Das war der [rev.] 1. Mai 2016: Berichte und Stellungnahmen

Berlin: Revolutionärer 1. Mai
antifaschistisch, antikapitalistisch & internationalistisch
Verfasst von Internationalistische Autonome am 04.05.2016

05/2016

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Aus internationalistischer Sicht war der diesjährige Revolutionäre 1. Mai in Berlin-Kreuzberg ab 18 Uhr Oranienplatz erfolgreich und hat eins gezeigt: die außerparlamentarische, autonome und radikale Linke in Berlin kann auch konstruktiv und gemeinsam.

Nachdem Innensenat und Polizeiapperat mittels Auflagen an bestehenden Versammlungsrichtlinien vorbei einen Teil der Demonstrationsroute faktisch verboten hatte war klar: das kann nicht hingenommen werden, sonst läuft der Revolutionäre 1. Mai in Berlin irgendwann mit einer Demoroute im Wald oder auf dem Acker. Traditionell ist der Revolutionäre 1. Mai seit 1987 sowieso in Kreuzberg präsent gewesen, während das Verwaltungsgericht der Polizei recht gab, dass das mittels EU-Gelder und in Zusammenarbeit mit dem Innensenat und den Polizeistellen seit erst einigen Jahren aufgestellte Myfest diese Tradition zusprach. Im nächsten Jahr sind es 30 Jahre Revolutionärer 1. Mai - ausgehend von einem Widerstand der Bevölkerung in Kreuzberg am Lausitzer Platz.

Im Revolutionären 1. Mai Bündnis waren in diesem Jahr mehr Gruppen und Organisationen als sonst vertreten, mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Ausrichtungen. Dies manifestierte sich in den diversen Blöcken: Der Selber Machen Block, der Klassenkämpferische Block, der Internationalistische Block, der Jugendblock, der Stadtpolitische und Antiautoritäre Block und der Für Alle Block. Nachdem klar war, dass der Polizeiapparat der Route des Revolutionären 1. Mai wordwörtlich Knüppel in den Weg legen wollte, gab es im Bündnis einen Konsens darüber, das so nicht mitzumachen und offensiv damit umzugehen. Klar war das das Bündnis sich auch die Straße im Counterfest "Myfest" nicht nehmen lassen wollte, wobei anzumerken ist, dass angeblich selbst ein Teil des Myfests in diesem Jahr nicht glüklich über die vollkommene Übernahme des sog. "Sicherheitskonzepts" des Bullenapparats war und es auch mehrere bislang beteiligte Läden in Kreuzberg gab, die eine unpolitische Entwicklung zu einer Kreuzberger Kirmes am 1. Mai nicht mehr mitmachen wollten.

Gemeinsam zogen gegen 18:30 die sich formierenden Blöcke des Revolutionären 1. Mai Bündnis ab Oranienplatz auf einem Teil der Route durch das Myfest. Der erste Block, der den Anfang machte war hierbei durchaus auch von Zusammenhängen der verschiedenen Blöcke unterstützt worden, auch GenossInnen des Internationalistischen Blocks waren am Start. Die Sogwirkung, würden wir einmal damit anfangen, war klar: es formierten sich wie vorher angenommen gleich mehrere Tausend Menschen die diese von der Bullerei illegalisierte Teilstrecke mitliefen. In dieser angekündigten Demo durch verbotenes Terrain waren die Blöcke bereits sichtbar vertreten. Im Internationalistischen Block waren so auch palästinensische, kurdische und baskische GenossInnen präsent, Gruppen aus der Geflüchtetenbewegung waren ebenfalls mit Transpis in den diversen Blöcken am Start. Transpis und Fahnen aus den Lateinamerika-Zusammenhängen natürlich waren ebenfalls am Start. P.S.: Das im vorderen Block an der Seite verkehrt herum verknotete Transpi "Klassenkampf ist international" wurde natürlich zuerst bewusst verkehrt herum gehalten, um zu signalisieren "Wir stellen alles auf den Kopf" ;-) 

Dem Konsens und den gemeinsamen und verschiedenen Einschätzung war geschuldet, dass es natürlich GEMEINSAME Absprachen des gesamten Bündnis gab: Die vorgesehene illegalisierte Route durch das Myfest kürzer zu halten und dann nach einer Kiezrunde zum Oranienplatz zurückzukehren um dann das nicht angemeldete Teilstück vom O-Platz zum Moritzplatz offensiv durchzusetzen: ohne Vorkontrollen und ähnlichen Bullen-Schnick-Schnack. Am Moritzplatz warteten ebenfalls schon viele Menschen, die dem Bündnis wohl nicht zugetraut hatten, erstmal abseits der Bullenroute ein Zeichen zu setzen gegen den Kontrollwahn des Innensenator Henkel, oder die nur die Demoroute aus der Springerpresse erfahren hatten, die ja von der Bullen-PR-Abteilung mit allen möglichen Counterpropaganda-Meldungen überzogen worden waren.

Nach der Neuformierung aller Blöcke ab Moritzplatz zog dann die Revolutionäre 1. Mai Demo vom Moritzplatz zur Köpenicker Straße und zum Schlesischen Tor. Es war dem Bündnis klar, dass nach erfolgreicher Durchsetzung der Route durch das Myfest, dass das Revolutionäre 1. Mai Bündnis bestimmt, wo es lang geht, und nicht die Bullerei und Henkel. Um sich nicht "totzulaufen" war dann klar: die Demo mit Beteiligung von ca. 20.000 Menschen wird kurzerhand spontan umangemeldet, nämlich direkt ab Schlesisches Tor über die gesamte Skalitzer Straße zurück ins SO36er Gebiet, mit Endekundgebung am Lausitzer Platz.

Der Internationalistische Block im hinteren Drittel der Revolutionären 1. Mai Demo wurde über die gesamte Strecke durchaus noch größer, es beteiligten sich dort immer mehr Menschen und den jugendlichen RevolutionärInnen des Blocks ist auch die disziplinierte und bis zum Ende mit Elan geführte Blockbildung (Ketten, Megafone, Parolen, etc) im vorderen Bereich mit durchaus ca. 1000 Menschen zu verdanken.

Nachdem die hessische Kleinstpartei "Ökolinx" (damals aus einer Abspaltung der Grünen entstanden) aus dem Revolutionären 1. Mai Bündnis austrat, weil sie dem Bündnis wegen der Beteiligung palästinensischer Gruppen "Anitsemitismus" vorwarf, weil diese Israel kritisieren wegen der Apartheidspolitik, hatten diese versucht in der Springerpresse und sozialen Medien eine Hetzkampagne gegen das 1.-Mai-Bündnis anzuzetteln. Kuriosität am Rande: die Pressemitteilung von Ökolinx landete auch in der rechtsradikalen Zeitung "Junge Freiheit" - nebst von Ökolinx verbreitete inhaltliche Beschreibung der Bündniszusammensetzung, worauf die rechte Partei AfD ein Verbot der Revolutionären 1. Mai Demo forderte. Ökolinx verzichtete aber auf eine Provokation gegen die Demo auf dem Oranienplatz (war ihnen wohl zu "illegal" dort aufzutreten als Partei) und verteilte provokant und gezielt ausgestattete mit einem eigenen Fernsehteam Flugblätter gegen die InternationalistInnen und gegen die Revolutionäre 1. Mai Demo. Gezielt war Jutta Ditfurth und Manfred Zieran von Ökolinx nebst Kamerateam im Internationalistischen Block am Flugblatt verteilen, wohl in Erwartung von körperlichen Auseinandersetzung um diese dann als Beleg zu dokumentieren. Da geschah aber wohl nicht viel, und so trollten sich diese irgendwann. Was das Provo-Team von Ökolinx nicht wußte: natürlich war ihre Aktion im Vorfeld den Gruppen des 1.-Mai-Bündnis bekannt geworden und es wurde sich von allen geeinigt, nicht auf diese Provokation hereinzufallen, denn es gibt wichtigeres als verwirrten Kleinstparteien eine Plattform zu bieten.

Worauf der Internationalistische Block nicht unbedingt vorbereitet war, war der Versuch von sich selbst nennenden "Antideutschen" welche autoritäre Staaten wie Israel oder gar USA gröhlender Weise - auch mit Bierpulle in der Hand - am Rande der Demo in der Köpenicker Straße abfeierten und handfest versuchten TeilnehmerInnen der Demo zu bedrohen. Die hatten wohl die Hetze von Ökolinx zum Anlass genommen, es auch mit einer Provokation zu versuchen. Dies führte zu einem kleinen und beherzten Ausfall einiger GenossInnen gegen diesen Minimob (incl. proletarischer Bierdusche), bis diese sich ebenfalls trollten.

Die beiden Provo-Aktionen fallen aber in der Gesamtschau eigentlich überhaupt nicht ins Gewicht, da sie im Vergleich zum Ablauf und zu den praktischen gemeinsamen Absprachen und Konsensfindungen des Revolutionären 1. Mai Bündnis eigentlich nur Randnotizen sind.

Zum Internationalistischen Block ist zu sagen dass er auch in der Situation der Endkundgebung am Lausitzer Platz, als die Bullen dann doch noch von Henkel freie Hand bekamen um die Demo anzugreifen, wohl aus Rache gegen die eigentständige Streckenführung, immernoch Disziplin und Gemeinsamkeit zeigte und längere Zeit formiert blieb.

Transpis und Fahnen der verschiedenen internationalistischen Zusammenhänge von Palästina, Kurdistan, Baskenland, Lateinamerika, Türkei, und von linken Gruppierungen aus diversen anderern Ländern waren bis zum Schluss massiv am Start.

Auch nach der Auflösung der Demo am Lausitzer Platz, als es durchaus zu solidarischen und offensiven Widerstand vieler Menschen gegen die brutalen Attacken und Festnahmen der Bullen kam, war die Präsenz der InternationalistInnen sichtbar.

Danach gab es noch eine Spontandemonstration vom Lausitzer Platz über die Skalitzer Straße zum Kottbusser Tor und dann mit versuchter Richtung Neukölln zur Kottbusser Brücke. Hier waren mehrere Tausend Menschen beteiligt, die die Aufrufe des Revolutionären 1. Mai Bündnis verstanden hatten: Revolutionäre und Revolutionärinnen lassen sich nicht vorschreiben, wo sie am 1. Mai zu laufen haben - wir nehmen uns die Straße zurück. Auf der Kottbusser Brücke war aber Ende, weil es vielen klar wurde, dass die Einsatzleitung der Bullen doch noch gerne irgendwann in Neukölln einen Kessel aufmachen würden, um Festnahmen zu produzieren. Bei dieser Spontandemo - und sie war nun wirklich spontan - waren Teile des Internationalistischen Block ebenfalls deutlich sichtbar. Neben Antifa-Fahnen waren natürlich auch die kurdischen und die palästinensischen GenossInnen mit ihren Fahnen präsent. Die Parole "Hoch die INTERNATIONALE Solidarität" war wie auf der Demo hier in der Sponti deutlich von vielen mitgerufen worden.

Zwar gab es während der Durchführung der Demo ab O-Platz 18 Uhr durch einen Teil des Myfests gerade im vorderen Block wohl nicht gerade einen Konsens ob es nun "Hoch die antinationale..." oder "Hoch die internationale Solidarität" heisst... Hier stand aber den GenossInnen des Internationalistischen Blocks die gemeinsame Durchführung einer offensiven Demo im Vordergrund. Denn in Berlin geht auch Konsens und es geht auch gemeinsam - auch bei größeren Bündnissen der außerparlamentarischen, autnomen und linksradikalen Gruppen.

Noch eine Anmerkung zum sog. "Myfest", diesmal nur an drei Ecken als Kundgebungen im (nicht gerade hermetisch) abgeriegelten Kreuzberg SO36er Kiez:

Spürbar und sichtbar war schon, dass sich nicht alle daran beteiligen wollten. Und die Meilen der Feierwütigen, die wohl lieber "zum Untergang tanzen" wollen als zu demonstrieren, hatten sich noch mehr ausgeweitet. Ausserhalb des Myfest Areals. Außerhalb des Angemeldeten. Angeblich "illegaler Straßenverkauf" war an allen Ecken und Enden möglich, etwas was zu Zeiten VOR DEM NotMyFest, als es nur die Demos und Feste der RevolutionärInnen gab auch immer üblich war. Spontane Partys und Straßenverkauf außerhalb des kontrollierten Konsumzwangs von Bullerei und Senat.
Auf Grund der sehr verteilten Partymassen auf größerem Areal verkomplizierte sich so manches Wendemanöver vor allem der auswärtigen Polizeieinheiten, die wohl nichts mehr außeinander halten konnten. Und die technische Kommunikation der Bullerei sei ja zeitweise ebenfalls zusammengebrochen...

In diesen Gebieten ist natürlich für die RevolutionärInnen mehr machbar: es zeigt sich ja: legal - illegal - scheissegal. Angemeldet oder nicht angemeldet - scheiss drauf: am Revolutionären 1. Mai nehmen sich alle die Straße wie und wo es ihnen gefällt.

In diesem Sinne: Hoch die Internationale Solidarität! Gemeinsam sind wir stark!

 

Quelle: linksunten.indymedia.org