Das war der [rev.] 1. Mai 2016: Berichte und Stellungnahmen

1. Mai-Kundgebungen im Zeichen wachsender Politisierung
Kurzberichte bundesweit und international

Verfasst von Rote Fahne News  am 01 und 2.05.2016

05/2016

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Weltweit stand der 1. Mai als internationaler Kampftag der Arbeiterklasse im Zeichen der wachsenden Kritik am Kapitalismus und der Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative. Die Mitgliedsorganisationen der revolutionären Weltorganisationen ICOR warben wie die MLPD in Deutschland für die revolutionäre Perspektive des Sozialismus.

In der Türkei ließ die Erdogan-Regierung bereits seit Mitternacht die ganze Umgebung des Istanbuler Taksim-Platzes abriegeln, um ein Verbot der dort geplanten Kundgebung zum 1. Mai durchzusetzen. Doch die Arbeiter ließen sich ihren Kampftag nicht nehmen. Rund 50.000 kamen zur offiziellen Kundgebung der Gewerkschaftsverbänden, tausende versuchten, auf den Taksim-Platz zu gelangen. Es wurden 25.000 Polizisten eingesetzt, die mit Tränengas gegen sie vorgingen. Ein 57-jähriger Demonstrant wurde von einem Wasserwerfer überrollt.

In Bangladesch, Russland und Indonesien beteiligten sich Hundertausende an Demonstrationen. In Argentinien gingen Hunderttausende in Buenos Aires gegen die neue Regierung auf die Straße. In Griechenland werden seit 48 Stunden die Straßenbahn und die Züge bestreikt. Große Demonstrationen gab es in Athen und weiteren Städte gegen den Ausverkauf staatlicher Unternehmen durch die Tsipras-Regierung statt. In Italien wurde Ministerpräsident Mateo Renzi in Pisa mit Steinen und Gemüse empfangen.

Tausende Menschen gingen auch in Südkorea auf die Straße, sogar in Saudi-Arabien gab es Proteste. Die "Saudi Bin Laden Group" hatte gestern mit der Begründung des Preisölverfalls 50.000 Arbeiter entlassen. Hunderte von ihnen belagern das Büro und fordern ihre Löhne, die sie seit vier Monaten nicht erhalten. Über den 1. Mai auf den Philippinen berichtet ein Korrespondent: "Der Vorsitzende der Gewerkschaft 'Bewegung des 1. Mai' (KMU), Elmer Labog, erklärte, dass der 1. Mai engstens mit dem Kampf um den Acht-Stunden-Tag, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhnen verbunden ist. Daher gedenkt die Gewerkschaft KMU am 1. Mai an alle Opfer der kapitalistischen Ausbeutung. Dieses Jahr besonders den 72 Arbeitern der Schuhfabrik Kentex in Valenzuela City, die am 13. Mai 2015 durch einen Brand ihr Leben verloren. Es war die schwerste Katastrophe dieser Art in einer philippinischen Fabrik. Fast ein Jahr nach dem Brand wurde immer noch keiner für diesen Brand zur Rechenschaft gezogen, weder in der Firma, noch in der Regierung und den Behörden."

In Deutschland beteiligten sich nach Angaben des DGB bundesweit rund 390.000 Menschen an mehr als 500 Demonstrationen, Kundgebungen und Veranstaltungen. Etwas weniger als im letzten Jahr, wo es 402.000 Teilnehmer an 470 Aktionen waren. In verschiedenen Städten war auffällig, dass in Betrieben und Einzelgewerkschaften teilweise eher zurückhaltend mobilisiert wurde.

Fast überall wächst aber die Zahl der teilnehmenden Jugendlichen, die meist fantasievoll gemeinsam mit gewerkschaftlichen Jugendgruppen auftraten. Die verschiedensten Migrantenorganisationen aus der Türkei, Kurdistan, dem Iran usw. demonstrierten mit, teilweise in eigenen Blocks mit vielen roten Fahnen. Auch die Tendenz, dass immer mehr kämpferische Gewerkschafterinnen das Bild bestimmen, setzt sich fort.

Der diesjährige 1. Mai stand dabei auch im Zeichen mehrerer Tarifauseinandersetzungen. Viele Metaller trugen ihre Forderungen auf Schildern und Transparenten. Auf einem Schild von Kölner Ford-Arbeitern stand: "Nehmt euch in Acht. Wir sind streibereit für 5 Prozent!" Kontrovers wurde in den Diskussionen das jüngste Verhandlungsergebnis für den Öffentlichen Dienst beurteilt. Kritik gab es vor allem daran, dass die ver.di-Führung nach den ersten erfolgreichen Warnstreikaktionen auf den vollen Einsatz der gewerkschaftlichen Kampfkraft verzichtet hatte.

Die Auseinandersetzung um die Krise der bürgerlichen Flüchtlingspolitik politisierte den 1. Mai in besonderem Maße. Die reaktionären Maßnahmen der Bundesregierung mit der Verschärfung des Asylrechtes und der Deal mit der Erdogan-Regierung standen vielfach in der Kritik. Aus Husum berichtet eine Korrespondentin: "Der Programmentwurf der AfD wurde von Rednern unter großem Applaus in der Luft zerrissen, Teilzeitarbeit als Einbahnstraße angeprangert, ebenso die Tatsache, dass in Deutschland noch immer eine weibliche Arbeitskraft im Durchschnitt 20 Prozent weniger Lohn als ein Mann erhält. Weitere Themen waren die Tarifrunde, TTIP und die Kundgebung der NPD in Schwerin vor dem DGB-Kreishaus. ... Der 1. Mai gehört den Werktätigen, ist unser Feiertag, nicht etwa der der Rechten und Rechtspopulisten!"

MLPD und REBELL beteiligten sich unter dem Motto "Internationale Arbeitereinheit – für Arbeit, Frieden, Umwelt – echten Sozialismus". An vielen Orten traten sie gemeinsam mit Migrantenorganisationen auf. Die MLPD ließ sich auch durch Verbote durch örtliche DGB-Führungen (wie unter anderem in Gelsenkirchen, Bottrop, Bamberg, Nürnberg, München, Duisburg, Hagen, Bochum, Dresden, Lübeck) nicht davon abhalten, am 1. Mai ihre Stände aufzubauen und durchzuführen. Sie erhielt dafür breite Unterstützung von zahlreichen Teilnehmern und setzte ihre Stände überall (in Bremen schon im Vorfeld) durch.

In Solingen konnten zwei "Rebellen" für das überparteiliche Kommunalwahlbündnis "Solingen aktiv" sprechen. In ihrer Rede, die viel Beifall erhielt, sagten sie unter anderem: "Reichtum gibt es genug auf der Erde. Die Frage ist nur, wer ihn besitzt. Uns ist nur eins klargeworden. Dass die, die ihn besitzen, kein Interesse haben, dass sich auch nur das Geringste daran ändert. Uns ist klar geworden, ... dass man eine befreite Gesellschaft nur erkämpfen kann, wenn man selber die Zukunft in die Hände nimmt. Darum arbeiten wir bei 'Solingen aktiv' mit und darum sind wir heute am 1. Mai aktiv. ... Wir bereiten ein Rebellisches Musikfestival an Pfingsten in Thüringen vor. Das wird nun massiv von Faschisten bedroht. Aber bei uns ist die Losung 'Kein Fußbreit den Faschisten' auch so gemeint. Deshalb fordern wir euch alle auf: Demonstriert am 7. Mai gegen das Faschistenfestival in Thüringen mit! Kommt am 13. bis 15. Mai mit zum Rebellischen Musikfestival, das antifaschistisch und internationalistisch in der Flüchtlingssolidarität ist!"

Die Werbung für dieses Festival stieß überall, vor allem bei Jugendlichen, Migranten und Flüchtlingen auf großes Interesse. Das "Rote Fahne"-Magazin zum Sozialismus traf die Stimmung unter den Mai-Demonstranten und wurde gut verkauft. Im Mittelpunkt vieler Diskussionen standen die gesellschaftliche Alternative des Sozialismus und die Rolle der MLPD sowie die Kritik an den Klassenzusammenarbeitspolitik. Entsprechend stießen die neue VW-Broschüre und die grundsätzliche Literatur der MLPD insgesamt auf wachsenden Interesse.

In mehreren Städten wie unter anderem in Bochum und Stuttgart gab es energische Demonstrationen gegen Faschisten, die den 1. Mai für ihre soziale Demagogie nutzen wollten, aber auch den AfD-Parteitag. Hier ein Überblick über erste eingegangene Berichte aus den Orten:

In Dortmund nahmen ca. 1.500 Teilnehmer an der 1.-Mai-Demonstration des DGB teil. Es gab einen extra Jugendblock und viele Flüchtlinge waren dabei. MLPD-Mitglieder und Rebellen sammelten Unterschriften gegen das Faschistenkonzert am 7. Mai in Hildburghausen und den Faschistenaufmarsch am 4. Juni in Dortmund. Anschließend begann bei angenehmen Sonnenwetter im Westfalenpark die gemeinsame Mai-Feier von MLPD und REBELL unter freiem Himmel.

Als die Demo in Düsseldorf um 11 Uhr loszog, wurde es ein langer, bunter und sehr politischer Demozug, politischer als die Jahre zuvor. Über 1.500 Teilnehmer zogen schließlich durch die Stadt, angefeuert von einem Lautsprecher- und Musik-LKW der Gewerkschaftsjugend. Selbstverständlicher Bestandteil auch die MLPD mit ihrem Transparent, dem offenen Mikrofon und ihrer revolutionären Literatur. Die ROTFÜCHSE  eroberten die Herzen der Demoteilnehmer, wenn sie auf ihren Rollern zwischen den Demostranten umhersausten und selbstgebackene Muffins verkauften. Am Abend zuvor hatte bereits eine gemeinsame Vor-Mai-Feier des MLPD-Kreisverbands und des kurdischen Vereins Navenda Kurda stattgefunden.

Auf der Eröffnung des 1. Mai in Gelsenkirchen durch eine Kundgebung der kämpferischen Opposition mit ca. 150 Teilnehmern sprachen Kolleginnen und Kollegen von ver.di, IG Metall, der Umweltgewerkschaft, der MLPD, REBELL, Courage und AUF Gelsenkirchen. Besonders betont wurde der antifaschistische Kampf und die Solidarität mit Flüchtlingen. So ein Redner: "Warum soll ein Mensch aus dem Sudan oder aus Syrien ein Mensch zweiter oder dritter Klasse sein? Diese Spaltung der Arbeiterklasse hat nur einen Sinn: Die Löhne zu drücken und die Arbeiterbewegung zu spalten. Es ist heute wichtiger denn je zu sagen: Proletarier aller Länder vereinigt euch. Proletarier und Unterdrückte aller Länder vereinigt euch!"

In München waren rund 2.000 Kolleginnen und Kollegen bei der Demonstration dabei. Eine Ordnerin konnte sich mit ihren Versuchen, das offene Mikrofon der MLPD zu behindern, nicht durchsetzen. Auch der Stand am Kundgebungsplatz wurde durchgesetzt, obwohl er aus antikommunistischen Motiven verboten worden war.

Etwa 4.000 Menschen demonstrierten in Stuttgart. Viele Migratenorganisationen aus der Türkei, Griechenland, Sri Lanka, Kurdistan oder Italien sorgten zusammen mit den Kollegen von Daimler, Bosch oder ver.di für einen wahrlich internationalen Kampftag.

In Köln ergriffen während der Demonstration am offenen Mikrofon viele internationale Teilnehmer das Wort. Kollegen sprachen zur Tarifrunde, drückten ihre Solidarität mit den Flüchtlingen aus und betonten, dass der 1. Mai der internationale Kampftag der Arbeiterklasse ist. Die Teilnahme von MLPD und REBELL war nicht unumstritten. IGM-Ordner versuchten zu Beginn, sie abzudrängen - was aber nicht gelang und auch von anderen Gewerkschaftern kritisiert wurde.

Ca. 500 Kolleginnen und Kollegen beteiligten sich an der Mai-Demonstration des DGB in Karlsruhe. Kurdische Organisationen, der REBELL und die MLPD sorgten mit Kurzreden, Parolen und Liedern der Arbeiterbewegung für eine kämpferische Stimmung. Nachdem der DGB in den Jahren 2012 bis 2014 versucht hatte, den Stand der MLPD am 1. Mai zu verbieten, wurde die MLPD dieses Jahr wie schon 2015 vom DGB eingeladen und bekam ohne Probleme die Standgenehmigung.

Nachdem in Augsburg der DGB-Vorsitzende letztes Jahr vergeblich versucht hatte, das Offene Mikrofon zu verhindern, ersparte er sich diesmal gleich jeden Versuch dazu. Dafür wollte die Polizei das Verteilen des Flyers zum Rebellischen Musikfestival verbieten, weil es "thematisch" nicht zu dieser Versammlung passe. Nach Protesten und Verhandlungen machte sie schließlich einen Rückzieher. 

In Heilbronn machten Automobilarbeiter mit der neu erschienenen Broschüre "Aus einer Fackel werden Tausende – wir tragen sie in die Welt!" Werbung für den internationalen Zusammenschluss der Automobilarbeiter. Die meisten waren mit der VW-Broschüre einig, dass die VW-Krise nicht auf Kosten der Arbeiter und Massen ausgetragen werden darf. Die Meinung "da müsste man schon was machen, aber man bekommt sowieso keine Leute zusammen", ist dabei für viele noch ein Hindernis, aktiv zu werden. Darum wird es in der laufenden Tarifauseinandersetzung sicherlich noch einige Gelegenheit geben, diese Fragen mit den Kollegen weiter zu vertiefen und auszutragen.

Bei der DGB-Demo in Essen ging die Teilnahme weiter zurück, trotz gegenteiliger Erwartung durch die Tarifrunde. Mit 500 bis 700 Teilnehmern war es die wahrscheinlich bisher kleinste Demo überhaupt. Es herrschte insgesamt eine weitgehend solidarische Stimmung, bis auf einzelne Ausfälle. Der MLPD-Stand wurde geduldet wie in den letzten Jahren auch und der DGB ließ durchblicken, das dies eine bewusste Entscheidung war.

In Hamburg nahmen an der DGB-Demonstration etwa 6.000 Kolleginnen und Kollegen teil. Kolleginnen und Kollegen aus ver.di und der IG Metall stellten der größten Teil der Demonstration - durchaus kämpferisch und auch mit kritischen Stimmen zum ver.di-Abschluss. Kolleginnen und Kollegen kritiserten vor allem, dass der Abschluss stand, bevor die ganze Kraft der Gewerkschaften eingesetzt wurde. Acht demokratische und revolutionäre Initiativen und Organisationen/Parteien - darunter die MLPD - hatten in Hamburg einen gemeinsamen Aufruft "Es lebe der 1.Mai - internationaler Kampftag der Arbeiterklasse" herausgegeben.

In Duisburg begann die Demo am Amtsgericht in Hamborn. Traditionell starten MLPD und REBELL mit einer Auftaktkundgebung und mit offenem Mikrofon. Im Auftrag der DGB-Vorsitzenden Duisburg-Niederrhein, Angelika Wagner, zog ein Polizist mal eben den Stecker unserer Lautsprecheranlage – just in dem Moment, als eine Kollegin der Sana-Klinik sprechen wollte, um für die Solidarität mit den von Entlassung bedrohten 279 Kolleginnen und Kollegen des Klinikums zu werben. Das konnte schnell korrigiert werden. Der Vorgang wurde breit bekannt gemacht und rief große Empörung hervor. Kämpferisch zog die Demonstration, begleitet von Kurzreden am offenen Mikrofon und Liedern, zur 1. Mai-Kundgebung und zum Familienfest im Landschaftspark Duisburg-Nord. ... Der Andrang und das offensichtliche Interesse an der Debatte führte auch dazu, dass der MLPD-Stand durchgesetzt und sehr lebhaft besucht und diskutiert wurde.

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Quelle: https://www.rf-news.de