Editorial
Etikettenschwindel

von Karl Mueller

05/08

trend
onlinezeitung

Macht kaputt was euch kaputt macht erschien im Juni 1970 das erste Mal als Single. Alle weiteren bekannten Lieder wie z.B. Ich will nicht werden was mein Alter istRauch-Haus-SongDie letzte Schlacht gewinnen wir, Keine Macht für Niemand  wurden 1971 und 1972 produziert. Diese Songs entstanden in einem direkten politischen Zusammenhang mit der erstarkenden Jugendbewegung im Kampf um ihre (selbstverwalteten) Räume. Mit der StudentInnenbewegung von 68 hatte diese Musik dagegen gar nichts zu tun. Hinweis in eigener Sache:

Die Redaktion ist ab dieser Ausgabe erreichbar über den Stadtteil- & Infoladen LUNTE, Weisestr. 53, 12049 Berlin.

Ab Juni wird es in der LUNTE einen regelmäßigen TREND-Stammtisch geben. Bitte auf entsprechende Ankündigungen achten.

Obwohl dies unstrittig ist, ist es dennoch Usus, dass die bürgerlichen Medien die Musik der "Ton Steine Scherben" direkt der 68er Bewegung zuschreiben. Tatsächlich aber gab es in der westdeutschen Studentenbewegung keine organischen Verbindungen zur Massenkultur des Rock´n Roll und Beat, fiel beides doch unter das Diktum des "Konsumterrors". Die "Scherben" dagegen bedienten sich gezielt des Rock`n Roll bzw. der Beatmusik, um ihre politischen Botschaften an die ArbeiterInnenjugend loszuwerden. Und das mit Erfolg, wie mensch heute weiß.

Das studentische Lebengefühl war eher aufgehoben in der Eskapade, wenn es um die Abgrenzung zur Erwachsenenwelt (Traue keinem über 30") ging. Oft wurden auch die eigenen Wege des Erwachsenwerdens im Kontext der Kirche gesucht. So gesellschaftlich vorgeformt, zielte in den 60er Jahren der studentische Protest in der Uni auf die Reform dieser Bildungsanstalt und auf die Verbesserung der dortigen Beschäftigungsmöglichkeiten. Regelverletzungen fanden bisweilen statt und galten - ganz unbescheiden - als dialektischer Zusammenhang von Aktion und Aufklärung.

Trotz der Breite ihrer Bewegung verfügte die StudentInnenbewegung anders als die Jugendbewegung über keine eigenen subkulturellen Zusammenhänge. Diese entstanden erst aus der Erfahrungen des Jahres 1968 und nahmen 1969/70 erste Konturen an, als die Studentenbewegung mit der Jugendbewegung verschmolz. In diesem Prozess bildeten sich in diesem Milieu die ersten Kerne von revolutionären Organisationen heraus, die gezielt mit den kleinbürgerlichen Absichten und der Weltschmerzattitüde der StudentInnenbewegung brachen. Schließlich konnte auf dieser Grundlage Anfang der 70er Jahre der Rock für radikale Politik in Dienst genommen werden.

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Am 2.-4.Mai 2008 fand in Berlin ein Kongress des sozialistisch-demokratischen Studierendenverbandes zum Thema 40 Jahre 68 statt. Etwa 1.600 zahlende TeilnehmerInnen lauschten gut 100 ReferentInnen, die ihnen erzählten, was 68 passiert und davon heute übrig geblieben sei. Tatsächlich wurde ihnen eine Geschichtsinterpretation geboten, die sie animieren sollte, demnächst ordentlich bei der Linken hochschulpolitisch mitzumachen. Folglich wurde von der ReferentInnencrew das Hohelied des politischen Reformismus angestimmt und der Schwerpunkt auf linke Hochschulpolitik der 60er Jahre gelegt. "Konflikte, die sich heute für die Studierenden auftun, kamen in den Vorträgen ausgiebig zur Sprache." vermeldete das Neue Deutschland folgerichtig am 5.Mai. Und der Veranstalter-PM - ausgegeben am Schluß des Kongresses - war zu entnehmen, dass demnächst an den Hochschulen eine breite Kapitallesebewegung durchgeführt werden soll. Wenn diese in der Lesart der Kongressreferenten Altvater, Callinicos und Heinrich erfolgt, na dann gute Nacht.

Um das Interesse für diese sozialdemokratische Werbeveranstaltung schon im Vorfeld kräftig anzuheizen, hatten sich die Veranstalter den Gag einfallen lassen, den Kongress mit dem Scherben-Songtitel Die letzte Schlacht gewinnen wir zu labeln, wohl in der Hoffnung, dass der Etikettenschwindel durchgehen würde.

Zumindest die TAZ fand es daneben, mit diesem Spruch das Audimax zu schmücken, wo nur der "Muff von 40 Jahren" geatmet wird und "Debatten sehr manierlich" laufen. "Revolte stellt man sich irgendwie lauter vor" resumierte die TAZ dann am 5.Mai auch folgerichtig. Und der Spiegel kann nur hämisch witzeln: "Sozialismus, aber bitte Flatrate!"

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In Zusammenarbeit mit DetlevK., Motte und Rolf wurde in den letzten Wochen Videomaterial gesichtet, bewertet, geschnitten, neu vertont,  bis ein 70 Minuten-Film entstanden war, der den Zusammenhang von ROCK & REVOLTE so darstellen will, dass ein "anderer" Blick auf "68" möglich wird. Ein Blick der sich bewußt abgrenzt von den üblichen und oben erwähnten Inbesitznahmen durch Renegaten und Reformisten.

Wir werden diese Videocollage das erste Mal am 19.5.08 um 20.00 Uhr im Schnarup Thumby zeigen und ihn anschließend diskutieren. Die musikalische Seite dieser Veranstaltung wird DetlevK. gestalten. Ich hoffe wir sehen uns.

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