L.PDS Berlin: Keine Unterstützung für Bleiberecht von Familie Aydin
von Martina Feldner
05/06

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Am Donnerstag verweigerte in Berlin die Mehrheit der PDS-Abgeordneten dem Antrag der Grünen für das Bleiberecht von Familie Aydin ihre Unterstützung. Am Wochenende tagt die Berliner PDS nun im Luxushotel „Maritim“, wo sich sonst Unternehmerverbände zum Festbankett treffen.

Das Abgeordnetenhaus hat am Donnerstag ein Bleiberecht für die kurdische Familie Aydin abgelehnt. SPD und CDU votierten gegen einen entsprechenden Antrag der Grünen. Die FDP stimmte mit einer Ausnahme zu. Abgesehen von drei Abgeordneten verweigerte der Rest der PDS-Fraktion, immerhin 30 linke Parlamentarier, die Unterstützung für den Antrag. Sie  enthielten sich oder nahmen an der Abstimmung nicht teil. Presse und Zuhörer wurden von der Debatte aus Datenschutzgründen ausgeschlossen.

Trotz des enormen Drucks der Öffentlichkeit droht den Aydins nun schon in der kommenden Woche die Abschiebung. Ob die PDS möglicherweise fürchtet, sich Ärger mit dem Koalitionspartner einzuhandeln oder Rücksicht auf ein latent rassistisches Wählerpotential nimmt, ist spekulativ. Fakt ist, dass die Berliner Linkspartei wegen Flüchtlingen zu keiner Konfrontation bereit ist. Das mag aus wahltaktischen Gründen verständlich sein, ob es allerdings die humanistisch geprägten WählerInnen im linken Spektrum Berlins überzeugen wird, ist eine andere Frage.

Die Diskrepanz zwischen Worten und Taten wird dem Berliner Landesverband PDS nicht nur von der zu Zeit noch konkurrierenden WASG vorgeworfen. Fast in allen sozialen Projekten der Stadt herrscht durch die Kürzungspolitik des Senats Depression. Ob Frauenhaus, Jugendzentren oder Kulturinitiativen, wer die letzen Jahre noch überleben wollte, war gezwungen seinen Betrieb auf ehrenamtliche Arbeit umzustellen. „Unter diesem Senat gibt es nicht einmal mehr Geld zur sozialverträglichen Armutsverwaltung“ erklärt die Aktivistin eines Lichtenberger Stadtteilprojekts, die anonym bleiben will.

Die Folgen für öffentliche Kritik an der Kürzungspolitik, die von der PDS mitgetragen wird, könnten das völlige finanzielle Aus des Projekts bedeuten. „Kritik ist nicht erwünscht, das ist wie damals in der DDR“ sagt sie.  Die Berliner PDS scheint sich als Regierungspartei eingerichtet zu haben. Sie ist  schneller als gedacht in der bundesdeutschen Parteiengesellschaft angekommen. So ist dann die Wahl eines Luxushotels als Ort für den am Wochenende stattfindenden Landesparteitag zu verstehen. Das  4-Sterne-Hotel Maritim, ein beliebter Treffpunkt von Unternehmerverbänden, als symbolischer Wink an die arm gebliebenen Weltverbesserer?

In der praktischen Politik hat die PDS in Berlin den Mächtigen aus Wirtschaft und konkurrierenden Parteien unweigerlich klar gemacht, dass man keine Angst mehr vor ihr zu haben braucht.  Nach 5 Jahren vernünftigem Regieren sind keine grundlegenden Änderungen zu befürchten.  Änderungen, die möglicherweise eine wirkliche Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums bedeuten könnten, sind haushaltstechnisch sowieso nicht möglich. Die sozialen Bewegungen und Gewerkschaften in der Stadt konstatieren nur noch lethargisch oder zynisch die Bilanz des rot-roten Senats: Abschaffung eines günstigen Sozialtickets bei der BVG, Ausstieg aus dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, Stellenabbau in öffentlichen Einrichtungen, Fortführung des Bankenskandals, Privatisierung von Sparkassen, Wasserbetrieben und Wohnungsbausgesellschaften, Abschaffung der Lehrmittelfreiheit an Schulen und Erhöhung der Kita-Gebühren sowie Kürzungen von 75 Mio. Euro im Universitätsbereich.
 
Kritik am rigiden Sparkurs des rot-roten Senats in Berlin wird jedoch nicht nur von Betroffenen geäußert. Auch das namhafte Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) glaubt, das Ausgabenkürzung und Investitionsmangel Berlin ins Abseits manövrieren. Der strikte Sparkurs des Berliner Senats, seit 2001 unter dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) noch forciert, habe der wirtschaftlichen Entwicklung der Hauptstadt geschadet, so das DIW.
 
Die PDS hatte 2001 in Berlin 22,1 % der Wählerstimmen auf sich vereinen können. Nach den letzten Prognosen wird sie bis zu 10 % an Zustimmung einbüßen.
Bleibt abzuwarten, wie die Berliner PDS die Bilanz ihrer Regierungsbeteiligung den Wählern und Nichtwählern im nahenden Wahlkampf zu vermitteln versucht. Denn ein wichtiges Reservoir für die kommende Wahl ist laut Parteienforschen die „Partei“ der Nichtwähler.
 
Eigentlich wäre knapp vier Monate vor der Abgeordnetenhauswahl in Berlin damit zu rechnen, dass sich die PDS zumindest rhetorisch von der SPD abgrenzt. Dies ist um so notwendiger,  wenn der Berliner Landesverband der WASG noch vor der Fusion als linke Alternative antritt. In der Diskussion um das Bleiberecht jedenfalls hat sich die WASG im Gegensatz zur PDS glaubwürdig positioniert. Einen Tag vor der Innenministerkonferenz hatten sich Kandidaten der WASG vor den Abschiebegewahrsam in Berlin gekettet, um der Forderung für das Bleiberecht der Aydins  Nachdruck zu verleihen.

Editorische Anmerkungen

Der Artikel ist eine Spiegelung von http://www.linkezeitung.de/cms/content/view/439/32/
veröffentlicht am 08.05.2006