Der Frühling kommt – Der 1. Mai
ist da
Vorhang auf - TriTraTralala
Alle Jahre wieder.....
Die Gewerkschaften als
„Kampforganisationen der ArbeiterInnenklasse“. Wer hat sich noch
nicht von diesem Mythos einlullen lassen? Man müsse sich nur der
korrupten oder / und reformistischen Führung entledigen und die
Gewerkschaften würden ihren mächtigen Apparat wieder vollkommen
selbstlos der Gesamtheit der Ausgebeuteten zur Verfügung
stellen, um das Kapitalverhältnis endgültig aufzuheben. Mit
dieser romantischen Verklärung und ein wenig ProduzentInnenstolz
gewerkschafteln Linke seit Jahrzehnten im DGB umher.
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Mächtige Apparate
halten aber auch ganz schön lang durch.
Man muss den Gewerkschaften zugute halten, dass sich in ihnen
mittlerweile nicht nur die klassischen FacharbeiterInnen
organisieren. Historisch betrachtet haben sie aber genau jene
seit jeher repräsentiert und ihre privilegierte Stellung
innerhalb der GesamtarbeiterInnenklasse erhalten. Statt die
generalisierte Ausbeutung stetig anzugreifen, ist ihre Funktion
auf ein Mitverhandeln des Wertes der Arbeitskraft reduziert. Was
ja durchaus im Interesse der Ausbeutenden ist. Aus den
Verhandlungen erfolgt immer ein Interessenausgleich mit dem
Kapital. Das bürokratische System der Tarifverträge trägt zur
Institutionalisierung von Konflikten bei, vermeidet
prophylaktisch deren Eskalation und lässt sich für die
Kapitalseite besser kalkulieren. Auch das staatlich verliehene
Monopol auf die „Alleinvertretung“ der ArbeiterInnen stellt die
Klasse vor die Schwierigkeit, dass selbständige, unabhängige
Ansätze im Voraus schnell ausgebremst werden. Das
Betriebsverfassungsgesetz regelt jeden erdenklichen Mist über
den rechtlich befugten Betriebsrat. Die/Der Einzelne hat einen
eingegrenzten Spielraum und muss sich immer an seine „StellvertreterInnen“
wenden.
Auch wenn in den letzten Jahren die Zahl der Streiks im
Bundesgebiet weiter angestiegen ist, heißt das für das Kapital
noch lange nicht, dass es ihm in Bälde an den weißen Kragen
gehen wird. Zumeist handelte es sich um kurze Warnstreiks.
Sollte ein unbefristeter Streik zur Debatte stehen kommt es, wie
zuletzt im Falle der Post, zu einer zügigen Einigung. Und bei
keinen der vergangenen Tarifauseinandersetzungen kam es zu dem
von den Gewerkschaften gewünschten Ergebnis. Obwohl sie
beständig ihre Mitglieder auf das größtmögliche mobilisieren.
Als krönendes Tüpfelchen auf dem I erwies sich im April die
Klausel im Tarifvertrag zwischen Metallindustrie und IG Metall,
wo vereinbarte schrittweise Lohnerhöhung auf Grund der zur Zeit
anhaltenden Krisensituation ausgesetzt werden können.
Und die Linke hat auch keine bessere Antwort als ein ominöses,
nicht vorhandenes „Klassenbewusstsein“ in die Klasse hinein zu
bringen, welches sie in ihren hochwissenschaftlichen Analysen
als fehlenden Faktor heraus gearbeitet hat und als neue
Avantgarde mit alten Konzepten von außen in die Klasse tragen
muss. Ob als Linke innerhalb des DGB Apparats oder als, wie auch
immer geartete, revolutionäre Organisation. Somit wird der
Klasse im Vorfeld jegliches eigenständiges materielles Begreifen
der eigenen Situation abgesprochen. Klar, eine Avantgarde läuft
ja auch nicht hinterher, sondern voraus.
Was wir als ArbeiterInnen benötigen sind weder eine belehrende
Avantgarde noch neue leninistische Spielarten. Wir sind nicht zu
blöde zu erkennen, dass der Kapitalismus uns unserer Lebenszeit
und -kraft beraubt, auch außerhalb des Arbeitsplatzes im
Reproduktionsbereich das gesamte soziale Gefüge vereinnahmt. Die
goldene Nase des Kapitals führt über die krummen Rücken der
Klasse.
Und auf den eingangs erwähnten ProduzentInnenstolz ist sowieso
gepfiffen. Wer sich als ungelernte/r ArbeiterIn verdingt, sich
mit ALG II , Mini Jobs, Ein Euro Jobs, Ämterterror und
sämtlichen kleinen und großen Gemeinheiten der Unterjochung
herumzuschlagen hat, wer trotz Ausbildung auch gerade noch so um
die Runden kommt, wird die Lohnarbeit hassen lernen. Stolz
können wir höchstens sein, wenn wir uns dagegen zur Wehr setzen.
„Betriebsbesetzungen zum Beispiel, glaubst Du, dass das
Maßnahmen der Gewerkschaften sind? Sie sind immer Formen
autonomen Kampfes.“ (Cajo Brendel)
Worum es jetzt geht ist eine autonome Klassenbewegung, die in
den Betrieben, Stadtteilen Schritt für Schritt, Zone um Zone
eigene Spielräume erkämpft, eine soziale Gegenmacht ausübt. Das
beginnt als spontane Organisierung bereits dort wo ArbeiterInnen
sich „nur“ unabhängig versammeln, eigene Flugblättter oder
Zeitungen verteilen. Wo es nur um die pure Mehrung von Profit
durch Arbeitskraft geht, ist die logische Konsequenz die
Verweigerung der Arbeitskraft. Wilde Streiks sind der Alptraum
eines jeden Bosses. Das lässt sich noch prima auf den
Reproduktionsbereich ausdehnen, wo Mieten nicht gezahlt,
verbilligt eingekauft oder Häuser besetzt werden.
Dort wo die sozialen Widersprüche am heftigsten zu Tage treten,
brennt die erste Barrikade. Die Aufstände in den französischen
Vororten 2005, die militanten Proteste gegen
Nahrungsmittelknappheit in Ägypten 2008 und die Riots in
Griechenland diesen Winter haben gezeigt, wie schnell und vor
allem wie heftig sie entstehen und ablaufen. Das waren keine
Ausnahmen, das war erst der Anfang.
Auf welcher Seite die
Gewerkschaften und die linken Avantgarden stehen wird sich im
Verlauf der Konflikte zügig herausstellen.
„Sabotage am Band, ganz entspannt......“ (Arbeitersache)
Die zukünftige Bedrohung für das
Kapital wird nicht ein ominöser „Dschihad - Terrorismus“ sein,
sondern eben das schwelende Feuer in sozialen Brennpunkten, auch
in Westeuropa. Die Deklassierten werden zur unkalkulierbaren
Kraft. Aus purer Angst wird das Kapital alle denkbaren Mittel
zur Aufstandsbekämpfung nutzen. Es wird die Renaissance des
Werkschutzes, die Ausweitung paramilitärischer Einheiten zur
Aufstandsbekämpfung, wie dem USK und der schrittweise Einsatz
der Bundeswehr im Inneren. Ebenfalls kann mit einer Zunahme des
faschistischen Straßenterrors gerechnet werden. Staatliche
Überwachung per Kamera, virtuell oder durch biometrische Daten
sind bereits Realität und dienen nur dem Erhalt des
kapitalistischen Status quo. Und, nicht zu vergessen, die
permanente Bespitzelung der Menschen am Arbeitsplatz. Die „Datenaffairen“
bei der Bahn, Telekom, Lidl und Müller sind nur die Spitze des
Eisbergs. Die Karten werden neu gemischt, die Klasse ist im
Begriff sich neu zusammenzusetzen und daraus ergeben sich, nicht
sofort aber unweigerlich, ihre neuen antagonistischen
Kampfformen.
Und die (radikale) Linke wird, wenn sie weiter versucht die
große weite Welt zu erklären, nicht aus ihrer Agonie
herauskommen und das bleiben was sie augenblicklich darstellt:
Eine oppositionelle Randgruppe.
Statt am 1. Mai seitenweise
Druckerschwärze zur Verkündung der absolut revolutionärsten
Positionen zu verbrauchen, um dann den Rest vom Jahr doch nur
dem DGB hinterher zu laufen, setzen wir auf alltäglichen
Widerstand und Klassenautonomie!
WIR WOLLEN ALLES
29. April 2009
Editorische
Anmerkungen
Der Text
erschien am 2.5.09 bei Indymedia.
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