Stadtumbau & Stadtteilkämpfe

Berlin-Neukölln
Corona und die Bedrohung unserer Räume

von
Hausgemeinschaft WildeWeser u.a.

05/2020

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onlinezeitung

Wir alle wurden überrascht von den massiven Auswirkungen der Corona-Pandemie: Quarantäne, #stayathome, physical distancing, Schließung aller Orte, an denen Menschen zusammenkommen. Durch das Fehlen dieser Begegnungsorte wird uns viel deutlicher als bisher bewusst, welche wichtige Funktion Cafés, Bars, Clubs und anderen Projekte für unser Leben haben. Gerade linke/alternative Orte existieren fast ausnahmslos prekär und sind durch die Corona-Auswirkungen noch mehr in ihrer Existenz bedroht als schon zuvor.

Das k-fetisch befindet sich, ebenso wie viele anderen Projekte und Kollektive, nun gleich in einer doppelten Krisensituation: Zum Einen führt die Corona bedingte Schließung zu fehlenden Einnahmen, zum Anderen läuft der Mietvertrag des k-fetisch im Oktober 2021 aus. Alle bisherigen Anstrengungen des Kollektivs, mit der Immobilienfirma Akelius eine finanzierbare Vertragsverlängerung auszuhandeln, waren erfolglos. Nicht nur die Gegenwart, sondern auch die nähere Zukunft des Cafés ist deswegen unsicher. Daher ist für uns jetzt der Zeitpunkt gekommen, für den Erhalt des k-fetisch zu kämpfen und um solidarische Hilfe und Unterstützung zu bitten.

Es geht um mehr als nur um guten Kaffee

Die Fragen danach, wie wir leben, wohnen und arbeiten wollen bzw. können haben sich durch die Corona-Krise zugespitzt. Schon seit längerer Zeit nehmen die Kämpfe um bezahlbaren Lebensraum an allen Ecken und Enden der Stadt zu. Gleichzeitig wird uns durch die Auswirkungen von Corona deutlich vor Augen geführt, wie wichtig kollektives Verständnis und solidarische Nachbarschaften sind. Diese werden allerdings durch die Profitmaximierung mit Wohn- und Gewerberaum und die dadurch steigenden Mieten in ihrer Existenz bedroht.

Vor 8 Jahren eröffnete das Kollektivcafé k-fetisch: Guter Kaffee in gemütlicher Atmosphäre wird mit dem Ziel verbunden, einen politischen Ort zu schaffen, an dem sich möglichst viele wohlfühlen, an dem sich Nachbarschaft und links/alternativ denkende Menschen treffen und ins Gespräch kommen können. Bücherreihen und Diskussionsveranstaltungen bereichern das Angebot, um sich mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Ohne Konsumzwang, mit günstigen Preisen und Sensibilität für Diskriminierungsverhältnisse soll eine breite Offenheit ermöglicht werden.

Kollektiv arbeiten und leben

Die Lohnarbeit wird im k-fetisch kollektiv, also ohne Chef*in organisiert. Es besteht eine solidarische Ökonomie, welche die Bedürfnisse der Einzelnen zum Maßstab hat. Gleichzeitig ist es kaum möglich, aus den Mechanismen der Marktlogik des kapitalistischen Systems auszubrechen. In diesem Widerspruch bewegt sich das Arbeiten im Kollektiv. Deshalb ist auch der Austausch mit anderen Projekten, die ebenfalls nach Alternativen zu kapitalistischer Verwertungslogik suchen und mit dieser Problematik konfrontiert sind, für das Kollektiv sehr wichtig. Das k-fetisch schafft einen Ort des aktiven Austauschs und der Kollektivität auch unter den Besucher*innen.

Jeden Tag treffen sich im k-fetisch unterschiedlichste Leute: Nachbar*innen, links/alternativ denkende Menschen, Queers, Hipsters, Touris, politische Gruppen, Refugees, Bettler*innen, Jung und Alt. Alle sollen sich wohlfühlen können. Damit diese Offenheit gelingt, müssen Grenzen wahrgenommen und respektiert werden. Das ist weder selbstverständlich noch einfach: In diesem gesellschaftlichen Spannungsverhältnis sind alle herausgefordert zu lernen, miteinander respektvoll und aufmerksam umzugehen. Das suchen und schätzen viele Menschen, die sich regelmäßig im k-fetisch begegnen, miteinander austauschen und sich gegenseitig inspirieren.

Die Häuser denen die sie nutzen

Wie viele andere Häuser in Berlin, wurde auch das Haus, in dem sich das k-fetisch befindet Mitte 2019 verkauft. Es ging per Share-Deal in das Eigentum der Immobilienfirma Akelius über, wodurch das Vorkaufsrecht des Bezirks sowie gesetzlich vorgeschriebene Rücksichten auf den Milieuschutz umgangen wurden. Dadurch wächst bei den Bewohnern die Sorge um Mieterhöhungen und Verdrängung der bisherigen Hausgemeinschaft. Zunehmend kritische Berichte in der Presse über die fragwürdigen Geschäftspraktiken von Akelius und ihrem Umgang mit Mieter*innen bestätigen diese Befürchtungen genauso wie die Beobachtung, dass seit dem Verkauf des Hauses grundlegende Instandsetzungen bei Mieter*innen im Haus nicht oder erst nach mehrmaliger Aufforderung vorgenommen werden. Die sich seit Jahren im Haus befindliche Bürogemeinschaft musste direkt nach dem Eigentümerwechsel ausziehen, weil sie die höhere Miete für eine Mietvertragsverlängerung nicht mehr bezahlen konnte. Das sind für die Gewerbetreibenden und die Mieter*innen im Haus gleichermaßen existentiell bedrohliche Zustände. Doch es existiert glücklicherweise eine lebendige, über viele Jahre gewachsene Hausgemeinschaft, die sich gegenseitig unterstützt und jetzt noch fester zusammenschließt.

Solidarische Nachbarschaften

In den letzten Jahren hat sich die Nachbarschaft um das k-fetisch herum – genauso wie in vielen anderen Teilen der Stadt – stark verändert. Immer mehr Galerien, Cafés, Kinos, Co-Working-Spaces eröffnen. Der Kiez wurde dadurch zunehmend für Tourist*innen zu einem wichtigen Anziehungspunkt und zu einem Teil der Berliner alternativen Szene. Auch viele Bewohner*innen des Kiezes schätzen das vielseitige und wachsende Veranstaltungsangebot, die neuen Lebensformen und Läden. Allerdings machen diese Veränderungen den Kiez auch für das Profitinteresse von Immobilienfirmen attraktiver: Die bis vor kurzem noch bezahlbaren Mieten steigen auch hier kontinuierlich an. Damit sind nicht nur die einzelnen Mieter*innen und Gewerbetreibenden bedroht, sondern auch die gewachsene Gemeinschaft im Kiez. Das k-fetisch als Café im Kiez ist Teil dieser Veränderung, lebt von ihr und treibt sie weiter an. Gleichzeitig ist es aber auch ein Knotenpunkt für solidarische und politische Netzwerke. Innerhalb dieses Spannungsfeldes versucht das Kollektivcafé Verantwortung zu übernehmen, sich zusammen mit der Hausgemeinschaft zu engagieren und für die gemeinsamen Vorstellungen einer solidarischen Stadt zu kämpfen.

Gemeinsam Kämpfen für ein besseres Leben

In Zeiten einer zunehmend autoritären Gesellschaft, eines Erstarkens von rechten Parteien und Vorstellungen und einer zunehmenden Bedrohung durch die Gewalt von Nazis, sind Orte, in denen Gegenentwürfe gedacht und zu leben versucht werden, umso bedeutsamer. In Zeiten, in denen immer mehr linke/alternative Räume schließen müssen, ist es umso wichtiger, zu erhalten was uns noch bleibt. Und gleichzeitig werden wir nicht aufgeben, sondern weiter Orte erschaffen, in denen wir unsere Werte leben und verteidigen. Wir brauchen Orte für unseren Widerstand. Deswegen kämpfen wir darum, das k-fetisch genau dort zu erhalten, wo wir es lieben, nämlich in unserem Haus, in unserer Nachbarschaft, in unserem Kiez.

Im k-fetisch spiegeln sich gesellschaftliche Konflikte und Herausforderungen und es steht für den Versuch, diese nicht zu unterdrücken, sondern zu bewältigen. Bedroht ist nicht nur ein Laden mit leckerem und günstigem Kaffee, sondern unsere Lebensqualität und unsere Ideen von einem besseren Leben. Das k-fetisch ist ein Versuch, etwas zu einem guten Leben für alle beizutragen und eine Veränderung in diese Richtung vorstellbar zu machen, ein Ort zum Ausprobieren, zum kollektiv Lernen und Weiterentwickeln – dafür setzen wir uns ein und dafür werden wir kämpfen.

Wir laden alle ein, sich zu beteiligen. Denn nur gemeinsam erreichen wir diese Ziele. Bringt euch ein, schließt euch zusammen, lasst uns vernetzen, austauschen und miteinander für den Erhalt unserer Orte und unserer solidarischen Nachbarschaften kämpfen.

Wir stehen an der Seite von allen bedrohten Mieter*innen und linken/alternativen Projekten.

Kollektiv leben und kämpfen!

Für eine Zukunft mit k-fetisch und in solidarischen Nachbarschaften!

Hausgemeinschaft WildeWeser, Nachbar*innen, Freund*innen und Kollektivistas des k-fetisch

Quelle: https://zukunftmitkfetisch.noblogs.org/