Betrieb & Gewerkschaft
Mahle-Konzern: Übernahme auf Kosten der Belegschaft

von Karl Olben

05/10

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Behr ist ein Familien-Unternehmen der größeren Art: 17.000 Beschäftigte weltweit hat der Kühlerspezialist - oder hatte, denn auch er hat schon fleißig Arbeitsplätze vernichtet. Die Zentrale liegt in Stuttgart-Feuerbach unweit von Bosch und Porsche. Auch die Zentrale von Mahle in Cannstatt ist keine 5 Km entfernt. Dieser Autozulieferer, der mit Kolbenproduktion begann und heute auch Motorenteile wie Pleuel, Nockenwellen, Ventile und Filter aller Art herstellt, will in drei Jahren die Mehrheit an Behr übernehmen. Derzeit hält die Familie noch 77%.

Im Februar hatte es mit der Übernahme von 60% der Industrietechnik begonnen, also Kühlungen etwa für Schienenfahrzeuge oder Baumaschinen. Auch Mahle produziert Kolben für Großmotoren und Filteranlagen für Schiffe.
Die jetzt geplante Übernahme aber schafft einen deutlich größeren Autozulieferer. Um das zu stemmen, sollen die Beschäftigten bluten. 1.400 Arbeitsplätze will Mahle-Boss Junker in Westeuropa streichen, davon 800 in Deutschland. 650 wurden schon im letzten Jahr vernichtet. In Gaildorf soll die Gießerei geschlossen werden, auch das Werk in Barsinghausen soll dichtgemacht werden. Nun ist das Werk in Wustermark bei Berlin akut von der Schließung bedroht.

Personalabbau

Auch bei Behr ist massiver Personalabbau geplant. In Stuttgart soll mit dem Werk 8 auch die letzte Produktionsstätte zugemacht werden, weitere Hunderte von Arbeitsplätzen in Entwicklung und Verwaltung sowie an den Standorten Kornwestheim und Reichenbach sollen wegfallen. Die Produktion wird Richtung Osteuropa und Asien verlagert. „Mahle will dieses Jahr den Umsatz von 3,8 Mill wieder auf 4,5 Mill steigern. Zu Jahresbeginn erzielte Mahle die größten Zuwächse in Südamerika und Asien, das geringste Plus kam aus Deutschland und Europa.“ (Stuttgarter Nachrichten, 20.4.)

So löst das Kapital die Krise: Es werden Produktionskapazitäten vernichtet und damit Arbeitsplätze. Die Löhne werden gedrückt, v.a. durch Verlagerungen. Investiert wird nicht in Produktion, sondern in Stillegung. Die Großen fressen die Kleinen.

Die Massen zahlen die Krise.

Die Empörung bei denjenigen, deren Arbeitplätze bedroht sind, ist groß. Was aber sagt die IG Metall? Die Übernahme sei positiv, denn Mahle sei keine „Heuschrecke“, hieß es schon im Februar. Ansonsten wird bei Behr über den Abbau verhandelt, bei Mahle über eine neue „Standortsicherung“. Was das bedeutet, zeigt der letzte „Sicherungsvertrag“, an dessen Ende die faktische Schließung von Alzenau stand.

Dagegen ist eine Konferenz der gewerkschaftlichen Vertrauenskörper aus allen Standorten beider Konzerne, auch der ausländischen, nötig! Ein gemeinsamer Kampfplan muss erstellt werden: Keine Entlassung, kein Personalabbau, keine Schließung!

Die Zahlen müssen auf den Tisch: Die Behr-Familie gehört zu den reichsten zehn Familien in Deutschland. Wir wollen wissen, was sie in den letzten Jahren alles abgezogen hat!
Die IG Metall redet von „Industriepolitik“. Was wir brauchen, ist eine Arbeiterpolitik, ist konsequentes Handeln, um die Kapitalisten zu stoppen, die die Krise auf unseren Rücken lösen wollen.

Zwei Artikel aus: Gegenwehr! Betriebsinfo 5 für Mahle/Behr Stuttgart

Transfer - wohin?

Sie nennen sie „Transfergesellschaft“ oder „Beschäftigungsgesellschaft“. Schöne Worte, falsche Worte. In den „Beschäftigungsgesellschaften“ werden die Leute nicht beschäftigt, sondern sind in „Kurzarbeit Null“, also arbeitslos. „Transferieren“ heißt hinüberbringen, von einem Konto aufs andere, von einer Küste zur anderen. Aber die Transfergesellschaft bringt kaum einen von einem Arbeitsplatz auf den nächsten, sondern die allermeisten in die Rente oder in die Arbeitslosigkeit.

Beim Mahle Werk 8 in Alzenau wurde die Schließung mit 2 Jahren Kurzarbeit und einem Jahr Beschäftigungsgesellschaft verkleidet. Bei Behr Werk 8 werden jetzt 3 Jahre Transfergesellschaft verhandelt. Worum geht es? Die Leute sind so oder so in 100% Kurzarbeit, bezahlt aus unseren Beiträgen. Es gibt Aufzahlungen, teilweise Weihnachts- und Urlaubsgeld, aber das alles wird von der Abfindung abgezogen.

Meistens werden noch Versprechungen gemacht, wie die Suche nach neuen Produkten für Alzenau, von denen von vorneherein klar ist, dass sie nicht ernst gemeint sind. In der geplanten „Dienstleistungsgesellschaft“ bei Mahle sollen auch Leute an die Firma zurückverliehen werden - um dann wie alle LeiharbeiterInnen auf einen festen Platz zu hoffen.
Was diese Gesellschaften den ArbeiterInnen bringen, ist eine längere Arbeitslosigkeit vor dem Absturz in Hartz IV. Sie schützen nicht vor Entlassungen, sie organisieren diese. Den Unternehmen bringen sie keine Mehrkosten und Ruhe an der Front.

Warum macht die IG Metall da mit?

Offensichtlich hat sich die Führung der IG Metall damit abgefunden, dass die Krise Hunderttausende an Arbeitsplätzen kostet durch Umsatzeinbrüche, aber auch durch Verlagerungen und Rationalisierungen. Huber und Co wollen nur noch gestalten, wie der Abbau abläuft. Möglichst sozial und ohne Konflikte.
Das führt zum Niedergang der IG Metall. Gerade gutorganisierte Bereiche werden abgebaut und stillgelegt. Die Tarife gelten für immer weniger Leute. Es bleiben kaum noch Kampfbetriebe. Und warum sollten Angestellte oder LeiharbeiterInnen in eine Gewerkschaft gehen, die ihre besten und am besten organisierten Truppen nicht schützen kann, sondern nur noch sozial entsorgt?

Wir können das nicht hinnehmen!

Wir haben die Gewerkschaft, um die Arbeitsplätze zu verteidigen, vor allem wenn es tariflich bezahlte sind! Es kann doch nicht sein, dass es eine Kampagne der IGM Baden-Württemberg für die Verbesserung der Leiharbeit gibt und die Verteidigung der festen Arbeitsplätze bleibt jeder Belegschaft selbst überlassen. Statt Vereinbarungen für Transfergesellschaften zu verhandeln, sollte die IG Metall einen Kampfplan zur Verteidigung der Arbeitsplätze und Tarife erarbeiten. Dazu müssen regionale Treffen der Vertrauensleute aus bedrohten Betrieben organisiert werden!
Schon in einzelnen Konzernen gibt es wenig Solidarität zwischen den Werken. Über die Gesamtbetriebsräte und die IG Metall wird zwar Druck gemacht, wenn es gilt Standortvereinbarungen zu unterschreiben, es wird kein Druck gemacht mit dem Ziel durch Verweigerung von Mehrarbeit oder Solidaritätsaktionen kämpfende Belegschaften zu unterstützen. Jetzt haben die Vertrauensleute von Mahle und Behr ein Solidaritäts-Komitee gebildet und zur Unterstützung des Werk 8 am 19.5. aufgerufen. Solche Initiativen zeigen den Weg zum überbetrieblichen Widerstand! Auch wir rufen auf, das zu unterstützen, solange damit ernsthafte Aktionen zustande kommen!
Letztlich ist aber eine kämpferische Basisbewegung aller aktiven Kolleginnen und Kollegen, Vertrauensleute und Betriebsgruppen nötig, die aktiv den Ausverkauf durch die IG Metallführung bekämpft und die IGM zu einer Waffe zur Verteidigung der Arbeitsplätze und Tarife macht!

Gegen die Erpressung mit Entlassung - Betrieb besetzen!

Die Firma bietet jetzt höhere Abfindungen und 3 Jahre Transfer-Gesellschaft. Das ist eine Reaktion auf die wieder aufgeflammte Kampfkraft und somit ein Erfolg für die Kolleginnen und Kollegen.
Aber es ist nicht das, was die meisten wollen. Deshalb steht weiter die Drohungen mit Kündigungen vor dem 30. Juni im Raum. Das ist Erpressung!
Wir sagen:

1. Die Verhandlungskommission, der Betriebsrat und die IG Metall müssen diese Erpressung zurückweisen!
2. Eine Geschäftsführung, die ein Werk zumachen will, hat das Recht verloren, über das Werk zu bestimmen - deshalb besetzen! Das ist auch die berechtigte Notwehr gegen die Erpressung der Geschäftsführung!
3. Einberufung von Belegschafts- und Abteilungsversammlungen, um den Kampf gegen dieEntlssungen unter Kontrolle der Beschräftigten zu organisieren!
4. Die IG-Metall, Betriebsräte und Vertrauenleute in den anderen Betrieben und v.a. bei Mahle müssen den Kampf gegen alle Entlassungen aktiv unterstützen!

Editorische Anmerkung

Wir erhielten die Artikel durch

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 486
19. Mai 2010


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