Frankreich, Südafrika und andere
Einflusskämpfe in der Zentralafrikanischen Republik

von Bernard Schmid

05-2013

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Der König ist tot, es lebe der König? Zwar ist die Zentralafrikanische Republik, jenes rohstoffreiche und relativ bevölkerungsarme Land mit fünf Millionen Einwohner/inne/n zwischen dem Kongobecken und der Sahelzone, keine Monarchie mehr. Eine solche war sie kurzzeitig unter dem größenwahnsinnigen Präsidenten Jean-Bédel Bokassa, der sich 1976 zum „Kaiser“ krönen ließ und das Land dadurch international bekannt machte. Im Jahr 1979 stürzte ihn die Neokolonialmacht Frankreich, als deren Verbündeter er an die Macht gekommen war, und die auch nach ihm einen wichtigen Einfluss beibehielt.

Nach Bokassa hatte das Land „nur“ noch Präsidenten und keine gekrönten Oberhäupter mehr. Doch diese regierten meist autokratisch, und ließen sich in erkennbar manipulierten oder zumindest „umstrittenen“ Wahlen im Amt bestätigen. Von 2003 bis zum 24. März 2013 saß François Bozizé auf dem Präsidentenstuhl, dem jetzt Zuflucht im westafrikanischen Staat Benin angeboten wurde. Sein Nachfolger wurde am 13. April dieses Jahres bestimmt, der frühere Diplomat Michel Djotodia. Schon seit dem 24. März 13 hatte er als „provisorischer Präsident“ regiert. Nunmehr wurde er ins Amt „gewählt“, allerdings nicht durch die Bevölkerung, sondern durch den „Nationalen Übergangsrat“, den unterschiedliche politische Kräfte beim Abgang Bozizés bildeten. Als einziger Bewerber und ohne Gegenkandidat.

Theoretisch regierte in dem Übergangsgremium nach dem Sturz des alten Präsidenten eine Allparteienregierung. Doch diese hielt nur wenige Tage: Die vormalige bewaffnete Rebellenkoalition Séléka, die am 24. März d.J. den vormaligen Präsidenten François Bozizé stürzte, unter ihrem Chef Michel Djotodia hatte faktisch alle Macht allein an sich gerissen. Eine ursprüngliche Mehrparteienkoalition zerbrach am 01. April, weil die früheren zivilen Oppositionsparteien den ehemaligen bewaffneten Rebellen vorwarfen, sechzehn Regierungsposten mit „falschen Vertretern der Zivilgesellschaft, die in Wirklichkeit Séléka-Repräsentanten sind“ besetzt zu haben. De facto nahmen sie dadurch eine dominierende Stellung ein.

Am Wochenende des 13./14. April d.J. kam es in Bangui zu heftigen Kämpfen zwischen Einwohnergruppen und Séléka-Milizen, die laut Angaben des Krankenhauses am Montag darauf mindestens zwanzig Tote forderten. Unter den „unzufriedenen Einwohnern“ sollen sich laut Regierungsangaben auch bewaffnete Bozizé-Anhänger befunden haben. Hingegen ging etwa aus einem Korrespondentenbericht für die Pariser Tageszeitung Libération vom 16. April 13 hervor, dass es sich - vielmehr als um bewaffnete Gefolgsleute des alten Regimes – weitaus eher um „normale“ Einwohner/innen handelte, die der Plünderungen und Diebstähle durch marodierende Séléka-Einheiten in ihren Häusern überdrüssig geworden waren. Die neue Regierung rief daraufhin Frankreich zur Hilfe, um ihr „bei der Stabilisierung des Landes zu helfen“.

Die ebenfalls dünn besiedelte und rohstoffreiche ZAR ist zum neuen Spielfeld für die Einflussversuche diverser regionaler und internationaler Mächte geworden. Bozizé hatte zu Beginn der innenpolitischen Krise im Dezember Frankreich aufgefordert, ihm militärisch gegen die Rebellen beizustehen – wie Paris es unter seinen Vorgängern 1996, 1997 und 2002 auch getan hatte. Am 27. Dezember 12 erklärte die französischer Regierung jedoch ihre Weigerung: Frankreichs Truppen würden nur „für unsere eigenen strategischen Interessen und für den Schutz europäischer Staatsbürger“ benutzt, nicht als Lebensversicherung für einen Präsidenten. Dennoch stockte Frankreich seine Truppenpräsenz auf 500 Mann vor Ort auf – eine hohe Zahl angesichts der schlecht bewaffneten und ausgebildeten militärischen Verbände auf allen Seiten - , die Mitte März d.J. den Flughafen der Hauptstadt Bangui besetzten, jedoch den Sturz Bozizés nicht aufhielten.

Inzwischen ist jedoch klar, dass der Hauptgrund dafür nicht die Ablehnung von Einmischung war, sondern pures Interessenkalkül. Am 03. April 13 gab die Pariser Abendzeitung Le Monde bekannt, Franzosen würden die militärische Ausbildung für die künftige Armee der ZAR – die nun auf Basis der Séléka-Kampfverbände neu aufgebaut wird – übernehmen. Frankreich sieht also seine Interessen bei den neuen Machthabern gut gewahrt.

Dem alten Präsidenten standen dagegen südafrikanische Kampftruppen zur Seite; mindestens dreizehn ihrer Soldaten fielen dabei Ende März d.J.. Ihr Land ist im Abbau von Gold- und Diamantvorkommen in der ZAR stark präsent, und seit 2007 hatte Südafrika in Bangui militärische Ausbildungsmissionen übernommen. Bei ihrer Rückkehr nach Pretoria und Johannesburg entspann sich jedoch eine heftige Debatte in der südafrikanischen Presse. Soldaten des Landes hatten in der ZAR auf Kindersoldaten geschossen, die in den Reihen der Séléka kämpften, wie traumatisierte Militärs in den Zeitungen berichteten – „so hatten wir uns den Kampf gegen die Rebellen nicht vorgestellt“. Auch zog ein Teil der Presse Verbindungen zu unmittelbaren ökonomischen Interessen der Regierungspartei ANC (African National Congress), die mit der Holding Chancellor House verquickt ist, welche wiederum im Gold- und Diamantenabbau in der ZAR unmittelbar aktiv war. Die oppositionelle Democratic Alliance forderte einen formellen parlamentarischen Untersuchungsausschuss dazu. Am 04. April 13 wurde bekannt, dass Südafrika seine Truppen ersatzlos zurückzieht.

Allerdings haben die Regierung Südafrikas und jene der ZAR nun am 28. April eine „Neubegründung ihrer bilateralen Beziehungen“, welche künftig „auf regulären zwischenstaatlichen statt“ auf mehr oder minder fragwürdigen „persönlichen Bindungen“ beruhen sollten, angekündigt. Von einer erneuten Entsendung südafrikanischer Truppen in das Land ist jedoch vorläufig nicht die Rede.

Zu den politischen Gewinnern zählen unterdessen Frankreich sowie das nördliche Nachbarland Tschad. Dessen autoritär und gewalttätig regierender Präsident Idriss Déby entsandte ferner seit Januar d.J. das zweitstärkste Kontingent, nach dem französischen, in das Krisenland Mal - und ist deswegen darüber hinaus in Paris gern gesehen.

Editorische Hinweise

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