Betrieb & Gewerkschaft

Tarifrunde in der Metall-Industrie

Auf in den Kampf! Keine faulen Kompromisse!
von FT - Red. Arbeit-Zukunft

05/07

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Die Tarifrunde in der Metallindustrie geht in die entscheidende Phase. Am 16. und am 18. April 2007 sind die Tarifverhandlungen in vier Tarifgebieten (Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg,   Küste und Mittelgruppe) ergebnislos vertagt worden. Die Arbeitgeber verbesserten ihr mieses Angebot nicht.

Entgegen der bescheidenen IG Metall–Forderung nach 6,5 % mehr Lohn bietet die Kapitalseite eine Lohnerhöhung von lediglich 2,5% an. Zusätzlich offeriert sie einen so genannten „Konjunkturbonus“ von 0,5 Prozent. Er soll die Beschäftigten „optisch“, und nur befristet, „an der guten Konjunktur teilhaben lassen“. Denn nach Ende der Laufzeit des Tarifvertrages soll er wieder entfallen. Die Folge: alle späteren Tariferhöhungen würden auf dem niedrigeren Niveau aufsetzen. Den Beschäftigten würde also nachträglich, heimlich, still und leise Geld aus der Tasche gezogen. Die angebliche Beteiligung am Höhenflug der Branche ist, so die IG Metall, „nichts als Blenderei“.

Gleichzeitig ist das Kapital-Angebot noch weiter vergiftet durch einen Angriff auf das Weihnachtsgeld, der die Jahreseinkommen beschneiden würde: Unter dem Deckmantel der Variabilisierung soll der Mindestanspruch auf das Weihnachtsgeld um 13 Prozentpunkte sinken. Diese Forderung lehnte die IG Metall ab und warnt die Arbeitgeber vor einem grundlegenden Wechsel in der Tarifpolitik.

Jugend brüskiert!

Keinerlei Bereitschaft existiert bei der Kapitalseite in Baden-Württemberg, auf die Jugend zuzugehen, weder bei den „klassischen“ Auszubildenden noch bei einer Gruppe, die in Baden-Württemberg verstärkt in den Blickpunkt gerät, den Berufsakademie(BA)-Studierenden, die eine duale Ausbildung machen, teils an der Fachhochschulähnlichen BA, teils in einem Ausbildungsbetrieb, wo sie qualifizierte Arbeit leisten.

Seit dem 1. März. 2007 müssen alle Studierende an einer staatlichen baden-württembergischen Berufsakademie pro Semester 500 Euro Studiengebühren zahlen. Die Einführung der Studiengebühren für sie bedeutet (analog zu den Hochschul-Studierenden) eine finanzielle Belastung. Sie bedeutet für die BA-Student/innen eine erhebliche Kürzung ihrer Vergütung. Die Studiengebühren bewirken, dass bei BA-Studierenden das Familieneinkommen über die Aufnahme eines Studiums entscheidet. Bildung wird einmal mehr vom Einkommen der Eltern abhängig.

Bildung muss kostenfrei bleiben, gerade auch in diesem Fall, wo die Betriebe einen unmittelbaren Nutzen von der beruflichen Ausbildung haben. Die IG Metall-Jugend fordert deshalb die Übernahme der Studiengebühren für Studierende an Berufsakademien und Studierende in andern dualen Ausbildungsgängen an Hochschulen durch die Arbeitgeber.

Aber die Arbeitgeber sagen schlicht: Nein!

Ihren Protest gegen diese Haltung demonstrierten bei der 3. Verhandlungsrunde in Baden Württemberg am 18.04 2007 in Ludwigsburg über tausend Azubis und BA-Studierende vor dem Verhandlungslokal.

„Die Unternehmen können BA-Studierenden maßgeschneidert nach ihren Bedürfnissen ausbilden. Sie stellen sich die Ausbildung selbst zusammen, dann sollen sie auch selbst bezahlen, und zwar komplett, auch die Studiengebühren“, argumentierte Simone Tuschik, Mitglied der Tarifkommission der IG Metall vor den Jugendlichen. „Die Gebühr soll der Empfänger bezahlen“.

In einer symbolischen Aktion verteilten jugendliche Teilnehmer der Aktion die Spitzen-Gewinne der Unternehmen um: Die Kämpfer für Gerechtigkeit knackten einen Panzerschrank und schütteten die Gewinne mit einer Geldkanone an die Teilnehmer der Kundgebung aus. „Die Auszubildenden brauchen eine Einkommen zum Auskommen“, stellt Simone Tuschik klar. „Dies erreichen wir nur mit einer Ausbildungsvergütung die ein eigenständiges Leben ermöglicht“.

Durchsichtige Taktik des Kapitals!

Nun endet am 28. April die so genannte Friedenspflicht. Zuvor wird, am 26 April, zumindest in Baden Württemberg  noch einmal verhandelt.

Das Unternehmerangebot ist an sich schon eine Frechheit und Provokation. Denn es gibt bereits am Bau und in der Chemieindustrie Tarifabschlüsse von nominell rund 3,5 %. Das Angebot der Metallkapitalisten beläuft sich zahlenwertmäßig auf 3% für die Zeit bis zum nächsten Tarifabschluss, und das ist eben auch nur alleroberflächlichste Schönrechnerei, denn nachhaltig wirksam wären ja nur 2,5%.

Durchsichtig ist diese Taktik und plump! Mehr oder weniger offen spekulieren die Damen und Herren des Metallkapitals darauf, dass sie unter Stöhnen und Wehklagen auf diese 3,5 % eingehen, wenn es zu Protest, Aktionen und „Warnstreiks“ kommt. Damit würden sie sehr günstig davonkommen.

Die Metallkapitalisten machen beste Profite!

Denn die Metallindustrie schwimmt in Profiten, keine Branche profitiert so sehr von der guten Inlandskonjunktur wie von den Rekordergebnissen im Export (Deutschland Exportweltmeister!). Die Rationalisierungs- und Umstrukturierungsfeldzüge des letzten Jahrzehnts haben durch Produktivitätssteigerungen, Leistungsdruck, Arbeitsplatzverlagerung und -abbau die Profite geradezu explodieren lassen. Hier einige Daten aus der bürgerlichen Volkswirtschaftslehre (Uni Bremen, Februar 2007):

„In Deutschland sind die Bruttolohnkosten je Stunde nominal 2000-2006 um 1,3% jährlich gestiegen, die Gewinne und Vermögenseinkommen dagegen um 5,4%.“

Ergänzungen unsererseits, von der Redaktion: In den Jahren von 2003 bis 2006 stiegen die Gewinne jährlich sogar um ca. 8%. Und das sind Durchschnittswerte, die auch Firmen mit unterdurchschnittlichen Zahlen einschliessen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass es in zahlreichen Unternehmen noch viel höhere Zuwächse gab!! Weiter laut Uni Bremen:

„Die nominalen Lohnsteigerungen je Stunde dagegen haben seit 2000 nicht einmal den Anstieg der Verbraucherpreise – im Durchschnitt 1,6% pro Jahr – wettgemacht. Am Produktivitätsfortschritt waren Arbeitnehmereinkommen überhaupt nicht beteiligt. Dieser lag im Durchschnitt der Volkswirtschaft 2000-2006 bei 1,4% jährlich (gerechnet je Arbeitsstunde). Der durchschnittliche reale Bruttolohn je Arbeitnehmer lag 2006 um 4,6% unter dem Wert von 1995. (Einzelheiten nachzulesen unter: Trevor Evans u.a. “Tarifpolitische Chancen nutzen Rückkehr zur produktivitätsorientierten Lohnpolitik geboten“ Uni Bremen. http://www.memo.uni-bremen.de/docs/m0607.pdf )

Auch der IG-Metall-Vorstand ging bei der diesjährigen Tarifrunde von ähnlichen Basisdaten aus:

„Ein überdurchschnittliches  wirtschaftliches Wachstum in der Metallindustrie von 5 %.

Die Lohnstückkosten sind in 2006 um mehr als 4% gesunken und liegen unter dem Niveau des Jahres 2000!“

Genau diese Entwicklung schlägt sich in dem gewaltigen Produktivitätszuwachs in dieser Branche nieder. Dieser ging und geht massiv auf Kosten der Beschäftigten. Hier erklärt sich auch die Tatsache, dass – im offenen Widerspruch zu dem üblichen Gejammer über „hohe Löhne“ und „Standortnachteile“ – die Wirtschaft Deutschlands „Exportweltmeister“ ist. Die Arbeiterklasse kann nicht zusehen, wie ihre Ware Arbeitskraft ständig vom Kapital entwertet wird. Ihre Existenz hängt allein von ihrem Verdienst ab. Sie muss also ihre Ware Arbeitskraft so teuer wie möglich verkaufen. Das tut ein Kapitalist übrigens bei seinen Waren ganz selbstverständlich. Er würde herzhaft lachen, wenn man von ihm bei guter Marktlage forderte, den Preis seiner Waren freiwillig zu senken. Die Arbeiter und Angestellten würden sich selbst schaden, wenn sie in Zeiten, wo ihre Arbeitskraft wieder Konjunkturbedingt benötigt wird, sich nicht für den Lohnraub der zurückliegenden Jahre so weit wie möglich Entschädigung holen würden.

Diese Sachlage ist ein Grund für unsere auch von etlichen Vertrauensleutekörpern, also betrieblichen Basisorganisationen der IG Metall, geteilte Forderung nach 10 % Lohnerhöhung, nicht zuletzt dann auch für die vom IG-Metall-Vorstand beschlossene 6,5%-Forderung. Denn mit dieser versuchte ja die IG-Metallführung, der Kritik der kämpferischen Basis an ihrem versöhnlerischen Kurs den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Urabstimmung sofort!

Das Kapital darf mit seinen billigen Schmierentheatertricks nicht durchkommen. Es will seine Beschäftigten billig abspeisen. Arbeit-Zukunft verlangt die volle Durchsetzung der 6,5%-Forderung, und das geht nur, indem sofort, spätestens nach Ende der Friedenspflicht die Urabstimmung über den Vollstreik in Angriff genommen wird.

Die letzten Tarifverhandlungen (Vierte Runde) vor Ende der Friedenspflicht (26.04.07 in Baden Württemberg, Nordrhein-Westfalen und der Mittegruppe sowie am 27.04.07 in Niedersachsen) überschneiden sich mit dem Erscheinen der Mai-Nummer unserer Zeitung, so dass wir deren Ergebnisse nicht mehr berücksichtigen können.

Aber wir erinnern an die Worte der Bezirksleiter, die einen faulen Kompromiss vor Ende der Friedenspflicht ausschließen müssten:

Armin Schild Bezirksleiter und Verhandlungsführer der Mittelgruppe am 18. 04:

„Die Arbeitgeber müssen sich bewegen“, „Kommt nichts oder zu wenig, provozieren die Arbeitgeber eine Verschärfung des Drucks“. „Dann müssen wir mit massiven Warnstreiks in allen unseren Tarifgebieten Druck machen. Unmittelbar ab Ablauf der Friedenspflicht, am 29. April, null Uhr, geht´s los“.

Jutta Blankau, Bezirksleiterin Küste:

„Wenn die Arbeitgeber in den Verhandlungen beim Entgelt nicht substantiell nachlegen provozieren sie die Warnstreiks nach der Friedenspflicht!“

Oder Jörg Hofmann, Bezirksleiter und Verhandlungsführer in Baden Württemberg:

„Die Friedenspflicht läuft am 28. April aus. Haben wir bis dahin kein Ergebnis, wird nicht lange gefackelt. Wir scheuen den Konflikt nicht. Wir sind ohne Einschränkung mobilisierungsfähig!“

Die klassenkämpferischen Kolleg/innen kennen diese Reden schon und sind misstrauisch. Auf sie kommt es an, auf ihren Mut und ihr Vorangehen! An ihnen und der Masse der Gewerkschaftsmitglieder wird der Kampf nicht scheitern. Sie erwarten, dass es jetzt losgeht!

Die IG-Metall-Führung kann es sich nicht erlauben, diese kampfbereiten Kolleg/innen erneut mit einem faulen Kompromiss, über den an der Basis schon jetzt Wetten abgeschlossen werden, in den Nächten vor dem 28 April zusammengezimmert, zu brüskieren.

Wir fordern deshalb:

Volle Durchsetzung der 6,5 %
Urabstimmung und Streik sofort nach dem Scheitern der vierten Verhandlungsrunde!

Editorische Anmerkung

Der Artikel ist eine Spiegelung von
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