Maoismus versus Stalinismus
Stalins theoretische Arbeiten (1936-1953)


Auszüge aus einer Kritik von Bo Gustafsson

05/11

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Stalin und der dialektische Materialismus 

Stalins Abhandlung über den dialektischen Materialismus und dessen Kennzeichen (S. 5f) enthält Vieles vondem oben Gesagten. Aber Stalins Abhandlung leidet auch an einigen auffallenden Mängeln. Es glückte Stalin nicht, den inneren Zusammenhang zwischen den dialek­tischen Gesetzmäßigkeiten darzustellen. Aus der Ab­handlung geht überhaupt nicht hervor, daß das Gesetz über Einheit und Kampf der Gegensätze, das primäre Ge­setz des dialektischen Materialismus ist. Stalin berührt fast ausschließlich die subjektive Dialektik, das heißt, die Dialektik als Methode, Theorie und Wissenschaft. Schließlich fehlt in Stalins Darstellung die Unterscheidung einerseits zwischen antagonistischen und nicht-anta­gonistischen Widersprüchen und andererseits zwischen Widersprüchen zwischen dem Volk und den Feinden des Volkes und Widersprüchen im Volk. Schon Lenin wies den Unterschied zwischen antagonistischen und nicht-antagonistischen Widersprüchen nach. Aber am ausführlichsten analysierte Maotsetung diese beiden Typen von Wider­sprüchen; er wies außerdem nach, daß man nicht-antagonistische Widersprüche mit ganz anderen Methoden lösen muß als antagonistische. 

Diese Mängel in Stalins Abhandlung sind natürlich nicht zufällig. Faktisch wich Stalin zuweilen vom dialektischen Materialismus ab und fiel der Metaphysik und dem Subjektivismus anheim. In seiner Politik verquickte er in ge­wissem Ausmaß sowohl antagonistische mit nicht-antagonistische Widersprüchen als auch Widersprüche zwischen dem Volk und den Feinden des Volkes mit Widersprüchen im Volk. Das hatte in den 30er Jahren zur Folge, daß Teile des Volkes von dem Schlag mitgetroffen wurden, der allein den Feinden des Volkes zugedacht war; gleichzeitig konnte sich ein Teil der Feinde des Volkes dem Schlag entziehen. Dadurch wurde das Volk in einem gewissen Ausmaß zersplittert, was die Feinde des Volkes ausnützten, um weitere Zwietracht im Volk auszusäen. Da Stalin also nicht immer eine kon­krete Analyse der Widersprüche durchführte und sich in seiner Politik auch nicht immer auf das Volk stützte, wur­de Stalin in seinem Streben behindert ,seine richtige Li­nie vollständig durchzuführen und verursachte dadurch im Volk und in der Partei unnötige Opfer. 

Stalin und der historische Materialismus 

Stalins Abhandlung über den historischen Materialismus ist eingehend und systematisch. Aber auch sie hat gewis­se Mängel. Zum ersten behandelt Stalin den Widerspruch zwischen der ökonomischen Basis der Gesellschaft und deren politischer, juristischen, ideologischen (usw.) Über­bau nur im Vorübergehen. Dieser Widerspruch ist sehr wichtig für die Entwicklung der Gesellschaft; er ist für den historischen Materialismus von grundlegender Bedeu­tung. Die Erfahrung zeigt, daß die Lösung dieses Wider­spruchs die Frage der Weiterentwicklung des Klassenkampfes im Sozialismus entscheidet. Die Machtübernahme des Pro­letariats in der sozialistischen Revolution löst haupt­sächlich den Widerspruch zwischen den Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen. Mit der Machtüber­nahme nimmt das Proletariat auch die Lösung des Wider­spruches zwischen Basis und Überbau in Angriff. Aber die Machtübernahme löst weder den ersten  noch den zwei­ten Widerspruch definitiv, besonders nicht den zweiten. Er muß ständig durch sich wiederholende Kulturrevolu­tionen gelöst werden, die nach und nach die Ideologie der Ausbeutergesellschaft vernichten und die prole­tarische Ideologie im ganzen Volk einpflanzen. Das ist die einzige Möglichkeit, die proletarische Diktatur zu festigen. Stalin sah nicht ganz die Bedeutung dieses Widerspruches ein, ebenso nicht seine Behandlung im Klassenkampf und seine Widerspiegelung im historischen Materialismus. Gegen seinen Willen trug er deshalb da­zu bei, den Boden für die Machtübernahme von bürgerlichen Elementen in Staat und Partei vorzubereiten. 

Zum zweiten ist in Stalins Darstellung des historischen Materialismus fast ganz der Klassenwiderspruch und der auf dem Klassenwiderspruch beruhende Klassenkampf verschwunden. Nach Stalin ist "die Entwicklungsgeschichte der Gesellschaft, vor allem die Entwicklungsgeschichte der Produktion“. (S. 27) Freilich weist Stalin, darauf hin, daß "die Geschichte der gesellschaftlichen Entwick­lung zugleich auch die Geschichte der Produzenten der materiellen Güter" ist, (S. 28) und daß die Geschichte sich deshalb" vor allem mit der Geschichte der der werktäti­gen Massen , mit der Geschichte der Völker beschäftigen" muß. Aber gerade deshalb ist auch die Geschichte in erster Linie eine Geschichte von Klassenkämpfen. Sie muß sicher in letzter Hand mit der Geschichte der Entwick­lung der Produktion als Ausgangspunkt erklärt werden; da sie die grundlegende Bedingung für die Geschichte des Klassenkampfes ist. Das heißt, das Volk und die Klas­sen schaffen die Geschichte nicht nach eigenem Gut­dünken, aber sie schaffen, doch selbst die Geschichte. In ihrem innersten Wesen ist die Geschichte deshalb eine Geschichte des Kampfes der Völker und der Klassen; in erster Linie also der Freiheitskampf der revolution­ären Völker und Klassen. Höhepunkte in dieser Geschichte ist deshalb der Kampf der revolutionären Völker und Klas­sen für die Abschaffung der Ausbeutung und der Unter­drückung. Der Kampf der revolutionären Völker- und Klassen macht also die wirkliche Triebkraft der historischen Ent­wicklung aus. Je erfolgreicher dieser Kampf ist, d.h. je härtere Schläge man gegen die herrschenden Klassen und die vor ihnen aufrechterhaltenen Produktionsverhältnisse richten kann, desto größer wird die Möglichkeit einer Zu­nahme der Produktivkräfte und desto schneller können sie sich entwickeln. Der Rahmen des Klassenkampfes wird indes­sen von der herrschenden Produktionsweise bestimmt, die gewisse Grenzen der Entwicklung, des Niveaus und der Er­gebnisse des Klassenkampfes setzt. Die schwedische Ge­schichte ist voller Bauernaufstände und Bauernkriege und diese waren in älterer Zeit die wirkliche Triebkraft der historischen Entwicklung in unserem Land. Durch sie ent­wickelten sich sowohl die Produktivkräfte als auch die Produktionsverhältnisse. Aber die Bauernklasse konnte nie­mals die Macht erobern. Es gab weder die Produktivkräfte, Produktionsverhältnisse, Klassenkräfte oder die Partei, die eine notwendige Voraussetzung dafür ist, daß das Volk die Macht erobern kann. Diese Bedingungen wurden erst durch den Kapitalismus geschaffen, denn aus diesem wuchs die Industriearbeiterklasse samt dem wissenschaftlichen Sozialismus. Die Geschichte der Produktionsentwicklung macht also die Basis, den Rahmen der geschichtlichen Ent­wicklung aus. Aber der Inhalt dieser historischen Ent­wicklung wird vom Kampf der Klassen, vor allem dem Frei­heitskampf der revolutionären Völker und Klassen bestimmt, und dieser Kampf ist es, der die historische Entwicklung vorwärts treibt und somit sowohl Produktivkräfte als auch die Produktionsverhältnisse schafft. Deshalb ist es sicher auch unrichtig, daß Stalin in seiner Abhandlung bei der Beschreibung der Produktivkräfte die Produktionsmittel vor den Menschen behandelt. Das entscheidende im Kampf sind nämlich nicht die Technik oder die Arbeitswerkzeuge, sondern die Menschen. 

Der Klassenkampf ist also selbst der Kernpunkt im historischen Materialismus. Er muß also einen hervorragenden Platz in jeder Darstellung des historischen Materialismus einnehmen. Dies gilt umso mehr, als die Klassen und der Klassenkampf während der ganzen Ära des Sozialismus fort­bestehen, bis hin zur klassenlosen kommunistischen Ge­sellschaft. Erst dann verschwinden die Klassen und damit auch der Klassenkampf, die Diktatur des Proletariats und die Kommunistische Partei.

Die Einseitigkeiten in der Darstellung des historischen Materialismus durch Stalin sind historisch erklärbar. Zum ersten nahm die Frage der Entwicklung der Technik einen hervorragenden Platz in Kampf der KPdSU(B) in der Sowjetunion während der 30er Jahre ein; zu dieser Zeit verfaßte Stalin seine Arbeit. Zum zweiten überschätzte Stalin die Erfolge, die die Partei bereits gemacht hatte, vor allem in der Frage der Konsolidierung der Diktatur das Proletariats. Er schreibt z.B. in dieser Zeit wörtlich: "Hier gibt es weder Ausbeuter noch Ausgebeutete". Auf die gleiche Weise drückt er sich auch beim Bericht über die neue Verfassung von 1936 aus: "Es ist die Grund­lage der moralisch-politischen Einheit der Gesellschaft geschaffen worden."6)  Ebenso im Rechenschaftsbericht an den XVIII. Parteitag 1939: "Der Sowjetgesellschaft . .. sind Klassenzusammenstöße fremd, sie bietet das Bild freundschaftlicher Zusammenarbeit der Arbeiter, der Bauern und der Intelligenz."8) 

Natürlich war die Partei ein gutes Stück auf dem Weg der Abschaffung der Klassengesellschaft vorangekommen, es war ihr möglich, die Freundschaft zwischen den Arbeitern, Bauern und Intellektuellen zu festigen. Aber die Klassen waren damit keineswegs ganz abgeschafft, der Klassen­kampf ging weiter und die bürgerliche Ideologie hatte noch immer einen starken Einfluß. Gerade aus diesen Grün­den war es den bürgerlichen Elementen möglich, die Staats­macht nach dem Tode Stalins wieder zu ergreifen. Stalin selbst handelte in gutem Glauben. Wenn er behauptete, daß der Klassenkampf und die Klassen in der Sowjetunion verschwunden seien, so war dies ein Ausdruck seines re­volutionären Enthusiasmus und seines Willens, an der bald­möglichsten Zerstörung der Klassengesellschaft zu arbei­ten. Nichtsdestoweniger war dieser Standpunkt subjektivistisch, d. h. wirklichkeitsfremd und deshalb falsch.

Was Stalin in seiner Abhandlung "Über historischen Materialismus" behandelt, ist weniger Klassenkampf als die ökonomische Basis des Klassenkampfes, die Produk­tionsweise und deren beiden Seiten - die Produktivkräfte und die Produktionsverhältnisse - einschließlich der Stadien der ökonomischen Gesellschaftsformationen. Diese Seite des historischen Materialismus ist auch, wie oben gezeigt, die grundlegende. Der Beitrag von Marx be­stand gerade darin, daß er aufzeigte, daß der Klassen­kampf auf der Produktionsweise beruht und mit ihr ver­bunden ist. Damit wurde die Anatomie des Klassenkampfes klargestellt. Ohne die ökonomische Basis des Klassen­kampfes zu verstehen, kann man auch nicht die Geschichte des Klassenkampfes verstehen. 

Stalins Abhandlung über die ökonomische Basis des Klassenkampfes ist gründlich und eingehend, aber auch sie enthält verschiedene diskutable Punkte. In seiner Analyse des Widerspruchs zwischen den Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen zeigt er, wie dieser Widerspruch die Produktionsweise vorantreibt. Aber seine Schilderung könnte den Eindruck hinterlassen, daß dieser Widerspruch im Sozialismus wegfallen würde, daß der Kampf zwischen den Widersprüchen nur einer Einheit von beiden Platz machen soll. Er sagt; "ein Beispiel völliger Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem Charakter der Produktivkräfte ist die sozialistische Volkswirtschaft in der Sowjetunion ..."(S. 30). Natürlich löst die sozialistische Revolution den Hauptwiderspruch zwischen dem gesellschaft­lichen Charakter der Produktivkräfte und dem privaten Cha­rakter der Produktionsverhältnisse, aber zum ersten nimmt dieser Prozeß lange Zeit nach dem Ergreifen der politischen Macht durch die Arbeiterklasse in Anspruch, zum zweiten geht der Weg zum gesellschaftlichen Eigentum teilweise nicht direkt vor sich, sondern über das Gruppeneigentum, z.B. in der Landwirtschaft. Zum dritten entstehen die gan­ze Zeit neue Widersprüche zwischen den Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen, da gerade die Produktionskräfte im Sozialismus schnell zunehmen. Ein Beispiel da­für ist die Entstehung der Volkskommunen in China ab 1958. Die Volkskommunen sind neue und höhere Produktionsverhält­nisse im Vergleich mit den landwirtschaftlichen Koopera­tiven. Sie bahnten sich ihren Weg als Folge des Massenfeldzugs für höhere Produktion, der von den vordersten Produktivkräften - den arbeitenden Menschen - ausgelöst wurde. Wenn man also nicht die Produktionsverhältnisse im Sozialis­mus ständig revolutioniert, kommt es dazu, daß sie die Ent­wicklung der Produktivkräfte hemmen. Ein Beispiel dafür ist die Stagnation der Landwirtschaft und der Industrie nach Stalins Tod in der Sowjetunion, die die Chruschtschow-Revisionisten jetzt dadurch zu "lösen" versuchen, daß sie die kapitalistische Produktions- und Ausbeutungsverhältnisse wieder einführen. 

Natürlich hat der Widerspruch zwischen den Produktivkräf­ten und den Produktionsverhältnissen im Sozialismus einen ganz anderen Charakter als im Kapitalismus. Der wichtigste Unterschied ist, daß der Widerspruch im Kapitalismus seinem Wesen nach antagonistisch ist, während er im Sozialismus seinem Wesen nach nicht antagonistisch ist. Wenn es aber keinerlei Widersprüche zwischen den Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen im So­zialismus gäbe, könnte sich die sozialistische Produktions­weise überhaupt nicht entwickeln. Deshalb sagt Mao Tse-tung, der diese Fragen besonders eingehend behandelt hatr mit vollem Recht:

"Die grundlegenden Widersprüche in der sozialistischen Gesellschaft sind immer noch die zwischen den Produk­tionsverhältnissen und den Produktivkräften, sowie zwi­schen Überbau und Ökonomischer Basis."9)

Anschließend sollen noch einige andere, weniger kritische Gesichtspunkte angeführt werden ... Zu kritisieren sind gewisse Teile der Auffassung über die Triebkräfte, die für die Umwandlung einer Gesellschaftsformation in eine andere verantwortlich sind. Als Erklärung des Übergangs der Skla­venhaltergesellschaft zum Feudalismus führt er an: "Der Feudalherr verzichtet auf den Sklaven, der nicht an der Arbeit interessiert und jeder Initiative bar ist, und zieht es vor, mit dem Leibeigenen zu tun zu haben, der eine eigene Wirtschaft, eigene Produktionsinstrumente hat, und der in gewissem Maße an der Arbeit interessiert ist, was not­wendig ist, den Boden zu bestellen und aus seinem Ernteertrag dem Feudalherrn Naturalabgaben zu leisten." (S. 34) Diese Erklärung ist natürlich zum Teil richtig, aber die Sklavenhaltergesellschaft wurde durch den Feudalismus auf­grund des Kampfes der Widersprüche, d.h. auf Grund des Klassenkampfes ersetzt. Die unterdrückte Klasse, die Sklaven, machten gegen ihre Unterdrücker, die Sklaveneigner, ständig Aufstände und zertrümmerten deren Staat. 

Stalin hat wohl kaum recht, wenn er sagt, daß die feudale Ausbeutung 'etwas milder’ im Vergleich mit der Ausbeutung in der Sklaverei war. Man mißt die Ausbeutung durch das numerische Verhältnis von Mehrarbeit zur notwendigen Ar­beit (den Teil der Produktion, der den Unterhaltskosten des Arbeitenden entspricht). Diese zwei Teile machen zusammen die Produktion der arbeitenden Produzenten aus. Das Feudal­system brachte eine kräftige Erhöhung der Produktion mit sich. Wenn nun das Mehrprodukt und der Teil der Produktion, der den arbeitenden Produzenten zufällt, sich in gleichen Verhältnis vermehrt, so bleibt der Ausbeutungsgrad unver­ändert. Wenn sich das Mehrprodukt verhältnismäßig höher steigert als der Teil des Produktes, der den Produzenten zufällt, so steigert sich die Ausbeutung. Wenn im Gegenteil der Teil des Produktes, der den Produzenten zufällt, sich stärker erhöht als das Mehrprodukt, so vermindert sich die Ausbeutung. Nach Stalin müßte der zuletzt genannte Fall beim Übergang von der Sklaverei zum Feudalismus vorliegen. Das ist sicher nicht nur eine theoretische Frage. Es ist wenig wahrscheinlich, daß sich die Ausbeutung vermindert hat. Im Gegenteil, die Feudalherren gingen zum neuen Ausbeutungssystem über, weil die Reproduktionskosten der Sklavenar­beitskraft im Verhältnis zum Mehrprodukt zu hoch war. Die Feudalherren überließen die Verantwortung für die Repro­duktion der Arbeitskraft den Arbeitenden selbst. Sie stel­lten ihnen ein Stück Land und gewisse Produktionsmittel zur Verfügung und banden sie daran. Dadurch wurde die Frei­heit der Arbeitenden und folglich auch ihr persönliches Interesse, mehr zu produzieren, gesteigert. Hierdurch er­höhte sich das Mehrprodukt. Daraus sieht man, daß der Aus­beutungsgrad sich steigerte, auch wenn die Menge der Pro­dukte, die nun den arbeitenden Produzenten zufiel, sich steigerte. Dies war dadurch möglich, daß die Menge der Pro­dukte, die den Feudalherren zufiel, sich noch mehr stei­gerte. Genau die gleiche Entwicklung kann man in der kapi­talistischen Welt sehen. Man sieht dies an dem ständig wachsenden Anteil des Nationalproduktes, der der Kapital­akkumulation zufließt: In der Nachkriegszeit z.B. stieg dieser Anteil von. 20 auf 30 %, d.h. er steigerte sich um 50 %. Dieser erhöhte Ausbeutungsgrad war nicht nur mit ei­ner gewissen Erhöhung des materiellen Lebensstandards der Arbeitenden möglich, sondern war auch teilweise direkt durch sie bedingt. Auf die gleiche Art brachte sicher auch das Feudalsystem keine Verminderung, sondern eine Ver­schärfung der Ausbeutung mit sich. 

Wie Stalin den Feudalherren zum Hauptmotor des Übergangs von der Sklaverei zum Feudalismus macht, macht 'er auch die Kapitalisten zum Hauptmotor im Übergang vom Feudalismus zun Kapitalismus. Er schreibt:

"Die neuen Produktivkräfte erfordern, daß die Produzenten auf höherer Kulturstufe stehen und anstelliger seien als die eingeschüchterten und unwissenden Leibeigenen, daß sie fähig seien, die Maschine zu verstehen und richtig mit ihr umzugehen. Darum ziehen die Kapitalisten die von feudalen Fesseln freien Lohnarbeiter vor, die auf hinreichend hoher Kulturstufe stehen, um mit den Maschinen richtig umzugehen." (S. 35)

Die Frage ist, ob diese Beschreibung das wesentliche wieder­gibt. Zum ersten ging der Feudalismus ebenso wie die Skla­vengesellschaft infolge des Klassenkampfes unter. Zum zwei­ten kann man kaum sagen, daß es die Kapitalisten 'vorzo­gen’, daß sie es mit den freien Lohnarbeitern anstelle von Leibeigenen zu tun hatten: Die Leibeigenen wurden mit Ge­walt zu Lohnarbeitern gemacht, weil sie die ursprüngliche Akkumulation von Haus und Hof vertrieb, vogelfrei machte, und sie deshalb zwang, bei den Kapitalisten Anstellung zu nehmen. Je stärker die Armut bei diesen vogelfreien Pro­letariern war, desto lohnender war es für die Kapitalisten, sie anzustellen und auszubeuten, Waren sie vorher noch nicht verarmt, so wurden sie es dadurch, daß sie in die Mühle des Industriekapitalismus hineingezogen wurden, die sowohl ihren Körper als auch ihren Geist zerstörte. Dies wurde von Marx eingehend im 1. Band des 'Kapitals' ge­schildert. 

Anmerkungen

Die Klammern mit den Seitenzahlen beziehen sich auf Stalins Schrift über Dialektischen und Historischen Materialismus. Da Quellenangaben in der Broschüre fehlen, muss der Verweis auf die Internetquelle ausreichen: http://ciml.250x.com/archive/stalin/german/gst_diahistomat.html 

5) Stalin Fragen des Leninismus, S. 613ff
6) Geschichte der KPdSU (B), S. 248
7) fehlt
8) Stalin Fragen des Leninismus, S. 708
9) Mao Tsetung, Über die richtige Behandlung der Widersprüche im Volk, S. 22

Editorische Hinweise:

Der Text wurde entnommen:
Stalins theoretische Arbeiten (1936-1953)
Eine Kritik von Bo Gustafsson

Hrg. Von der Kommunistischen Partei Deutschlands / Marxisten-Leninisten, München o.J., Verlag Hugo Lanz, Auswahl und Zusammenstellung: Kreisverband München und Ortsgruppe Freiburg der KPD/ML

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s fehlen Angaben zur Übersetzung ins Deutsche

Der Autor Bo Gustafsson verfasste seine Schrift in dem Zeitfenster 1967-1970. Er war zu diesem Zeitpunkt Dozent für Nationalökonomie an der Universität in Uppsala, wo er 1965 die ersten maoistischen Gruppen in Schweden bildet. Aus diesen geht dann die Kommunistiska förbundet marxist-leninisterna (KFML) „Kommunistische Liga Marxisten-Leninisten“ hervor. (Quelle: MAO)

Die deutsche Fassung erschien in dem Zeitfenster 1970/71, als Hugo Lanz führender KPD/ML-Funktionär in München war. (Siehe dazu MAO) Sie diente als Begleitlektüre zu der Stalinschen Schrift über Dialektischen und Historischen Materialismus, welche damals als Schulungslektüre in der KPD/ML eingesetzt wurde.