Wird es dem
tschadischen Präsidenten Idriss Déby gelingen, seiner
Legitimation noch einmal eine frische Tünche zu verpassen? Kaum
zwei Wochen nach den blutigen Kämpfen, die sich vor kurzem in
der Hauptstadt N'Djamena abspielten und die zum Abbruch aller
offiziellen zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen den
Nachbarländern Tschad und Sudan führten, möchte der Staatschef
in dieser Woche, am 3. Mai, die nächsten Präsidentschaftswahlen
abhalten lassen. An ihrem Ausgang, unter gegebenen Bedingungen,
hegen Freund und Feind keinerlei Zweifel. Sorgen dagegen machen
sich viele Beobachter um die kurz- oder längerfristige
Stabilität in der Region, nachdem die zwischenstaatlichen
Spannungen zwischen Tschad und Sudan stark zugenommen haben und
am 30. April zudem noch die Friedensgepräche für die
westsudanesische Kriegsprovinz Darfur für gescheitert erklärt
worden sind. Im Hintergrund steht die Rivalität internationaler
Groβmächte und wirtschaftlicher global players um die
frisch erschlossenen Erdölvorkommen der Region: Der Sudan konnte
im August 1999 dem Club der Ölförderländer neu beitreten, der
Tschad seinerseits gehört seit 2003 dazu. Im Inland wie im
Ausland wuchsen seitdem die Begehrlichkeiten...
Am Sonntag, 30.
April haben die Wahlvorgänge bei den nomadisch lebenden
Bevölkerungsgruppen im Nordtschad – die mehrere Tage Zeit für
die Stimmabgabe haben – und den im Ausland lebenden tschadischen
Staatsangehörigen bereits begonnen. Bisher, so hieβ es am
Sonntag im französischsprachigen Radiosender “Radio Africa
Numéro 1”, seien die Wahloperationen dort ohne Zwischenfälle
verlaufen. Die bewaffneten Rebellen hatten ebenso wie die zivile,
demokratische Opposition eine Verschiebung der Urnengänge
gefordert.
Bereits die
vorangegangenen Wahlen, an denen der 1990 durch militärische
Gewalt an die Macht gekommene Idriss Déby (1996 und 2001)
teilnahm, konnte nicht eben als Musterbeispiele für praktizierte
Demokratie gelten und wurden damals durch die Opposition wie
durch internationale Wahlbeobachter kritisiert. Mindestens einer
der drei jetzigen Mitkandidaten des Staatsoberhaupts, deren
Bewerbung als “Sparringspartner” von Präsident Déby selbst
finanziert worden ist, mit Namen Kassiré Delwa Coumakoye hat
inzwischen allerdings Abstand zu dem Ansinnen genommen, die
Wahlen zum vorgesehenen Termin abzuhalten. Die offiziellen
Staatsorgane wollen dagegen von einer Verschiebung, so kurz nach
den gewaltsamen Auseinandersetzungen mit mehreren hundert Toten,
nichts wissen. Sie berufen sich darauf, dass im Falle eines
Aufschubs ein juristisches Vakuum an der Staatsspitze entstünde.
Abzuwarten bleibt, ob die Wahl tatsächlich durchgeführt werden
kann, oder ob die - selbst vielfach zersplitterten - Rebellen
ihre Ankündigung wahr machen können, einen neuen Sturm auf die
Hauptstadt zu starten und die Abhaltung der Wahlen zu verhindern.
Letztere Variante scheint allerdings im Moment eher
unwahrscheinlich, und die Durchsetzungschancen der Rebellen sind
seit den jüngsten blutigen Zwischenfällen erheblich gesunken.
Die postkoloniale “Schutzmacht” Frankreich ihrerseits hat
bereits politisch Aufstellung hinter den Machthabern in N '
Djamena genommen.
Doch beginnen wir
mit einer kurzen Rückblende.
Unter der prallen
Sonne, bei 41 Grad, werden die Kriegsgefangenen der
schaulustigen Menge vor dem Präsidentenpalast präsentiert. 257
barfübige
Gefangene, in Militärklamotten oder Lumpen, unter ihnen auch
einige Heranwachsende, sind so den Blicken der Hauptstädter
ausgesetzt.
Die Szene stammt
nicht aus einem Triumphzug im antiken Rom, sondern vom Freitag
vorletzter Woche, dem 14. April. Sie spielte sich in der
tschadischen Hauptstadt N¹Djamena ab. Nicht erbeutete Schwerter
und Schilde wurden auf dem glühenden Asphalt aufgereiht, sondern
von Kugeln durchlöcherte Pick-ups, also Lastwagen mit
Ladeflächen, auf denen ein Maschinengewehr aufgepflanzt ist. Am
Boden liegen Kalaschnikows ausgebreitet, die den besiegten
Rebellen gehörten. Am Sonntag dann heben Bagger am Stadtrand von
N’Djamena zwei Gruben für Massengräber aus, dann werden die aus
dem Zentrum herbeigeschafften Leichen abgeladen. Augenzeugen
sprechen gegenüber dem Figaro-Korrespondenten Patrick de
Saint-Exupéry davon, dass auch die Leichname von Frauen und
Kindern neben denen von uniformierten Soldaten und Rebellen in
die Gruben geworfen worden seien. Neben den beiden Massengräbern
erblickt der Afrikaexperte (der 1994 durch seine kritischen
Berichte über Frankreichs Agieren gegenüber dem Völkermord in
Ruanda bekannt wurde) auch mindestens acht Kindergräber, die
abseits ausgehoben wurden für die Opfer von ‘verirrten Kugeln’
und Querschlägern.
Die offizielle Bilanz der tschadischen Behörden spricht zunächst
von «400 Toten, darunter 370 Rebellen» in der Hauptstadt. Andere
Quellen fügen hinzu, dass es schätzungsweise 1000 im gesamten
Land gegeben habe. Staatspräsident Idriss Déby gibt auf einer
Pressekonferenz am vorigen Dienstag an, die Regierungsarmee des
Tschad, ANT, verzeichne 40 getötete Soldaten in ihren Reihen.
Präsident “ITI”, wie ihn seine Anhänger nennen, als Abkürzung
seines vollen Namens Idriss Déby Itno, spricht auch von 60 bis
70 getöteten Zivilisten landesweit. Die
Hilfsorganisation Médecins sans frontières hat darüber hinaus
mindestens 100 verletzte Zivilpersonen behandeln müssen.
Eine
vorbereitete Falle?
Was Präsident
Déby nicht sagt, ist, dass die Regierungstruppen die auch nach
eigenen Angaben des Präsidenten auf das nächtliche Einrücken der
Rebellen in der N¹Djamena vorbereitet waren mitten in der
Stadt Artillerie und Panzer einsetzten - ohne Rücksicht auf
Verluste. Der Sonderberichterstatter der Pariser Abendzeitung
Le Monde Philippe Bernard spricht davon, dass verletzte und
kampfunfähige Rebellen durch die Regierungstruppen umgebracht
worden seien, und dass (lebende oder tote?) Leiber in den
Fluss Chari geworfen seien. Einen Augenzeugen zitiert er mit den
Worten, was am Donnerstag, den 14. April passiert sei, müsse man
als «Schlächterei» beschreiben.
In der Nacht vom 13. zum 14. April war es im Südosten des Landes
operierenden Rebellenverbänden der «Vereinigten Kräfte für die
Veränderung» (FUC), die mit rund 1.000 Mann von der
sudanesischen Grenze her vorrückten, zunächst gelungen, in Aubenbezirke
von N¹Djamena einzudringen. Am frühen Morgen erreichten sie das
Zentrum der Hauptstadt. Davon waren sie anscheinend selbst
überrascht, und alles deutet darauf hin, dass die Rebellen
völlig unvorbereitet auf die neue Situation waren. Augenzeugen
berichten, dass sie Einwohner nach «dem Palast» gefragt hätten,
dabei den Amtssitz des Präsidenten meinend. Überraschte und den
Ausdruck «Palast» falsch interpretierende Anwohner hätten sie
vor die Nationalversammlung geschickt. Tatsächlich ereigneten
sich die entscheiden Kämpfe vor dem tschadischen Parlament, auf
dessen Treppenstufen die Rebellen schnell aufgerieben wurden.
Die Regierungstruppen waren keineswegs überrumpelt. So sagt auch
Staatspräsident Idriss Déby im Interview mit dem Figaro
vom vorigen Mittwoch: «Als die Söldnerkolonne in N¹Djamena ankam,
wurde sie erwartet. Unsere Kräfte waren da. Der Hinterhalt stand
bereit. Wir haben ihnen die Croissants und den Café heib
serviert, sehr heib.»
Dass die Staatsmacht über das Vorrücken der lockeren
Rebellenverbände informiert war, das verdankt sie (wie der
Präsident auch keineswegs verschweigt, sondern in dem Figaro-Gespräch
explizit affirmiert) der im Tschad stationierten französischen
Armee.
Mindestens
einen Teil ihrer Fahrzeuge und mutmaßlich auch ihrer Waffen
konnten die Rebellen, obwohl sie in der Hauptstadt zusammen
geschossen wurden, jedoch allem Anschein nach retten. Ob es sich
bei ihrer Ankündigung, demnächst erneut auf die Hauptstadt
vorzustoßen und die "Wahlfarce" vom 03. Mai "verhindern" zu
wollen, nicht doch eher um Großsprecherei handelt, bleibt
dennoch abzuwarten. Zweifellos dürften die Rebellen militärisch
spürbar geschwächt worden sein.
Frankreich
hält den Sturz des Regimes auf
Normalerweise
besteht die Stärke der Rebelleneinheiten darin, dass sie mit
ihren Pick-Ups aus dem Nichts auftauchen und hoch mobil agieren
können. Doch die französischen Soldaten, deren
Luftaufklärungs-Kapazitäten denen der nationalen Streitkräfte
weitaus überlegen sind -- die ANT verfügte bislang über einen
einzigen Hubschrauber, der bei den jüngsten Kämpfen auch noch
abgeschossen wurde -- hatten dem Regime unter Idriss Déby genaue
Informationen über das Vorrücken der Rebellen geliefert. Die
französischen Soldaten der «Operation Epervier (Sperber)» sind
seit 1986 im Rahmen eines permanent-provisorischen «Manövers» im
Tschad stationiert, wo Frankreich offiziell keine Militärbasis
unterhält. Ihre Truppenstärke war zu Beginn der jüngsten Krise
durch Nachschub vom Stationierungsort Libreville (Gabun) von
1.200 auf 1.350 Mann aufgestockt worden. Die Franzosen
übernahmen auch den Truppentransport für die tschadische
Regierungsarmee, etwa nach Worten von Präsident Déby «an die
Grenze zur Zentralafrikanischen Republik, um Fliehenden
nachzusetzen».
Diese
Hilfsdienste wurden am 13. April auch durch einen Sprecher des
französischen Verteidigungsministers vor der Presse bestätigt.
Lediglich ein direktes Eingreifen der französischen Armee in
Kämpfe mit den Rebellen dementierte er, ebenso wie die zuvor in
manchen Quellen behauptete Bombardierung der Städte Adré und
Moudeina an der sudanesischen Grenze durch die französische
Luftwaffe. Dagegen spricht auch das Pariser Ministerium
offiziell von einem «Warnschuss», den ein französisches Mirage
F1-Kampfflugzeug anlässlich eines Aufklärungsflugs im Osten des
Tschad abgegeben habe. Der Sprecher wollte die Dinge allerdings
so verstanden wissen, dass der Abschuss einer
30-Millimeter-Granate nicht gegen die Rebellen gerichtet gewesen
sei, sondern «ein Signal an die kriegführenden Parteien»
dargestellt habe. Eine der beiden kriegsführenden Parteien, jene
der Rebellen, beklagte in einem Kommuniqué vom 19. April, dass
die französische Regierung jede Kontaktaufnahme mit ihnen
verweigert habe. Der Pariser Auβenminister Philippe Douste-Blazy
lieβ am selben Tag erklären, er habe “nicht vor”, die Rebellen
zu empfangen, da diese “die Macht gewaltsam übernehmen” wollten.
Auf
internationaler Ebene stützt Paris das tschadische Regime
ebenfalls. So hat Paris dem tschadischen Präsidenten dazu
geraten, die Affäre um die “ausländische Aggression” - die sich
laut N ' Djamena als Aggression durch den Nachbarstaat Sudan
darstellt - vor den UN-Sicherheitsrat sowie die Gremien der
Afrikanischen Union (AU) zu bringen. Und tatsächlich konnte, im
Zusammenspiel mit Frankreich und anderen verbündeten Regierungen
aus dem ehemaligen französischen "Hinterhof" (pré carré) in
Afrika, eine Erklärung des UN-Sicherheitsrats gegen “jeden
Versuch einer gewaltsamen Machtüberhahme" erwirkt werden, die de
facto die Legitimität des derzeitigen tschadischen Regimes
anerkennt und unterstützt.
Bereits am 15.
und 16. März dieses Jahres hatten Frankreichs Truppen im Lande
dem diktatorisch regierenden tschadischen Präsidenten das Amt
gerettet. Damals entging Idriss Déby nur knapp einem
Putschversuch, während er sich auf Staatsbesuch im afrikanischen
Ölförderland Äquatorialguinea aufhielt. Aus Angst vor
Entmachtung beschloss Déby, den Aufenthalt dort vorzeitig
abzubrechen, und kehre übereilt nach N’Djamena zurück. Dort
erwartete ihn die französische Armee am Flughafen der Hauptstadt
“seines” Landes und gewährte ihm Geleitschutz bis zu seinem
Amtssitz. Unter ihrem Schutz konnte er die Putschgelüste seiner
nationalen Truppen nochmals zügeln. Jene führenden Offiziere der
tschadischen Armee, die am Putschversuch mitgewirkt hatten und
daraufhin in die Nachbarländer Sudan und Kamerun flüchteten,
gehörten zuvor dem inner circel der Machthaber und
zusätzlich der (besonders privilegierten) eigenen Ethnie des
Präsidenten, des Zaghawa, an. Dass sie den Staatsstreich probten,
zeigt, dass die Grundlagen des Regimes auβerordentlich morsch
geworden zu sein scheinen: Die seit kurzem sprudelnden
Erdöleinnahmen haben Begehrlichkeiten geweckt, die dazu führen,
dass einige Teilhaber der Macht sich untereinander bis aufs
Messer bekämpfen. Aufgrund dieser Rivalitäten lieβ Staatschef
Idriss Déby jüngst sogar die Präsidialgarde, die
Prätorianertruppe seines Regimes, auflösen. Ihm und seinem Clan
wird vorgeworfen, zu begehrlich zu sein und den anderen Clans
und ihren räuberischen Begehrlichkeiten nicht genügend Brosamen
zu überlassen.
Eine von der
französischen, zu Afrika tätigen Solidaritätsvereinigung Survie
(Überleben) Mitte April ausgearbeitete, und zusammen mit einer
Reihe weiterer Iniativen und Bürgergruppen unterzeichnete
Erklärung prangert aus all diesen Gründen die französische
Politik gegenüber dem Tschad hart an. Ihr Dokument erschien
unter dem Titel: “Ist Frankreich reif dafür, die Demokratie im
Tschad zu akzeptieren?” Die Gruppen sprechen sich für eine
Unterstützung der zivilen und demokratischen Opposition aus.
Letztere wurde vom französischen Botschafterin N’Djamena,
Jean-Pierre Berçot, bisher mit äuβerster Arroganz und
herablassend behandelt. Er konfrontierte die
Oppositionsvertreter immer wieder mit der Frage: “Wen schlagen
Sie denn vor, wen schlagen Sie denn vor?” – gemeint ist: um ihn
an die Spitze des Regimes zu setzen. Anscheinend beschränkt sich
die Wahrnehmung der Geschehnisse im Tschad aus offizieller
Pariser Sicht auf die Frage, welchen Clan oder welche Bande man
mit der Machtausübung betraut, um die eigenen Interessen gewahrt
zu sehen – anstatt über demokratische und sonstige
Mindeststandards bekümmer zu sein.
Rivalitäten
zwischen internationalen Mächten im Hintergrund
Die Kämpfe im
Tschad geben auch die Kulissen für internationale
machtpolitische Rivalitäten ab, die durch die jetzt akut
werdende Krise zwischen dem Tschad und dem Nachbarland Sudan
das von N¹Djamena als Drahtzieher der Rebellion bezichtigt wird
verschärft werden. Dabei wählte Frankreich offenkundig das
Lager des amtierenden Präsidenten Ibriss Déby und entschloss
sich schon vorab, dessen von Kräften der tschadischen
Zivilgesellschaft bereits als «erneute Komödie und Wahlfarce»
bezeichnete Wiederwahl am 3. Mai dieses Jahres zu legitimieren.
Zuvor hatte Déby sich im Juni 2005 eine Verfassungsänderung auf
den Leib schneidern lassen, die es ihm erlaubte, entgegen den
bisherigen Regeln für eine weitere Amtszeit zu kandidieren.
Ähnlich wie
bei seine vorherigen «Wiederwahl» im Juni 1996 und im Mai 2001 ging
es dabei, gelinde ausgedrückt, nicht ganz mit rechten
demokratischen Dingen zu. Zusätzliche Wählerausweise wurden
massenweise an Déby-Anhänger und Angehörige seiner «Ethnie»
verteilt, es kam zu Stimmenkauf und zu Eintragungen ins
Wählerregister aufgrund bloβer mündlicher Versicherungen von “Zeugen”,
dass die Betroffenen nicht schon woanders eingeschrieben seien.
Unterdessen konnten sich zahlreiche Einwohner in dem Präsidenten
nicht wohl gesonnenen Regionen nicht ins Wählerregister
eintragen. Bei der Wahl von 2001 betrug die Wahlbeteiligung nach
offiziellen Angaben... 104 Prozent der eingeschriebenen Wähler
im Inland, und stolze 278 Prozent unter den im Ausland (vor
allem in Libyen, im Sudan und in Saud-Arabien) lebenden, circa
500.000 tschadischen Bürgern. - Dieses Mal, Anfang Mai 2006, hat
Déby drei Gegenkandidaten, damit es auch richtig demokratisch
aussieht. Doch es handelt sich um ehemalige Minister oder
Mitstreiter, deren Kandidatur er selbst finanziert hat und die
kaum im «Wahlkampf» auftauchen.
Idriss Déby war nach den heftigen Kämpfen, die die gesamten 80er
Jahre hindurch den Tschad erschütterten, im Dezember 1990 mit
französischer Hilfe an die Macht gekommen. Voraus ging ein
Wechsel der Allianzen: Paris hatte den seit 1982 amtierenden,
und infolge eines Militärputschs an die Macht gekommenen,
Präsidenten Hissène Habré unterstützt gegen die im Norden des
Landes stehende Libyer, die auf Idriss Déby setzten. Franzosen
und Libyer bekämpften sich damals militärisch im Tschad. Die
Libyer mussten sich zurückziehen, Paris schloss eine
Vereinbarung mit Idriss Déby und seinem Clan und lieben
ihn die Macht übernehmen.
Immerhin hatte Déby 1985 die
französische Militärakademie "Ecole de Guerre" absolviert.
Hissène Habré
lebt derzeit im senegalesischen Exil, internationale Klagen
wegen Kriegsverbrechen und Massakern sind gegen ihn anhängig.
Doch Idriss Déby erwies sich als sein «würdiger» Nachfolger in
jeglicher Hinsicht.
Sicherlich ist Paris auch froh darüber, im Kontext der
wachsenden Rivalität zwischen Frankreich und den USA auf dem
afrikanischen Kontinent durch seine aktuelle Position
scheinbar - wieder ein Stück Autorität in seinem traditionellen
«Hinterhof» zu gewinnen. Auch im Tschad macht sich dieses Ringen
um Einflusssphären bemerkbar, und während Paris eine wichtige
Stütze des Regimes bleibt, konnten vorwiegend US-Konzerne wie
ExxonMobil das Rennen machen, was die Ausbeutung der erst seit
2003 genutzten Ölquellen des Landes betrifft.
Machtkampf
zwischen Staatsmacht und Weltbank
Die
Verwendung der daraus resultierenden Öleinnahmen bildet den
Gegenstand eines Machtkampfs zwischen dem Regime von Idriss Déby
und den internationalen Finanzinstitutionen. Dabei steht auf der
einen Seite die Weltbank, als Hauptfinanzierin bei der jüngst
erfolgten Erschliebung
der neu entdeckten Ölvorräte: Sie finanzierte den Bau der über
1.000 Kilometer langen Pipeline von der tschadischen
Förderderstätte Doba in den kamerunischen Ölhafen Kribi zu 90
Prozent.
Die Weltbank
möchte die tschadische Staatsmacht darauf verpflichten, selbst
Gelder für die Armutsbekämpfung und die «künftigen Generationen»
zur Seite zu legen; dies entspricht den von Weltbankpräsident
Paul Wolfowitz definierten Ansprüchen einer good governance.
Dabei soll die Verteilung der Ölgewinne zwischen den im Tschad
operierenden westlichen Konzernen, die den Löwenanteil
einstreichen, und dem örtlichen Regime nicht angetastet werden:
Seit 2003 nahmen die am Konsortium für das tschadische Öl
beteiligten internationale Konzernen (es handelt sich um die
beiden US-Firmen ExxonMobil und Chevron sowie die malysische
Firma Petronas) 6 Milliarden Dollar im Tschad durch das
Ölgeschäft ein. Allein für Exxon handelt es sich um 4,7
Milliarden. Dagegen nahm der tschadische Staat laut Idriss Déby
in einem Interview für Le Monde in den letzten drei
Jahren nur 90 Millionen Dollar, nach Angaben des Figaro
hingegen insgesamt 307 Millionen Dollar daraus ein. Aus diesem
Geld soll der tschadische Staat nach Dafürhalten der Weltbank
die Bewältigung der Zukunftsaufgaben wie Armutsbekämpfung und
Bildung finanzieren. Hingegen haben haben die im Tschad
operierenden, internationalen Ölkonzerne ihrerseits keines ihrer
Versprechen wahrgemacht, was den Bau von Gesundheits- und
Bildungseinrichtungen betrifft; und sie profitierten von
entschädigungslosen Enteignungen und Vertreibungsaktionen, die
durch die Regimetruppen vorgenommen wurden.
Auf der
anderen Seite möchte der tschadische Präsident aber über «seine»
Öleinnahmen verfügen können, um die Armee aufzustocken und
Waffen kaufen zu können, anstatt die Gelder für die
vorschriftsmäβigen noblen Zwecke aufzuwenden. Dazu bekennt er
sich völlig offen. Im Interview mit dem Figaro bestätigt
er diese Darstellung: «Genau. Welches Land der Welt, das
Ressourcen besit zt, würde nicht Waffen kaufen, um sich zu
verteidigen? Warum sollte man dies dem Tschad verweigern? Wir
werden Waffen kaufen. In aller Transparenz», womit er das
Drängen der Verfechter einer good governance in einer
rhetorischer Wendung aufgreift. Im Interview mit Le Monde
beruft Déby sich zudem auf die Kriegskosten der USA im Irak und
die Rüstungsausgaben der EU, um zu betonen, sein Land werde
diskriminiert - die fraglichen Ausgaben für Waffenkäufe seien «niedriger
als die Summe, die die Weltbank pro Tag für ihre
Kommunikationszwecke aufwendet».
Ein Gesetz, dem das tschadische Parlament im Januar 1999
zugestimmt hatte, sah vor, dass 15 Prozent der (damals noch
zukünftigen) Öleinnahmen in einen Fonds für die kommenden
Generationen flieben
sollten. Von der übrigbleibenden Summe sollten 80 Prozent
bestimmten «prioritären» Sektoren wie dem Bildungs- und
Gesundheitswesen zukommen. Doch Ende Dezember 2005 lieb
das Parlament diesen Beschluss rückgängig machen und erlaubte
dem Regime den Griff in den «Fonds für die künftigen
Generationen». Im Januar 2006 wurden daraufhin Waffenkäufe mit
den Geldern getätigt. Die Weltbank reagierte, indem sie
tschadische Staatsguthaben einfrieren lieb.
Präsident Idriss Déby seinerseits drohte als Reaktion damit,
anderen Ländern «den Ölhahn abzudrehen», was zunächst für den
18. April angekündigt, aber zu diesem Datum nicht durchgeführt
wurde. Gegenüber Le Monde vom übernächsten Tag spricht er
sich hingegen für einen «Kompromiss» aus, «der unsere legitimen
Interessen wahrt».
Dieser Machtkampf zwischen N’Djamena und der Weltbank ist der
Hintergrund für die aktuelle Krise des Regimes, dem es an
flüssigen Geldmitteln fehlt. Idriss Déby seinerseits kann sich
bequem darauf herausreden, dass «die einzige Verantwortliche für
unsere Schwierigkeiten die Weltbank ist» (Le Monde),
welche die Guthaben eingefroren hatte. Innerhalb der
tschadischen Gesellschaft jedoch nimmt der Hass auf das Regime
offenkundig zu, das eine Anhebung des allgemeinen
Lebensstandards infolge des Beginns der Ölförderung im Land
versprochen hat und nun mit einer Verschlechterung der sozialen
Bedigungen idenfiziert wird. Von 176 Staaten steht der Tschad
derzeit auf dem 173. Platz, was den durch die UN durch mehrere
Indikatoren definierten «Index für menschliche Entwicklung»
betrifft. 80 Prozent der rund acht Millionen Einwohnerinnen und
Einwohner des Tschad muss nach wie vor mit weniger als einem
Dollar pro Tag auskommen. Und selbst in der Hauptstadt N’Djamena
gibt es kaum sanitäre Infrastrukturen wie eine Kanalisation, es
fehlt an Schulen und einer funktionierenden Straβenbeleuchtung,
und drei Viertel ihrer Hauptstadt haben keinen eigenen Zugang zu
Trinkwasser. Auβerhalb der Hauptstadt sieht es natürlich noch
weit schlimmer aus, und vor allem im Süden des Landes
terrorisiert die Soldateska von Präsident Déby die bäuerliche
Bevölkerung (wie auch die Einwohner der ärmeren Stadtbezirke von
N’Djamena selbst), nimmt am Wegelagertum auf den Überlandstraβen
teil oder verdient an ihm mit.
Zahlreiche Berichte von vor Ort sprechen davon, dass es
Sympathiebekundungen aus der Bevölkerung verschiedener
Stadtviertel von N’Djamena für die vorrückenden Rebellen gegeben
habe. Aufgrund dieser Tatsache kam es nach der Niederschlagung
des Rebellenangriffs auf die Hauptstadt auch zu Verhaftungen von
«Sympathisanten», unter ihnen auch Militärs oder der
Generalsekretärs des Landwirtschaftsministeriums, der allerdings
kurz darauf wieder freigelassen wurde. Allem Anschein nach haben
sich auch Sektoren der zivilen Opposition mit den bewaffneten
Rebellengruppen zumindest auf ein lockeres Bündnis verständigt.
Am Tag des Vorrückens der Rebellen auf N¹Djamena kündigte etwa
der ehemalige Aubenminister
Laona Gong - der zur Opposition übergelaufen ist und
inzwischen als Sprecher der heterogen zusammengesetzten “Front
für die Veränderung” (FUC) wirkt -, die bewaffneten Rebellen
wollten sich «in den nächsten Stunden mit Vertretern der
Opposition und der Zivilgesellschaft sowie Stammesältesten»
treffen, um an einem Szenario für eine «demokratische
Transition» zu basteln. Aufgrund der militärischen Entwicklung
kam es dazu jedoch nicht. Die Rebellen bilden augenscheinlich
ein höchst heterogenes, loses Bündnis aus unterschiedlichen
politischen und militärischen Gruppen.
Einmischung des
Sudan?
Noch nicht
genau geklärt ist die Rolle des Nachbarlands Sudan, das den
tschadischen Regierungsquellen zufolge unmittelbar hinter der
Rebellion stehen soll.
Das Regime in N¹Djamena behauptet, «60 Prozent
der rund 500 gefangenen Rebellen seien Sudanesen, darunter 50
Polizisten aus Khartum». Dies mag eine Verschwörungstheorie
darstellen, die über die innenpolitischen Widersprüche im Tschad
selbst hinweg täuschen soll - aber dennoch steht fest, dass das
Regime im Sudan eine Destabilisierung seines Nachbarlands im
Moment nicht ungern sähe.
Die Zusammensetzung der Bevölkerungsgruppen im Westsudan und im
Tschad, von denen die einen als «Schwarze» und die anderen als «Araber»
definiert werden was eine mindestens äuberst
vergröberende Einteilung bildet ist eine ähnliche. Mit einem
wichtigen Unterschied: Die unterlegenen Bevölkerungsgruppen in
der westsudanesischen Kriegsprovinz Darfur, die dort durch die
Djandjawid-Milizen terrorisiert werden, sind eng mit den
Bevölkerungsgruppen verwandt, die im Tschad an der Macht sind.
Umgekehrt werden im Tschad die «arabischen» Bevölkerungsgruppen
drangsaliert, von denen einige Angehörige sich im Nachbarland
für die Djandjawid rekrutieren lassen. Hintergrund der
ethnisierten Konflikte ist in beiden Fällen die Verarmung der
Bevölkerung, ihr zahlenmäβiges Anwachsen und das Vorrücken der
Wüste bzw. der Dürrezonen. Letztere sorgt dafür, dass der alte
soziale Interessengegensatz zwischen fest ansässigen Ackerbauern
und umher ziehenden Viehzüchtern mit neuer Gewalt aufbricht:
Während die Viehzüchter den Zugang zu den vorhandenen (und
knapper werdenden) Wasserquellen anstreben, wollen die Bauern
vor allem ihre Anbauflächen und deren Bewässerung schützen. In
früheren Zeiten konnten immer wieder Arrangements zwischen
beiden Gruppen zur Lösung solcher Konflikte gefunden werden.
Aber die ökonomische, soziale und ökologische Situation
verschärft diese Widersprüche, die nunmehr auf “ethnisierte”
Weise ausgetragen werden: Die Bauern werden in beiden Ländern,
im Tschad und im Sudan, als “schwarzafrikanische” Bevölkerungen
betrachtet - die Viehzüchter, die ursprünglich aus weiter
nördlich gelegenen Landesteilen stammen, dagegen als “arabische”,
obwohl nur eine Minderheit unter ihnen Arabisch als
Muttersprache spricht.
Präsident Idriss Déby versuchte, im Konflikt im benachbarten
Sudan zunächst halbwegs neutral zu bleiben. Doch wurde ihm dies
innerhalb seiner «Ethnie», de Zaghawa, und auch in der eigenen
Familie - ein leiblicher Bruder des Präsidenten führte vor dem
Hintergrund einen Putschversuch gegen ihn an - als Verrat an
den “ethnischen Brüdern” vorgeworfen. Ab 2004 wurde die
tschadische Regierung zwangsläufig immer tiefer in die
ethnisierte Frontstellung hinein gezogen.
Auf die
jüngste Krise im Inneren des Landes reagierte das tschadische
Regime, indem es ab dem 14. April sämtliche diplomatischen
Beziehungen zum Sudan abbrach, der von Auβenminister Ahmat
Allami sofort als Aggressor beschuldigt worden war. Ebenso hat
die verbündete Regierung im Nachbarland Zentralafrikanische
Republik (ZAR) ihre Grenzen zum Sudan inzwischen geschlossen.
Aber auch aus
den Darfur-Friedensgesprächen im nigerianischen Abuja, wo dem
Tschad anfänglich eine Vermittlerrolle hatte einnehmen wollen,
zog das Land sich vollständig zurück. Ferner droht das Regime in
N’Djamena jetzt damit, die 200.000 aus dem sudanesischen Darfur
stammenden Kriegsflüchte im Tschad auszuweisen auch wenn dies
weniger den Machthabern in Khartum als den Opfern des
sudanesischen Krieges schaden würde. Eine weitere Eskalation im
zwischenstaatlichen Verhältnis ist nicht ausgeschlossen, auch
wenn der Rebellenangriff vorläufig zurückgeschlagen scheint.
Dadurch könnte freilich die gesamte Region im Zentrum Afrikas in
Mitleidenschaft gezogen werden.
Scheitern
der Friedensgespräche für Darfur
Am 30. April
wurde dann auch just bekannt, dass die Friedensgepräche unter
der für die westsudanesische Provinz Darfur als gescheitert zu
betrachtet seien. Diese wurden seit zwei Jahren unter der
Schirmherrschaft der Afrikanischen Union (AU) in Abuja geführt,
der neuen adminstrativen Hauptstadt Nigerias, die in Bau
genommen wurde, um die riesige Wirtschaftsmetropole Lagos zu
entlasten. Ursprünglich hätten diese Gespräche, so war es
jedenfalls geplant, bis zum 30. April dieses Jahres zum
Abschluss kommen sollen. Nunmehr stehen die Verhandler vorläufig
vor einem Scherbenhaufen.
Eine Einigung
scheiterte daran, dass beide Rebellenbewegungen, die im
Westsudan aktiv sind – die “Befreiungsbewegung/-armee des Sudan”
sowie die islamistisch angehauchte “Bewegung für Gerechtigkeit
und Gleichheit” (JEM) – eine Unterschrift unter den Entwurf für
ein Friedensabkommen, den die AU-Verhandlungsführer am 23. April
vorgelegt hatten, verweigerten. Dies erklärten ihre Sprecher,
Saisaledin Harun (Befreiungsbewegung/armee) und Ahmed Hussain (JEM),
am Sonntag. In dem Abkommensentwurf wird den Rebellen, neben
einigen Sicherheitsgarantieren für die Bevölkerung in Darfur und
namentlich dem Versprechen einer Entwaffnung der mit dem Regime
verbündeten Djandjawid-Milizen, auch der Posten eines “Beraters
des Präsidenten” angeboten. Dieser Posten wäre aber nur der
vierte in der Rangfolge der staatlichen Hierarchie des Landes
gewesen, während die Rebellenbewegungen das Amt eines
Vizepräsidenten – auf dem zweiten Rang in der offiziellen
Hierarchie – forderten. Eine Einigung blieb aus. Die
Unterhändler der Afrikanischen Union dagegen erklärten, es komme
nicht in Betracht, Änderungen an ihrem Dokument vorzunehmen;
ihre Verhandlungsstrategie bleibe auch über das nunmehr
geplatzte Stichdatum 30. April hinaus bestehen.
Die Rebellen
hatten sich das Abkommen vom 20. Juli 2002 zum Vorbild genommen,
das damals zwischen dem sich islamistisch legitimierenden
Militärregime in Sudans Hauptstadt Khartum und der christlichen
Rebellenbewegung “Befreiungsarmee der Völker des Sudan” unter
ihrem Chef John Garang geschlossen worden war. Dieses
Friedensabkommen, das eine Teilung der Einkommen aus den im
Süden des Landes lagernden Ölreichtümern sowie eine Teilhabe der
ehemaligen Rebellen an wichtigen Posten und Funktionen im Staat
vorsah, bildete den Abschluss eines mehrere Jahrzehnte hindurch
währenden Bürgerkriegs. Bereits 1955, ein Jahr vor der
Unabhängigkeit des Sudan von Groβbritannien, hatte der
Bürgerkrieg im Süden begonnen: Die britische Kolonialmacht
wollte damals Beamte aus dem moslemischen Landesnorden überall
im christlichen Süden ein- und durchsetzen. Denn in London war
man damals zu der Auffassung gelangt, man müsse strategisch auf
eine “arabische” und moslemische Elite in der Nordhälfte des
Sudan setzen, um das Land auch über die Unabhängigkeit hinaus
zusammenzuhalten – der Sudan war durch eine Grenzziehung durch
die britische Kolonialmacht entstanden und aus sehr heterogenen
Bevölkerungsgruppen zusammengesetzt. Daraufhin trat der
christliche Süden in die Rebellion ein, die langjährig am
Schwelen blieb. Infolge von gröβeren Massakern durch das Regime
flammte dann 1983 der offene Bürgerkrieg auf. Beide Seiten
machten darin durch eine gewisse Grausamkeit auf sich aufmerksam,
die christliche “Befreiungsarmee” etwa zeichnete sich durch das
Rekrutieren von Kindersoldaten aus. Hunderttausende Menschen
starben.
Doch die
Situation in der westsudanesischen Krisenprovinz Darfur, wo der
Konflikt seit 2003 (je nach Angaben) zwischen 180.000 und
300.000 Tote gefordert und zwei Millionen Menschen aus ihren
Dörfern vertrieben hat, dürfte mit dem nunmehr beendeten im
Südsudan nur schwer vergleichbar sein. Denn es war erheblicher
internationaler Druck, der die Konfliktparteien im Südsudan
hatte zum Einlenken bewegen können. Im umkämpften Süden des
Landes befanden sich auch die Ölfelder, die nunmehr seit 1999
ausgebeutet werden. In einer ersten Phase benutzte das Regime
seine Kriegsführung gegen die Rebellen im Süden des Landes, um
den Druck auf die lokalen Bevölkerungen zu erhöhen und dadurch
den Interessen der Ölförderung zu dienen. So schrieb ein
offizieller kanadischer Untersuchungsbericht zu Anfang dieses
Jahrzehnts, dass “man kaum bestreiten (könne), dass der
erzwungene Exodus der lokalen Bevölkerung (im Bezirk Ruweng)
durch die Erdölförderung ursächlich bedingt wurde”. Oder in der
Region von Pariang wurde damals eine streifenförmige Zone von
100 Kilometer rund um die Erdöllagerstatten von ihren sämtlichen
Einwohnern gesäubert. Doch auf die Dauer war es den
international operierenden Erdölkonzernen nicht wohl mit dieser
Situation - mutmaβlich nicht hauptsächlich aufgrund befürchteter
Imageschäden (British Petroleum, BP, trat damals im Sudan noch
versteckt hinter einer chinesischen Tochterfirma auf), sondern
vor allem auch aufgrund der negativen Auswirkungen der
“Instabilität” auf den Abtransport des neu gegründeten Erdöls.
Damals war eine Ölpipeline von 1.610 Kilometern Länge in Betrieb
genommen worden, die von den Erdölfeldern in der Region Abyei
zum Raffinierie- und Hafenstandort Beshair am Roten Meer führte.
Der Bau dieser Pipeline kostete rund eine Milliarde US-Dollar.
Die Befürchtung, aufgrund des tobenden Bürgerkriegs oder durch
Angriffe der Rebellen auf die Öltransportlinie Schäden und
immense Kosten zu verzeichnen, überwog deshalb gegenüber den “Diensten”,
die das autoritäre Regime des Sudan hätte anbieten können.
In diesem
Kontext näherte sich die US-Administration an das Regime unter
dem General Omar Hassan Al-Baschir an, der sich 1989 in Khartum
an die Macht geputscht hatte und einige Jahre lang mit der
islamistischen Strömung unter dem vorübergehend als Chefideologe
des Regimes wirkenden (doch später unter Hausarrest gestellten)
Hassan al-Turabi kooperierte. Noch kurz zuvor war das Regime als
Unterstützerin des internationalen Terrorismus gehandelt worden,
auch nachdem es Ussama Bin Laden infolge der 1998 durch US-Präsident
Clinton angeordneten Bombardierung einer pharmazeutischen Fabrik
im Sudan auβer Landes gewiesen hatte – Bin Laden war daraufhin
nach Afghanistan gegangen. Seit 1996 waren internationale
Wirtschaftssanktionen über den Sudan verhängt worden. Doch im
Mai 2001 hatte der damalige US-Auβenminister Colin Powell
anlässlich einer Afrikareise die Aufnahme einer “humanitären
Hilfe” für den Sudan angekündigt, und am 06. September 2001
wurde in Washington ein ehemaliger US-Senator zum
Sonderbeauftragter für den Sudan ernannt, der zwischen den
Bürgerkriegsparteien in dem ostafrikanischen Land vermitteln
solle. Bis dahin hatten die USA und Groβbritannien die
christlichen Rebellen im Südsudan unterstützt und wohl auch
bewaffnet (was seitens der US-Administration auch als Geste an
die schwarzen Wähler im eigenen Land präsentiert wurde), während
Frankreich zur wichtigen Stütze für das Regime im Nordsudan
avanciert war. Doch dann kam der groβe Kurswechsel der US-Auβenpolitik,
und das Regime in Khartum seinerseits verstand es glänzend, sich
in der neuen internationalen Situation nach den Attentaten vom
11. September zu positionieren und sich der neuen
internationalen Hauptfeinddefinition der US-Auβenpolitik
anzupassen. Das Regime von Khartum suchte sich, ähnlich wie die
Regierungen in Algier und anderwo, als guter, gelehriger Schüler
im antiterroristischen Kampfs zu profilieren und lud die US-amerikanischen
Staatsorgane CIA und FBI sogar dazu ein, vor Ort auf
sudanesischem Boden tätig zu werden und Ermittlungen
durchzuführen. Am 28. September 2001 hob dann der UN-Sicherheitsrat
die Sanktionen gegen den Sudan auf, unter tatkräftiger Mithilfe
der USA und ebenso aktiver Mitwirkung Frankreichs, das zu dem
Zeitpunkt den Vorsitz im Rat inne hatte.
Dies alles
bildete den Hintergrund für das, unter massivem internationalem
Druck zustande gekommene, Friedensabkommen für den Südsudan. Es
ist alles andere als gesichert, dass sich diese Konstellation
auf die überwiegend agrarisch geprägte Westprovinz Darfur
übertragen lässt. Im Moment dürfte zumindest der politische
Preis, den die sudanesischen Machthaber für einen
Waffenstillstand mit den Rebellenbewegungen im Darfur zu
bezahlen bereit sind, bei weitem nicht so hoch sein wie damals
gegenüber den südsudanesischen christlichen Rebellen. Abzuwarten
bleibt, ob die momentane Eskalation in den Beziehungen zum
Nachbarland Tschad das Auftreten des sudanesischen Regimes
gegenüber der Krisenprovinz eher abschwächt oder, im Gegenteil,
eher radikalisiert.
Schaden für
die französische Afrikapolitik, Neuverteilung der Karten unter
den Global players?
Die Machthaber
in Khartum ihrerseits sähen eine Schwächung ihrer Amtskollegen
in der tschadischen Hauptstadt N’Djamena im Moment durchaus
gerne, da sie sich davon eine Schwächung der (militärischen oder
Verhandlungs-)Position der dortigen Rebellen erhoffen.
Angesichts des jüngsten Scheiterns der Friedensgespräche über
die Darfur-Provinz dürfte dies eher für eine weitere Eskalation
im zwischenstaatlichen Verhältnis sprechen, als dass die neue
Situation eine Deseskalation auf dieser Ebene implizieren würde.
Hinzu kommt,
dass der Sudan von einem dritten Global Player (neben
Frankreich und den USA) unterstützt wird, der in der Region
gewisse Ansprüche anmeldet. China hätte es nach einer Analyse
des Figaro gerne, wenn der Sudan seinen Einfluss im
Tschad und in Zentralafrika vergröbern
könnte. Das Öl aus der Region könnte dann bevorzugt über den
sudanesischen Hafen Port Sudan in Richtung Ostasien abflieben,
statt über die Tschad-Kamerun-Pipeline und den kamerunischen
Ölhafen Kibri am Atlantik in Richtung Westen transportiert zu
werden.
Aber auch die USA
sehen es möglicherweise nicht gar so ungern, wenn die
zwischenstaatlichen Widersprüche zwischen den beiden
Nachbarländern Sudan und Tschad sich verschärfen. Hatten doch
beide bisher beide Länder zur post- oder neo-kolonialen
französischen Einflusssphäre gehört, solange jedenfalls die
politischen Widersprüche und Spannungen zwischen beiden
Nachbarstaaten nicht unüberbrückbar zu werden schienen.
Vor der
Kehrtwendung in der US-Auβenpolitik zu Anfang dieses Jahrzehnts
hatte Paris den westlichen Hauptverbündeten des sudanesischen
Regimes in Khartum gebildet. Auch während das ostafrikanische
Land auf internationaler Ebene einer pro-terroristischen
Position gezichtigt wurde, konnte der damalige französische
Innenminister Charles Pasqua 1994 mit Khartum die überraschende
Verhaftung und Auslieferung des in den Sudan geflüchteten
internationalen Topterroristen “Carlos” (alias Illich Ramirez
Sanchez) aushandeln. Der französische Auslandsgeheimdienst CST
konnte den bewaffneten Kämpfer, der sich für einen
Weltrevolutionär hielt und de facto Söldnerdienste für mehrere
autoritäre Regime im Nahen und Mittleren Osten verrichtet hatte,
im August 1994 in Khartum in ihren Gewahrsam nehmen. Im Gegenzug
gab es Waffen und Militärberater für den Sudan. Das damalige (inzwischen
eingegangene) linksliberale Wochenmagazin “L’événement du jeudi”
hatte am 25. August desselben Jahres bereits detailliert die
Listen der französischen Waffenlieferungen an den Sudan enthüllt.
Und die auf ‘Dritte-Welt’-Themen spezialisierte, in Paris
erscheinende Zeitschrift “Afrique – Asie” schrieb im September
1994 ihrerseits: “Dank der Pariser Intervention bereitet die (sudanesische)
Regierung sich darauf vor, eine Groβoffensive gegen die Rebellen
des Südsudan vom benachbarten Zaire aus zu lancieren.”
Schon seit damals
hat auch Frankreich massive wirtschaftliche Interessen im Sudan:
Der französische Ölkonzern Total besitzt ein Konzessionsgebiet
im Südsudan, dessen Fläche allein so groβ ist wie ein Viertel
des französischen Staatsterritoriums. Der Automobilkonzern
Renault erwarb ein Quasi-Monopolrecht auf die Lieferung von
Überlandbussen. Deshalb hat Frankreich auch politisch lange Zeit,
noch vor den USA und auch nach deren Kehrtwende in der
Sudanpolitik im Jahr 2001, dem Militärregime in Khartum
Unterstützung zukommen lassen. Im August 2004 startete die im
östlichen Tschad stationierte französische Armee eine
“humanitäre Operation” an der tschadisch-sudanesischen Grenze,
die eine notdürftige Versorgung der im Westsudan lebenden
Flüchtlinge aus Dörfern im Darfur zum Gegenstand hatte – in
Wirklichkeit aber vor allem auch darauf abzielte, dass die
Rebellenbewegung des Darfur nicht mehr über die Grenze hinweg
operieren konnten. Es ging ferner auch darum, ein Übergreifen
der Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen auf den Tschad selbst,
wo dieselben “ethnischen” Gruppen in unterschiedlicher
Zusammensetzung wohnen, zu verhindren. Paris konnte sich so
gleichzeitig als “Stabilisierungsmacht” für das Regime des
Tschad und jenes im benachbarten Sudan profilieren.
Sollten die
Spannungen zwischen dem Sudan und dem Tschad und die Versuche
ihrer Regimes, wechselseitig die Rebellion im jeweils
benachbarten Land zu unterstützen und zu eigenen Zwecken zu
instrumentalisieren (oder auch die darob lautenden Vorwürfe,
selbst falls sie unbegründet sein sollten), zunehmen, fällt
Frankreich diese Rolle aber künftig immer schwieriger. Dann wird
die französische Auβenpolitik einen Spagat durchführen müssen,
der ihr immer schwerer fallen wird. In Peking und wohl auch in
Washington dürfte man dabei zufrieden zugucken. Sofern nicht in
absehbarer Zeit Washinghton selbst in die unkomfortable Lage
kommt, selbst einen solchen Spagat zwischen Khartum und
N’Djamena durchführen zu müssen, da US-Konzerne ja im Tschad
führend an der Ölförderung beteiligt sind und die Regierung sich
zugleich politisch an die sudanesische Regierung angenähert hat.
Allerdings scheint die US-Administration im Moment zu
signalisieren, dass sie auf politischer Ebene vom tschadischen
Regime eher abrückt oder es zumindest in der jüngst
aufgebrochenen Krise nicht so vorbehaltlos unterstützt, wie
Paris dies tat. Der stellvertretender US-Auβenminister Robert
Zoellick (ehemaliger Chefunterhändler der USA bei der WTO)
erklärte am Tag der Kämpfe zwischen Regierungstruppen und
Rebellen in N’Djamena, seine Regierung trete für einen “anders
gearteten politischen Prozess” ein. Und sie “bedauere”, dass
kein “zufrieden stellendes politisches Arrangement” zwischen dem
tschadischen Regime und der Opposition gefunden worden sein.
Insofern bleibt Paris zumindest der Trost, politisch – aber
nicht unbedingt wirtschaftlich – im Tschad noch die Nase vorn zu
haben. Stimmt dieser Eindruck, dürfte die französische
Wirtschaft dann aber im Sudan absehbar an Terrain verlieren.
Editorische Anmerkungen
Den Artikel
erhielten wir am 30.4.2006 vom Autor.
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