Selbstorganisation der ArbeiterInnen
Notizen über historische Erfahrungen und soziale Emanzipation

von Peter Engels

05/07

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Aus heutiger Sicht und den geschichtlichen Erfahrungen, die uns zu Grunde liegen, zeigt sich uns, dass das Parteienkonzept der Sowjetunion und der DDR, d.h. “die Diktatur es Proletariats“, versagt haben, denn sie “beruhten auf der kommunistischen Herrschaft der Partei alleine“ (Klaus Steinitz).

Die Arbeiterinnen waren im Sozialismus nicht die Vorhut der geschichtlichen Emanzipation, um ihre eigenen Lebensbedingungen aufzuheben. Den Kampf für die Aufhebung des kapitalistischen Privateigentums, der Klassengesellschaft, des Lohnsystems und der imperialistischen Gewalt und Kriege konnten sie nicht zum Kampf für ihre eigene Befreiung machen. Die Arbeiterinnenkontrolle oder Arbeiterselbstverwaltung war “juristisch gesprochen“ keine Selbstverwaltung (weder in der UdSSR noch in der DDR). Die ArbeiterInnen stellten weder die Arbeiterräte, noch die Betriebsleitung und den Aufsichtsrat in ihren Unternehmen. Die Arbeiterinnen waren nicht die genossenschaftlichen Besitzer ihrer Betriebe und auch nicht die Eigentümer ihrer gemeinsamen Arbeitsprodukte. Die Leninische Arbeiterkontrolle war nichts als eine weitergehende (bürgerlich-sozialdemokratische P.E.) „Arbeitermitbestimmung“ (Wal Buchenberg: Was Marx am Sowjetsystem kritisiert hätte).

Die Vernichtung der innerparteilichen Demokratie der Partei führte zur Despotie und schaffte eine neue Klasse in der UdSSR, die unter Stalin entstanden war, (das Märchen von revisionistischen Verrat ist nicht mehr haltbar! P.E.) d.h. “ihm unterstanden die Auswahl und Kontrolle der führenden Kader der Partei, des Staates und der Wirtschaft (...); so bildete sich eine neue Klasse von führenden Funktionären in Partei, Staat und Wirtschaft, Armee und Geheimpolizei (aus), die neue Klasse verfügte über das gesellschaftliche produzierte Mehrprodukt, nicht in Geld, sondern als Privilegien auf Staatskosten“. Das gleich galt auch für die führenden Kader der Partei der DDR.

Interessen unabhängig verteidigen

Es zeigt sich also, dass die Arbeiterinnen nur durch ihre eigenen politischen Kämpfe in der Lage sind, unabhängig ihre Interessen zu verteidigen. Dazu müssen sie verstehen und begreifen, dass die Befreiung nur ihr eigenes Werk sein kann, wenn sie die Lohnarbeit und den kapitalistischen Staat abschaffen wollen, um ihre Entfremdung aufzuheben. Dazu brauchen sie mehr Wissen über die inneren und äußeren Zusammenhänge des Kapitalismus, sie müssen sich mit der politischen Ökonomie der bürgerlichen Gesellschaft auseinandersetzen, um zu verstehen, warum sie ständig der Gefahr ausgesetzt sind, ihre Lebensgrundlage zu verlieren, wenn dem Kapitalismus erneut eine Krise droht, weil die Krise auf ihren Rücken ausgetragen wird.

Realistisch betrachtet gibt es nur einen Weg, um die Welt zu verändern, und den müssen sich die revolutionären Elemente in der Weltarbeiterinnenklasse endlich wieder zu überlegen beginnen, indem sie räteartige Versammlungen durchführen und die Arbeiterinnen selber die ungeteilte Macht übernehmen. Zum anderen können die Arbeiterinnen aus ihren eigenen Reihen eine Organisation schaffen, die sie befähigt selbstbestimmt ihre Kämpfe zu organisieren, um die Ausbeutung und Unterdrückung aufzuheben, ohne unter einer “leninistische Avantgarde-Partei“, d.h. unter der Führung einer externen Partei zu stehen, die stellvertretend ihre Interessen regelt.

Die KommunistInnen sind dazu da, um die ArbeiterInnen zu agitieren, so dass sie sich emanzipieren können. Die Kommunistinnen unterstützen und beraten die ArbeiterInnen, aber sobald die ArbeiterInnen anfangen ihre Kämpfe klassenbewusst und selbstbestimmt zu führen, haben die KommunistInnen die Aufgabe, den ArbeiterInnen zu dienen und sich unter deren Führung zu stellen. Das ist die Aufgabe der Kommunistinnen! Bei der MLPD z.B. ist dieser Fall nicht vorgesehen. Parteivorsitzender Stefan Engels will mit der MLPD als leninistischen Avantgarde-Partei die “Massen bewegen und führen“ (Rote Fahne 22.Dezember 2006). Nun ist das, wie Oben von Klaus Steinitz beschrieben, nichts anderes als Stellvertreterpolitik, die, wie uns das Beispiel in der Sowjetunion und in der DDR zeigte, zu einem verselbständigten Parteiapparat führt.

Was die ArbeiterInnen stattdessen brauchen, ist ihre eigene Form der Organisierung, wo ihre sozialen Interessen vertreten sind. Eine Organisation, die aus dem Klassenkampf heraus entsteht. Erst in diesem Sinne baut sich eine kommunistische Führung auf, um den Kapitalismus zu beseitigen bzw. zu stürzen. Wie die Führung aussehen wird, muss ganz alleine die ArbeiterInnenklasse entscheiden, und diese Organisation wird durch die empirisch-kapitalistische Wirklichkeit und deren Widersprüche bestimmt sein.

Kommunistische Führung aufbauen

Diese kommunistische Organisation ist damit Teil der arbeitenden Klasse, welche zum Bewusstsein der gemeinsamen Interessen der ganzen Klasse gekommen ist. Die Konstituierung des Proletariats als politische Partei ist unerlässlich für die soziale Revolution, für die Aufhebung des Kapitalismus.

Damit vermieden werden kann, dass die ArbeiterInnen nicht wieder das gleiche Schicksal erfahren, einerseits von der Bourgeoisie zerrieben und zerstört oder von innen her durch reformistische und trotzkistischen Gruppen unterwandert zu werden, müssen die ArbeiterInnen ihre Partei so organisieren, das sie nicht zerschlagen werden kann. Auch müssen die ArbeiterInnen begreifen, dass die Gewerkschaft kein Instrument ist, dass das Proletariat zum revolutionären Aufstand führt, denn die Gewerkschaft ist die Lohnpolizei der Kapitalisten und damit Konterrevolution in Permanenz.

Ideologische Schrullen durchschauen

Auch müssen sich die Arbeiterinnen vor den kleinbürgerlichen Strömungen in Acht nehmen, wie das Ritual „Maydays“ zeigt. Hier führt Robert Schlosser in seinem Artikel Anmerkungen zum gewerkschaftlichen K(r)ampf gegen Arbeitslosigkeit richtig aus: “...sie pflegen einen sektiererisch – utopischen Antikapitalismus (...) der die absurdesten Formen annimmt (...) und auf den gescheiterten Versuch von Alternativökonomie zurückgreift (...) aber sich ein Dreck um Marx kümmert“.

Das konnte man besonders auf dem 1. Berliner Sozialforum mitkriegen, wo statt Kritik am Kapitalismus nur von “öffentlichen Gütern“ die Rede war. Man schwätzte viel vom Neoliberalismus und seinen Auswirkungen, die Ursachen waren nicht das Thema. Hier zeigte sich, dass diese kleinbürgerlich- reformistische Strömung nur eine sozialgerechte Verteilung will – oder anders: Als keynesianische Strömung will sie dem Kapitalismus kein Haar krümmen.

So ist war es nicht verwunderlich, dass dort unverhohlen für Esoterik geworben wurde. In Sozialforumsprogramm hieß es unter der Überschrift: Zur Synthese aus Natur – und Geisteswissenschaft - Die Transmissionsmeditation als Dienst für die Welt: “ Kann Meditation einen Beitrag zur Veränderung der Gesellschaft leisten? Was ist Meditation? Wir wollen zeigen, dass Aktion und Meditation vereinbar sind, ja sich sogar gegenseitig bedingen. Die Energien, die während einer Meditation “verankert“ werden, sind die Grundlage für den gesellschaftlichen Wandel. Sie werden von den “sichtbaren“ Aktiven in der Welt aufgenommen, sie inspirieren und führen zu Bewusstseinswandel und Aktion“.

Wenn man vom bürgerlichem Bewusstsein spricht, kann man sagen, dass es sich um ein falsches Bewusstsein als Basis eines falschen Denkens handelt, d.h. unter kapitalistischen Bedingungen sind die meisten Menschen nicht fähig, die grundlegenden Prozesse ihres eigenen Lebens zu durchschauen. Dies hängt mit der kapitalistischen Ökonomie und der Ideologie der bürgerlichen Verhältnisse zusammen, die alles verschleiern. Auf dem Boden solcher Unkenntnis über die wichtigsten Bedingungen unseres gesellschaftlichen Lebens erwachsen zwangsläufig Gefühle der Ohnmacht, des Irrationalismus, und der religiösern Aberglaube. Dem entgegenzutreten bedarf es einer materialistischen Geschichtsauffassung. Mit ihr werden die nicht nur ideologische Schrullen der bürgerlichen Gesellschaft sondern auch ihre Bewegungsgesetze durchschaubar. Dieses Wissen verbunden mit den Erfahrungen aus den praktischen Kämpfen wird die Arbeiterinnen befähigen, die soziale Emanzipation in ihre eigenen Hände zu nehmen.
 

Editorische Anmerkungen

Der Artikel wurde Anfang Mai uns vom Autor zur Veröffentlichung gegeben.