Gesamtmetall fährt die
harte Linie. Auf das „Angebot“ von 0,9% folgte die
„Alternative“ von 2,1% auf zwei Jahre. Das ist eine
Provokation. Zehntausende haben seitdem mit
Warnstreiks protestiert. Aber wer die letzten
Tarifrunden mitgemacht hat, weiß, dass auch
Hundertausende in Warnstreiks keinen guten Abschluss
garantieren. Denn die Entscheidung fällt meist
anderswo.
Die Unternehmer drohen mit Arbeitsplatzverlagerung
und -vernichtung. Wolf, der Verhandlungsführer in
Baden-Württemberg, hat mal eben von 4.000 bis 5.000
Arbeitsplätzen allein in diesem Bundesland
gesprochen, die „auf der Kippe stehen“. IG
Metall-Bezirksleiter Zitzelsberger findet das einen
„Treppenwitz“.
Das findet er - wie seine KollegInnen - aber auch
nur, solange Tarifrunden andauern. Davor und danach
werden in den Betrieben munter Tarifverträge
unterlaufen, Tariferhöhungen verschoben, unbezahlte
Stunden geleistet, Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht
voll gezahlt. Alles mit dem Segen und der
Unterschrift der Bezirksleitungen, die dann die
Drohungen der Unternehmen nicht witzig finden,
sondern ernst nehmen und sich unterwerfen. Die Logik,
dass ein Unternehmen konkurrenzfähig sein muss,
tragen sie voll mit.
Faule Kompromisse?
Das befürchten viele. Die Erfahrung sagt, dass in der
Tarifrunde markige Worte fallen. Dort, wo die
Forderungen nach Gegenwehr groß sind, finden viele
Warnstreiks statt und nachher wird behauptet, mehr
wäre ja nicht drin gewesen: der oder die hätten ja
nicht mitgemacht. Dann wird ein Abschluss gebastelt,
den man hin- oder herrechnen kann - und vor allem
schön, garantiert mit langer Laufzeit. Dann ist die
Prozentzahl höher und der Abstand zur nächsten
Tarifdebatte länger.
Trotz solcher Befürchtungen machen bei Tarifrunden
gerade diejenigen mit, die eigentlich richtig kämpfen
wollen. Das reicht aber nicht. Entscheidend ist es,
auch die große Masse der KollegInnen zu mobilisieren,
was auch bedeutet, nicht nur in den „Politbezirken“,
die als kampfstark eingeschätzt werden, sondern in
allen die Mitglieder auf die Straße zu bringen.
Wie für mehr richtig kämpfen?
Um wirklich die gesamte Kampfkraft zu mobilisieren,
müssen außerdem die Entscheidungen, wie, wann und wie
lange gestreikt werden soll, von den Streikenden
selbst gefällt werden - denn sie müssen nachher mit
dem Ergebnis leben.
Die Vertrauenskörper müssen das Recht auf eigene
Meinung erhalten und die Hoheit über das eigene
Handeln. Die Mitglieder müssen über die Aktionen
entscheiden und über die Annahme eines Ergebnisses:
Urabstimmungen nicht nur bei Streiks, sondern für
jedes Ergebnis. Das gilt natürlich schon für die
Forderungsaufstellung. In diesem Jahr war die
Manipulation des Apparates offensichtlich; jeder
Vorschlag über 5% wurde heftig bekämpft.
Die Tarifrunde und der Kampf gegen Entlassungen
Aber nur demokratische Entscheidungen einzuführen
reicht alleine nicht. Wir brauchen eine andere
Antwort auf die Erpressung der Unternehmer mit
Verlagerung und Stellenabbau als dicke Backen bei
Tarifrunden und danach Verhandlungen zur
Standort“sicherung“, die auf tarifliche
Errungenschaften verzichten und am Ende nur den
Personalabbau regeln. Die nächste fette Krise
zeichnet sich ab und in den Konzernzentralen werden
jetzt schon die Sparprogramme geschrieben und
teilweise umgesetzt.
Wir brauchen eine Gewerkschaft, die sich nicht zur
Mitverwalterin der Krise macht, sondern klar sagt,
dass für die Krise des kapitalistischen Systems
diejenigen zahlen sollen, die daraus ihren Profit
schöpfen: deren Profitgier der Grund dafür ist, dass
wir ein System haben, das zwanghaft Krisen
hervorbringt, das die Menschen entweder überausbeutet
oder in Arbeitslosigkeit hält, das die Umwelt
zerstört durch seine Produktionsweise und seine
Produkte, in dem die Gewinnmarge die Vernunft
ersetzt.
Schluss mit der Kungelei!
Praktisch heißt das, dem Kapital überall dort in den
Arm zu fallen, wo seine Zerstörung offensichtlich
wird:
- Werke, die geschlossen oder verlagert werden
sollen, müssen entschädigungslos und unter Kontrolle
der Beschäftigten verstaatlicht werden.
- Für Umweltschäden, z.B. den Dieselskandal, dürfen
nicht die Beschäftigten zur Kasse gebeten werden,
sondern die verantwortlichen Manager haben mit ihrem
ganzen Vermögen zu haften.
Mit einer solchen Orientierung können wir sofort viel
Kraft gewinnen:
- Unsere Gegner sind nicht die ArbeiterInnen an
anderen Standorten, in Konkurrenzfirmen oder im
Ausland.
- Schluss mit der Spaltung in den Betrieben in
Stammbelegschaften und Randbelegschaften aus
LeiharbeiterInnen, WerkverträglerInnen bei
„Dienstleistern“ mit oder ohne Tarif, die aber alle
mit am gleichen Produkt arbeiten. „Ein Betrieb - ein
Tarif“ muss wieder durchgesetzt werden und das setzt
voraus, dass Betriebsräte und IG Metall aufhören, die
Sparprogramme der Konzerne „sozialverträglich“, d.h.
letztlich auf Kosten der nächsten Generation von
Beschäftigten umzusetzen.
Deshalb rufen wir auf, mit aller Kraft für die
Durchsetzung der Tarifforderung zu mobilisieren, aber
zugleich dafür zu kämpfen, dass die Entscheidungen
über den Kampf von den Betroffenen gefällt werden und
nicht den BürokratInnen.
- Warnstreiks reichen offensichtlich nicht aus,
deshalb muss der Druck sofort erhöht werden!
- Die neu beschlossene Streikform von
Eintages-Streiks macht Sinn, wenn die
Vertrauenskörper, die dies als sinnvoll ansehen,
sofort darüber eine Urabstimmung in ihrem Betrieb
durchführen und solche Streiks organisieren können.
- Vorbereitung einer Urabstimmung für den
unbefristeten Vollstreik sofort!
- Besetzung aller Betriebe, die mit Schließung,
Verlagerung oder Personalabbau drohen!
- Wahl von Streikkomitees durch die Belegschaften!
Keine Verhandlungen hinter verschlossenen Türen,
keine Abschluss ohne vorherige Diskussion und
Entscheidung durch die Mitglieder!
Wir rufen dazu auf, dass die Tarifbewegung genutzt
wird, der Kritik und dem wachsenden Unmut an der
bürokratischen Führung eine Perspektive zu weisen.
Sie dürfen nicht zurückgestellt werden, sondern aus
der Kritik muss eine Alternative formuliert werden.
Wir brauchen die Diskussion für eine andere, eine
anti-bürokratische, klassenkämpferische Politik der
IG Metall! Aus der Unzufriedenheit muss eine Bewegung
werden!
Per email am 9.5. 2016
durch ARBEITER/INNEN/MACHT-INFOMAIL, Nummer 880
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