Heute ist Tag 66 im CNH-Streik.
Das ist Grund genug über die Geschichte der Firma und die
Ereignisse der letzten Wochen zu berichten.
Benno Orenstein und Arthur Koppel gruendeten am 1. April 1876
die "Orenstein & Koppel OHG". Ein Unternehmen das "deutsche"
Industriegeschichte schrieb, besonders im Krieg. Nach den
Kriegsjahren wurden in Spandauer Orenstein und Koppel Werk
Eisenbahnzüge (Rheingold, Persischer Staatszug usw),
Rolltreppen, Bagger und Grader hergestellt.
Zwischen 1963 und 67 versuchten Anarchisten eine
antiautoritaere Stroemung im Betrieb zu etablieren. Unter
den damals über 2.500 Arbeiter_Innen waren die meisten, die ca
40 Jahre alt waren in der Wehrmacht gewesen und waren diesen
Versuchen total feindlich gesinnt. Es wurden letztlich alle
Antiautoritaeren entlassen. Einige noch lebende Kollegen aus der
Zeit sind ehemalige 68er-Linke. Heute sind Kollegen aus den
60ern kaum noch im Betrieb vorhanden und aus 2500 ArbeiterInnen
sind 500 geworden. Die meisten sind so 25 bis 30 Jahre im
Betrieb. Eisenbahnzuege und Rolltreppen werden nun nicht mehr in
Spandau produziert und O&K (Orenstein & Koppel) wurde an die
FIAT-Tochter Case New Holland verkauft, die wiederum das Werk
schliesst. So sind wir nun schon bei Tag 66 des Streiks und es
scheint kein Ende zu nehmen.
Es wurde ja schon einiges über den Streik berichtet. Ich will
einiges ueber die letzten Aktionen schreiben...
Am besten setzen wir bei der Transparent-Aktion am Reichstag
ein, wo ein über 1,2 km langes Transparent um den Platz der
Republik gespannt wurde. Es wird behauptet das es das längste
Transparent ist was Berlin je gesehen hat. Auch wurde schon von
dem türkischen Fest berichtet was es dann gab. Das ist
mittlerweile schon wieder 2 einhalb Wochen her. CNHler ließen es
sich selbstverstaendlich auch nicht nehmen auf Einladung hin im
Berliner Ensemble vorbeizukucken und sich mit einem Transparent
vor Brechts "Die Mutter" fotografieren lassen, wo draufsteht: "CNH
Streikende singen seit dem 21.2. Das Lied vom Ausweg: Wenn für
dich keine Arbeit zu finden ist DA mußt du dich doch wehren!"
Jaja, einiges hat sich seit dem 21.2.2006 geändert.
Damals waren es Minus-Grade und die Feuertonnen und Holz waren
unabdingbar zum fuehren des Streiks. Es war glatt, eisig und
sehr oft unter Minus 10 Grad Celsius. Es war oft weiß und kalt,
ein Hund bellte immer vor Kaelte. Auf dem Weg zum Streikzelt ist
mensch fast immer einen Kaelte-Tod gestorben.
Nun sind es Plus-Grade in der Nacht (+13 Grad Celsius) und trotz
anhaltenden Regen friert mensch nicht. Alles erblüht und
ueberall ist grüner Rasen. Es quacken die Froesche in dem
Feuerwehrteich auf dem Betriebsgelaende.
Neulich sollen gar munkelnderweise Wildschweine im
Feuerwehrteich aufm bestreikten Betriebsgelaende gebadet haben.
Haben diese Schweine damit Streik gebrochen? Andere haben das
auf Jeden Fall!
Ganze Volkscharen von Politiker haben ja schon mittlerweile das
Streikzelt waehrend der Streikversammlung besucht.
Bei der gesamten Politikerkaste gehört es schon zum guten Ton
mal "vorbeizuschauen". Doch dazu sagen die Kollegen einfach: So
ein Quatsch. Was hat denn das bisher gebracht. Da kommen sie
alle hier her labern uns voll und hauen wieder ab. Aber getan
haben sie bisher nichts fuer uns!
So war zum Beispiel am 51. Streiktag der Fraktionsvorsitzende
der Linkspartei ausm Bundestag da: Gregor Gysi.
Wahrscheinlich aus Angst vor antisemitischen
Uebergriffen oder so etwas waren da sehr viele Bodyguards
unterwegs. "Worunter eine Belegschaft
leidet, sind Fehler, die das Management macht." wusste er zu
erzaehlen. Er meinte auch das die Chefs vor Ort keine
"Entscheidungskompetenz" mehr haben. "Der Staat betreibt
Ausverkauf und stellt sich dann vor die Arbeitslosen, Kranken
und Rentner hin und sagt, es sei kein Geld mehr da. So machen
wir unsere soziale Demokratie kaputt!" Er kritisierte
Steuererleichterung für Reiche, niedrige Loehne und die
Aufhebung des Kündigungsschutzes... dem will er nicht den
Kommunismus gegenueberstellen (Wie ihm oft vorgeworfen oder
unterstellt wird), sondern eine soziale und integrative Politik.
Naja Phrasen kann ja jeder dreschen. Er unterstützt die
Mindestlohnkampagne des DGB und meinte der KAmpf gegen die
Aufhebung des Kündigungsschutzes in Frankreich und der
Europaweite Protest gegen Bolkestein seien beispielhaft...
Auch Gesine Lötsch, seine Stellvertreterin
in derselben Fraktion kam mal vorbei...
Am 53. Streiktag, war ein Betriebsrat von Iveco beim Streik und
meinte das man sich gegenseitig im Kampf gegen FIAT unterstützen
müsse um den Konzern, dessen Chef Sergio Marchionne ist,
"flächendeckend" anzugreifen.
Am 15. April, dem Ostersonntag war dann auch um 11 Uhr ein
großes Bürgerfest aufm Spandauer Markt den die CNHler Kollegen
ausgerichtet hatten: "Ein kleines Dankeschön für eure
Unterstützung!" wollten sie den Spandauer_Innen signalisieren.
Es war sehr sonniges Wetter und es trat die Rockband "Mercedes
and the Kit-Kat-Club" auf.
Der Streikleiter Luis Sergio berichtete dort von einem
Schreiben, das die Geschäftsleitung an die Streikende
Belegschaft verschickt hatte. darin werde mit arbeitsrechtlichen
Maßnahmen bis hin zu fristloser Kündigung gedroht. Das sei
einfach nur eine psychologische Vorbereitung für einen Versuch
die Maschinen abzutransportieren, meinte er. Es gab eine
besondere Show-Einlage. Kollegen zertrümmerten nämlich mit
Vorschlaghämmern einen FIAT.
Um 18:00 Uhr fand dann das Osterfeuer am Haupttor bei CNH statt.
Am 58. Streiktag lief einiges nicht im Interesse der
Werksleitung. Es wurden Betriebsratswahlen gemacht. 70
Kolleg_Innen wollten durch das Haupttor zur Kantine um ihre
Stimme abzugeben. Dann sollten plÃözlich alle über das
Feuerwehrtor gehen. Angeblich hätten sich dann nach der
Abstimmung Kollegen aufm Betriebsgelände verlaufen (was
passieren kann, wenn solange gestreikt wird) und die Security
hatte diese Situation nicht mehr unter Kontrolle. Gleichzeitig
kamen immerwieder Wähler_Innen nach. Nun wurde wieder auf das
Haupttor umdisponiert. Dann fiel den Chefs noch schnell ein, daß
sie Zugänge zuschließen müssten. Die Kolleg_Innen freuten sich
nach langer Abwesenheit mal wieder ihren Arbeitsplatz gesehen zu
haben.
Ausserdem wurde den Chefs der Spiegel vorgehalten. Die Einfahrt
wurde mit den Ostersonntag schon erwähnten Schreiben gepflastert
und die KollegInnen setzten sich die Masken (Gesichter der
Chefs) auf. Es ist schon komisch, wenn dutzende Leute mit dem
eigenen Gesicht da rum stehen.
Ausserdem demonstrieren auch schon Fußballer, wie die des NSC
Marathon 02 für den Erhalt der Arbeitsplätze von CNH....
In der "CNH-Streikzeitung" Nummer 38 vom 24. April 2006 wird
geschrieben:
"Nachdem auch die IG-Metall-Bezirksleitung einen ...-Brief [vom
CNH-Betriebs-Chef] erhielt, in dem sie aufgefordert wird,
700.000 Euro Vertragsstrafe zu zahlen, hat die
CNH-Geschäftsleitung nun Höchstsätze an Ordnungsgeldern oder
Ordnungshaft beim Arbeitsgericht beantragt..." und weiter
"...[des Chefs] Doppelzüngigkeit ist offenkundig: Einerseits
wird die Betriebsratswahl gesetzeswidrig behindert, auf der
anderen Seite Gericht und Polizei gerufen, wenn es um die
Durchsetzung der eigenen Interessen geht. Das sind
Klassenkampf-Methoden wie aus dem 19. Jahrhundert."
Das nahm dann der Streikleiter zum Anlass im Knast-Look bei der
Streikversammlung aufzutreten.
Nach dem KollegInnen schon am Berliner Ensemble eingeladen
wurden, hatte diesmal das Grips-Theater Kollegen gebeten mal
vorbeizuschauen und es gingen CNH-Kollegen nun zum Grips-Theater
am Hansa-Platz um sich dort "Eine ganz linke Geschichte!"
anzukucken.
Kollegen erzählten mir auch von tollen Auftritten von Rolf
Becker beim Streik.
Ausserdem gab es laut IG Metall einen Bestechungsversuch vom
Chef gegenüber dem Sieger der Betriebsratswahlen. Er bot ihm an,
für die Herausgabe je eines Graders zahle CNH je zwei Familien
zwei Wochen Urlaub in Ungarn (am Balaton?). Ein Kollege soll
gerufen haben "Wir sind doch keine kriechenden Kröten" und die
streikende Belegschaft soll verlautbart haben, das sie lieber
nach Paris zur Baumaschinenmesse INTERMAT fährt.
Nun kam sogar Heinz Stehr der Vorsitzende der DKP (Deutsche
Kommunistische Partei) zum Streik vorbei. Die
"antikommunistische" deutsche Bundesbahn verhinderte jedoch das
er vor den streikenden Massen seine Reden halten konnte und so
kam er mit in "den Streikleiterkontainer".
Nun haben sich am Samstag den 22. April 2006 die Tarifparteien
in der Branche Metall in NRW geeinigt, und andere haben den
Abschluß übernommen, womit der Branchenweite IG Metall-Streik
abgewendet wurde!
Aber wenn in der Branche Metall nicht gestreikt wird, so wird
doch bei CNH in Berlin Spandau gestreikt.
So auch am 64. Streiktag. Am 25. April tauchten ca 30
Kolleg_Innen auf der INTERMAT, der Internationalen
Baumaschinenmesse in Paris auf. Sie hatten Postkarten mit einem
Informationstext auf Französisch dabei. Die Security haben aber
sehr gelassen reagiert und es gab Beifall der Messebesucher für
die Aktion und eine sehr große Zustimmung. Es wurden
Transparente auf italienisch hochgehalten und die (große
kommunistische Tageszeitung) "l´humanité"
und die (ehemals syndikalistische) CGT, ebenfalls kommunistisch,
machten auch Öffentlichkeitsarbeit. Die Bosse sollen sich
richtig geärgert haben, zumal sie keine "krassen" Maschinen
vorzuweisen hatten. Die stehen nämlich noch in Spandau.
Die Bosse hatten ja versucht mit dem Linsengericht von
Balatonreisen die Streikenden dazu zu bewegen die Bagger und
Grader rauszurücken. Nun wurde am 65. Streiktag der Balaton zum
Haupttor geholt. Sand, Planschbecken, Liegestühle unter
Sonnenschirmen, Federballspielende Kollegen zeigten, dass sie
sich nicht einlullen lassen.
Ausserdem schauten ukrainische und Weißrussische Kollegen mal
vorbei.
Mittlerweile ist der Ökonomische Druck auf CNH so groß, daß sie
sich angeblich... aber aber ein Streik tut nunmal dem Kapital
weh!
Der 1.Mai ist der Kampftag der Arbeiterklasse!
"Berlin-Paris-Turin unser Kampf ist international" titelte die
CNH-Streikzeitung nr39. Am 1.Mai werden CNHler von italienischen
Gewerkschaftern in Turin empfangen, so dieselbe Streikzeitung.
Aber auch in Berlin wird CNH das Hauptthema des diesjährigen 1.
Mai sein! Dafür probt sogar schon ein eigens dafür aufgestelltes
CNH-Streikorchester.
In den letzten Tagen schauten BMW- und FIAT-Betriebsräte vorbei.
Tun die PolitikerInnen jetzt wirklich etwas für die Streikenden?
Aus Streikleiter-Kreisen heisst es dazu,
dass Gysi sich mit dem Italienischen
Botschafter getroffen hätte. Andrea Nahles hat den Leiter des
Hauptstadtstudios des ZDF höchstpersönlich darum gebeten mehr
über den CNH-Streik zu senden. Monika Wulf-Mathies ehemals
Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentliche Transporte und Verkehr
(xTV) und auch ehemalige EU-Kommissarin hat den neuen
italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi darum gebeten das
er auf den FIAT Konzern Einfluß nimmt um eine Schließung in
Berlin zu verhindern.
Und schon haben wir heute den 66. Streiktag und am 70. Streiktag
da ist der Erste Mai!
Editorische Anmerkungen
Der Artikel
erschien
bei Indymedia am - 27.04.2006
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