Die Zahlen lügen nicht

von
Dirk Fritzen
06/02
 

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Jetzt ist es raus! Deutschland wird Weltmeister. 8:0 gegen Saudi-Arabien, die ihrerseits in der Vorbereitung Senegal 3:2 geschlagen haben, die wiederum gegen die Welschen mit 1:0 die Oberhand behielten – macht also summa summarum 12:2 gegen den amtierenden Erzfeind Frankreich (gekürzt 6:1). Das kann sich sehen lassen, weshalb die üblichen Verdächtigen schon eifrig in der Stimmungstrommel rühren – zur Freude der autochthonen Bevölkerung. Beim kollektiven Chatten, Phonen und Voten ent- und beladen sich die kollektiven Sehnsüchte nach der Weltführerschaft im Gegen-den-Ball-Treten.

Ein zuletzt doch eher einsamer Aufsichtsrat von Schalke 04 wird mit Erleichterung feststellen, daß öffentliche und veröffentlichte Meinung endlich mal wieder übereinstimmen. Legionen von Cents werden im Juni 2002 vertelefoniert werden, mit dem schönen Nebeneffekt, daß sich der mündige Bürger in der Folge des Rechnungserhalts im Nach-WM-Monat wieder über die Standardsituationen der Vorbereitungszeit echauffieren kann: "Teuro", "0190-Betrüger" und den Sparschweindieb Ron Sommer. BILD dir deine Meinung. Vor soviel Dialektik kapituliert selbst das HKWM.

Noch schöner aber ist, daß die Frankreich-Rechnung gar nicht beglichen werden muß. Denn wo im abgelaufenen Jahrtausend lediglich das kleine Belgien im Weg stand, hat die Wertegemeinschaft FIFA nunmehr einen Spielplan gesetzt. Und in dem steht geschrieben: Frankreich allenfalls im Finale - und der Weg dorthin führt keinesfalls über Belgien! "Jeder Stoß ein Franzos'" (Toni Schumacher) – dazu wird es 2002 wohl kaum kommen.

Aufgrund ihres derzeitigen Leistungsvermögens ist es kaum vorstellbar, daß die heimischen Kicker das Endspiel erreichen werden, da wird auch das zu erwartende Fritz-Walter-Wetter wenig helfen. Aber während die DFB-Elf im Achtelfinale wahrscheinlich Paraguay oder Slowenien wird überstehen dürfen, um so die Standardendstation Viertelfinale zu erreichen, droht Frankreich der tableau-technische Super-GAU: schon im Achtelfinale möglicherweise Argentinien, im Viertelfinale eventuell Brasilien. In der Tat ein bemerkenswerter WM-Verlauf. In der einen Hälfte dürfen sich Mannschaften wie Deutschland, Italien und Kroatien durchwursteln, derweil sich die drei in der Weltrangliste führenden Teams auf der anderen Seite gegenseitig eliminieren. Und so kann sich Deutschland mit ein bißchen Glück bei einem frühzeitigen Ausscheiden des alten Sparringspartners über jegliche Selbstzweifel hinwegtrösten. Besser wird es gar nicht laufen können.

Editorische Anmerkungen:

Der Text ist eine Spiegelung von
http://www.ornament-und-verbrechen.de/tableau_10.html

Dazu gab es von Oliver am 10.6.2002 folgenden Hinweis:

ahoi

jetzt gucken ja alle fussball, jedenfalls so lange "unsere jungs" noch dabei sind. bei ornament & verbrechen gibt es ganz lustige kolumnen dazu, die solltet ihr euch mal zwecks möglicher übernahme anschauen, früher hattet ihr von denen ja öfter mal was.

grüsse
o