Der
König ist tot, es lebe der König? Zwar ist die
Zentralafrikanische Republik, jenes rohstoffreiche und
relativ bevölkerungsarme Land mit fünf Millionen
Einwohner/inne/n zwischen dem Kongobecken und der
Sahelzone, keine Monarchie mehr. Eine solche war sie
kurzzeitig unter dem größenwahnsinnigen Präsidenten
Jean-Bédel Bokassa, der sich 1976 zum „Kaiser“ krönen
ließ und das Land dadurch international bekannt
machte. Im Jahr 1979 stürzte ihn die Neokolonialmacht
Frankreich, als deren Verbündeter er an die Macht
gekommen war, und die auch nach ihm einen wichtigen
Einfluss beibehielt.
Nach Bokassa hatte das Land
„nur“ noch Präsidenten und keine gekrönten Oberhäupter
mehr. Doch diese regierten meist autokratisch, und
ließen sich in erkennbar manipulierten oder zumindest
„umstrittenen“ Wahlen im Amt bestätigen. Von 2003 bis
zum 24. März 2013 saß François Bozizé auf dem
Präsidentenstuhl, dem jetzt Zuflucht im
westafrikanischen Staat Benin angeboten wurde. Sein
Nachfolger wurde am 13. April dieses Jahres bestimmt,
der frühere Diplomat Michel Djotodia. Schon seit dem 24.
März 13 hatte er als „provisorischer Präsident“ regiert.
Nunmehr wurde er ins Amt „gewählt“, allerdings nicht
durch die Bevölkerung, sondern durch den „Nationalen
Übergangsrat“, den unterschiedliche politische Kräfte
beim Abgang Bozizés bildeten. Als einziger Bewerber und
ohne Gegenkandidat.
Theoretisch regierte in dem Übergangsgremium nach dem
Sturz des alten Präsidenten eine Allparteienregierung.
Doch diese hielt nur wenige Tage: Die vormalige
bewaffnete Rebellenkoalition Séléka, die am 24. März
d.J. den vormaligen Präsidenten François Bozizé stürzte,
unter ihrem Chef Michel Djotodia hatte faktisch alle
Macht allein an sich gerissen. Eine ursprüngliche
Mehrparteienkoalition zerbrach am 01. April, weil die
früheren zivilen Oppositionsparteien den ehemaligen
bewaffneten Rebellen vorwarfen, sechzehn
Regierungsposten mit „falschen Vertretern der
Zivilgesellschaft, die in Wirklichkeit
Séléka-Repräsentanten sind“ besetzt zu haben. De facto
nahmen sie dadurch eine dominierende Stellung ein.
Am
Wochenende des 13./14. April d.J. kam es in Bangui zu
heftigen Kämpfen zwischen Einwohnergruppen und
Séléka-Milizen, die laut Angaben des Krankenhauses am
Montag darauf mindestens zwanzig Tote forderten. Unter
den „unzufriedenen Einwohnern“ sollen sich laut
Regierungsangaben auch bewaffnete Bozizé-Anhänger
befunden haben. Hingegen ging etwa aus einem
Korrespondentenbericht für die Pariser Tageszeitung
Libération vom 16. April 13 hervor, dass es
sich - vielmehr als um bewaffnete Gefolgsleute des alten
Regimes – weitaus eher um „normale“ Einwohner/innen
handelte, die der Plünderungen und Diebstähle durch
marodierende Séléka-Einheiten in ihren Häusern
überdrüssig geworden waren. Die neue Regierung rief
daraufhin Frankreich zur Hilfe, um ihr „bei der
Stabilisierung des Landes zu helfen“.
Die
ebenfalls dünn besiedelte und rohstoffreiche ZAR ist zum
neuen Spielfeld für die Einflussversuche diverser
regionaler und internationaler Mächte geworden. Bozizé
hatte zu Beginn der innenpolitischen Krise im Dezember
Frankreich aufgefordert, ihm militärisch gegen die
Rebellen beizustehen – wie Paris es unter seinen
Vorgängern 1996, 1997 und 2002 auch getan hatte. Am 27.
Dezember 12 erklärte die französischer Regierung jedoch
ihre Weigerung: Frankreichs Truppen würden nur „für
unsere eigenen strategischen Interessen und für den
Schutz europäischer Staatsbürger“ benutzt, nicht als
Lebensversicherung für einen Präsidenten. Dennoch
stockte Frankreich seine Truppenpräsenz auf 500 Mann vor
Ort auf – eine hohe Zahl angesichts der schlecht
bewaffneten und ausgebildeten militärischen Verbände auf
allen Seiten - , die Mitte März d.J. den Flughafen der
Hauptstadt Bangui besetzten, jedoch den Sturz Bozizés
nicht aufhielten.
Inzwischen ist jedoch klar, dass der Hauptgrund dafür
nicht die Ablehnung von Einmischung war, sondern pures
Interessenkalkül. Am 03. April 13 gab die Pariser
Abendzeitung Le Monde bekannt, Franzosen
würden die militärische Ausbildung für die künftige
Armee der ZAR – die nun auf Basis der
Séléka-Kampfverbände neu aufgebaut wird – übernehmen.
Frankreich sieht also seine Interessen bei den neuen
Machthabern gut gewahrt.
Dem alten
Präsidenten standen dagegen südafrikanische Kampftruppen
zur Seite; mindestens dreizehn ihrer Soldaten fielen
dabei Ende März d.J.. Ihr Land ist im Abbau von Gold-
und Diamantvorkommen in der ZAR stark präsent, und seit
2007 hatte Südafrika in Bangui militärische
Ausbildungsmissionen übernommen. Bei ihrer Rückkehr nach
Pretoria und Johannesburg entspann sich jedoch eine
heftige Debatte in der südafrikanischen Presse. Soldaten
des Landes hatten in der ZAR auf Kindersoldaten
geschossen, die in den Reihen der Séléka kämpften, wie
traumatisierte Militärs in den Zeitungen berichteten –
„so hatten wir uns den Kampf gegen die Rebellen nicht
vorgestellt“. Auch zog ein Teil der Presse Verbindungen
zu unmittelbaren ökonomischen Interessen der
Regierungspartei ANC (African National Congress), die
mit der Holding Chancellor House verquickt
ist, welche wiederum im Gold- und Diamantenabbau in der
ZAR unmittelbar aktiv war. Die oppositionelle
Democratic Alliance forderte einen formellen
parlamentarischen Untersuchungsausschuss dazu. Am 04.
April 13 wurde bekannt, dass Südafrika seine Truppen
ersatzlos zurückzieht.
Allerdings haben die Regierung Südafrikas und jene der
ZAR nun am 28. April eine „Neubegründung ihrer
bilateralen Beziehungen“, welche künftig
„auf regulären zwischenstaatlichen statt“ auf
mehr oder minder fragwürdigen „persönlichen
Bindungen“ beruhen sollten, angekündigt. Von
einer erneuten Entsendung südafrikanischer Truppen in
das Land ist jedoch vorläufig nicht die Rede.
Zu den politischen Gewinnern
zählen unterdessen Frankreich sowie das nördliche
Nachbarland Tschad. Dessen autoritär und gewalttätig
regierender Präsident Idriss Déby entsandte ferner seit
Januar d.J. das zweitstärkste Kontingent, nach dem
französischen, in das Krisenland Mal - und ist deswegen
darüber hinaus in Paris gern gesehen.
Editorische Hinweise
Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.