Adornos subsumtionslogischer Begriff der Dialektik und das Nicht-Identische
oder: Hegel & the form – you can run, but you can`t hide

von Frank Engster
06/02
 

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Durchsetzungsgeschichte als Verfallsgeschichte:
ML vs. Kritische Theorie

Dem traditionellen Marxismus-Leninismus war die Durchsetzung des Kapitals auch schon sein Untergang. Die Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft, allen voran der Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital, drängten notwendig zu ihrer sozialistischen Aufhebung. Dabei entzog der traditionelle ML seiner Gesellschaftskritik in dem Maße ihr kritisches Moment, in dem er die sozialistischen Momente der Aufhebung bereits im Kapitalverhältnis selber positiv vorzufinden meinte: allen voran erneut die Arbeit, die in den Produktivkräften und der Arbeiterklasse zu jenem strukturell antisemitischen “Gebrauchswertfetischismus” substanzialisiert wurde, dem der gesellschaftliche Nutzen als An-sich der konkreten Arbeit, ihrer Mittel und ihrer Produkte selbst erscheint und damit unabhängig von den Formen der kapitalistischen Vermittlung - Markt, Privateigentum, Konkurrenz, Geld, Zins, Kapital etc. -, die im Gegenteil als äußerlich, ungerecht, krisenhaft und destruktiv denunziert wurden. Dieser aus Sicht des ML immer schon gesellschaftliche Charakter der Arbeit, der zu allem Unglück allerdings in der Arbeiterklasse spontan nur kleinbürgerliches und trade-unionistisches Bewußtsein hervorzubringen schien, sollte mit Hilfe der Partei/der Avantgarde und der “revolutionär-wissenschaftlichen Theorie” des ML ins Für-sich gebracht werden, um die Machtfrage zu stellen, der gesellschaftlichen Allgemeinheit der Arbeit im sozialistischen Staat endlich einen adäquaten Ausdruck zu geben und die blinde privatkapitalistische Vermittlung in die Regie eines bewußten und planenden Subjekts zu nehmen. Die Arbeiterklasse als Subjekt der Revolution war dem ML dabei ebenso selbstverständlich wie ihre Verallgemeinerung in Partei und Staat; die Subjekt-Form wurde dabei ebenso fraglos vorausgesetzt wie die Formen von Politik, Erkenntnis und Theorie.

Für die Kritische Theorie jedoch ließ spätestens die Erfahrung des Faschismus keine Linearität und Teleologie kapitalistischer Entwicklung mehr zu, Auschwitz keinen Sinn mehr des Kapitals und seiner Geschichte: Der Kritischen Theorie Adornos wurden Arbeit und Kapital das “unwahre Ganze”, dem sich die Hoffnung auf das “ganz Andere” nur kontingent gegenübersetzen kann. In der Kritischen Theorie wurden endlich auch die Formen der Erkenntnis und des Bewußtseins als grundsätzlich problematisch angesprochen, ja die Unmöglichkeit, noch im Bewußtsein der Verstrickung in den selbstverschuldeten Zusammenhang aus diesem je herauszukommen, wurde zum eigentlichen Gegenstand ihrer Kritik.

Damit ist die Kritische Theorie die erste “nachmarxistische” Kritik, die nicht mehr nur vom Zerfall der bürgerlichen Gesellschaft und ihres Subjekts ausgeht, sondern bereits das Scheitern ihrer Aufhebung zum Ausgangspunkt nimmt. Denn aus der Immanenz einer “vergesellschafteten Gesellschaft” heraus läßt sich nach der negativen Dialektik Adornos endgültig kein Fortschritt mehr begründen. Weil Emanzipation nicht einmal zu ihrer Verwirklichung drängt und selbst der Versuch von Befreiung in neue Herrschaft umschlägt, bedeutet die Transzendenz des Bestehenden nur ihre Kontinuität. Innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft läßt sich die Möglichkeit von Befreiung daher nur unbestimmt und kontingent angeben - ja, Adorno kann kaum die Möglichkeit seiner eigenen Theorie bestimmen. Dem traditionellem ML erschien dieser Versuch einer Selbstkritik des Denkens und der Vernunft als kleinbürgerlicher Fatalismus, der radikalen Linken als Verlust jeder praktischen Qualität.

Doch mit dem Beharren auf reiner, radikaler Negativität zog Adorno nur die Konsequenz aus dem Problem der bisherigen Gesellschaftskritik. Bereits bei Lukács hatte sich eine “Wende” angekündigt, ohne daß er selbst sie vollzog: Die Warenform als Totalität der Verdinglichung auch der Erkenntnis und ihres Subjekts läßt diese selber problematisch werden - Vernunft und Erkenntnis müssen ihre eigene Kritik vollziehen. Fand Lukács den Ausweg erneut in der Arbeiterklasse, die als identisches Subjekt-Objekt der Geschichte gerade durch das Bewußtsein, absolutes Objekt für das Kapital zu sein, ihre Selbstaufhebung vollzieht, so hält Adorno den bisherigen Formen der Dialektik konsequent eine negative Dialektik entgegen, die sich jedem positiven Bezug auf Daseiendes verweigert und weder Standpunkt noch Lösung ausweisen, ja gerade den Mangel des verabsolutierten Vernunftprinzips selber zum Gegenstand machen will.
Die radikale Negativität der Kritischen Theorie markierte daher an dieser Stelle zunächst den Einschnitt zwischen kritischem und traditionellem Marxismus: Wer wie dieser aus der Kritik der politischen Ökonomie irgendeinen gesicherten Standpunkt oder positiven Besitz zieht, und sei es den einer “objektiv-wissenschaftlichen Erkenntnis” oder einer “revolutionären Theorie”, verkehrt die Kritik der Politischen Ökonomie wieder in eine Theorie. Doch auch Adorno, so wird zu zeigen sein, schlug durch den Versuch einer kritischen Theorie die negative Kraft wieder Reflexion, Vernunft und Subjekt zu, um so die Aufklärung vor sich selbst zu retten - gegenüber dem Ideal der bürgerlichen Vernunft war die negative Dialektik nicht negativ genug.

Denn obwohl die Kritische Theorie, im Gegensatz zum traditionellen ML und zum akademischen Wissenschaftsbetrieb, die positivistische Trennung von Erkenntnisweise und Gegenstandskonstitution problematisierte und die Konstitution von Erkenntnis, Erfahrung und Bewußtsein aus der gesellschaftlichen Praxis des Kapitals zu entwickeln und mit der individuell-psychischen Genese des Subjekts zu vermitteln suchte, verfolgte auch sie, die Kritische Theorie, nicht den Weg einer konsequenten Erkenntniskritik. Und obwohl die Kritische Theorie die erkenntniskritische Bedeutung der Marxschen Werttheorie erkannte, den Tauschwert als identifizierendes Prinzip und den Wert als das “negative Gemeinwesen” sowohl dem bürgerlichen Selbstbewußtsein und seiner Aufklärung als auch dem Versuch einer “sozialistischen Planung und Anwendung des Werts” entgegensetzte, entgingen ihr die erkenntniskritischen Implikationen der Kritik der Politischen Ökonomie; auch der Kritischen Theorie gelang es nicht, die Marxsche Kritik der Politischen Ökonomie (KdPÖ) als grundsätzliche Erkenntnis- und Methodenkritik anzusetzen. Allein dieser Weg aber ist noch offen.

Denn obwohl mittlerweile zwar weitgehend Einigkeit darüber besteht, daß Marx der kritisierten bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft keinen “wahren Sozialismus” und kein Programm der Aufhebung positiv gegenüberstellt hat, ist die Aneignung des Marxschen Werkes als negativer Erkenntnis- und Methodenkritik marginal geblieben. Die Marxsche Ökonomiekritik aber ist untrennbar mit Erkenntniskritik verbunden, weil Erkenntnisweise und Theorie selber gegenstandskonstitutiv und synthetisches Moment der Rekonstitution des Kapitals sind. Spätestens im Fetischkapitel des Kapital fallen die Darstellung des Gegenstands und seine Erkenntnisweise zusammen, die Kritik durch Darstellung wird zur einer Kritik des Darstellungsprinzips der Gesellschaft überhaupt: Das reine gesellschaftliche Verhältnis des Werts muß sich dinglich darstellen, es muß im gegenständlichen Schein der Ware als besondere Eigenschaft erscheinen und sich im Geld als abstrakte Allgemeinheit darstellen. Damit ist aber nicht mehr zwischen äußerem Gegenstand und seiner innerer Anschauung zu trennen. Der Gegenstand kann nur noch als Fetischismus rekonstruiert werden, wobei Geld und Geist als Standpunkt der Rekonstruktion nur ihr Außer-sich-Seiendes als das Andere ihres Selbst und Momente ihres Werdens im Zu-sich-Kommen einholen. Das Marxsche Kapital, das die Kategorien der politischen Ökonomie als notwendigen Schein einholt und dadurch die Naturwüchsigkeit der kapitalistischen Vermittlung in Theorie verdoppelt und als Geltung ausgibt, kann als Kritik nur insofern auftreten, als es die eigene Vermitteltheit im Darstellungsgang selbstkritisch miteinbezieht. Gesellschaftskritik ist zuletzt Selbstkritik des Kapitals, der Fetischismus sein negativer Standpunkt; er ist durch keine positive Erkenntnis hintergehbar, da er sich, indem er sich selbst einholt, zugleich unterminiert.

Gleichwohl scheint der Marxrezeption das Kapital ein so äußerlicher wie positiver Gegenstand zu sein, der zwar einerseits als Totalität rekonstruiert wird, der aber andererseits die Formen seiner Erkenntnis- und Darstellungsweise sowie das Subjekt als Theoretiker unberührt läßt. Ja, die Erkenntnisweise als Voraussetzung der Kritik scheint im Gegenteil nicht selber Gegenstand der Kritik, sondern ein neutraler bzw. nicht-identischer Standpunkt zu sein, also doch wieder der gesicherte Ort, von dem aus die Wissenschaft (ML) die Kritik des Gegenstandes (Kritische Theorie) erst möglich werden. Während die bürgerliche Gesellschaft also durch Marx einerseits ihre radikale Kritik erfährt und der selbstkonstitutive Schein der einfachen Zirkulation und des Geldes dabei sogar im Mittelpunkt steht, scheinen die Formen der Erkenntnis als Bedingungen der Möglichkeit eben dieser Kritik ihrem Gegenstand wundersam enthoben. Sie scheinen immer schon jenseits zu liegen, obwohl Wissenschaft und Theorie das Kapital nur in dem Maße adäquat formulieren können, wie sich das Kapital in ihnen bricht. Kritik kann dabei gegenüber Theorie allenfalls hinausreichen, indem sie das Kapital nicht affirmiert, sondern gewissermaßen überaffirmiert. Diese “Überaffirmation” kann allein bedeuten, dem Kapital seine “eigene Melodie” vorzuspielen: Man muß das Kapital “zum Tanzen bringen”, sich auf den höchsten fetischistischen Standpunkt der Vermittlung des Geldes als Weltgeld und G-G` stellen und ihn über sich hinaus treiben: das Kapital von seinem höchsten, abstrakt-allgemeinsten Begriff aus als noch nicht zu-sich-gekommen, als noch nicht völlig gleichgültig kritisieren.

Die Kritische Theorie wollte ihre Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft jedoch am allerwenigsten als durch das Kapital selber gestiftet verstehen: Theorie als Reflexionsform des Kapitalprozesses und Kritik als Moment seiner Selbstbewegung zu bestimmen, wäre für Adorno die Manifestierung des Scheins gewesen, dem eine solche Bestimmung nur aufs neue seine unbestrittene Realität bescheinigte, um sich ihr gleichwohl machtlos zu unterwerfen. Denn obwohl es der “Unwahrheit des Ganzen” entspräche, auch jede kritische Gesellschaftstheorie als durch die Kapitaltotalität gestiftet und als Moment ihrer Selbstvermittlung zu begreifen, hätte sich für Adorno eine solche Bestimmung von Gesellschaftskritik nur wieder subsumtionslogisch am Nicht-Begrifflichen und Nicht-Identischen versündigt, für das die Kritische Theorie sich einsetzt; der versöhnende Zirkel der Hegelschen Dialektik, den das Nicht-Identische als ihr schlechtes Gewissen durchbrechen soll, wäre erneut geschlossen. Denn wenn Begriff, Theorie, Vernunft etc. tatsächlich und im engsten Sinne als Momente der Kapitaltotalität gedacht werden müssen, die als transzendentales Sollen des Kapitalverhältnisses dieses überhaupt erst rekonstruierbar machen, so würden Kritik und Affirmation zusammenfallen und die “herrschende Vernunft” wäre durch keine andere Vernunft mehr zu retten. Davor aber schreckte die Kritische Theorie zurück.
Die konsequente Negativität der negativen Dialektik kann gegen das unwahre Ganze nur auftreten, wenn sie ihm gegenüber ein Nicht-Identisches schlechthin aufführen kann, in dem die Möglichkeit des ganz Anderen bewahrt bleibt. Und im Denken selbst, das sich des im Begriff nicht zu sich Kommenden schuldhaft bewußt werden kann und dadurch die Reflexion an das Nicht-Identisches gemahnt, findet Kritische Theorie diesen nicht-positiven Gegenstand. Indem Adorno also die Negativität der Dialektik dem Denken zuschlug, das sich nicht nur der Positivität des Daseienden verweigern kann, sondern aus der Kritik der positiven Daseinswelt sich der unterschlagenen Bedingtheit des Geistes erinnern muß, indem er gerade das alltägliche Denken, das nur noch das Dasein sanktioniert, immer wieder an seine Vermitteltheit durchs Nicht-Identische erinnern und so vor dem Abgleiten in die Haltlosigkeit absoluter Herrschaft bewahren wollte, hielt er zumindest an der Möglichkeit des reflexiven, selbstverantwortlichen, vernünftigen Subjekts im Sinne der Aufklärung fest.

Daher stößt in den Fragen, die Adorno der bürgerlichen Gesellschaft als Kritik stellte und die nach Ausschwitz unwiderruflich das Maß der Gesellschaftskritik vorgaben, das Ideal der bürgerlichen Vernunft stets wieder auf sich selbst: Warum bringt die Durchsetzung der Vernunft ihr Gegenteil hervor, warum manifestiert sich die Gesellschaft als Naturzustand? Warum verselbständigt sich die abstrakte Allgemeinheit des Kapitals als ein objektives Verhängnis? Wieso schlägt Vernunft, die bloße Selbsterhaltung der Gattung, in Vernichtung um?

Warum Adorno gerade in der radikalen Kritik der bürgerlichen Vernunft an dem Gedanken ihrer Verwirklichung festhalten konnte, erklärt sich aus seiner subsumtionslogischen Auffassung der Hegelschen und Marxschen Dialektik.

Synthesis: Geld-Ware-Geld`;
Idealismus-Materialismus-Idealismus; Hegel-Marx-Hegel

Statt wie Kant vom notwendig antinomischen Charakter von Erkenntnis und Gegenstand, ging Hegel vom Standpunkt ihrer Vermittlung aus. Damit konnte er den Kantschen Dualismus unterlaufen, innerhalb dessen den apriorischen Formen der Vernunft als Bedingung der Möglichkeit von Erkenntnis stets erkenntnisjenseitige Dinge erscheinen müssen. Indem Hegel weder von reiner Vernunft noch vom Ansichsein der Dinge ausgeht, sondern sie gleichursprünglich in ihrer Vermittlung konstituiert, ihre immer schon vollzogene Synthesis als ihr Werden setzt, kann er die Kantschen Aporien in der Selbstreflexivität einer dialektischen Form aufheben. Bruch und Antinomien erscheinen immer schon in der Immanenz der vermittelnden Bewegung, dem absoluten Geist, und sind als Momente seines Für-sich-Werdens immer schon spekulativ gelöst. Der blinde Fleck der Erkenntnis, der im “Kantschen Bruch” noch durchschimmerte - das Transzendentalsubjekt der Erkenntnis auf der einen, das An-sich-Sein der Dinge auf der anderen Seite -, dieser blinde Fleck ist bei Hegel immer schon “wegrationalisiert” und aufgehoben im erscheinenden Wissen des absoluten Geistes, der im Bruch von Erkenntnis und Gegenstand die Momente seines Für-sich-Werdens im Bei-sich-Bleiben hat. Das Werden ist also immer schon das Für-sich-Werden des absoluten Geistes; Denken und Bewußtsein sind nur Momente der Methode seines Zu-sich-Kommens, und das An-sich der Dinge ist immer schon vermitteltes Resultat.

Bereits Marx hat die Geschlossenheit der Hegelschen Dialektik als den Versuch kritisiert, gesellschaftliche Widersprüche im Geist miteinander zu versöhnen. Die Hegelsche Dialektik sollte daher einerseits revolutionär gewendet werden, indem der dialektische Widerspruch als ein gesellschaftlicher Antagonismus gerade ein Jenseitiges der kapitalistischen Gesellschaft eröffnet; zugleich sollte der Idealismus materialistisch zurückgeführt werden, indem er als ideeller Ausdruck eines gesellschaftlich-praktischen Daseins dargestellt wurde.

Wenn man nun Hegel nicht subsumtionslogisch, sondern im oben gezeigten Sinne “synthetisch” begreift, und wenn man nun die Marxsche “Umstülpung” Hegels nicht als Erdung an das Historische und Materielle im Sinne des traditionellen ML versteht (an den “wirklichen” Menschen, die konkrete Arbeit, die Endlichkeit der Dinge und Bedürfnisse, die geschichtliche Praxis usw.), sondern als Analogisierung der Hegelschen Vermittlung mit der gesellschaftlichen Praxis des Kapitals, so daß dem Selbstbewußtsein des absoluten Geistes die Selbstbewegung des Kapitals entspricht, dann reformuliert die zur Kapitalform entfaltete Wertform das von Kant und Hegel entwickelte Konstitutionsprinzip der bürgerlichen Gesellschaft in den Begriffen der Politischen Ökonomie. Der von Kant gezeigte antinomische Charakter erscheint im Widerspruch von Form und Substanz des Werts, im Doppelcharakter der Ware und der Arbeit; der von Hegel eingenommene Standpunkt ihrer immer schon vollzogenen Synthesis liegt in der Geld- und Kapitalform. Die Wert- und Kapitalform ist also eine “Umstülpung”, die den Hegelschen Geist zunächst nur in das Andere-seiner-selbst wendet. Doch mit der Wertform als dem Transzendentalsubjekt der Vergesellschaftung im Kantschen Sinne hat Marx in der dialektisch geschlossenen Begründungsweise Hegels wieder einen raum-zeitlichen Bruch von Logischem und Historischem, Materiellem und Ideellem eingeführt. Denn die Selbstverwertung des Werts als Hegels Für-sich-Werden des Geistes kann sich nicht rein auf sich selbst beziehen - sie muß sich selbst transzendieren, um zu-sich zu kommen. Das Für-sich-Werden der Form, die “unmögliche Form” G-G`, muß sich zugleich dinglich-materiell und historisch verräumlichen; sie muß sich als Ware innerhalb von G-G` darstellen. Der historische-Materialismus ist nichts als dieser immanente Bruch der absoluten Form Hegels, die sich fetischistisch im Andern-ihrer-selbst darstellen muß, die sich in Materie verendlichen und sich durch ihre eigene Historisierung rekonstituieren muß. Die Vermittlung aber ist immer schon in ihren endlichen Resultaten verschwunden, und die Erkenntnis kann nur noch fetischistisch über die verdinglichten Resultate der immer schon vollzogenen Vermittlung auf diese reflektieren.

Dadurch hat Marx nicht ein Hegel unterstelltes Primat (des Geistes, der Idee) vertauscht (in die sinnlich-tätige, geschichtliche Praxis), und er hat auch nicht im Materialismus lediglich die andere Seite des Idealismus formuliert (Materie statt Idee, sinnlich-praktische Arbeit statt rein geistig-begriffliche o.ä.). Hegel ist vielmehr erkenntniskritisch durchbrochen: Die Selbstbewegung des absoluten Geistes ist unbewußte Vergesellschaftung hinter dem Rücken ihrer Akteure, seine Selbsterkenntnis Rekonstruktion des Gegenstandes und der Erkenntnissubjekte als notwendiger Schein.

Daß Marx den absoluten Geist als gesellschaftliche Synthesis eines Kapitalprozesses entfaltet, der Gegenstand und Erkenntnis als seine Momente aus sich heraussetzt und sich selbst fetischistisch in ihnen rekonstituiert - das ist der Unterschied ums Ganze zwischen Hegel und Marx; es ist die eigentliche Umstülpung Hegels.

Indem Marx so den Gegenstand (Politische Ökonomie) und die Hegelschen Begriffe (Logik, Wissenschaft, System) innerhalb der Kapitalvermittlung einander adäquat werden ließ, hat er Hegel nicht widerlegt, sondern vollendet: Die gesellschaftliche Vermittlung, die zwar nie der Gegenstand oder das Subjekt selbst ist, aber nur als ihre Verdinglichung erscheinen kann, in der die Geltung des Gegenstandes und des Subjekts verschwunden ist (und daher stets blinder Fleck bleiben muß), die gesellschaftliche Vermittlung also rekonstituiert sich über ihre eigenen Resultate wie der Geist bei Hegel und ist doch blind und unbewußt. Die Methode, bei Hegel als Selbstbewußtsein des absoluten Geistes die höchste Bestimmung seines Werdens, ist die blinde Naturwüchsigkeit der Vergesellschaftung. Erkenntnis, Geist und Vernunft haben darin nur Geltung als ein notwendig falsches Bewußtsein, dem keine Wahrheit oder Unwahrheit mehr gegenübersteht, sondern in dem Erkennen und Verkennen das Selbst der Erkenntnis sind: “Sie wissen das nicht, aber sie tun es.” In diesem Satz hat Marx Hegel wirklich auf die Füße gestellt.
Doch Marx hat die Erkenntniskritik seines Fetischkapitels nicht weiterverfolgt. Er versenkte das Erkenntnisproblem wieder in den Gegenstand “Politische Ökonomie” - in der Hoffnung, es damit als das Problem der kapitalistischen Vergesellschaftung selber ausweisen zu können, das letztlich nur praktisch zu lösen ist.

Erdung

Traditioneller ML wie Kritische Theorie wollten mit Marx nicht einfach Hegels hermetisch geschlossene Logik materialistisch reformulieren, sie wollten ihr entkommen. Auf der Höhe des Kapitals versuchten sie daher der Hermetik der Hegelschen Dialektik und ihrer Reflexionsbestimmungen zu entgehen, indem sie die Arbeit als Substanz und Größe des Werts historisch-logisch vor der Form des Werts und die Ware als Einheit von Bestimmung und Beschaffenheit wiederum vor das Geld setzten. Denn tatsächlich setzen die Reflexionsbestimmungen der Wert- und Geldform auf der entfalteten Ebene der Zirkulation nur die berühmten, unauflösbaren Antinomien der bürgerlichen Gesellschaft gleichursprünglich aus sich heraus (Tauschwert-Gebrauchswert, private und gesellschaftliche Arbeit, abstrakte und konkrete Arbeit usw.); von hier aus lassen sich die reflektorischen Bestimmungen Hegels nur mit denen der politischen Ökonomie analogisieren, seine hermetische Logik ist also nur in den Gegenstand “Politische Ökonomie” verschoben - überwunden ist sie nicht. Vom Standpunkt der Reflexionsbestimmungen und ihrer Geltungslogik aus ist das Kapital unendlich, es rekonstituiert sich als infiniter Progreß.

Um nicht in dieser Immanenz zu verschwinden, wurden daher der Gebrauchswert und die menschliche Arbeit als Substanz logisch-historisch vor die entfalteten Formen des Werts gesetzt. Auch auf der Höhe des Kapitals mußten also der “wirkliche”, d.h. sinnlich-tätige und bedürftige Menschen aus den Marxschen Frühschriften, die überhistorischen Gebrauchswerteigenschaften der Natur und die historische Praxis die Idealität der Hegelschen Logik materialistisch erden und den logischen wie historischen Ausgangspunkt der Rekonstruktion des Kapitals bilden. Denn um die Endlichkeit des Kapitals und die Idee der “Befreiung” überhaupt noch begründen zu können, muß offensichtlich auf genau diese Momente rekuriert werden – die Bedingtheit des Kapitals ist aus seiner rein logischen Entwicklung und aus den Formbestimmungen der Wert- und Kapitalform nicht mehr zu begründen. Denn eine Entfaltung, die ihren Ausgangspunkt nur bei den Effekten der Wertform des Geldes nähme, kann diese Bestimmungen nur auf ewig selbstkonstitutiv und zirkulativ verschieben – wie in einer anti-substantialistischen/anti-essentialistischen, geschichts- und “subjektlosen” postmodernen Theorie oder im Nominalismus der subjektiven Wertlehre.

Subsumtion

An der materialistischen Verendlichung und Erdung der Kapitalform setzte der traditionelle ML seine positivistische Verkürzung der Marxschen Wertformanalye als objektive Arbeitswertlehre an. Doch mit dieser Erdung an eine der Form vorgängige materialistische Substanz wurde auch das subsumtionslogische Verständnis der Dialektik und der Wertform durch die Kritische Theorie möglich. Denn in Adornos negativer Dialektik erscheint die Formvermittlung durch die Wert- und Kapitalform zwar nicht einem positiven Inhalt gegenüber äußerlich (wie im traditionellen ML), sondern einen Nicht-Identischen, das die Möglichkeit des “ganz Anderen” (statt der Revolution) offenhält, das im Gegensatz zum ML innerhalb der Vermittlung eines hermetischen Scheins jedoch gar nicht mehr positiv zur Darstellung kommen kann.

Damit entspricht in der Kritischen Theorie die Kapitalbewegung der falschen Absolutheit des Hegelschen Geistes. Im Kapital als absolutem Geist ist die Daseinswelt, deren An-sich-sein (Wert) als bloßes Sein-für-anderes (Tauschwert) vermittelt ist, stets im Geld synthetisiert und als Für-sich-sein des Kapitals aufgehoben: Das Kapital, das selbstbewußte Geld, begreift alles Dasein als seine Voraussetzungen, reflektiert das Dasein als die eigenen Resultate und konstituiert dadurch den Begriff des Abstrakt-Allgemeinen oder der gleichgültigen Substanz; der Substanz, die Hegel als Subjekt auffassen wollte und die Marx als das Negativ-Gesellschaftliche des Werts begriff und als automatisches Subjekt entfaltete. Bei Adorno jedoch wird die Totalität der gesellschaftlichen Vermittlung mit dem Abstrakt-Allgemeinen gleichgesetzt. Das Allgemeine fungiert als eine Art “Subsumator”, der alles Einzelne, Besondere und Vielfältige einsaugt. Er ist die Weltgeist gewordene Abstraktion, der von der Eigendynamik und Heterogenität des Nicht-Identischen absieht und alles behandelt, als wäre es Identisches. Die anthropologische Erdung des Idealismus der Marxschen Frühschriften (Entfremdung der Gattung von sich selbst, die im Geld, Staat, Privateigentum erscheint) und diejenige des Kapital, in dem Marx die transzendentale Kraft der Wertform an die konkrete Arbeit, das nützliche Ding, das Bedürfnis usw. bindet, wird von Adorno aufgriffen als das, was dieser Subsumtion unterliegt.

Identisches und Nicht-Identisches, Allgemeines und Besonderes etc. werden daher nicht als durch ein und dieselbe Vermittlung konstituiert begriffen. Das Nicht-Identische erscheint vielmehr als von Allgemeinheit, Identität und Begriff Okkupiertes und damit als ursprünglich immer schon außerhalb der Vermittlung Liegendes. Die vermittelnden Formen erscheinen als gewaltsame Bestimmung über selbstgenügsam Seiendes und damit als Herrschaft. Ist die Vermittlung aber erst als das Abstrakt-Allgemeine und als Herrschaft der Form ausgesprochen, stellt sich das Nicht-Identische, also das Besondere, Heteronome, Nicht-Begriffliche etc., als doppelt gefangen dar: Die Herrschaft des Abstrakt-Allgemeinen ist ihm zur Darstellung aufgezwungen, es muß erscheinen in der Immanenz des Allgemeinen. Zugleich kann von ihm aber gerade das, was im Allgemeinen nicht aufgeht, das also, was Nicht-Identität ursprünglich ausmacht, gar nicht erscheinen. Weil damit aber das Nicht-Identische der totalen Herrschaft ebenso immer schon entzogen ist und die Wahrheit dieser Herrschaft nur ihr absoluter Schein und ihre scheinhafte Absolutheit ist, hat Nicht-Identisches ein negatives Dasein und ist nicht ganz verloren, ja ist überhaupt noch der Bezug zu ihm möglich.

Damit wird die Hegel unterstellte Subsumtionslogik seiner Dialektik schon in ihrem Ansatz kritisiert. Der Satz der Identität von Identität und Nicht-Identität wird als Herrschaft der logischen Einheit, als Identitätszwang und Gewalt des Begriffs gegenüber der Sache verstanden. Konsequent wird demgegenüber die Unwahrheit der Identität und die Scheinhaftigkeit ihrer positiven Bestimmung verfolgt. Um der Hermetik der Hegelschen Dialektik und der gesellschaftlichen Formtotalität des Kapitals gleichermaßen zu entkommen, muß das Nicht-Identitische von Geist und kapitalistischer Gesellschaft in das Andere überhaupt gelegt werden: Der antagonistische Widerspruch, den Adorno mit Hilfe der Nicht-Identität als einen realen Widerspruch festhalten will, ist kein innerlogischer und kein innergesellschaftlicher; er ist der Widerspruch, der den Geist und das Kapital von ihrem Anderen überhaupt trennt und weder logisch im “Andern-seiner-selbst” noch als gesellschaftliche Einheit von Subjekt-Objekt seine Bewältigung findet. Denn während bei Hegel das Nicht-Identische immer schon in der Immanenz erscheint, ist bei Adorno diese Immanenz immer unwahr – ihre Wahrheit hat sie allein durch ihre reale Herrschaft. Der Begriff ist nur Begriff dadurch, daß er Vorausetzungen hat, die er nicht bei sich selbst findet und die nicht völlig in ihm aufgehen können, die er aber verkennen muß, um im Sinne der Identitätslogik zu funktionieren.

Adorno bleibt der Subsumtionslogik, die der Hegelschen Begriffslogik unterstellt wird, selber also insofern treu, als er ihre Unwahrheit gerade darin negativ begründet sieht, daß sich das Subsumierte - dasjenige also, was nicht in seinem Begriff aufgeht - eben nicht benennen läßt, sondern als das Außen des Begriffs diesen allenfalls motivieren und mahnen, nicht aber in ihm aufgehen kann, es sei denn als Differentes. Das Nicht-Identische kann also gar nicht selber positiv oder begrifflich erscheinen, weil es sonst bereits Moment des “Unwesens” wäre. Das Nicht-Identische und die Möglichkeit des Ganz-Anderen können sich innerhalb der Allherrschaft der Identität nur negativ zur Geltung bringen - als Bruch und Zweifel, als individuelle Erfahrung, als Leiden und Mangel, in der Kunst und in der Musik.

Schon das Sein und das Nichts, der reine Anfang der Hegelschen Logik, werden bei Adorno daher nicht als Rückgang in die Bestimmung setzende Formvermittlung innerhalb einer logisch-genetischen Rekonstruktion begriffen, sondern als Abstraktionen, als Abstraktionen von, die ihrer eigenen Möglichkeit gemäß nicht die Sache selbst sein können, sondern eben bloß Abstraktionen von derselben. Entsprechend anti-subsumtionslogisch wird die Kritik der politischen Ökonomie als Hegelkritik eingesetzt: Die Marxsche Realabstraktion des Warentauschs wird als eine Abstraktion von Etwas, vom Gebrauchswert, von der konkreten Arbeit, von der sinnlichen Erfahrung etc. verstanden, die die Sache auf einen rein quantitativen Wert und auf einen gesellschaftlichen Durchschnitt reduzieren und dem Äquivalenzprinzip als der totalen Austauschbarkeit unterwerfen soll. Der Äquivalententausch wird von Adorno daher als das Prinzip der Unwahrheit schlechthin begriffen, weil er Ungleiches wie Gleiches behandelt.
Im identifizierenden Prinzip bei Hegel und im Marxschen Tauschprinzip wird also nicht das Hinausgehen über die Sache gesehen, das durch die Rekonstruktion des Gegenstandes in seiner Begriffsgeltung über den vorgefundenen Inhalt hinausschießt. Vielmehr unterbindet bei Adorno die Identifizierung umgekehrt die Eigenbestimmtheit des Besonderen und Einzelnen, herrscht sich ihr auf und sucht sie dem Geist adäquat zu machen. Indem die synthetische Funktion des Begriffs und des Tauschs als Moment der Vorherrschaft des Allgemeinen ausgemacht wird, substantialisiert sie nicht überhaupt erst die Dinge in ihrem Dasein, sondern schneidet den Dingen die Eigenständigkeit ihres Daseins ab. Während bei Hegel und Marx Begriff und Geist, Geld und Kapital absolut sind, weil sie sich durch das Andere hindurch auf sich beziehen, begreift sie Adorno als falsche Totalität bloßer Abstraktionen, die sich anmaßen, das Andere als das eigene zu behandeln. Indem sie dies tun, abstrahieren sie vom eigenen Ursprung, so daß in der Rücksicht auf die eigenen Bedingungen diese verkehrt erscheinen als Emanation von Geist und Kapital. Die Totalität des Geistes und des Kapitals sind bei Adorno keine logischen, zeitlosen Kategorien, ihre Dialektik liegt nicht jenseits oder vor der Zeit oder ist die Bewegung abstrakter Zeit. Geist und Kapital werden bei Adorno vielmehr immer schon in die empirische Daseinswelt gesetzt, als ein immer schon realer geschichtlicher Prozeß, so daß sich Geist und Kapital im Seienden “totalisieren”, durch den Rest fressen.

Geld, Wert, abstrakte Arbeit wären demnach bei Adorno im Sinne subsumierender Oberbegriffe anzusetzen. Sie sind gesellschaftlicher Schein zum Zweck der Synthesis im Dienst der Verwertung und entsprechen darin dem ideellen Ausdruck als Begriff und Geist, so daß sowohl die reale wie die ideelle Subsumtion wahr und unwahr zugleich ist: Wahr ist die ohnmächtige Vorherrschaft von Begriff und Geld, unwahr ist sie in ihrer Behauptung, sie seien eins mit der Sache oder diese selbst.

Differenz

Adorno will daher zunächst die Differenz zwischen Begriff und Sache vor der Immanenz des Geistes bewahren. Noch die Differenz selbst aber ist für Adorno verschleiert im Sinne der Hegelschen Idee als Einheit von Subjekt und Objekt, durch die sich die schlechte Notwendigkeit der Anpassung des Individuums an die gesellschaftliche Objektivität in die Souveränität des Subjekts verkehrt. Die Differenz, einmal in die Immanenz des Geistes entführt, kann dem Subjekt nurmehr negativ, als Mangel und Leiden bewußt werden – so scheinhaft für Adorno die Formen der Allgemeinheit, so real und individuell bleiben Mangel und Leiden. Während bei Hegel die ihr Anderes enthaltende Vernunft nicht Freiheit gegenüber dem Objekt, sondern Einheit von Subjekt und Objekt meint, wird dieser Vernunft bei Adorno wieder eine Subsumtionslogik unterlegt. Im Begriff der Freiheit als “Einsicht in die Notwendigkeit” verkehrt sich nach Adorno die doppelte Unfreiheit des Individuums gegenüber der Objektivität (einmal der Bedingtheit seiner “ersten”, einmal dem objektiven Schein seiner “zweiten Natur” gegenüber) in die Wahrheit eines Subjekts, in dem sich doch nur die Vormacht des Ganzen vor dem Einzelnen rechtfertigt, so daß die Unmöglichkeit des Subjekts noch durch dieses selbst hergestellt wird. Denn der Wahn, sich dem Ganzen gleichzumachen, sich als Subjekt zu objektivieren, um dem Allgemeinen zu entsprechen, führt nach Adorno zur Subjektivität nur durch die Negation von Subjektivität. So befreit sich das Individuum im Kapitalismus schließlich von sich selbst: Solange das Subjekt noch als Objekt für die Verwertung gebraucht wird, bleibt es zumindest Subjekt als Ideologie. Wird es aber durch die selbst erzeugten technischen und wissenschaftlichen Mittel für die Objektverwertung nicht mehr gebraucht und übernimmt fortan das fixe Kapital das Kommando, erlöst sich das Subjekt von sich selbst, indem es dem Wahnsinn der eigenen Überflüssigkeit verfällt.

Auf diese Weise ist die liberal-bürgerliche Gesellschaft der freien Konkurrenz im Nationalsozialismus tatsächlich immanent über sich hinausgegangen – in ihren völligen Zerfall. Als die Reflexion aufs Tauschprinzip und die Selbstverwertung als Arbeitskraft, die den Freiheitsbegriff der bürgerlichen Gesellschaft ausmachte, vom Nationalsozialismus “sistiert” und durch fixes Kapital, Monopole, Kulturindustrie und die staatliche Kommandogewalt über die Arbeit ersetzt wurde, hat die bürgerliche Gesellschaft ihre einstige Legitimation, die Sphäre der Zirkulation und des Liberalismus, nicht nur pejorativ besetzt, auf die Juden projiziert und an ihnen stellvertretend exekutiert – in der Vernichtung der Juden wurde auch noch die Wut und Ohnmacht gegenüber dem Verlust der einstigen Freiheit zu kompensieren versucht.

Adorno kann daher seine Gesellschaftskritik nicht an einer Differenz ausrichten, deren Fragwürdigkeit er gerade herausstellen will. Innerhalb des realen Scheins und seiner tautologischen Verwaltung von Subjekt und Objekt sucht er daher den Bruch am äußeren Rande der repressiven Totalität des gesellschaftlichen Scheins, er sucht nach dem Nicht-Identischen, dem Refugium des ganz Anderen.

Etwas

Indem Adorno die gesellschaftliche Vermittlung subsumtionslogisch begreift, gerät nicht das Gesellschaftliche am Gegenstand zur Kritik, sondern ein Nicht-Identisches und Nicht-Begriffliches des Gegenstands bleibt als etwas Primäres der Gesellschaft gegenüber stehen. Dieser Dialektik- und Kapitalbegriff erzeugt daher notwendig ein Nicht-Identisches noch vor Subjekt und Objekt, ein subsumiertes Etwas.

Daher liebäugelt Adorno auf der einen Seite mit dem Kantschen Ding-an-sich, das der “Unwahrheit des Ganzen” widerspricht und damit auch derjenigen Absolutheit des Geistes, die Kant selbst wiederum durch die Formen einer reinen Vernunft aufrichten will; und daher verwirft Adorno auf der anderen Seite auch diese Kantsche Konstruktion einer apriorischen und reinen Vernunft, in der sich schon die falsche Unmittelbarkeit eines Geistes gründet, dem die Dinge nur unter der Form seiner Notwendigkeit und Allgemeinheit erscheinen, und der darin nicht den eigenen Herrschaftsanspruch gegenüber dem Nicht-Identischen erkennt, sondern die Bedingtheit und die Immanenz der Abstraktionsleistung zur Absolutheit hypostasiert. Adorno sieht also im Ding-an-sich nicht das im Sein-für-Anderes vermittelte Ideal der bürgerlichen Vernunft, sondern eine noch unvermittelte Bedingung der Vermittlung, die Geist und Logik in einem geschichtlich-empirischen Sinne vorausliegt. Während bei Kant die apriorische Erscheinungsweise der Vernunft Konsequenz der Unmöglichkeit ist, sie geschichtlich zu begründen und ihre Reinheit der Unmöglichkeit geschuldet ist, sie empirisch oder vom Objekt her zu bestimmen, ist nach Adorno eine Vernunft, die als reine und apriorische zwar alle Vermittlungen als die ihrigen begründen will, die eigene Vermitteltheit aber leugnet, von ihrer eigenen Grundlage absolut getrennt worden. Ihre Bedingungen erscheinen der Vernunft daher als das Kantsche erkenntnisjenseitige Ding-an-sich, das dafür um so vollkommener dem Geist als bloßes Material dient. Der Geist scheint daher auch bei Kant im voraus schon mit sich versöhnt: Er kann im An-sich der Dinge nicht seinen Herrschaftsanspruch über die Eigenheit der Dinge erkennen, gerade weil er seine eigene Vermitteltheit im bloßen An-sich der Dinge liquidiert. Das Liquidierte aber erscheint nur noch der Vernunft: Was einzig Vernunft begründen könnte, unterwirft diese als ihr bloßes Material. Getrennt von ihrer eigenen Vermitteltheit, wird die Vernunft dadurch tatsächlich zu reiner und apriorischer Vernunft, die Welt zu ihrem Objekt als bloßes An-sich. Die Vernunft erlangt so ihr Selbstbewußtsein als voraussetzungslose Alleinherrschaft, und indem sie sich im Kommando über die Sache gegen diese erhebt, besiegelt sie die Beherrschung ihrer selbst: Der Geist ist die selbstverschuldete Unmündigkeit der Aufklärung. Der totale Verlust des Nicht-Identischen wird im bloßen Ansichsein zum Ideal einer reinen Vernunft, deren Unbedingtheit in Herrschaft über Natur und naturhafte Herrschaft des Menschen über den Menschen umschlägt - hier liegt für Adornos Verständnis des Idealismus die Wahrheit des Kantschen Vernunftbegriffs.

Doch während für Adorno die Anmaßung Kants, die Vernunft noch im Bewußtsein ihrer Grenze zu verabsolutieren, gleichwohl doch die Anerkennung der Vernuftgrenzen noch enthält, ist bei Hegel der Geist im Bewußtsein seiner Schranke immer schon über diese hinweg. Kants Synthesis leugnet zwar die Differenz zwischen Vernunft und ihrem Nicht-Identischen insofern, als das Ding-an-sich überhaupt erst durch die transzendentale Synthesis erscheint; bei Hegel aber erscheint der Bruch zwischen Objekt und Subjekt ohnehin nur als die Immanenz ihres Werdens und ist damit immer schon im Für-sich-Werden des Geistes und der Idee versöhnt. Was Adorno daher an Hegel kritisiert, ist identisch mit dem, was sich Adornos subsumtionslogischer Hegelinterpretation widersetzt: Es ist der “synthetische” Hegel, der das Ding-an-sich als Resultat der Vermittlung begreift.

Denn daß die Sache ihrem Begriff ebenso adäquat werden muß (Hegel) wie der Begriff der Sache, daß der Gebrauchswert sich durch den Tauschwert darstellen und ihm adäquat werden muß (Marx), ja, daß Begriff und Sache bzw. Gebrauchswert und Tauschwert als Momente der Vermittlung immer schon einander adäquat sind, macht in Adornos Auslegung gerade das Unwesen der Gesellschaft und ihrer scheinhaften Geschlossenheit aus: Die Vermittlung ist unwahr in dem, was sie darstellt. Verstanden wird diese Unwahrheit also nicht als die Differenz zwischen Daseinswelt und ihrem Begriff, welche die Vermittlung erst eröffnet, indem sie auf der einen Seite die reine, übersinnliche Idealität als Möglichkeitsstatus oder als transzendentales Sollen aus sich heraussetzt und der entsprechend auf der anderen Seite das Stofflich-Mannigfaltige, Endlich-Gebrauchsseitige stets entgleiten muß. Die Differenz wird vielmehr als das verstanden, was in der Vermittlung nicht aufgeht, ja sogar durch ein Etwas, das in seiner Vermittlung nicht aufgeht: Nicht-Identisches. Diese Differenz vor, gegenüber oder jenseits der Vermittlung will Adorno vor der Scheinhaftigkeit der Immanenz bewahren.

Hier hängt sich nun immer wieder Adornos Kritik des Idealismus wie auch der kapitalistischen Gesellschaft überhaupt auf. Die Vermittlung wird als Drang des Abstrakt-Allgemeinen begriffen, sich alles einzuverleiben; als Wahn, sich das Dasein entweder adäquat zu machen oder aber das, was nicht aufgeht, als Fremdes zu verfolgen und zu vernichten. Die Vermittlung entspricht der reellen und formellen Subsumtion des Kapitals gegenüber dem Widerspenstigen, noch nicht Integrierten, Unbegriffene;, daß die Individuen sich selber dem Drang des Allgemeinen anpassen um sich – Parodie des Leninschen Abbildrealismus – durch millionenfache Nachahmung dem gesellschaftlichen Naturzustand adäquat zu machen; daß das Besondere selber zur “Funktion” des Allgemeinen wird und der Gebrauchswert Träger des Tauschwerts usw., so daß letztlich Allgemeinheit und Totalität in eins werden: - all dies widerspricht nicht der unversöhnten Differenz durch Nicht-Identisches, sondern begründet aus ihr den Zwang der totalen Anpassung wie ihr notwendiges Scheitern.

Adorno bezieht sich also für die Begründung einer negativen Dialektik nicht auf das Kantsche Vernunftapriori, das auf die gesellschaftliche Formtotalität verweist, von der die Erkenntnis eben nicht zu abstrahieren vermag, sondern auf das Kantsche Ding-an-sich, das auf ein Nicht-Identisches verweist, welches im Begriff nicht aufgeht, und er bezieht sich auf den Kantschen Dualismus insofern, als dieser dem Bruch von Begriff und Sache zugute kommt. Hegel wird kritisiert, weil er das An-sich im Geist immer schon “durchrationalisiert”, in seine Immanenz überführt und in der Identifikation, die dem Warentausch entspricht, versöhnt. Diese Identifikation wird bei Hegel demnach in die Freiheit eines Geistes verkehrt, dem der Verlust seines Nicht-Identischen im identifizierenden Begriff verschleiert ist und dem seine eigenen Bedingtheit unbewußt bleibt. Für Adorno geht Hegels Satz der Identität von Identität und Nicht-Identität daher nicht auf, er beläßt einen Rest, ein Etwas, das zum Einwand gegen die abgeschlossene Herrschaft von totalisierender Identität wird. Adorno erkennt nicht, daß seine negative Dialektik durchaus nicht die Scharnierstelle ist, die Schuld des Begriffs gegenüber der Sache einzuklagen und den Bann der Identität zu durchbrechen, sondern vielmehr auf genau der Linie liegt, auf der Identifizierung, Begriffsbildung und Produktion von Wissen ohnehin naturwüchsig stattfinden. Denn gerade indem im Begriff der Mangel gegenüber der je schon vollzogenen gesellschaftlichen Vermittlung und der veränderten Daseinswelt bewußt wird, transzendiert er sich, verändern sich die Begriffe, verschiebt sich der Diskurs. Die Vernunft macht ohnehin ihren Mangel zum Gegenstand der Veränderung, und der Begriff ist immer schon im Werden, er existiert nur im Zu-sich-Kommen.

Prämonetäres Etwas: Gebrauchswertfetischismus

An Adornos Begriff des Etwas, das die Subsumtionslogik notwendig als ihr schlechthin Äußeres erzeugen muß, läßt sich beispielhaft zeigen, wie der subsumtionslogische Dialektik- und Kapitalbegriff entsprechend anti-subsumtionslogisch gekontert wird und in einen “Gebrauchswertfetischismus” mündet.

Adorno beginnt nicht wie Hegel mit der Einheit des unbestimmten Seins und des Nichts, durch die, nach Adorno, das Unbestimmte bereits “unterschlagen” sei in der Unbestimmtheit eines Begriffs, sondern mit dem Etwas, mit der noch gesellschaftlich unbestimmten, vorbegrifflichen, aus sich heraus präsenten Welt, die durchs Abstrakt-Allgemeine, durch die Aneignung des Begriffs, durch Identität und Logik erst zur Darstellung gezwungen wird.

Auch wenn Adorno das Etwas nun als Platzhalter des unbestimmten Nicht-Identischen behaupten will und es damit – in die Wertform übersetzt - auf der Ebene des einzelnen Gebrauchswert plaziert, muß das Etwas den Begriff doch schon enthalten: Etwas ist schon im Begriff, der Gebrauchswert enthält den Tauschwert, die Ware ist Geld, weil Begriff und Etwas, Ware und Geld immer schon Momente der Vermittlung sind und gar nicht bei sich bleiben können, d.h. nur bei sich sind, weil sie schon im anderen waren. Die Ware ist schon Vermitteltes des Geldes, das unmittelbare Etwas ist schon durch den Begriff hindurchgegangen, sie müssen ihre Voraussetzungen nur noch einholen – diese Durchführung unternimmt Hegel in seiner Phänomenologie des Geistes und Marx in der Wertformanalyse.

Die einfache Negation (Etwas ist nicht ein Anderes) muß die Negation der Negation also als schon vollzogen voraussetzen, um überhaupt ein Etwas behaupten zu können. Das macht die Hegelsche Dialektik rund.

Adorno aber will die Negation fest- und die Negation der Negation, die in Positivität umschlägt, zurückhalten – er sieht nicht, daß die einfache Negation die Negation der Negation schon vollzieht, im Etwas also die Negation der Negation schon vollzogen ist, daß Etwas eine Grenze hat, weil es schon aus seinem Jenseits zurückgekehrt ist.

Daß im Etwas bereits die Negation der Negation vollzogen ist, wird bei Hegel und Marx zur Qualität des Etwas, als sein reines Sein-für-Anderes: Etwas wird so zum wahren Eins, dem Geld als dem synthetischen Begriff des Daseins, das sich in Raum, Zeit und Materie warenförmig darstellt.

Doch für Adornos subsumtionslogisches Verständnis ist dieser notwendige Fortgang des Etwas, das in der Negation des Anderen sich im Andern-seiner-selbst begreift und sich insofern in allem Anderen überhaupt auf sich beziehen und verallgemeinern kann und so zum Ganzen wird - dies entspricht der Entfaltung der einfachen Warenform zur Geldform bei Marx – ; dieser notwendige Fortgang der Verallgemeinerung des Etwas, in dem es einholen muß, was implizit schon in ihm enthalten ist, um zu werden, was es immer schon war; dieser Fortgang ist für Adorno nicht der Aufstieg der Gleichgültigkeit gegenüber dem, worin das Etwas zu sich selbst gelangt ist. Adorno versteht diesen Fortgang vielmehr grundsätzlich als Aufstieg von Herrschaft.

Adorno will das Etwas daher nicht als dieses allgemeine Äquivalent auffassen. Statt das Etwas als synthetischen Begriff und gleichgültiges Äquivalent zu entwickeln, das in den Mannigfaltigkeit der Warenwelt zu sich kommt, ist das Etwas bei Adorno gebrauchswertfetischistisch schon vorgängig präsent und dient als Platzhalter des Verdrängten; es wird durch den Begriff nur angeeignet, bezeichnet und dargestellt. Weil das Etwas bei Adorno dem Begriff gegenüber standhaft bleibt, kommt es im Begriff weder zu sich noch kann es, einmal in den Begriff gesperrt, in seiner spezifischen Einzelheit erfahren werden. Etwas und Begriff, Ware und Geld werden nur in ihrer raumzeilichen Distinktion, nicht in ihrer dialektischen, zeitlosen Gleichursprünglichkeit betrachtet. Geld ist vielmehr subsumtionslogisch als äußerlicher Oberbegriff des Etwas aufgefaßt, das Etwas aber ihm gegenübergesetzt und in sich selbst zurück-genommen.

Die “Konstellation”, in der sich Adorno im Versuch verstrickt, sie dem totalitären Zugriff des identifizierenden Begriffs entgegenzustellen, erinnert daher an die “prämonetäre” Ebene der entfalteten oder totalen Wertform, innerhalb derer sich der Gebrauchswert noch in der Vielheit der anderen Gebrauchswerte ohne ein allgemeines Äquivalent darstellt. Doch Adornos Versuch, die abschlußhafte Aneignung des Begriffs durch die Konstellation zu unterlaufen, fällt wieder zurück in den infiniten Progreß, wo Etwas sich im schlecht unendlichen Verweis auf alles andere begründet, ohne im “wahren Eins”, dem Etwas als Geld auf den Begriff gebracht zu werden. Das einzelne, spezifische Dasein der Dinge scheint im verborgenen, verschütteten Selbst zu liegen, das für Geld und Begriff ein nicht-identisches, unerreichbares Anderes bleiben muß - für Adorno ist der Begriff nur erfüllt, wenn er seine Unvollständigkeit erkennt. Während bei Hegel der Begriff das An-sich-sein aus dem Sein-für-Anderes geholt hat, soll in Adornos Konstellationen der Begriff nur auf die Vielheit und Heterogenität der Sache verweisen und in ihrem Sein-für-Anderes zirkulieren.

Hier kündigt sich bei Adorno schon der Poststrukturalismus/Dekonstruktivismus (PD) an.
Und wenn Adorno das Etwas, mit dem er den bloßen Begriff des Seins an sein Substrat erinnern und die Hegelsche Entfaltung der Identitätslogik immer wieder blockieren will, schließlich doch unglaubwürdig wird, und er sieht, daß es keineswegs als verfolgte Unschuld präsentiert werden kann, so nicht, weil im einzelnen Etwas die Synthese mit seinem Anderen in einem zeitlos-logischen Sinne schon vollzogen ist, sondern weil vom Etwas nur unter den Bedingungen der totalen Herrschaft des Begriffs und vom geschichtlich und “real” schon vermittelten (also nur vom “beschädigten Leben” ) ausgehend gesprochen werden kann. Auch solche Kritik verzeitlicht die Logik, will nur an das Verlorene im Etwas erinnern, argumentiert wieder vom im Begriff scheinbar nicht Zu-Sich-Kommenden aus, in dem Adorno gerade nicht die negative Kraft des Zu-sich-kommens selber sieht, sondern nur die verlorene Unmittelbarkeit (und die verlorene Unschuld des Etwas).

So richtet Adorno in seiner Kritik der Identitätslogik das Etwas auf der Ebene einer logisch unhaltbaren, prämonetären Wertform ein, innerhalb derer das Etwas nicht durchs allgemeine Äquivalent (Geld) bestimmt ist, gleichwohl aber schon als einzelnes Etwas erfahrbar sein soll. Ihm scheinen seine Eigenschaften noch überlassen, und statt es durchs Allgemeine zu bedrängen, soll die Vermittlung durch das einzelne Etwas eingerichtet werden, statt über es.

Gleichgültigkeit und Methode

So wurde die bürgerliche Durchsetzungsgeschichte von der Kritischen Theorie als Verfallsgeschichte formuliert – im Gegensatz zum ML jedoch ohne positives Subjekt der Aufhebung. Im Gegensatz zum ML war mit der Kritischen Theorie kein revolutionäres Subjekt und kein neuer Staat mehr zu machen, sie fand in der Arbeit und im Proletariat keine entfremdeten Wesenskräfte der Gattung vor, die nur noch auf Befreiung und Aneignung warten. Die Kritische Theorie wollte vielmehr all das auflesen, was Aufstieg und Niedergang der bürgerlichen Gesellschaft an Unbesehenem und Unbenannten zurück und an Unbewußtem und Verdrängtem stehen ließ, was keinen Fürsprecher hatte oder nie verwirklicht wurde.

Doch so sehr Adorno dabei auf der Vorgängigkeit der gesellschaftlichen Konstitutionsbedingungen vor dem Bewußtsein und vor der Erfahrung beharrt, und so nah er das Nicht-Identische, das Unbewußte und das Metaphysische an die Objektivität der gesellschaftlichen Vermittlung hinterm Rücken der Akteure heranführt – er bestimmt diese Vorgängigkeit letztlich historisch wie logisch als das noch unvermittelte Objekt und als die unmittelbaren Bedingungen von Gesellschaft überhaupt. Auch Adornos negative Dialektik steht für das Grundproblem jeder materialistischen Wendung der Hegelschen Dialektik, diese nicht mehr “vor die Erschaffung der Welt” zu setzen und als konstitutive Kraft ihrer Erzeugung zu begreifen, sondern sie in die je konstituierte Gegenstandswelt einzusetzen und die dialektische Logik somit immer schon im geschichtlich-räumlichen Sinne zu verzeitlichen – daran ist schon Sohn-Rethel gescheitert -; ja die Dialektik aus der “Bewegung der Wirklichkeit” überhaupt erst abzuleiten, so daß der Widerspruch dann regelmäßig “in der Sache selbst zu liegen”, der Geist seinen eigenen Voraussetzungen entsprungen zu sein scheint usw. Die Hegelsche Dialektik wird so zu einer Dialektik je schon fertiger Subjekte und ihrer Gegenstände, die nur noch ihre Veränderung austragen kann, die nichts mehr erzeugt, sondern allenfalls abbildet, die im Status bloßer Wechselwirkung gehalten ist und hinter Kausalzusammenhänge nicht mehr zurückkommen kann. Die negative Dialektik muß so auf eine formimmanente Versöhnungsdialektik hinauslaufen, die Natur und Geist, Subjekt und Objekt, Begriff und Sache befrieden will, indem das Bewußtsein ihrer Differenz Wiedergutmachung am unterschlagenen Nicht-Identischen leistet.

Der “Taschenspielertrick”, der dem Idealismus vorgeworfen wird - die Dinge immer erst dialektisch anzuwenden, wenn sie gewaltsam angeeignet und in die Immanenz des Geistes entführt sind – geht weniger auf Hegel als auf seine anti-synthetische, subsumtionslogische Auslegung und materialistische Erdung zurück.1

Das Allgemeine jedenfalls ist sowenig identisch mit Vermittlung wie das Besondere dasjenige, was im Allgemeinen nicht aufgeht: Allgemeines und Besonderes, Tauschwert und Gebrauchswert, Staat und Subjekt sind je durch ein und dieselbe Vermittlung herausgesetzte Pole, über die sich die Vermittlung fortschreibt, indem sie je in ihren Polen verschwindet. In ihren Momenten schreibt sich die Methode gleichgültig fort, der Begriff kann sich als synthetisches Moment einschreiben und über sich hinausgelangen, der Diskurs kann sich verschieben, die Darstellungsweise kann sich als Existenzweise behaupten: jedem neuen Kind kann einfach ein neuer Name gegeben werden - die gesellschaftliche Formtotalität reformuliert sich, indem sie sich in verschiedenen Theorien bricht und jeweils zu allgemeiner Geltung drängt.

Ob als traditioneller ML, der von je konstituierter Daseinswelt und objektiver Gesetzmäßigkeit ausgeht, ob als Kritische Theorie, die von der positiven Daseinswelt nur insofern ausgehen will, als die Kritik sich gegen sie wenden soll, oder ob als Dekonstruktivismus, der alle Substantialität der Daseinswelt in Effekte eines selbstreferenziellen Spiels der Zeichen auflösen will – all diesen Versuchen, dem Gegenstand durch Theorie Geltung zukommen zu lassen, ist die gesellschaftliche Vermittlung immer schon in Gegenstand und Geltung übergegangen.

1 Die postmoderne Theorie beerbt die Kritische Theorie im subsumtionslogischen Verständnis von Logik, Dialektik, Kapital und Moderne, geht aber auf der Höhe entsubstanzialisierter Gesellschaftlichkeit von der Unhaltbarkeit von Subjekt und Objekt schon aus und macht die Entsubstanzialisierung der Erkenntnisinhalte zum eigentlichen Thema. Daher ist ihr die Scheinhaftigkeit des positiven Daseins nicht mehr Gegenstand der Kritik, und diese Scheinhaftigkeit ist auch nicht mehr die negative Wahrheit der Gesellschaft: die Scheinhaftigkeit ist die Wahrheit der Wahrheit. Negativer noch als die Kritische Theorie findet die postmoderne Theorie in den tausend Trümmern der Moderne, in denen keine essenzielle Eigentlichkeit mehr zu finden und aus denen keine Einheit mehr zu stiften ist, nur noch die Differenz, von der immer schon ausgegangen wird: Die Differenz ist konstitutiv überhaupt, aber sie bestimmt sich nicht, sie verweist, überträgt und verschiebt.
Das kritische Moment gegenüber dem selbstkonstitutiven Schein der Zirkulationssphäre und dem Geld-Nominalismus, die hier hypostasiert werden – immerhin Ausgangspunkt der Marxschen Werttheorie - geht allerdings verloren, und zwar in dem Maße, in dem die Dekonstruktion den Gegenstand der Dekonsturktion schon so unhinterfragt annehmen muß und der Prozeß der Verschiebung (das als Diskurs, Spiel der Zeichen etc. überschriebene Sein-für-Anderes) nun seinerseits ontologisiert wird.
 

Editorische Anmerkungen:

Der Text erschien in der karoshi  # 5 und ist eine Spiegelung von
www.realkaroshi.org/k5/6adorno.html