http://www.pds-online.de/programmentwurf/stellungnahmen/0105/kpf.htm
 

Programm der PDS - Stellungnahmen zum Entwurf

Die PDS ist in Gefahr 


Erklärung des Bundessprecherrates der Kommunistischen Plattform der PDS

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Kernpunkt der Auseinandersetzungen um den weiteren Weg und die Zukunft der PDS ist die programmatische Frage geworden. Das geltende Programm von 1993 ist nicht frei von notwendigen Kompromissen, wie es in einer pluralen Partei kaum anders sein kann. Sein Grundcharakter ist allerdings deutlich antikapitalistisch. So etwa die Aussage zum Eigentum: "Bei allen Meinungsverschiedenheiten gehen wir gemeinsam davon aus, daß die Dominanz des privatkapitalistischen Eigentums überwunden werden muß ... Unterschiedliche Auffassungen bestehen hinsichtlich der Frage, ob die reale Vergesellschaftung von Eigentum primär durch die Vergesellschaftung der Verfügung über das Eigentum erreichbar ist oder ob der Umwandlung in Gemeineigentum, insbesondere in gesamtgesellschaftliches Eigentum, die bestimmende Rolle zukommen muß." Folgerichtig haben in der PDS "... sowohl Menschen einen Platz, die der kapitalistischen Gesellschaft Widerstand entgegensetzen wollen und die gegebenen Verhältnisse fundamental ablehnen, als auch jene, die ihren Widerstand damit verbinden, die gegebenen Verhältnisse positiv zu verändern und schrittweise zu überwinden."

Im von Dieter Klein sowie André und Michael Brie vorgelegten neuen Programmentwurf wird der Programmkonsens aufgehoben. Der Sozialismus wird nicht mehr aus den objektiven Gegebenheiten und Tendenzen der Gegenwart abgeleitet, sondern aus subjektiv gesetzten Werten. Indem man "Unternehmertum" und "Gewinninteresse" pauschal zu "wichtigen Bedingungen für Innovation und Effizienz" erklärt, wird die im Folgesatz formulierte Ansicht, daß die gesamtgesellschaftliche Dominanz von Profitiz mit unseren Gerechtigkeitsvorstellungen unvereinbar sei, weitgehend entwertet. Das Lippenbekenntnis "Wir wollen eine Marktwirtschaft, aber keine Marktgesellschaft" haben auch Schröder und Blair in ihrem berühmten Modernisierungs-Papier abgegeben. Die Crux ist aber: Wenn das Profitstreben von Daimler, Siemens und Allianz auf Unternehmensebene ausdrücklich legitimiert wird, sind faktisch nur noch solche gesetzlichen Regulierungen vertretbar, die diesem Streben hinreichend Spielraum lassen. Es wird also nicht nur das Ziel einer Überwindung kapitalistischer Verhältnisse aufgegeben; selbst dem reformerischen Ringen um soziale Rechte werden inakzeptable Grenzen gesetzt. Der gewesene sozialistische Versuch wird beinahe ausschließlich von seinem Ende her bewertet. André Brie sprach in seinem Statement zur Vorstellung des Programmentwurfs von einem "vollständig fehlgeschlagenen Gesellschaftsversuch." Dieser Umgang mit dem sozialistischen Versuch provoziert förmlich die im Klein/Brie-Entwurf vertretene Auffassung, die Vergesellschaftung der Verfügung über das Eigentum sei der einzig akzeptable Weg. Folgerichtig sucht man auch vergebens die oben zitierte Passage, daß Menschen mit unterschiedlichen Positionen ihren Platz in der PDS haben.

Die Verfahrensweise in der bisherigen Programmdebatte ist bekannt. Eine Analyse des 93er Programms, welche Aussagen noch gültig und zutreffend sind und was neu formuliert werden müßte, hat nicht stattgefunden. Damit fehlt eigentlich die Entscheidungsgrundlage dafür, ob das 93er Programm zu überarbeiten ist oder die Partei ein neues benötigt. Vorgelegt wurde einfach der Entwurf eines neuen Parteiprogramms. Darüber täuschen auch die wenigen, aus dem geltenden Programm übernommenen Sätze nicht hinweg. Der Beschluß des Parteivorstandes vom Januar diesen Jahres, zunächst bis zum Dresdner Parteitag Grundlinien zu diskutieren, wurde ignoriert. Eine bis zum Tag der Veröffentlichung unbekannte Gruppe um Dieter Klein formulierte hinter den Kulissen den Entwurf.

Eine Woche später legte die Autorengruppe Balzer/Menzner/Lieberam/Wolf einen Alternativentwurf vor, der uneingeschränkt antikapitalistisch ist.

Seit Jahresbeginn verdichten sich die Anzeichen dafür, daß die PDS noch vor den Bundestagswahlen 2002 programmatisch neu festgelegt werden soll. Zwar ist nicht damit zu rechnen, daß bereits in Dresden ein Entwurf zum neuen Programm der PDS erhoben wird. Das Signal einer Verabschiedung vom geltenden Programm ginge allerdings auch von einer Entscheidung aus, die den Klein/Brie-Entwurf zur richtungsbestimmenden Grundlage der weiteren Programmdebatte erklären würde. Und dies (abzüglich Sommerloch) nach weniger als drei Monaten realer Diskussionszeit.

Wer in solcher Art und Weise einen Richtungswechsel erzwingen will, macht nicht nur den Wiedereinzug in den Bundestag höchst unwahrscheinlich, sondern bedroht die Existenz der Partei. Die Gefahr der Selbstzerstörung ist real. Und es gibt Verantwortliche für diese Situation. Es sind jene, die der PDS-Mitgliedschaft ein Ankommen in der bestehenden Gesellschaft aufzwingen wollen, welches mit den antikapitalistischen Positionen vieler nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Es sind jene, die uns ein Verhältnis zur sozialistischen Vergangenheit aufzwingen wollen, das von den Bewertungsmustern der heute Herrschenden geprägt ist. Die Empörung darüber, daß die Entschuldigung des Sonderparteitages vom Herbst 1989 neuerdings auch "die Vereinigung von KPD und SPD einschließen" sollte, hat die Tiefe dieses Konflikts rigoros verdeutlicht. Verantwortlich für die Situation sind jene, denen eine nach Maßstäben der SPD definierte Koalitionsfähigkeit zum entscheidenden Kriterium von PDS-Politik geworden ist. Wozu dies führen kann, hat Ringstorffs Abstimmungsverhalten in der Rentenfrage verdeutlicht.

Wir wollen, daß die PDS ihrer hohen Verantwortung als sozialistische, antikapitalistische Partei in Deutschland auch zukünftig gerecht werden kann. Daher rufen wir in dieser Situation zur Vernunft! Eine Richtungsentscheidung zugunsten eines Programmentwurfes auf dem Dresdner Parteitag muß verhindert werden. Die Unterzeichnenden dieses Aufrufs werden nichts tun, was einer solchen Entscheidung Vorschub leistet. Wir wollen keine weitere Polarisierung. Wir bitten für folgende Forderungen um breitestmögliche Unterstützung.

  1. Der Parteitag in Dresden faßt keinen, wie auch immer gearteten Beschluß zugunsten eines Entwurfes als Grundlage der weiteren Programmdebatte.
  2. Der Wahlkampf erfolgt auf der Basis des geltenden Programms und des noch zu erarbeitenden Wahlprogramms.
  3. Ausgehend von diesen Prämissen beschließt der Dresdner Parteitag, wie vorgesehen, die Zeitleiste für die weitere Programmdiskussion. Die Gefahr, daß die PDS im Wahlkampf in programmatische Zerreißproben getrieben wird, muß abgewandt werden. Zugleich darf jenen, die einen programmatischen Richtungswechsel verhindern wollen, keine Stillhalteposition aufgezwungen werden.
Berlin, 15. Mai 2001