Den
Anfang machten in vielen Städten wie immer die die
traditionellen Gewerkschaftsdemonstrationen. In
Stuttgart, wo am Samstag noch der Parteitag der
AfD (Alternative für Deutschland) stattfand, war der
Widerstand gegen den Rechtspopulismus das Hauptthema.
Doch obwohl DGB-Chef Hoffmann sie sogar zum
Hauptthema seiner Rede machte, blieb es doch nur bei
einer moralischen Rüge, dass die AfD ?simpel, dumpf
und widersprüchlich? sei. Wäre es da besser, sie sei
komplex, ausgefuchst und klar in ihrer Hetze gegen
ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsrechte?
In
Berlin startete die Demonstration bei
Sonnenschein am Hackeschen Markt mit verschiedenen
Blöcken. Ganz vorne bemühte sich der DGB, mit
möglichst unpolitischer, aber dafür sehr lauter
Partymusik das Leittransparent „Zeit für mehr
Solidarität“ durch die Straßen zu tragen.
Später folgte der SPD-Block, der „Hurensohn-Karten“
verteilte an junge AktivistInnen, die riefen: „Krieg,
Rassismus, Sozialabbau - bei jeder Schweinerei ist
die SPD dabei“. Zum Schluss schlossen sich mehrere
türkische und kurdische Gruppen an, deren Jugend laut
gegen Leiharbeit und Zukunftsängste protestierte,
sowie ein Block anderer linker Gruppen.
Während
dort alles friedlich ablief, wurde in Hamburg
die Gewerkschaftsdemonstration schon von Seiten der
Polizei angegriffen und aufgeteilt, sodass viele
Menschen schon früh am Tag ihr Demonstrationsrecht
nicht wahrnehmen durften. Hauptziel der Angriffe
waren türkische Linke, die gegen die Politik Erdogans
protestierten. Die Organisatoren vom DGB lehnten jede
Solidarisierung ab eine umso skandalösere
Untätigkeit, als uns am diesem Tag auch die
schreckliche Nachricht erreichte, dass die türkische
Polizei in Istanbul einen Menschen ermordet hatte,
der sich in der Nähe des abgesperrten Taksim-Platzes
befand. Die erlaubte Demo fand weit außerhalb des
Stadtzentrums statt, aber dennoch mit 200.000
TeilnehmerInnen.
Bundesweit waren die
DGB-Demos lt. eigenen Angaben mit 390.000
TeilnehmerInnen etwas kleiner als in den letzten
Jahren. Das eigentlich Fatale ist jedoch der
unbeirrbare Routinismus der DGB-Demos, der allenfalls
mit pseudo-„populären“ Momenten und Musikprogramm
„aufgepeppt“ wird. Gepaart ist er mit einem
„offiziellen“ Optimismus, demzufolge die
Gewerkschaftsbewegung von tarifpolitischem Erfolg zu
Erfolg eile. So wurde der jüngste Verdi-Abschluss
(wir sollten wohl eher sagen: Ausverkauf)
schöngerechnet und schöngeredet. Von der IG Metall
ist ähnliche zu befürchten. Die untrüglichen Zeichen
einer neuen, verschärften ökonomischen Krise samt
Massenentlassungen spielen in den Gewerkschaftsreden
allenfalls als Mittel mit, von SPD und Regierungen
?Unterstützung? einzufordern.
So gesehen ist es eher noch ein Wunder, dass nicht
weniger Menschen zu den Demonstrationen kommen – für
die politisch-strategische Auseinandersetzung lässt
das Schlimmes befürchten.
Interessant und ermutigend ist jedoch, dass sich ein
Trend der letzten Jahre fortsetzte, nämlich dass es
zur Bildung von mehr linken oder klassenkämpferischen
Blöcken auf den Demos kommt und generell der Anteil
ausgewiesener linker oder kritischer Gruppierungen
gegenüber früheren Jahren zunehmen dürfte.
Revolutionäre Demos
Am Abend sammelten sich dann die linken Gruppen
erneut, um die Revolutionäre 1. Mai-Demonstration in
Berlin und Hamburg durchzuführen. Nachdem es in den
letzten Wochen gerichtliche Verbote gegen die
Durchführung der Demonstration in Kreuzberg gab,
damit diese das „Myfest“ nicht störte, hatte sich das
Bündnis dennoch dazu entschieden, sich auf dem
Oranienplatz zu versammeln.
Dabei kam es zwar zu unvermeidlicher Verwirrung unter
nicht organisierten TeilnehmerInnen, da die Polizei
den Weg vom Moritzplatz zum O-Platz abriegelte und
die Menschen zum nah gelegenen Moritzplatz schickte.
Trotzdem setzen sich nach 18.00 Uhr tausende
DemonstrantInnen in Bewegung, die das Verbot der
Route durch das „Myfest“ ohne nennenswerte Probleme
durchbrachen und zu einer immer größeren Masse
anwuchsen.
Nachdem die
Demonstration friedlich gestartet war, gab es von
außen immer wieder Provokationen, die vor allem den
von uns mitorganisierten Internationalistischen Block
betrafen. Da viele kurdische Gruppen an unserem Block
teilnahmen, sah sich wohl ein Café türkischer
Nationalisten genötigt, die TeilnehmerInnen mit dem
Bozkurt-Gruß zu provozieren.
Besonders peinlich war der Aufritt der Gruppe
Ökologische Linke um Jutta Ditfurth. Nachdem sie vor
zwei Wochen aus dem Mai-Bündnis ausgetreten war, da
sie nicht gemeinsam mit palästinensischen Gruppen wie
F.O.R. Palestine oder BDS arbeiten wollte, verteilte
sie gestern Flyer auf der Demonstration, die deren
angeblich „antisemitischen Charakter? enthüllen
sollte. Das aufgedrehte Kamerateam, das Jutta dabei
folgte, interessierte sich aber nicht dafür, dass die
Rede der angeblich Juden hassenden Gruppe F.O.R.
Palestine von einem israelischen Aktivisten gehalten
wurde, der sich, so wie unser gesamter Block,
deutlich hinter den berechtigten Kampf der
PalästinenserInnen sowie gegen sämtliche
religiös-fanatischen Gruppen stellte.
Danach erreichten uns auch Drohungen, dass
ZionistInnen planten, den Lautsprecherwagen des
Blocks zu stürmen, um die palästinensische Fahne vom
Dach zu reißen.
Am Ende der
Demonstration war es dann jedoch eher die Polizei,
vor der wir uns in Acht nehmen mussten, da sie mit
mehreren Hundertschaften durch die Menge rannte,
Menschen verletzte und festnahm. Auch nach der
Demonstrationen wollen wir noch einmal ausdrücklich
betonen, dass der beste Schutz in solchen Situationen
das geschlossene Auftreten in organisierten Ketten
mit den eigenen GenossInnen ist. Sich einzeln zu
verstreuen, birgt ein großes Gefahrenpotential und es
wird immer unübersichtlich, dann noch festzustellen,
ob keiner verhaftet oder verletzt worden ist.
In Hamburg hingegen ging die Polizei schon viel
früher und brutaler gegen den angemeldeten Aufmarsch
vor. Die von einer Pferdestaffel umzingelte
Demonstration wurde mit zwei Wasserwerfern zur
Auflösung gezwungen; vorher wurden DemonstrantInnen
mit Schlagstöcken und Tränengas angegriffen. Dies war
wohl nur einer kleiner Vorgeschmack darauf, mit
welcher Repression wir im Juni 2017 beim G20-Gipfel
in der Hansestadt zu rechnen haben werden.
Was
bleibt, sind die politischen Entwicklungen, die
Diskussionen und die Bündniserfahrungen der letzten
Monate, aus denen wir lernen und unsere zukünftige
Politik aufbauen müssen. Es wird immer deutlicher,
dass es auch innerhalb der linken und
ArbeiterInnenbewegung nicht mehr selbstverständlich
ist, sich klar gegen Rassismus zu positionieren. Doch
genau das ist heute wichtiger denn je! In Anbetracht
der sog. Flüchtlingskrise brauchen wir die
internationale Solidarität der ArbeiterInnenklasse.
Doch dies ist nicht mit Floskeln wie ?Rassisten sind
dumm? getan und erst recht nicht mit der Verteidigung
imperialistischer Vorposten wie dem zionistischen
Staat. Nein, dafür brauchen wir klare Klassenpolitik,
dafür brauchen wir ein klares sozialistisches
Programm! Es ist die Politik der Herrschenden, die
vom Nationalismus unterdrückerischer Länder
profitiert. Es ist auch ihre Politik, die reaktionäre
Kräfte (egal ob islamistische oder
pro-imperialistische) hervorgebracht hat.
Konzentrieren wir uns auf einen gemeinsamen Kampf
gegen sie, bauen wir eine starke anti-rassistische,
anti-imperialistische, revolutionäre Organisation
auf!
Quelle:
Per email am 3.5. 2016 ARBEITER/INNEN/MACHT-INFOMAIL
Nummer 879 vom 2. Mai 2016 |