7. Januar
Die Konferenz der Zentrale der
VKPD mit den Bezirkssekretären beschließt den „Offenen Brief"
an ADGB, AfA-Bund, AAU, FAU (Syndikalisten), SPD, USPD und
KAPD.
Mit dem „Offenen Brief" macht
sich die VKPD, anknüpfend an die Forderungen der Stuttgarter
Metallarbeiter (2. Dez. 1920), zum Sprecher des Willens der
Arbeiterklasse zum gemeinsamen Kampf gegen die
Kapitalsoffensive. Die Zentrale schlägt gemeinsame Aktionen
bei Lohnkämpfen, für die Verbesserung der Lage der
Arbeitslosen, Kriegsopfer und Rentner sowie die Entwaffnung
der Konterrevolution und die Bildung von Selbstschutz-Organisationen
der Werktätigen vor. In Versammlungen und Kundgebungen fordern
die Arbeiter von SPD, USPD und ADGB die
Annahme der Vorschläge der VKPD. Die Vorstände dieser
Organisationen beharren jedoch auf ihrer ablehnenden Haltung.
Mit dem „Offenen l Brief" leitet die VKPD eine neue Phase
ihres Kampfes um die Einheitsfront der Arbeiterklasse ein.
Während sie sich bisher auf die Gewinnung der Arbeiter in der
USPD konzentriert hat, orientiert sie sich! nunmehr auf eine
breitere Massenarbeit. W. I. Lenin bezeichnet diese Politik
als ersten Akt der praktischen Methode, die Mehrheit der
Arbeiterklasse zu gewinnen.
3./4.
Februar
Streik der Arbeiter der
Mansfelder Kupferschieferbauenden
Gewerkschaft (Mansfeld AG) gegen die Einsetzung des
Werksicherheitsdienstes, einer getarnten Spitzelgarde. Die
Arbeiter fordern Mitspracherecht bei der Einsetzung von
Sicherheitspersonal.
Am 4. Febr. demonstrieren
10 000 Arbeiter vor dem Verwaltungsgebäude der Mansfeld AG in
Eisleben. Die Direktion muß die
Forderungen der Arbeiter anerkennen und die Bezahlung der Streiktage
zugestehen. Es gelingt der Direktion später, die Bezahlung der
Streiktage zu verhindern.
12. Februar
Eine vom Oberpräsidenten
der Provinz Sachsen, O. Hörsing (SPD),
einberufene Konferenz in Merseburg, an der Landräte,
Oberbürgermeister, Führer der Schutzpolizei (Schupo),
Unternehmer/Gutsbesitzer u. a. teilnehmen, beschließt, gegen
das mitteldeutsche Industriegebiet eine „Polizeiaktion zur
Herstellung der Staalsautorität" durchzuführen.
Auf weiteren Konferenzen, u. a.
am 28. Febr. in Magdeburg am 14.März in
Merseburg, werden die genauen Einzelheiten der geplanten
Provokation festgelegt.
15.-18.
Februar
Parteitag der
KAPD in Gotha. 25 Delegierte. Der Parteitag beharrt auf den
sektiererischen Auffassungen und bezeichnet die
Einheitsfrontpolitik der VKPD als „reformistische
Massenfangpolitik". Die von der KI geforderte Vereinigung mit
der VKPD lehnt die KAPD ab und verlangt die Einigung auf dem
Boden ihrer Grundsätze. Die Politik der Führer der KAPD führt
in den folgenden Monaten zu einer Vertiefung der Widersprüche
innerhalb der Partei und hat — vor allem nach den Märzkämpfen
— die wachsende Isolierung der Partei von den Arbeitern zur
Folge.
20. Februar
Landtagswahlen
in Preußen. Die für die drei Arbeiterparteien abgegebenen
Stimmen widerspiegeln annähernd das neue Kräfteverhältnis in
der Arbeiterklasse nach der Vereinigung der KPD und der USPD
(Linke). Die VKPD erhält knapp 20 Prozent der für diese
Parteien abgegebenen Stimmen. In den industriellen Zentren ist
dieser Anteil bedeutend höher. In den Wahlkreisen
Düsseldorf-Ost und Düsseldorf-West sind es rd. 40 Prozent. Im
Wahlkreis Merseburg wird die VKPD zur stärksten Partei. Knapp
30 Prozent aller Wähler stimmen für sie; das ist für die
Monopolisten das Signal, die Vorbereitungen für die
Provokation der mitteldeutschen Arbeiter zu verstärken.
23.-24.
Februar
2. Tagung des
ZA der VKPD. Wichtigster Tagesordnungspunkt: die politische
Lage und die Aufgaben der Partei (P. Levi). Die von der
Zentrale ausgegebene Forderung eines Bündnisses mit
Sowjetrußland als Antwort auf die erdrückenden
Reparationsforderungen der Alliierten wird vom ZA mit 50 gegen
3 Stimmen gebilligt und die Kampagne führender ultralinker
Berliner Mitgl. der Partei gegen diese Losung mit 33 gegen 20
Stimmen verurteilt. Eine von Levi vorgelegte Resolution gegen
die Haltung der KI zur Gründung der KP Italiens, die darauf
hinausläuft, den Kampf gegen den Zentrismus abzuschwächen,
wird mit 28 gegen 23 Stimmen abgelehnt und eine Resolution von
A. Thalheimer und W. Stoecker mit 28 gegen 23 Stimmen
angenommen, die die Haltung der KI billigt. Daraufhin legen O.
Brass, E. Däumig, A. Hoffmann, P. Levi und Clara Zetkin ihre
Funktionen als Mitgl. der Zentrale nieder. Als neue Mitgl. der
Zentrale werden P. Böttcher, P. Frölich, E. Meyer, M. Sievers
und P. Wegmann und als Vors. der Partei H. Brandler und W.
Stoecker gewählt.
26. Februar
Der ADGB
überreicht der Reichsregierung 10 Forderungen zur Verminderung
der Arbeitslosennot. Die wichtigsten sind: Bereitstellung von
Mitteln für öffentliche Arbeiten im weitesten Umfang, Belebung
des Baugewerbes durch verstärkten Wohnungsbau, Erhöhung der
Arbeitslosenunterstützung und sofortige Erhebung aller
Besitzsteuern. Die VKPD unterstützt diese Forderungen und
verlangt einheitliche Massenaktionen zu ihrer Durchsetzung.
16. März
Der
Oberpräsident der Provinz Sachsen, O. Hörsing, kündigt in
einem Aufruf eine Polizeiaktion gegen das mitteldeutsche
Industriegebiet an.
17. März
3. Tagung des
ZA der VKPD. Tagesordnung: die politische Lage und die
Aufgaben der VKPD (H. Brandler). Ausgehend von einer
fehlerhaften Einschätzung der politischen Situation und einer
Überschätzung der Stärke und des Masseneinflusses der VKPD,
fordert Brandler, die Tätigkeit der Partei auf unmittelbare
Aktionen und Angriffskämpfe einzustellen. Diese Haltung
erleichtert den Unternehmern die Durchführung der von ihnen
geplanten Provokation. Die von der Zentrale vorgeschlagenen
Losungen: Sturz der Regierung; Schutz- und Trutzbündnis mit
Sowjetrußland; Entwaffnung der Konterrevolution und Bewaffnung
der Arbeiter; Erhöhung aller Löhne und Gehälter um 50 Prozent;
Arbeit für die Arbeitslosen; Beseitigung des Steuerabzugs;
Annullierung der Staatsschulden u. a., werden mit einer
Gegenstimme angenommen. Auf der Tagung wird der Aufruf O.
Hörsings (16. März) bekannt. Da keine näheren Nachrichten
vorliegen, trifft der ZA dazu keine Festlegungen.
19. März
Einmarsch der
Schupo in das mitteldeutsche Industrierevier. Damit beginnt
die von langer Hand vorbereitete Provokation gegen das
revolutionäre Proletariat. Schwerbewaffnete
Schupohundertschaften besetzen Ammendorf, Eisleben, Hettstedt,
Merseburg, Schafstedt, Teutschenthal und in den folgenden
Tagen weitere Orte.
Mit dieser
Aktion soll das mitteldeutsche Industrieproletariat
niedergeschlagen und entwaffnet, die VKPD in dem Gebiet, wo
sie am stärksten ist, zerschlagen und der allgemeine Angriff
auf die sozialen und politischen Rechte der Arbeiter
eingeleitet werden.
Initiatoren der
Aktion sind führende Monopolisten und Großgrundbesitzer
Mitteldeutschlands, die diese Provokation gemeinsam mit dem
preußischen Innenminister Severing (SPD) und dem
Oberpräsidenten der Provinz Sachsen, O. Hörsing (SPD),
vorbereiteten. Die Bezirksleitung Halle-Merseburg der VKPD
fordert die Arbeiter in einem Aufruf auf, überall dort, wo
Schupo oder Militär die Arbeitsstätten besetzen, sofort die
Arbeit niederzulegen.
21. März - 1.
April
Generalstreik
und bewaffnete Kämpfe in Mitteldeutschland. Als Antwort auf
die Besetzung des Mansfelder Gebietes durch Schupo beschließen
die Funktionäre der VKPD mit den revolutionären
Betriebsvertrauensleuten und dem Gewerkschaftskartell
Eislebens die Proklamierung des Generalstreiks und bilden eine
Streikleitung. Der Streik erfaßt rasch das ganze Mansfelder
Gebiet.
Nach der
Verhaftung von Arbeitern in Eisleben durch die Schupo kommt es
am 22. März zu den ersten Zusammenstößen. Die Arbeiter
bewaffnen sich und nehmen den Kampf mit der Schupo auf.
Als Antwort auf
die Schupoprovokationen treten die Arbeiter des Leunawerkes am
23. März in den Generalstreik. Ein Aktionsausschuß übernimmt
die Leitung, bildet bewaffnete Hundertschaften und bereitet
die Verteidigung des Werkes vor.
Die Zentrale
und die Bezirksleitung Halle-Merseburg der VKPD rufen am 24.
März zum Generalstreik zur Unterstützung der kämpfenden
mitteldeutschen Arbeiter auf, der fast ganz Mitteldeutschland
erfaßt. In Hamburg, in der Lausitz, im Ruhrgebiet, in
Thüringen u. a. Gebieten Deutschlands kommt es zu Streiks und
Protestaktionen. Am gleichen Tage verhängt Reichspräsident
Ebert den Ausnahmezustand über die Provinz Sachsen und ernennt
O. Hörsing zum Zivilkommissar, Hörsing verbietet sofort die
Organe der VKPD „Klassenkampf" und „Mansfelder VolksZeilung"
sowie den Verkauf der „Roten Fahne", C. Severing und
Hörsing setzen zahlreiche weitere Schupohundertschaften und
auch Reichswehrartillerie ein.
Ihnen gelingt
es, am 26./27. März — nach Brechung des erbitterten
Widerstandes der Arbeiter — Eisleben, Hettstedt und Umgebung
zu besetzen. In Leuna bauen die Arbeiter einen behelfsmäßigen
Panzerzug, der sie bei der Zurückschlagung eines
Schupoangriffs unterstützt.
Am Morgen des ,
29. März stürmen stärkere Schupotruppen das Leunawerk. Die
Arbeiter unterliegen nach tapferer Gegenwehr. Zahlreiche
Arbeiter werden ermordet, rd. 1700 gefangengenommen und
grausam mißhandelt. Größere Kämpfe finden auch in anderen
Orten Mitteldeutschlands statt.
Am 1. April
beschließt die Zentrale der VKPD den Abbruch des
Generalstreiks. In Mitteldeutschland herrscht der weiße
Terror. Rd. 6.000 Arbeiter werden eingekerkert, viele davon zu
hohen Zuchthaus-Gefängnisstrafen verurteilt. Die Unternehmer
nutzen die Niederlage der Arbeiter zum Abbau der Löhne und der
sozialen und politische Rechte der Arbeiter aus.
Obwohl die
mitteldeutschen Arbeiter gegen den konterrevolutionäre
Anschlag heroischen Widersland leisten, erleiden sie eine
Niederlag weil die objektiven Voraussetzungen für eine
bewaffnete Erhebung des Proletariats fehlen, die VKPD und die
Arbeiterklasse auf bewafi nete Kämpfe nicht vorbereitet sind,
die mitteldeutschen Arbeiter iso liert bleiben und keine
einheitliche Leitung der Kämpfe erreicht wer-] den kann.
Besonders M. Hoelz, der durch sein mutiges Auftreten gegen die
Konterrevolution bei den revolutionären Arbeitern bekannt ist
und auf eigene Faust bewaffnete Aktionen unternimmt, wendet
sich gegen jeden Versuch, ein einheitliches Vorgehen der
kämpfenden Arbeiter zu erreichen.
Die Aufrufe in der „Roten Fahne", die Flugblätter und Losungen
der Partei zeigen, daß die Mehrheit der Führung der VKPD das
Kräfteverhältnis nicht real einschätzt und nicht den
Abwehrcharakter dieser Kämpfe betont hat. Damit hat sie die
Auffassungen gefördert, daß diese Abwehrkämpfe zum Kampf um
die Macht gesteigert werden müßten. Zur theoretischen
Begründung dieser fehlerhaften Taktik wird die
„Offensivtheorie" entwickelt, die die Forderung nach der
Offensive um jeden Preis — ohne Berücksichtigung des realen
Kräfteverhältnisses der Klassen — zum Inhalt hat. Die
Märzkämpfe unterbrechen die Entfaltung der erfolgreichen
Massenpolitik der VKPD.
30. März
In Berlin wird
W. Sült (VKPD), der im Nov. 1920 einen Streik der Berliner
Eleklrizitätsarbeiter organisiert hat, aus einer Versammlung
kommunistischer Betriebsvertrauensleute heraus verhaftet. Bei
der Vorführung zur Vernehmung am 31. März im Berliner
Polizeipräsidium wird hinterrücks auf ihn geschossen. Sült
wird schwer verwundet. Er erliegt am 1. April. den
Verletzungen.
Zehntausende
Berliner geben ihm am 6. Apr. das letzte Geleit.
7./8. April
4. Tagung des
ZA der VKPD. Hauptpunkte der Tagesordnung: die politische Lage
und die Aufgaben der Partei (H. Brandler, Clara Zetkin); die
organisatorischen Lehren der Märzaktion (W. Pieck). Brandler
rechtfertigt die Haltung der Zentrale während der Märzkämpfe.
Clara Zetkin betont in ihrem Korreferat, daß die Zentrale mit
der Taktik ihres „Offenen Briefes" (7. Jan.) gebrochen und in
fehlerhafter Einschätzung des Kräfteverhältnisses den
Abwehrkampf der mitteldeutschen Arbeiter zu einem Kampf um die
Macht zu steigern versucht hat. In der von ihr vorgelegten
Resolution wird der Zentrale die Mißbilligung ausgesprochen.
Diese Resolution wird mit 43 gegen 6 Stimmen bei 3
Stimmenthaltungen abgelehnt; Clara Zetkins Antrag auf
sofortige Einberufung eines Parteitages wird gegen 11 Stimmen
abgelehnt. Mit 26 gegen 14 Stimmen werden die von der Zentrale
vorgelegten „Leitsätze über die Märzaktion" angenommen; sie
wird als unvermeidbare Abwehraktion gegen die
Schupoprovokation und als erster Schritt der VKPD auf dem Wege
zur Überleitung der deutschen Arbeiterklasse zur
revolutionären Offensive eingeschätzt. Gegen 4 Stimmen wird
eine Resolution angenommen, die der Zentrale Vollmacht
erteilt, organisatorische Maßregeln zu treffen, um die
Kampfkraft der Partei zu erhöhen sowie Parteimitglieder, die
gegen Grundsätze und Beschlüsse der Partei handeln, sofort aus
der Partei auszuschließen. Die Beschlüsse der Tagung
verschärfen die Meinungsverschiedenheiten in der Partei. Nur
schrittweise setzt sich die Einsicht in die Schädlichkeit der
„Offensivtheorie" durch.
Ende April
empfiehlt die Zentrale, einen außerordentlichen Parteitag
einzuberufen.
15. April
P. Levi wird
wegen groben Vertrauensbruchs und schwerer Parteischädigung
von der Zentrale der VKPD aus der Partei ausgeschlossen. Am
12. Apr. hat er die Broschüre „Unser Weg. Wider den
Putschismus" veröffentlicht, in der er die Märzkämpfe als
einen bakunistischen Putsch bezeichnet sowie schwere
Verdächtigungen gegen die Parteiführung und gegen Vertreter
der KI erhebt. Seine Haltung erschwert die Überwindung des
Linksradikalismus in der Partei.
16. April
Brief W. I.
Lenins in deutscher Sprache an P. Levi und Clara Zetkin als
Antwort auf deren Briefe anläßlich der Märzkämpfe. Lenin
schreibt, daß er noch keine deutschen Zeitungen über die
Märzkämpfe gelesen habe, daß er nur den „Offenen Brief" (7.
Jan.) gesehen habe und ihn für eine richtige Taktik halte. Er
kritisiert die Haltung Levis und Clara Zetkins zur
Parteispaltung in Italien und besonders heftig ihren Austritt
aus der Zentrale (22.—24. Febr.). Levis Absicht, in einer
Broschüre seine in Widerspruch zur Zentrale stehende
Auffassung darzulegen, hält Lenin für einen großen Fehler. Er
rät von öffentlichen Polemiken ab, die die Gegensätze
vertieren, und schlägt vor. die Differenzen innerhalb der KI
zu klären.
3.-5. .Mai
5. Tagung des
ZA der VKPD. Tagesordnung: die politische Lage und die
Aufgaben der Partei (A. Thalheimer, F. Heckert); die
organisatorischen Maßnahmen der Zentrale (W. Pieck) u. a. Die
„Leitsätze zur Taktik der Kommunistischen Internationale
während der Revolution", die dem III. Weltkongreß der KI als
Thesen unterbreitet werden sollen, werden einstimmig
angenommen.
Sie schätzen
die Märzkämpfe trotz aller Unzulänglichkeiten und Fehler als
ersten Versuch ein, aus eigener Kraft aktiv in die
revolutionäre Bewegung einzugreifen. Der ZA prüft das
Material, das die mit den Märzkämpfen nicht einverstandene
Opposition vorlegt, und lehnt die Resolution C. Geyer, die
sich mit P. Levi solidarisiert, mit allen gegen drei Stimmen
ab.
Bei einer
Stimmenthaltung wird ein Antrag angenommen, daß der III.
Weltkongreß der KI die KAPD auffordern soll, sich den
Beschlüssen der KI unterzuordnen und sich in kurzer Zeit der
VKPD anzuschließen.
Der Ausschluß
Levis aus der Partei wird in namentlicher Abstimmung mit 36
gegen 7 Stimmen bestätigt.
Mit 31 gegen 8
Stimmen spricht der ZA O. Brass, E. Däumig, P. Eckert, Geyer,
A. Hoffmann, H. Malzahn, P. Neumann und Clara Zetkin, die sich
mit Levi solidarisiert haben, seine Mißbilligung aus.
Für die aus der
Zentrale Ausgeschiedenen, Geyer, M. Sievers und P. Wegmann,
werden H.. Eberlein, E. Höllein und J. Walcher in die Zentrale
gewählt.
21. Mai
Aufruf der
Zentrale der VKPD an das deutsche Proletariat, an die
Mitglieder der Gewerkschaften und Arbeiterparteien zu
gemeinsamen Aktionen gegen die Verschlechterung der Lage der
Werktätigen durch die Kapitalsoffensive. In Deutschland sind
Hunderttausende Arbeiter erwerbslos, viele arbeiten verkürzt;
Rachitis und Tuberkulose führen zu hoher Kindersterblichkeit.
Die VKPD fordert Annullierung der Kriegsanleihen, Konfiskation
der Vermögenswerte der ehem. Fürstenhäuser und Einziehung der
Kriegsgewinne. Sie knüpft damit wieder an die Linie des
„Offenen Briefes" (7. Jan.) an.
Mitte Juni
Gespräch W. I.
Lenins mit Clara Zetkin über die Einschätzung der Märzkämpfe
und der „Offensivtheorie". Lenin weist auf die Haltlosigkeit
dieser „Theorie" hin, zeigt aber auch, daß ihre Kritiker nicht
genügend den Kampf der Arbeiter gegen die Provokation
würdigen. Er betont, daß die Kritik Clara Zetkins an der
Haltung der Zentrale während dieser Kämpfe berechtigt und
richtig war, daß aber P. Levi sich durch seinen Disziplinbruch
selbst außerhalb der Partei gestellt hat und durch seine
überspitzte, einseitige und gehässige Kritik der Partei
erschwert, die Fehler zu erkennen und richtige
Schlußfolgerungen zu ziehen. Lenin bezeichnet die
„Offensivtheorie" als eine Illusion und erklärt, daß die
Kommunisten nüchtern die Situation einschätzen müssen, wenn
sie den Kampf mit der Bourgeoisie aufnehmen und siegen wollen.
23. Juni - 12.
Juli
III.
Weltkongress der KI in Moskau. 603 Teilnehmer vertreten
kommunistische Parteien und Gruppen u. a. Parteien und
Organisationen aus 57 Ländern und Gebieten: Ägypten,
Argentinien, Armenische SSR, Aserbaidshanische SSR,
Australien, Baku, Baschkirische ASSR, Belgien, Belorussische
SSR, Bulgarien, China, Dänemark, Deutschland, England,
Estland, Finnland, Frankreich, Fünfkirchen, Griechenland,
Grusinische SSR, Indien, Irland, Italien, Java, Jugoslawien,
Kanada, Kirgisische ASSR, Konstantinopel, Korea, Lettland,
Litauen, Luxemburg, Mexiko, Mongolei, Naher Osten,
Niederlande, Norwegen, Österreich, Palästina, Persien, Polen,
Republik Ferner Osten, Rumänien, Russische SFSR, Schweden,
Schweiz, Sowjetische Volksrepublik Buchara, Sowjetische
Volksrepublik Choresm, Spanien, Südafrika, Tatarische ASSR,
Tschechoslowakei, Türkei, Turkestanische ASSR, Ukrainische
SSR, Ungarn und USA.
Unter ihnen
sind 18 Delegierte und einige Gäste von der VKPD (F. Heckert,
W. Koenen, E. Thälmann, A. Thalheimer, Clara Zetkin u.a.),
fünf Vertreter der KAPD und zwei Vertreter der Opposition in
der VKPD.
Wichtigste
Tagesordnungspunkte: die wirtschaftliche Krise und die neuen
Aufgaben der KI (L. D. Trotzki); die Taktik der KI (K. Radek);
die Gewerkschaftsfrage (G. J. Sinowjew, F. Heckert); die
Taktik der KPR (W. I. Lenin); der organisatorische Aufbau der
kommunistischen Parteien, über die Methoden und den Inhalt
ihrer Arbeit (W. Koenen).
Die Erfahrungen
der Arbeiter in den Klassenkämpfen seit 1919 haben erwiesen,
daß die Arbeiterklasse nicht in einem Sprung zur Diktatur des
Proletariats kommen kann und daß die kommunistischen Parteien
in den kapitalistischen Ländern sich auf einen längeren Weg
des Kampfes um die Macht orientieren müssen. Davon ausgehend,
entwickelt der Kongreß unter Zugrundelegung der Leninschen
Revolutionstheorie die Strategie und Taktik der
kommunistischen Weltbewegung weiter. Unter maßgebender
Teilnahme Lenins arbeitet der Kongreß die Grundlagen der
Einheitsfrontpolitik aus, deren Ziel die Überwindung der
Spaltung der Arbeiterbewegung und der Zusammenschluß aller
Teile der Arbeiterklasse zum Kampf um die Eroberung der
politischen Macht und die Errichtung des Sozialismus ist. Es
kommt darauf an, neue Formen und Methoden zu finden, um die
übrigen werktätigen Schichten um die Arbeiterklasse zu sammeln
und die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten an den Kampf um
die politische Macht heranzuführen.
Der Kongreß
steht unter der Losung „Heran an die Massen!" In seinem
Diskussionsbeitrag zur Taktik der KI weist Lenin auf die
Notwendigkeit hin, noch gründlicher die konkrete Entwicklung
in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern zu
studieren. Den Vertretern der „Offensivtheorie" hält er
entgegen, daß man die Mehrheit der Arbeiterklasse und der
ausgebeuteten und werktätigen Landbevölkerung braucht, um zu
siegen.
Der Kongreß
zerschlägt die „Offensivtheorie". Zugleich würdigt er den
heldenhaften Kampf der mitteldeutschen Arbeiter im März 1921.
In den „Thesen über die Taktik" wird die Politik des „Offenen
Briefes" (7. Jan.) als richtige Methode zur Gewinnung der
Mehrheit der Arbeiterklasse eingeschätzt.
Von den
kommunistischen Parteien wird gefordert, daß sie in ihrer
Tagespolitik an die unmittelbaren Bedürfnisse breiter Massen
der Werktätigen anknüpfen. Die Arbeit der Kommunisten in den
Gewerkschaften ist deshalb von entscheidender Bedeutung. Die
„Thesen über die KI und die RGI" bezeichnen als Maßstab der
Stärke einer kommunistischen Partei, welchen Einfluß sie auf
die Massen der Arbeiterschaft in den Gewerkschaften ausübt. In
den „Leitsätzen über den organisatorischen Aufbau der
kommunistischen Parteien, über die Methoden und den Inhalt
ihrer Arbeit" wird auf die Notwendigkeit der Schaffung von
Betriebszellen hingewiesen und die Teilnahme jedes
Parteimitglied an der täglichen Parteiarbeit gefordert.
Der Kongreß
wählt G. J. Sinowjew erneut zum Vors. der KI.
2./3. August
6. Tagung des
ZA der VKPD. Tagesordnung: Bericht über den III. Weltkongreß
der KI (W. Koenen, E. Friesland [E. Reuter]; P. Neumann für
die Opposition); politischer Bericht der Zentrale (E. Meyer).
In einer von der Zentrale vorgelegten Resolution stellt sich
der ZA auf den Boden der Beschlüsse des III. Weltkongresses
der KI (22. Juni—12. Juli) und der Vereinbarung, die während
des Kongresses unter Mitwirkung W. I. Lenins zwischen den
Vertretern der Mehrheit und den Vertretern der Opposition in
der VKPD getroffen wurde.
Diese
Vereinbarung sah vor, daß die Meinungsverschiedenheiten
beigelegt werden und der Opposition die Möglichkeit gegeben
wird, aktiv an der Durchführung der Beschlüsse des III.
Weltkongresses mitzuarbeiten. Die oppositionellen Mitglieder
geben eine Erklärung ab, daß sie die Beschlüsse des Kongresses
und diese Vereinbarung sich zu eigen machen und danach handeln
werden. Beschlossen werden die Durchführung des 7. Parteitages
in Jena für den 22. Aug., die Tagesordnung des Parteitages und
die Teilnahme der Bezirkssekretäre am Parteitag.
22. - 26.
August
7. Parteitag
der KPD in Jena. 274 Delegierte, 76 Teilnehmer mit beratender
Stimme und 18 ausländische Gäste. Mitglieder-Stand vom Ende
des II. Quartals: 180.443 von der Parteikassierung erfaßte
Mitglieder. Tagesordnung: Bericht vom III. Weltkongreß
der KI (F. Heckert, Hertha Sturm); Bericht der Zentrale (E.
Meyer, W. Pieck); die nächsten Aufgaben der Partei (W.
Stoecker); unsere Tätigkeit in den Gewerkschaften (J. Walcher);
die Lage Sowjetrußlands und die Hilfsaktion (E. Friesland [E.
Reuter]).
In einem Brief
an den Parteitag faßt W. I. Lenin die Lehren des III.
Weltkongresses der KI für die deutsche revolutionäre
Arbeiterbewegung zusammen: „Kaltes Blut und Standhaftigkeit
bewahren; systematisch die Fehler der Vergangenheit
korrigieren; unaufhörlich darauf bedacht sein, die Mehrheit
der Arbeitermassen sowohl in den Gewerkschaften als auch
außerhalb der Gewerkschaften zu erobern; geduldig eine starke
und kluge kommunistische Partei aufbauen . . . das ist
es, was man tun muß und was das deutsche Proletariat tun wird,
was ihm den Sieg garantiert."
Der Parteitag
stellt sich auf den Boden der Beschlüsse des III.
Weltkongresses, erkennt die Kritik an den Märzkämpfen an, faßt
wichtige Beschlüsse zur Entfaltung der Massenarbeit der Partei
unter den Arbeitern u, a. Werktätigen und setzt damit die
Politik des „Offenen Briefes" (7. Jan.) fort.
Das einstimmig
angenommene „Manifest des Parteitages der KPD an die
Werktätigen in Stadt und Land" enthält zwölf Forderungen, die
an die unmittelbaren Lebensinteressen der werktätigen
Schichten anknüpfen, z. B. Erhöhung der Löhne und
Invalidenrenten; Verbesserung der Lage der Arbeitslosen;
Enteignung der Fürsten; Auflösung und Entwaffnung der
konterrevolutionären Organisationen und Bildung von
Selbstschutzorganisationen der Arbeiter, Bauern und
Angestellten. Zum Kampf um diese Forderungen werden alle
Werktätigen ohne Unterschied der Parteizugehörigkeit
aufgerufen. Die Zentrale wird beauftragt, für die Herstellung
der Einheitsfront einzutreten.
Die
„Richtlinien für die Organisation der kommunistischen Arbeit
in den Gewerkschaften" (mit einer Gegenstimme angenommen)
verpflichten alle Mitgl., aktiv in den Gewerkschaften zu
arbeiten. In ihnen wird erklärt, daß Propaganda für den
Austritt aus den Gewerkschaften unvereinbar mit den
Beschlüssen der Partei ist, und festgelegt, daß sie den
Ausschluß aus der Partei nach sich zieht. Der Parteitag
beschließt einstimmig neue Organisationssatzungen, die im
wesentlichen auf den Prinzipien des demokratischen
Zentralismus beruhen. Die Bildung von Betriebszellen ist
jedoch nicht vorgesehen. Grundlage bleibt weiterhin die
Ortsgruppe. Einstimmig beschließt der Parteitag, das Wort
„Vereinigte" im Namen zu streichen und die Partei
„Kommunistische Partei Deutschlands (Sektion der
Kommunistischen Internationale)" zu nennen.
Der Parteitag
bezeichnet die Hilfe für Sowjetrußland nicht nur als Pflicht
allgemeiner Menschlichkeit, sondern als einen „Akt in dem
Kampfe der deutschen Arbeiterklasse um ihre eigene Befreiung".
Für die Verstärkung der Arbeit der Partei auf dem Lande werden
noch keine konkreten Maßnahmen beschlossen.
Der Parteitag
wählt in die Zentrale: P. Böttcher, Bertha Braunthal, H.
Eberlein, E. Friesland (E. Reuter), F. Heckert, E. Hoernle, E.
Meyer, W. Pieck, H. Remmele, F. Schmidt, A. Thalheimer, J.
Walcher, Rosi Wolfstein und Clara Zetkin.
Die Zentrale
bildet als leitende Organe ein Politisches und ein
Organisatorisches Büro.
4. - 9.
September
Vereinigungskongreß der FAU, des Freien Landarbeiterverbandes
und des Hand- und Kopfarbeiter-Verbandes zur Union der Hand-
und Kopfarbeiter in Halle (Saale). 209 Delegierte vertreten
rd. 131.000 Mitgl., davon 170 Delegierte der FAU (rd. 100 000
Mitgl.), 15 des Freien Landarbeiterverbandes (rd. 25 000
Mitgl.) und 24 Delegierte des Hand- und Kopfarbeiter-Verbandes
(rd. 6000 Mitgl.). Im Mittelpunkt der Beratungen steht die
Stellung dieser Union zu den Beschlüssen des I. Kongresses der
RGI (3.-17. Juli). Obwohl führende Vertreter auf dem
syndikalistischen Standpunkt der Zertrümmerung der bestehenden
Gewerkschaften beharren, bekennt sich der Kongreß in seiner
Mehrheit zu den Beschlüssen des I. RGI-Kongresses.
11. - 13.
September
Ein
Außerordentlicher Parteilag der KAPD in Berlin lehnt die
Aufforderung des III. Weltkongresses der KI ab, sich durch
Vereinigung mit der KPD zu den Grundsätzen der KI zu bekennen.
Damit scheidet die KAPD als sympathisierende Partei aus der KI
aus. Der Parteitag verleumdet die Politik der Sowjetregierung
als bürgerliche Staatspolitik und die KI als Werkzeug der
internationalen Bourgeoisie. Die als Gäste teilnehmenden
Vertreter der Union der Hand-und Kopfarbeiter distanzieren
sich entschieden von der sektiererischen Politik der KAPD und
verlassen den Parteitag. Am 3. Sept. ist der Bezirk Ostsachsen
geschlossen zur KPD übergetreten. In der Folgezeit sinkt die
KAPD zu einer bedeutungslosen Sekte ab.
26. September
E. Däumig und
A. Hoffmann, die aus der Zentrale der VKPD ausgetreten sind
(22. - 24. Febr.), treten aus der Partei aus und bilden
zusammen mit den aus der Partei ausgeschlossenen
Reichstagsabgeordneten. B. Düwell, C. Geyer und P. Levi die
Kommunistische Arbeitsgemeinschaft (KAG), eine
parteifeindliche, opportunistische Gruppierung. Der KAG
gelingt es nicht, größeren Anhang unter den Mitgliedern der
KPD zu gewinnen.
13. November
Beginn des
Hungerstreiks von 130 politischen Häftlingen (Märzkämpfer) der
Strafanstalt Lichtenburg (Kr. Torgau) für ihre Freilassung.
Der Streik dauert über eine Woche; politische Gefangene
anderer Gefängnisse und Zuchthäuser schließen sich an. In
vielen Betrieben bilden die Arbeiter Delegationen, die von der
Reichsregierung die sofortige Freilassung aller proletarischen
politischen Gefangenen fordern, was abgelehnt wird.
Gleichartige Anträge der KPD im Reichstag und im Preußischen
Landtag werden ebenfalls abgelehnt.
23. November
Vollversammlung
der Betriebsräte Berlins mit Arbeiterdelegationen aus anderen
Städten, einberufen von einer Kommission von Vertretern der
Arbeiterdelegationen, die vom Justizminister Radbruch (SPD)
die Freilassung der politischen Gefangenen gefordert haben
(12. Nov.).
Versuche
rechter Führer der SPD, die Vollversammlung zu spalten,
scheitern. Die Versammlung fordert vom ADGB und AfA-Bund die
Einberufung eines allgemeinen deutschen
Betriebsvertreterkongresses innerhalb von 14 Tagen nach
Berlin, der sich vor allem mit der Freilassung der politischen
Gefangenen, der Durchsetzung der zehn Forderungen des ADGB
(15. Nov.), der Abwälzung der Steuerlasten auf die Besitzenden
und der Sicherstellung der Volksernährung befassen soll. Es
wird eine Kommission, bestehend aus je zwei Vertretern der
SPD, USPD und KPD, gewählt (Sechserkommission), die im Falle
der Ablehnung dieser Forderung selbst einen solchen Kongreß
einberufen soll. Die KPD und anfangs auch die USPD stellen
sich hinter die Forderungen der Versammlung; SPD, ADGB und
AfA-Bund lehnen sie ab.
18. Dezember
Das EKKI nimmt
die „Leitsätze über die Einheitsfront der Arbeiter und über
das Verhältnis zu den Arbeitern, die der II., der II 1/2. und
der Amsterdamer Internationale angehören, sowie zu den
Arbeitern, die die anarchosyndikalistischen Organisationen
unterstützen", einstimmig an. Diese Leitsätze konkretisieren
die Losung des III. Weltkongresses der KI „Heran an die
Massen!". Sie gehen vom Drang der Arbeiter nach Herstellung
der Einheitsfront gegen die Kapitalsoffensive aus. Die
Einheitsfront wird als die Einheit aller Arbeiter, die gegen
den Kapitalismus kämpfen wollen, bezeichnet. Der Kampf für
eine Arbeiterregierung und die Unterstützung von
sozialdemokratischen Regierungen in bestimmten Situationen
werden als richtig hervorgehoben.
Editorische Hinweise
Die Textstellen
wurden entnommen der
Chronik der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Bd. 2
Hrg.v. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED,
Berlin 1966, S. 103ff
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