Sprachpflege und nationale Erweckung

von Henry Morgenthau und Arthur Harris

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In Zeiten, in denen ein Umweltminister für seine erste begrüßenswerte Aussage seit Amtsanritt - daß CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer nicht nur das Aussehen, sondern auch die Mentalität eines Skinheads habe - einen parteiübergreifenden Rüffel erhält und sich parallel dazu und ebenso parteiübergreifend PolitikerInnen quer durch die Republik zu ihrem Stolz auf die deutsche Nation bekennen, in solchen Zeiten vermag ein Uni-Seminar mit dem Titel "Die Anglisierung/ Amerikanisierung der deutschen Sprache als politologisches und politisches Problem" kaum zu verwundern. Nun ist das OSI sicher kein Ort, an dem überdurchschnittlich kritischer Geist zu Hause wäre, auch wenn dies von unterschiedlichen Seiten immer wieder gerne kolportiert wird, und doch überraschte das demonstrative Desinteresse, mit dem auch sich links Dünkende am Institut der Auseinandersetzung um das "Sprachpflegeseminar" begegneten. Gerade einmal 16 Leute rafften sich am Freitag den 25.5. auf, um mit einem Teach-In das genannte Seminar zu stören. Dies allein auf fehlende Informationen zurückführen zu wollen, kann angesichts von mehreren Flugblättern und einer öffentlichen Veranstaltung nicht recht überzeugen. Vielmehr scheint es am Thema des Seminars selbst zu liegen, daß Widerstand nicht recht aufkommen wollte.  Aufgrund der noch immer anhaltenden Auseinandersetzungen über ein Sprachpflege-Seminar am OSI:

"DEUTSCHSTUNDE: 
LIGHTKULTUR VS. LEITKULTUR?"

Vortrag und Diskussion zu Sprachpflege und Nationalismus
 
mit ALFRED SCHOBERT vom Duisburger Institut für Sprach- und
Sozialforschung (DISS)
Donnerstag, 21. Juni 2001 um 18 Uhr
Hörsaal 1b, Rost- und Silberlaube der FU-Berlin
(Habelschwerdter Allee 45, U-Bahnhof Dahlem Dorf)
powered by: bündnis.kritischer.studentInnen
supported by: Fachschaftsinitiative am Otto-Suhr-Institut

Ankündigungstext:

"Ich bin mit Ihnen vollkommen einig, daß der Widerstand gegen diesen sprachlichen Kotau, der uns zur us-amerikanischen Kolonie macht, nichts mit Nationalismus oder gar Chauvinismus zu tun hat. Dies gilt auch - allgemeiner gesagt - für unser Bekenntnis zu Deutschland als Kulturnation."
(Fritz Vilmar an Horst Hensel, in: MUT, Nr. 405, Mai 2001, S. 5)

Der Versuch, die deutsche Sprache vor fremden Einflüssen zu schützen, ist - zumal in Deutschland - immer auch zugleich der Wunsch, eine sich als homogen vorgestellte Kultur und Nation zu verteidigen. Sprachpflege ist ein nationalistischer Diskurs mit spezifischen Ein- und Ausschlüssen, ohne die Nation explizit zu erwähnen. Dies wird in Debatten der Neuen Rechten wie auch in der aktueller Tagespolitik deutlich. Auch am Otto-Suhr-Institut ist Sprachpflege ein Thema geworden. Im Seminar von Fritz Vilmar und Horst Hensel (HS 15165) wird die Abwehr des englischen und us-amerikanischen "Einflusses" zum Wohle der deutschen Sprache und Kultur eingeübt. Nach Bernd Rabehls rassistischem Ausfall 1998 ist dies innerhalb weniger Jahre bereits der zweite neurechte Vorfall am OSI. Die Thesen des Seminars sind nun schon viel zu lange am Institut diskutiert worden, anstatt sie kritisch einzuordnen. In unserer Veranstaltung soll daher der Zusammenhang von Sprachpflege und Nationalismus behandelt und seine gesellschaftliche Relevanz verdeutlicht werden.

Sprachpflege und ihr nationalistischer, ausgrenzender Inhalt scheint nicht als grundsätzlich kritikwürdig eingestuft zu werden und der offene Antiamerikanismus, der dem Seminar unterliegt, erfreut sich nicht erst seit den jüngsten Antiglobalisierungsprotesten großer Beliebtheit unter Linken (nicht zufällig hält sich auch Fritz Vilmar, Mitorganisator des Seminars, für einen Linken). Dieser Problemblindheit entgegenzuwirken und eine Diskussion darüber anzustoßen, ist Anliegen dieses Artikels.

Ein geplanter Programmpunkt bei der erwähnten Seminarsitzung war die Diskussion über die Einführung nationaler "Muttersprachgesetze". Anhand eines entsprechenden Entwurfs des "Vereins Deutscher Sprache" (VDS), dessen zweiter Vorsitzender, Horst Hensel, zugleich Seminarleiter ist, sollte diskutiert werden, wie man per gesetzlicher Regelung die Verwendung von nicht-deutschen Begrifflichkeiten aus dem öffentlichen Raum verbannen kann. Nun sind solche Sprachschutzgesetze überall ein autoritärer Eingriff in weite Teile des öffentlichen Lebens. Und das Beharren auf die Benutzung der nationalen Sprache in kommerziellen Bereichen kann offensichtlich keinen anderen Zweck als einen nationalen haben: Eine Werbung, die aufgrund ihrer Sprache von der Zielgruppe nicht verstanden wird, ist einfach schlechte Werbung und wird nicht lange ein Produkt zu bewerben haben; eine Radiosendung, die Musik spielt, die die Zuhörer nicht hören wollen, wird keine Quoten bringen und folglich abgesetzt usw. Geht es hier also nicht um einvernehmliche Kommunikation, bleibt von der Pflege der nationalen Sprache nicht viel mehr als das Nationale. Dieses Nationale jedoch hat weder historisch noch aktuell allerorten den gleichen Inhalt. So bedeutet nationale Sprachpflege in Frankreich immer auch den Bezug auf die Ideale der französischen Revolution. Die Bewahrung der französischen Sprache ist dort politisch-freiheitlich motiviert und vor allem gegen ethnisch-regionalistische Abspaltungsbewegungen gerichtet. In Polen bezieht sich Sprachpflege auf einen bewußt und künstlich geschöpften Nationalgedanken, der den polnischen Staat zur Voraussetzung hat. Zudem steht die Sprachpflege dort im Kontext der EU-Erweiterung und vor dem historischen Hintergrund des kolonialistisch motivierten Kulturkampfes Preußens bzw. Deutschlands Mitte des 19. Jahrhunderts. Selbstredend ist trotz dieser Hintergründe jeglicher Nationalismus als Ausgrenzungsbegründung kollektiver Zusammenhänge grundsätzlich zu kritisieren. Zu reflektieren ist jedoch auch, daß es innerhalb dieses Konzeptes bedeutende qualitative Unterschiede gibt.

Sprache als gemeinschaftsstiftendes Band

Daß die Herleitung der deutschen Nation eine besondere ist, weiß auch Horst Hensel. So verweist er in seinem Buch "Sprachverfall und kulturelle Selbstaufgabe" auf die nicht allzu neue Erkenntnis, daß - im Gegensatz zu allen anderen europäischen Sprachen - die deutsche Sprache älter ist als die Gemeinschaft der Deutsch-Sprechenden. Genau genommen entstand der Name der gemeinsamen Sprache etwa z.Zt. Karl des Großen (742-814), der Name für die Deutsch-Sprechenden dagegen ein- bis zweihundert Jahre später. Die deutsche Sprache war also - anders als im sonstigen Europa - grundlegend dafür, daß die Gemeinschaft der Deutschen überhaupt imaginiert werden konnte. Benedict Anderson hat dargelegt, welche besondere Rolle der Antisemit und Bibelübersetzer Martin Luther für die Imagination einer deutschen Gemeinschaft hatte. Durch die Verbreitung einer weit verständlichen Schriftsprache wurde die Vorstellung eines Zusammenhangs für große Teile der Bevölkerung überhaupt erst möglich. Kein gemeinsamer Herrscher, keine gemeinsame politische Idee, sondern einzig die Sprache verband die Deutschen zunächst. Daß diese daher geschützt und von Fremdwörtern rein gehalten werden müsse, um den Zusammenhalt zu bewahren, war schon im 17. Jahrhundert ein Thema deutscher Dichter und Denker. 
Auch der VDS sieht nationale Zusammenhänge über die Sprache definiert. "Europas Sprachen und Kulturen werden in zunehmendem Maße von angloamerikanischem Sprach- und Kulturgut beeinflußt. Das führt zum Identitätsverlust der betroffenen Völker und Volksgruppen. Besonders weit fortgeschritten ist diese Entwicklung in den deutschsprachigen Ländern." (Leitlinien des VDS). Hensel schreibt entsprechend: "Und wenn die eigene Sprache und Kultur aufgegeben wird? Die allmähliche Aufgabe der deutschen Sprache kann Ausdruck für die allmähliche Aufgabe als Volk sein." Interessant ist hierbei, wie selbstverständlich Sprache und Kultur ethnisch zusammengedacht werden. Eine Sprache zu sprechen, heißt demzufolge auch stets, bestimmte Werte und Normen zu vertreten.

Die deutsche Schicksalsgemeinschaft

Die deutsche Nationalmythenschreibung war darüber hinaus stets bestrebt, der gemeinsamen Sprache als verbindendes Moment eine festere Basis zu geben. Diese fand man in dem Phantasma einer gemeinsamen Abstammung - wahlweise von Adam und Eva oder von Noah als den ersten Deutsch-Sprechenden, später von den Griechen, Römern oder Ur-Germanen. Sprache und Rasse waren in der Konstruktion einer nationalen deutschen Identität eng miteinander verknüpft und sollten dies durch die Jahrhunderte auch bleiben. Dabei lag die Betonung mal mehr auf der Sprache, mal mehr auf der Rasse. Spätestens mit der Staatswerdung der Deutschen erhielten diese Ideologien ihre materielle Gewalt durch rassistische und antisemitische Ausgrenzungen, Diskriminierungen, Verfolgungen und Pogrome. Der Antisemitismus, der die Juden als die Antithese festschrieb, wurde zur einheitsstiftenden Ideologie. Vor diesem Hintergrund muß der Rückgriff Horst Hensels und des VDS auf die Kategorie eines wesenshaft bestimmten und über seine Geschichte schicksalshaft aneinandergebundenen "deutschen Volkes" mehr als befremden. Zumal dann, wenn dieses von der vermeintlichen Entstehung "ethnischer Inseln" und eines "Staats im Staate" (ein übrigens geradezu klassisch antisemitischer Topos) bedroht erscheint. Der Rekurs auf solche Kategorien kommt dabei nie ohne die Zurückweisung einer auf Konsequenzen drängenden kritischen Erinnerung an den Nationalsozialismus aus. Horst Hensel will in solcher Kritik jedenfalls nicht mehr als einen Ausdruck von "Sündenstolz" und Zeichen "negativer nationaler Identität" erkennen.
Selbstverständlich verwehren sich die Sprachschützer vom VDS gegen den Vorwurf, andere Sprachen und Kulturen herabsetzen zu wollen. Die Betonung, daß man gegen jene nichts habe, solange sie sich nicht mit der deutschen vermischen, soll vor dem Vorwurf des Rassismus schützen. Doch dieses Konzept der friedlichen Koexistenz des voneinander Getrennten ist nicht sonderlich neu: "Ethnopluralismus" nennt es die Neue Rechte, "Kulturalismus" verschiedene Rassismustheorien. Was im Gewande von Toleranz daherkommt, dient doch nur der Rechtfertigung von Ausschlussforderungen. Innerhalb solcher Konzeptionen gilt als Gefahr, wer sich nicht vollständig anpaßt und assimiliert (Stichwort "deutsche Leitkultur"). Im politischen Alltagsgeschäft scheint man sich zumindest schon soweit einig, daß wer die deutsche Sprache nicht beherrscht, als nicht tragbar gilt: "Wer staatliche Leistungen erhält und nicht an Sprachkursen teilnimmt, muss vielleicht mit einer Kürzung der Sozialhilfe rechnen." erklärte etwa kürzlich Rita Süßmuth, die Vorsitzende der Zuwanderungskommission der Bundesregierung. Was Sprache mit Sozialhilfe zu tun hat, könnte man sich fragen...

Schnöder Mammon und innere Werte

Wenn Horst Hensel und Fritz Vilmar die deutsche Sprache vor angloamerikanischen Einflüssen schützen wollen, dann tun sie dies nicht, weil sie sich darum sorgen, die hier lebenden Menschen könnten sich bald nicht mehr untereinander verstehen. Die "Verhunzung" des Deutschen durch die Präsenz diverser Anglizismen im Alltagssprachgebrauch ist ihnen beileibe kein einfaches Verständigungsproblem. Bereits in der Ankündigung zu ihrem Seminar im KVV taucht die Figur einer sich in der vermeintlichen "Anglisierung der deutschen Sprache" ausdrückenden Dominanz der USA auf. Von einem us-dominierten Globalisierungsprozeß etwa ist da die Rede, den es selbstredend zurückzudrängen gelte. Wirft man einen Blick in Horst Hensels Buch, so wird schnell deutlich, daß es sich bei seiner Sorge um die deutsche Sprache um ganz etwas anderes handelt, als um die nach allgemeiner Verständigungsfähigkeit. Dort wird die Zurückdrängung des Einflusses der deutschen Sprache in Kultur, Politik und Wissenschaft gegenüber den Zeiten vor den beiden Weltkriegen beklagt. Der Mangel an deutscher Hegemonie auf der Welt und die besondere Präsenz der USA ist ihm der eigentliche Ärger. Nicht von der Hand zu weisen, sei die häufig zu vernehmende Unmutsäußerung, wir lebten sprachlich und kulturell schon wie in einem besetzten Land.
Dabei seien gesellschaftliche Akteure im Spiel und es gehe um geldwerte Macht. Weder über die Akteure, noch darüber, warum es etwas besonders Ungewöhnliches oder Verachtenswerte sein sollte, in einer durchkapitalisierten Welt nach Geld und Macht zu streben, läßt sich Hensel weiter aus. Klar scheint nur: Der schnöde Mammon steht hinter dem Eindringen des Englischen in das deutsche Kulturerbe. Doch damit nicht genug. Auch die englische Sprache selbst drücke ihre Affinität zur reinen Kommerzialität aus. Am Begriff "Sex-Appeal" beispielsweise offenbare sich der Gegensatz zwischen Haben und Sein. Zitat Hensel: "Im allgemeinen nötigt uns die Verwendung von Wörtern, die das Haben dem Sein vorziehen, uns den äußeren Seiten des Gemeinten zuzuwenden. Sex-Appeal können wir nur haben, wenn wir es auf die Merkmale von Titelbild-Schönheiten beziehen. Sinnlich oder betörend können wir auch sein, wenn wir nicht so aussehen, wie die Damen und Herren im PLAYBOY." (Hervorh. i. Orig.). Der "grelle englische Ausdruck aus der Markthalle" verdränge hier die Vielschichtigkeit und den Tiefgang des deutschen Begriffs. Nun liegt dieser Argumentation ein billiger Trick zugrunde. Sex-Appeal kann man rein grammatikalisch nicht sein, sexy (als entsprechendes Adjektiv) hingegen schon. Sinnlichkeit wiederum kann man sehr wohl haben. Aber um Grammatik geht es hierbei auch gar nicht. Vielmehr soll kolportiert werden, den englischen Begrifflichkeiten gehe der tiefere, innere Wert einer Sache ab. An einem anderen Beispiel, das Hensel nicht erwähnt, das aber argumentativ auf seiner Linie liegt, läßt sich das verdeutlichen. So wird mitunter erklärt, daß der deutsche Begriff des Berufs eine Befriedigung an der Tätigkeit, eine Berufung, verkörpere. Demgegenüber sei der englische Begriff "Job" auf den reinen Gelderwerb gerichtet. Der emotional besetzte Beruf verkomme zur bloßen Funktion, dem Job eben. Während der Deutsche sich über seinen Beruf definiert, ist für den Amerikaner der "Job" bloß notwendiges Übel zum Gelderwerb. Zustimmend zitiert Hensel auch Wolfgang Bittner. Dieser kritisiere die damit einhergehende "aufgenötigte fremde Perspektive", mit der uns "die Mentalität eines anderen Lebensbereichs übergestülpt wird, noch dazu aus kommerzieller Berechnung". Nun gibt es sicherlich einiges an den beschriebenen Oberflächlichkeiten und der zugrundeliegenden Reduzierung von konkreten Menschen auf Verwertbarkeit zu kritisieren. Dies wären jedoch Aufgabe von Kapitalismuskritik im Allgemeinen und der Kritik an Kulturindustrie im Besonderen. Das aber ist Hensels Sache nicht. Vielmehr wird das, was Resultat kapitalistischer Vergesellschaftung ist, der amerikanischen Kultur angelastet, dessen positiver, nichtentfremdeter Gegenpol das Deutsche bildet.

Das antiamerikanische Ressentiment

Diese Argumentation steht in der langen Tradition des antiwestlichen und das heißt antiamerikanischen Diskurses insbesondere in Deutschland. Durchaus im Sinne Hensels formulierte bspw. Alfred Mechtersheimer, ehem. Kampfpilot bei der Bundeswehr, später dann Friedensforscher und grüner Politiker, 1991 auf dem Höhepunkt der Proteste gegen den 2. Golfkrieg durchaus stellvertretend für viele damals: "Die Herrschaft der USA droht sich zu verewigen, was direkte Folge des nationalen Verrats der verantwortungstragenden deutschen Politiker ist. Der Amerikanismus, die erfolgreiche Durchamerikanisierung der Welt, ist auch zu einer deutschen Krankheit geworden, die weniger den USA anzulasten ist, als denjenigen in allen Kontinenten, die sich nicht dagegen gewehrt haben, zum Beispiel die Deutschen, die mangels eigener politischer Identität keinen Widerstand entwickelt haben." Während des zweite Golfkrieges traten in der deutschen Friedensbewegung unverblümt antiamerikanische Ressentiments hervor. Die bereits von Hensel angedeutete Entgegensetzung von schnöden Mammom (= USA) und innerer Werte (= Deutschland) ist hier verpackt als der Gegensatz von profanem Machtinteresse und tieferer Moral. Den USA wird kalte Interessenspolitik zum Vorwurf gemacht, in einer Welt der Nationalstaaten ein ebenso unsinniger Vorwurf, wie der der Geldmacherei in einer kapitalistischen Gesellschaft.
Nun hat diese Form von Antiamerikanismus eine lange Tradition. Von der Neuen Linken wurde er antiimperialistisch verpackt und rationalisiert. Insbesondere in den 70er und 80er Jahren war die standardisierte Rede von den USA als "Feind der Menschheit" weit verbreitet, was nicht nur auf Deutschland beschränkt war. Allerdings handelte es sich dabei im deutschen Falle um eine spezifische Abspaltung der eigenen jüngsten Geschichte und ihre Projektion auf ein Anderes, an dem es dann bekämpft werden konnte. Zugleich rückte Deutschland, insbesondere in der Friedensbewegung der 80er Jahre, aber auch während des 2. Golfkrieges, in die Rolle des Opfers. Damit war die Linke anschlußfähig an das rechte Lamento über die BRD als amerikanisches Erzeugnis, das der deutschen Bevölkerung gegen ihren Willen aufgezwungen worden sei. Der Morgenthau-Plan habe Deutschland in einen Kartoffelacker verwandeln wollen und per Umerziehungspolitik wäre den Deutschen eine ihnen wesensfremde politische Kultur aufoktroyiert worden. 
Dabei ist Antiamerikanismus keine deutsche Erfindung, sondern europäischen Ursprungs. Allgemein gilt Amerika in diesem Weltbild als die europäische Gegenwelt. Sie ist der komplementäre Kontinent der abendländischen Zivilisation. Sie ist Projektionsfläche all jener Bilder und Metaphern, die der Entgegensetzung zu Europa entspringen. Momente, die der Moderne geschuldet sind und gehaßt werden, werden der Neuen Welt alleine angelastet. Die USA stehen dann für die kalte Rationalität von Geld, Zins, Kommerz und Börse, d.h. für das Geschäft und die Kurzlebigkeit. Anders als das gewachsene Europa mit seinen ordnungsstiftenden Traditionen und Werten seien die USA ein oberflächliches Konstrukt. Dieses Feindbild offenbart dabei unverkennbare Nähe zum modernen Antisemitismus, der in der ideologischen Spaltung zwischen der abstrakten und konkreten Dimension des Kapitalismus seinen Haß auf erstere lenkt und in den Juden personifiziert. Beim Antiamerikanismus, ebenso wie beim Antisemitismus handelt es sich somit um einen ideologisch überfrachteten Rationalisierungsversuch, unübersichtlich gewordene Lebenswirklichkeiten und Lebenswelten leichter zu bewältigen. Amerika ist deshalb auch nicht einfach fremd, im Sinne von unbekannt. Vielmehr ist es das Andere, im Sinne abgespaltener Teile der modernen Zivilisation.
Dies Ressentiment sitzt in Deutschland traditionell besonders tief, weil hier der Groll gegen die Moderne und den Westen besonders groß waren. Entscheidende Prägung erfuhr diese Ablehnung insbesondere durch die deutsche Romantik. Abgelehnt wurde die Vorherrschaft des Geldes, Materialismus und als abstrakt denunzierte Freiheiten. Insbesondere der Utilitarismus der Amerikaner wurde gescholten. Ihr Geschäftssinn, ihr juristischer Kontraktualismus und Pragmatismus stießen auf affektive Ablehnung, ähnlich den antifranzösischen Affekten zur Zeit der Befreiungskriege. Die USA als Inkarnation von als seelenlos, kalt, materialistisch und technizistisch apostrophierten Denk- und Lebensformen. Hinzu kommt selbstredend die besondere Schmach von zwei Weltkriegsniederlagen, an denen jeweils die Amerikaner kriegsentscheidenden Anteil hatten. Somit hat der Antiamerikanismus hierzulande nicht nur eine größere Tiefe, sondern auch eine spezifische aktuelle Dimension. Im allgemeinen Lamento über die US-Dominanz drückt sich nur der eigene Wunsch nach Größe aus.

Gegen nationale Erweckungsseminare

Amerikafeindlichkeit speist sich also, wie gezeigt wurde, aus vielerlei Quellen und stellt ein langlebiges Ressentiment, einen kulturellen Code, dar. "Sie mögen traditionellen Ursprungs sein und tief in das 19. Jahrhundert, unter Umständen in das 18. Jahrhundert zurückreichen und schlicht antimodern sein. Sie mögen sich politisch durch Erfahrungen mit Amerika im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg national aufladen oder sich von links her [...] gesellschaftskritisch rationalisiert haben. [...] Wie auch immer - angesichts komplexer Welt bedarf das verwirrte Bewußtsein Amerikas als alles beherrschende Macht, als Hort der Ränke und des Bösen. Solcher Manichäismus erleichtert zweifellos die Orientierung. Und so ist Antiamerikanismus eine weltanschauliche Reduktion von Komplexität." (Dan Diner)
Angesichts der historischen Differenz zwischen Europa und den USA und vor dem Hintergrund eines unter deutscher Dominanz erstarkenden Europas, das in Gegensatz zu den USA tritt, ist dem Antiamerikanismus als Weltanschauung und seiner Derivate, wie der Abwertung und Abwehr des Einflusses der englischen Sprache, konsequent entgegenzutreten. Die Pflege der deutschen Sprache geht zwingend einher mit der Restauration des deutschen Nationalismus. Noch geht es scheinbar nur um die Reinhaltung der Sprache. Doch die damit notwendig verbundene Abwertung der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Bezug auf völkische Kategorien beinhalten ein gefährliches Potenzial.

  • [Aufgrund von Verleumdungsklagen und Strafanzeige die Horst Hensel seinen KritikerInnen androht und insbesondere aufgrund anscheinend diverser Verbindungen Horst Hensels in die rechtsextreme Szene, können wir leider nur unter Pseudonymen veröffentlichen. /H.M. u. A.H.]

Editorialer Hinweis: Dieser Artikel ist ein Vor"abdruck" des gleichnamigen Artikela, der demnächst in der Fachschaftszeitung des Berliner Otto-Suhr-Instituts, der "agent provocateur" nr. 9 erscheinen wird.

Weitere Informationen zu den Auseinandersetzungen unter:
http://www.trend.partisan.net/trd0501/t150501.html

[1. Sabotageaufruf]
http://www.trend.partisan.net/trd0501/t390501.html

[2.+3. Sabotageaufruf]
http://www.meome.de/app/de/artcont_portal_news_article_jsp/71909.html
[Presserklärung zur Sabotage]

Oder direkt beim
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