gezielt in Institutionen wie die Welthandelsorganisation WTO verlagert, die durch Wahlentscheidungen nicht mehr zu beeinflussen sind. „Die neoliberale Globalisierung ist un-vereinbar mit Demokratie.“ Um eine weitere Aushöhlung demokratischer Strukturen zu verhindern bzw. demokratische Gestaltungsmöglichkeiten zurückzugewinnen, rief sie auf, gegen die weitere Ausdehnung der WTO-Regeln auf den Dienstleistungsbereich nach dem GATS-Abkommen zu kämpfen, denn „GATS ist legalisierter Raub am öffentlichen Eigentum“.

„Zustände wie in der Dritten Welt“

Der Journalist Mathew D. Rose nannte die Vorgänge um die BGB „eine unbegreifliche Absurdität“. Steuerverweigerer (d.h. Zeichner von Fondsanteilen) würden vom Steuerzahler subventioniert, die Demokratie sei zugunsten einer Oligarchie von Wirtschafts- und Politfunktionären abgeschafft worden. „Zustände wie in der Dritten Welt“ seien in Berlin eingezogen, da die Parlamentarier vom Chef des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen zur Zustimmung erpresst wurden mit der Drohung, die BGB umgehend zu schließen und damit unabsehbare Folgen für die Berliner Wirtschaft heraufzubeschwören. Aufklärung erwartet er von öffent-lichen Instanzen kaum, da der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Bankenaffäre überwiegend mit Leuten besetzt sei, die als Mittäter kein Interesse an der Aufklärung hätten und auch die Staatsanwaltschaft sei „präpariert, nichts zu tun“. Er verlangte eine unabhängige Kommission zur Überprüfung der BGB, die von öffentlichem Druck begleitet werden sollte: „Wir müssen die Dinge beim Namen nennen und die Profiteure denunzieren!“

Gegenwehr ist rechtlich möglich

Auch im Wirtschaftsrecht gibt es Ansatzpunkte, um die drohende finanzielle Strangulierung der Berliner Bevölkerung zu verhindern, so Prof. Hans-Peter Schwintowski von der HU. Das Desaster wurde durch die fehlerhafte Konzernstruktur verursacht, die dazu geführt hat, alle Risiken bei der LBB als Anstalt öffentlichen Rechts zu konzentrieren. Grundlage dafür ist ein Gesetz von 1990, mit dem alle Anstalten öffentlichen Rechts in die Gewährträgerhaftung des Landes Berlin einbezogen, d.h. vom normalen Konkursrecht ausgenommen wurden. „Diese Struktur war beabsichtigt, aber sie ist verfassungswidrig.“ Deswegen könnten die Garantieverträge der BGB nicht in Kraft bleiben; dies werde sogar von Mitarbeitern der Senatskanzlei so gesehen, es fehle aber aktuell wohl der politische Wille, dies umzusetzen. „Es gibt auch einen anderen Weg: Aktionäre der BGB können auf Reduzierung der Garantielaufzeit klagen.“ Schwieriger sei es, die Bankvorstände haftbar zu machen, da ihnen Vorsatz nachgewiesen werden müsse.

Nach einer lebhaften Diskussion waren sich Publikum und Veranstalter einig, dass es in Sachen Berliner Bankgesellschaft / Landesbürgschaft dringend notwendig ist, die Regierungsparteien SPD und PDS tatkräftig an ihr Versprechen der sozialen Gerechtigkeit zu erinnern.

Links im Internet:
http://www.birger-scholz.de
http://www.parlament-berlin.de/pds-fraktion
http://www.members.partisan.net/sds

Editorische Anmerkungen:

Der Artikel erschien zuerst in: Schöneberger LUPE, 27. Jahrgang, Herausgeber: PDS Tempelhof-Schöneberg und ist eine Spiegelung von
http://www.pds-tempelhof.de/Bankgesellschaft.htm