Privatisierung stoppen!
Antiprivatisierungskämpfe
und die radikale Linke.


von Antifaschistische Linke Berlin [ALB]

05/08

trend
onlinezeitung

Von einem neoliberalen Schlachtruf...

„Liberalisieren! Deregulieren! Privatisieren!“. Dieser Dreiklang ist der Schlachtruf der neoliberalen Offensive seit den 1970er Jahren. Was hinter diesem weltweiten Programm der kapitalistischen Modernisierung steht und welche verheerend Folgen es bisher mit sich brachte, wissen wir inzwischen alle: Der Ruf nach „Liberalisieren!“ drückt die Forderung aus, weltweit die Märkte zu öffnen. Hinter „Deregulieren!“ verbirgt sich der radikale Abbau sozialer Errungenschaften und Sicherungssysteme. Die Parole „Privatisieren!“ schließlich, fordert so viel öffentliches Eigentum wie möglich der kapitalistischen Verwertung zu überlassen. Privatisiert wird weltweit alles was dem Kapital Profite verspricht: Wohnungen, Industrie-Betriebe, Eisenbahnen, Fluggesellschaften, Wasserbetriebe, Stromkonzerne, Krankenhäuser, Schulen, Gefängnisse und vieles andere mehr. Vom Grundsatz her stand vor einer Privatisierung noch eine flächendeckende Versorgung mit dem entsprechenden Gut im Vordergrund. Nach dem Verkauf eines Staatsunternehmens dagegen, zählt nur noch eines: Möglichst hohe Profite für das Kapital. Zwar bietet Staatseigentum keine Garantie dafür, dass die Mehrheit Zugang zu Gütern hat. Aber es erleichtert die politische Auseinandersetzung über die Verteilung von Reichtum. Auch in der Bundesrepublik wird, 1989 mit der Privatisierung der DDR eingeleitet, dass neoliberale Programm rücksichtslos durchgezogen. Hier und weltweit drängt das Kapital weiter und unblässlich darauf, öffentliches Eigentum zu verkaufen und privaten Profitinteressen unterzuordnen.  

... zum weltweiten Widerstand!

Doch allmählich formiert sich ein wachsender Widerstand und die Privatisierungs-Ideologie gerät immer mehr in eine Legitimationskrise. In vielen Staaten Lateinamerikas sind in den letzten Jahren große soziale Bewegungen entstanden, die sich gegen die Privatisierung öffentlicher Güter aussprechen. Die neuen Links-Regierungen auf dem Subkontinent verdanken ihre Wahlerfolge zu einem großen Teil ihrer Antiprivatisierungs-Rhetorik. Auch in Afrika regt sich verstärkt organisierter Protest gegen das neoliberale Privatisierungs-Diktat. Beispiele sind der Widerstand gegen die Privatisierung der Eisenbahn in Mali oder die Bewegung gegen die Wasserprivatisierung in Südafrika. Auch in der Bundesrepublik hat es in den letzten Jahren erfolgreiche Kämpfe gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums gegeben. In Freiburg gelang es 2006 einer Bürgerinitiative den Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaft zu verhindern. Und in Leipzig wurde 2008 der Verkauf der Stadtwerke an einen privaten Investor gestoppt. Auch hier in Berlin wächst der Widerstand: Eine drohende Räumung des autonome Kulturzentrums und Wohnprojekts „Köpi“ wurde verhindert, und die AktivistInnen im Kampf gegen das Städtebauprojekt „Mediaspree“ haben erste Erfolge vorzuweisen.  

Kampfterrain für die radikale Linke

Inzwischen spricht sich in aktuellen Umfragen eine Mehrheit der Bevölkerung in der Bundesrepublik gegen weitere Privatisierungen aus. Immer mehr Kämpfe gegen den Ausverkauf öffentlichen Eigentums auf lokaler, regionaler und bundesweiter Ebene versprechen Erfolg. Dabei zeigt sich jedoch auch: So vielfältig die von Staat und Kapital vorangetriebenen Privatisierungen sind, so vielschichtig sind auch die Motive aus denen Menschen gegen Privatisierung aktiv werden. Nicht zwangsläufig geht mit dem Engagement in diesem Feld auch eine grundlegende Kritik am kapitalistischen Gesellschaftssystem einher. Dabei zeigt sich an den Privatisierungen ganz deutlich, wie diese kapitalistische Gesellschaft funktioniert: Nicht die Bedürfnisse der Bevölkerung stehen im Mittelpunkt des Wirtschaftens, sondern die Profite des Kapitals. Die Menschen werden zu einem bloßen Mittel für den angeblich höheren Zweck degradiert, aus Geld noch mehr Geld zu machen. In den Auseinandersetzungen um die Privatisierung öffentlichen Eigentums tritt dies offen zu Tage. Deshalb haben diese Kämpfe auch das Potential, immer mehr Menschen anzuregen über gesellschaftliche Alternativen jenseits des Kapitalismus nachzudenken.    

Den Klimawandel nutzen und dazwischen gehen!

Das gesellschaftliche Klima ist also günstig für die radikale Linke um in die Kämpfe gegen Privatisierung zu intervenieren und antikapitalistische Positionen in die Gesellschaft hineinzutragen. Wir hoffen, dass in Zukunft der neoliberalen Parole „Liberalisieren!, Deregulieren!, Privatisieren!“ noch stärker als bisher ein andere Parole entgegengehalten wird: „Privatisierung stoppen! Alles für alle statt Profite fürs Kapital!“. Diese Broschüre möchte dazu einen Beitrag leisten. Wir haben verschiedene AutorInnen gebeten, einerseits „Privatisierung“  aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und andererseits Handlungsmöglichkeiten für eine radikale Linke in diesem Feld aufzuzeigen. Dabei sollten gerade AktivistInnen im Kampf gegen die neoliberale Privatisierung zu Wort kommen.  

Zum Inhalt der Broschüre

Sabine Nuss und Ingo Stützle erklären (ab S.xx), was Privatisierung ist und welchen Zweck sie hat und warum ihre Legitimationskrise eine zweite Phase im Kampf dagegen einläutet. Joachim Bischof beschreibt (ab S.xx) Privatisierung als zentrales Ziel neoliberaler Gesellschaftspolitik und umreißt eine mögliche Gegenstrategie für eine sozialistische Linke. Die Initiative Zukunft Bethanien berichtet (ab S.xx) von ihrem (teilweise) erfolgreichen Kampf gegen Privatisierung in Berlin-Kreuzberg und wie es jetzt weiter geht. Raul Zelik erläutert (ab S.xx) warum es sich bei Privatisierung um ein „Gewaltprojekt“ handelt und warum sich trotzdem oder gerade deshalb der Widerstand dagegen lohnt. Mannfred Szameitat macht deutlich (ab S. xx) in welchem Zusammenhang Privatisierung und Klassenkampf stehen und warum Antiprivatisierung ein Kampffeld für eine antikapitalistische Linke ist. Werner Rügemer (ab S.xx) gibt einen Überblick über die bisherige Privatisierungsgeschichte der Bundesrepublik und erklärt das Zusammenspiel von Staat und „Kapitallobby“ bei Privatisierungen von öffentlichem Eigentum. Alexis Passadakis beschreibt in seinem Artikel (ab S.25) die lokalen und globalen Auswirkungen der Wasserprivatisierung und den Widerstand gegen eben diese. Die „Initiative Mediaspree versenken!“ stellt (ab S.xx) sich und ihren Kampf gegen ein städtebauliches Mammutprojekt in Berlin vor. Mario Candeias widmet sich (ab S.xx) der Krise der Privatisierung und erläutert warum Antiprivatisierungskämpfe die Frage nach Macht und Eigentum stellen. Thomas Seibert wagt (ab S.??) eine erste Annäherung an eine Politik öffentliche Güter und unterstreicht warum er diese für eine gute Strategie im Kampf gegen Privatisierung hält. Andrej Holm beantwortet (ab S.xx) die Frage, warum Wohnungsprivatisierungen weiter im Trend liegen und setzt sich mit der verbreiteten Heuschrecken-Metapher auseinander. Karin Baumert stellt die Berliner Kampagne gegen Zwangsumzüge vor. 

Gegen Privatisierung in Bewegung kommen!

Wir verstehen diese Broschüre als einen unserer ersten Beiträge zu einer breiten antikapitalistischen Bewegung gegen Privatisierung. Zugleich können wir versprechen, dass  es nicht unser letzter sein wird. Verschiedene Veranstaltungen und andere Aktivitäten sind bereits geplant. Wir wollen und werden es freilich nicht bei einer bloßen theoretischen Auseinandersetzung mit Privatisierung belassen. Wir möchten mit anderen AktivistInnen ins Gespräch kommen, Bündnisse schließen und nicht zuletzt unseren Zorn über die Privatisierungs-Wut auf die Straßen tragen!    

Viel Spaß bei der Lektüre der Broschüre und viel Erfolg im Kampf gegen die Gesamtsituation…

… wünscht Euch Eure Antifaschistische Linke Berlin [ALB] 

Die Broschüre kann für eine geringe Schutzgebühr beim
Online-Versand „Red Stuff“
bestellt werden:


http://www.antifa-versand.de

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir von den AutorInnen zur Veröffentlichung.