Über
den inhaltlichen Eiertanz, den der französische Front
National (FN) derzeit angesichts der aktuellen
Sozialprotestbewegung – gegen die geplante drastische
Verschlechterung der Arbeitsgesetzgebung – aufführt,
berichteten wir an dieser Stelle bereits. Und werden
in Bälde darauf zurückkommen. Ebenso erwähnten wir
bereits die gewaltförmige Bedrohung, die für
Teilnehmende an den Protesten mitunter von militanten
Faschistenstrukturen ausgeht. Die
Studierendengewerkschaft UNEF protestierte soeben in
Lyon gegen gewalttätige Übergriffe, die dort von der
militanten neofaschistischen Studentengruppe GUD (Groupe
Union-Défense) ausgehen; vgl. dazu
ausführlich:
https://www.lyonmag.com
Doch
neben diesen äußeren Feinden besteht ein, sogar eher
noch größeres Problem in
den beharrlichen Versuchen von Rechtsextremen und
faschistoiden „Querfrontlern“, die Sozialproteste zu
infiltrieren und sich innerhalb des Protestspektrums
breit zu machen. Gelungen ist ihnen dies, in gewissen
Grenzen, anscheinend in erster Linie in Nizza. Diese
südostfranzösische Stadt muss allgemein als
reaktionäre Hochburg gelten. Dort startete in der
ersten Aprilwoche 2016, wie in anderen französischen
Städten, eine Platzbesetzerbewegung (mit einer
zunächst relativ bescheidenen Zahl von 150
Teilnehmenden). Im Internet und bei Facebook aber
erweckten Anhänger des hauptgewerblichen Antisemiten
Alain Soral und seiner Gruppierung Egalité &
réconciliation - E&R, „Gleichheit und
Aussöhnung“ - zunächst den Eindruck, sie steckten
inmitten der Protete, ja hinter der Bewegung. So
etwas kommt davon, dass man sie dort weitestgehend
ungestraft gewähren ließ. Und es sorgt wiederum
dafür, dass andere Kräfte fernbleiben!
In
Paris hingen und hängen Unterwanderungsversuche vor
allem mit dem Namen von Sylvain Baron zusammen. Er
gehörte früher der Verwirrten- und
Verschwörungstheoreriker-Kleinpartei UPR von François
Asselineau an. Inzwischen hat er sich politisch
selbständig gemacht und ist Anführer bei einer
ominösen
„Bewegung des 14. Juli“.
Diese trat angesichts des angespannten
innenpolitischen Klimas, das 2014 u.a. rund um die
Endphase der reaktionären Massenbewegung gegen die
Homosexuellen-Ehe und den reaktionären Schulboykott
der „JRE“ („Tage der Rausnahme aus dem
Unterricht“, es ging dabei gegen
„Gleichstellungsideologie“ und
„Genderquatsch“) lautstark hervor. Und sie
zeichnete sich dadurch aus, dass sie öffentlich
Kreise der französischen Armee zu einem Militärputsch
aufforderte, um die schwere „Regimekrise“
zu überwinden. Diese Bewegung tritt aber auch
pseudo-rebellisch auf, verteidigt Russland gegen die
„Neue Weltordnung“, prangert die USA im
Allgemeinen und die NSA-Affäre im Besonderen an und
bezichtigt die amtierende Regierung gerne des
„Landesverrats“.
Bei
der Pariser Platzbesetzerbewegung flog Sylvain Baron
laut eigenem Bekunden inzwischen (mindestens) vier
Male von der place de la République, dem Ort der
Besetzung. Am Mittwoch, den 06. April ließ jedoch ein
geschickter Redner die Teilnehmenden – die sich
mehrheitlich der Tragweite ihrer Abstimmung nicht
bewusst waren – per Handzeichen einen Entschluss
annehmen, dass man gegen Ausgrenzung von wem auch
immer je sei. Er fügte dann jedoch explizit hinzu,
ihm behage der am Samstag (02. April) erfolgte
erstmalige Hinauswurf des rechten Querfrontaktivisten
Sylvain Baron nicht. Man sei doch erwachsen genug,
rechtsextreme Ideen zu bekämpfen und nicht zu
akzeptieren, wenn man sie anhöre.
Im
hinteren Teil der Bühne kam es im Moderationsteam
daraufhin zu ersten heftigen Diskussionen. Aber auch
aus der „Menge“ heraus kam es kurz darauf zu
Widerspruch. Mehrere Redner/innen aus dem Publikum
erklärten daraufhin, dass die fraglichen rechten
Unterwanderer natürlich nicht offen mit einem
faschistischen Diskurs aufträten, und der
Ordnerdienst erklärte, er lege seine Tätigkeit
nieder, falls keine klare Abgrenzung zu Faschisten
auf dem Platz gegeben sei. Nach einer halben Stunde
hatte sich die Stimmung auf dem Platz dann in diesem
Sinne gewandelt. Am Abend des Donnerstag, 07. April
versuchte ein einzelner Redner, das Thema erneut – im
Namen der „Toleranz“ – aufs Tapet zu
bringen, fand jedoch dieses Mal keinen weiteren
Widerhall.
Im
Internet lässt Sylvain Baron selbst sich unterdessen
darüber aus, dass er Opfer einer „Miliz“
in Gestalt einer „selbsternannten Antifa(gruppe)“
geworden sei. Diese stehe jedoch nur für 100 Menschen
auf dem Platz, gegenüber „einer friedlichen
Menge von 3,000 Menschen“. Letztere fordere
er deswegen dazu auf, sich dieser „politischen Miliz“
zu widersetzen. Ansonsten mache sie sich der
Beteiligung an einer Straftat, in Form der
Vorbereitung gemeinschaftlich begangener Straftaten,
mitschuldig. So ließ Baron sich etwa bei der
Querfront-Internetpublikation
Le blog de
Jocelyne (Eintrag vom Sonntag, den 10.
April) aus.
Am
Wochenende wurde auch ein Facebook-Posting des Baron
nahe stehenden Aktivisten Alain Benajam publik. Darin
echauffiert er sich über den neuesten Ausschluss
Sylvain Barons von dem besetzten Pariser Platz. Er
steckt aber auch einen „theoretischen“, d.h.
Ideologischen Rahmen für die Wahrnehmung der
Protestereignisse ab. Ihm zufolge steht die
Platzbesetzerbewegung in ihrer aktuellen Form in der
Kontinuität der „Farbrevolutionen“, die
– durch die USA initiiert, gesponsert und unterstützt
– im Einflussbereich Russlands, in Serbien und in
arabischen Ländern gegen die (ansonsten stabilen,
tollen, unterstütztenswerten und friedfertigen..)
dortigen Regimes organisiert worden sei. Die
„linksradikalen
Pariser Yuppies“
dienten auf diese Weise als
Manövriermasse, um den französischen Staat zu
destabilisieren. Man müsse sich von ihrem Einfluss
frei machen, stattdesse brauche es „eine
nationale und Volks-Revolution“, die dann
wirklich gegen das Imperium gerichtet sei.
Darüber diskutiere er, Benajam, derzeit gerade auch
mit „mit Thierry Meyssan“. Der
ehemalige Antifaschist (vor 2000) Meyssan ist einer
der früheren französischen Verschwörungsideologen und
einer der ersten Autoren, der behauptete, die
„offizielle Version“ zum 11. September 2001
„widerlegen“ zu können. Während er behauptet, in
Frankreich sei angeblich sein Leben bedroht, lebt
Meyssan nun seit mehreren Jahren in Damaskus –
derzeit gewiss einer der sichersten Orte auf der
Welt, und so friedlich – unter dem Schutz des
syrischen Folterregimes.
Editorische Hinweise
Den Artikel
erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.
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