1.) Wogegen richtet
sich das Referendum?
R.Z.: Im Kanton Bern wurde Ende
Januar ein Sozialhilfegesetz verabschiedet, in dem eine
Klausel enthalten. Danach müssen Sozialhilfeempfänger eine
Generalvollmacht für die Offenlegung all ihrer Daten
unterschreiben, wenn sie Leistungen erhalten wollen. Das
betrifft nicht nur ihre Bankdaten, auch Ärzte und Vermieter
können nach den Bestimmungen befragt werden. Wir sehen darin
ganz eindeutig eine Diskriminierung von Sozialhilfeempfängern.
Die Stigmatisierung beginnt schon, wenn durch die Befragung
bekannt wird, dass jemand Sozialhilfe beantrag hat. Von
den 160 Abgeordneten im Berner Parlament haben nur 4 Grüne die
Vorlage abgelehnt.
2.) Wie haben die
Befürworter ihre Zustimmung begründet?
R.Z.: Es gibt in der Schweiz
seit Jahren eine Polemik gegen Sozialhilfeempfänger. Der
Begriff vom Sozialhilfemissbrauch ist sehr bekannt. Da werden
publizistisch einige wenige Fälle aufgegriffen, wo
Sozialhilfeempfänger einen BMW gefahren sind. Mittlerweile
gibt es in Bern eine Regelung, dass jedem Sozialhilfeempfänger
ein Testarbeitsplatz in der Reinigungsbranche angeboten werden
muss. Wer ihn ablehnt, bekommt keine Sozialhilfe. Zudem
wurden zum 1.April dieses Jahres, als das neue
Sozialhilfegesetz in Kraft getreten ist, auch zahlreiche
Menschen aus der Arbeitslosenkasse in die Sozialhilfe
gedrängt. Dass ist der sozialpolitische Hintergrund für den
Angriff auf den Datenschutz für diese Menschen.
3.) Welche
Unterstützung gibt es außerhalb der PdA bei Parteien und
Gewerkschaften für das Referendum?
R.Z.: Die
Sozialdemokraten und die Grünen unterstützen das Referendum
verbal, beteiligen sich aber kaum an dem Sammeln der
Unterschriften. Bei den Sozialdemokraten liegt es auch daran,
dass deren Abgeordnete das Gesetz mehrheitlich mitgetragen
haben. Die Gewerkschaften mobilisieren zeitgleich für ein
Referendum für die Einführung eines Mindestlohns. Daher sind
es neben der PDA nur kleine Gruppen, die das Referendum für
den Datenschutz unterstützen. Eine wesentliche Rolle bei
der Mobilisierung nimmt das Komitee der Arbeitslosen und
Armutsbetroffenen ein.
4.) Gibt es Kontakte
zu Gruppen, die sich bisher vor allem für den Datenschutz im
Internet einsetzen?
R.Z.: Auch in dieser Frage ist
die Debatte in der Schweiz nicht weit entwickelt. Nach dem
vor 20 Jahren in der Schweiz der Fichenskandal, ein
Schnüffelstaatssystem aus der Zeit des kalten Krieges
aufgedeckt wurde ,gibt es zur Zeit raffinierte Versuche,
solche Methoden wieder einzuführen, ohne dass es viel Kritik
daran gibt. Diejenigen aber, die sich für den Erhalt des
Schweizer Bankgeheimnisses einsetzen, etwa die Liberalen, sind
an vorderster Front für Abbau des Datenschutzes für
Sozialhilfeempfänger.
5.) Wie verlief die
bisherige Kampagne?
R.Z.: Beim Sammeln der
Unterschriften habe ich festgestellt, dass die Hetze gegen
Sozialhilfeempfänger noch längst nicht so stark in die Köpfe
der Menschen eingedrungen ist. Es gab sehr gute Diskussionen
und es ist auch nicht so schwer, eine Unterschrift zu
bekommen.
6.) Sind Sie
optimistisch, das Referendum gewinnen zu können?
R.Z.: Wir sind immer noch
optimistisch, dass wir die nötigen Unterschriften sammeln.
Allerdings ist die Hürde sehr hoch. Wir müssen bis zum
Monatsende zehntausend Unterschriften sammeln, während wir von
einem großen Teil der Medien totgeschwiegen werden. Sollten
wir die Hürde schaffen, kommt es zur eigentlichen
Volksabstimmung. Dann würden die Karten ganz neu gemischt,
denn dann müssten sich Sozialdemokraten und Gewerkschaften
eindeutig positionieren und da könnten sie nicht zustimmen.
Editorische Hinweise
Wir erhielten
das Interview von Peter Nowak.
Rolf Zbinden (R.Z.)
ist Vertreter der Partei der Arbeit (PdA) im Berner Stadtrat
und unterstützt das Referendum gegen die Revision des
Sozialhilfegesetzes.
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