Die politischen Arme Gottes - Die göttlichen Arme der Nation
Die Parteien des fundamentalistischen Christentums in Deutschland

a radical theory [art.e] und chaze
05/05

trend onlinezeitung
Die Teilnahme von christlichen Fundamentalisten und Fundamentalistinnen am parlamentarischem System der Bundesrepublik Deutschland beschränkt sich zumeist auf Gebete für die jeweiligen Regierenden und den Wunsch, dass Gott ihnen genügend Weisheit und Standfestigkeit zur Lösung der jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Probleme zukommen lassen möge. Ausnahmen bieten einige Themen, wie der Kampf gegen Schwangerschaftsabbrüche, die biblisch inspirierte Israelsolidarität oder der rassistisch motivierte Antiislamismus. Hierzu arbeiten einige Initiativen, teilweise erschreckend kontinuierlich. Daneben allerdings existieren zur Zeit auch drei Parteien, welchem diesem Spektrum zugeordnet werden können, die Christliche Mitte [CM], die Partei Bibeltreuer Christen [PBC] und die Deutsche Zentrumspartei [Zentrum].

Diese Parteien treten zu unterschiedlichen Wahlen an und verfolgen allesamt das Ziel, durch Abgeordnete in Kommunal-, Landes-, Bundes- und Europarlamenten die deutsche und europäische Politik und Gesellschaft an einem rigiden Moralkanon auszurichten. Sie alle analysieren einen angeblichen moralischen Verfall und eine Abkehr von christlichen Geboten als grundlegende Ursache für alle Probleme, welche ihrer Meinung nach in dieser Gesellschaft zu finden seien.

Erfolge können sie dabei kaum verzeichnen. Ihre Wahlergebnisse bewegen sich unter 1,0%, die Anzahl der für sie abgegebenen Stimmen beläuft sich bei kleineren Wahlen auf einige hundert oder tausend, bei Bundes- und Europawahlen auf wenige zehntausend. Doch sollte nicht vergessen werden, dass sie in einigen Gebieten eine rege Parteitätigkeit entfalten, dass sie es geschafft haben funktionierende Verbände und Strukturen aufzubauen und dass gerade religiöse Bewegungen sehr schnell eine gefährliche Eigendynamik entwickeln können. Die Wahrnehmungen und Entscheidungen der fundamentalistischen Christinnen und Christen sind von irrationalen Grundsätzen geprägt, erwartet wird oft ein messianische Erscheinung oder Anzeichen einer religiösen Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse, Gott und Teufel in die es auf die eine oder andere Weise einzugreifen gälte. Es ist nicht vorherzusagen, wann der Glaube sich unter ihnen durchsetzt, dass es an der Zeit sei - auch politisch - aktiv zu werden, es ist ebenso nicht klar, an welche Ereignisse sich dieser Glaube binden könnte. Auszuschließen ist solche Entwicklung allerdings nie.

Zudem gibt es auch für die drei genannten Parteien Hochburgen, in denen sie sich lokal verankert haben und zumindest das Zentrum und die PBC stellen in einigen Gemeinden parlamentarische Vertreterinnen und Vertreter. Sollte es ihnen gelingen, solche lokalen Basen zu erweiten, könnten sie sich damit eine relativ stabile Basis für die Propagierung ihrer Ideale schaffen.

Deshalb soll im Folgenden ein Blick geworfen werden auf die in den Parteiprogrammen niedergelegten Ziele und Denkmuster von CM, PBC und Zentrum. 

Christliche Mitte

Die Christliche Mitte ist die kleinste und unbedeutenste der drei zu besprechenden Parteien. Aktiv ist sie fast nur im eigenem Klientel, ihre Schriften sind zumeist unaktuell und ihre Analysen beschränken sich auf das Wiederholen und Verbreiten von Vorurteilen. Während andere christlich fundamentalistische Gruppen die gesellschaftlichen Entwicklungen und Konflikte immerhin wahrnehmen und versuchen auf Grundlage ihrer Überzeugungen zu interpretieren, ist bei der CM die Herkunft der Aktivistinnen und Aktivsten aus dörflichen und kleinstädtischem Milieu, das vom Rest der Welt so wenig wie möglich wissen will, aus den Texten herauszulesen.

Im Parteiprogramm werden zudem die möglichen Schnittpunkte von christlichem Fundamentalismus und extremer Rechter offensichtlich. So bekennt sich die CM zur “Liebe [der] Geschichte des eigenen Volkes”, sieht das “gottgewollte Naturrecht und Sittengesetz” von den “zerstörerischen Kräften des Atheismus, Marxismus, dialektischen und praktischen Materialismus” bedroht und behauptet eine “besondere Verpflichtung” gegenüber “den deutschen Minderheiten in Osteuropa und Südosteuropa”. Ihre Auffassung von gottgegebenen und durch die Menschen weder zu hinterfragenden, noch zu verändernden Einteilung der Welt in Völker, sowie ihre besondere Betonung des deutschen Volkes und dessen Wohlergehen führen sie so weit, dass sie es als “Mut zur historischen Wahrheit” ansehen, “von Mitteldeutschland [der ehemaligen DDR] und von Ostdeutschland [den ehemaligen deutschen Gebieten im heutigen Polen und Tschechien] zu sprechen.” Hier treten sie umstandslos in eine Reihe mit solchen Gruppen wie dem Bund der Vertriebenen, studentischen Korporationen und anderen Revisionistinnen und Revisionisten, welche von einem Großdeutschland als [wieder] zu erschaffendem Staat ausgehen.

Menschen- und Gesellschaftsbild

Zitat. “Oberstes Ziel der Sorge um den Menschen muß dessen seelische Befriedigung sein.”

Für die CM gilt die Familie als kleinste und gleichzeitig schützenswerteste Institution der Menschheit. Verstanden wird hierunter einzig die heterosexuelle und monogame Ehe, alle anderen Formen von Beziehungen werden als zersetzende moderne Tendenzen wahrgenommen. Dazu zählt explizit die Sexualität außerhalb der Ehe, nicht-monogame Beziehungen, Erziehung von Kindern in anderen Gemeinschaften als der Ehe, implizit auch nicht-heterosexuelle Beziehungen. Der Mann wird als Ernährer der Familien imaginiert, der Frau dagegen zugeschrieben, einzig in der Rolle der Ehefrau und Mutter “zu einem gesunden Selbstwertgefühl, zu einer gesunden Gestaltung ihres Lebens” gelangen zu können.

Aufgabe der Familien sei die Erziehung ihrer Kinder zu einem “mutigen Bekenntnis zu christlichen Wert- und Zielvorstellungen”, welche mit “Leistungswillen und Gemeinsinn [...] Selbstdisziplin, Einsatz- und Opferbereitschaft” gekennzeichnet werden. So diese Aufgabe nicht erfüllt wird, droht der Jugend “die Abhängigkeit von Drogen und Jugendsekten.” Als Jugendsekten werden hierbei sowohl nicht-christliche, als auch solche Gruppen bezeichnet, welche die christlich-fundamentalistische Glaubenssätze in modernisiertem Gewand zelebrieren und verkünden wollen. Jene gelten zum Teil als noch gefährlichere Gegnerinnen und Gegner, als der Atheismus. Zu erklären ist diese Befürchtung aus der Sorge um die Reinheit des eigenen Glaubens. Denn obwohl solche Gruppen tatsächlich für die eigenen Mitglieder gefährlich werden können, sind sie gesellschaftlich eher irrelevant.

Insgesamt will die CM die Familien über alle Maßen bevorteilen. Dafür fordert sie die Einführung eines Familienwahlrechts, das die Anzahl der Stimmen an die Anzahl der Kinder binden will. Da ihr nicht an den Rechten der Einzelnen gelegen ist, dafür alles am Wohlergehen der Gemeinschaft, sieht sie auch kein Problem darin, den Grundsatz der freien, gleichen und geheimen Wahl, wie er immerhin in den bundesdeutschen Gesetzen festgeschrieben ist, aufzuheben. Die Erfüllung der Mutterpflichten bei gleichzeitigem Verzicht auf eine eigene Emanzipation oder Karriere durch die Frauen soll mit einem “angemessenen Erziehungsgeld” belohnt werden.

Hauptbestandteil aller Forderungen der CM ist die Moral. Der Mensch sei von Gott an einem Platz innerhalb der Gesellschaft gestellt worden und dort hätte er sich gemäß der von Gott erlassenen Gesetzte und Gebote zu verhalten. Anderseits stände der Untergang der Gesellschaft bevor.

Die Sexualität einzig als Form der Fortpflanzung zu verstehen gehört in diesen Moralkanon. Alles andere lehnt die CM strikt ab. Sex ohne den Wunsch Kinder zu zeugen gilt als unmoralisch, Verhütungsmittel ebenso. Als Mord, der unter keinen Umständen hinzunehmen sei, gilt der Schwangerschaftsabbruch. Es wird eine moralische Drohkulisse aufgebaut, indem zum Beispiel von “Kindermassenmord” gesprochen wird, und eine “Bestrafung der Abtreibung als kriminelle Tat” gefordert. Hier stellt sich die CM als Teil der sogenannten Lebensschutzbewegung dar, welche diese moralischen Imperative auf Grundlage der Bibel in der Gesellschaft zu verankern sucht.

“Behindertenpolitik”

Ein Steckenpferd der christlichen Fundamentalismus ist die Sorge um Behinderte. Diesem Thema wird auch bei der CM ein großer Platz eingeräumt. Dabei geht es allerdings nicht etwa um eine Analyse der Gesellschaft und um die Frage, wieso jemand als behindert gilt oder wie die Gesellschaft daraufhin wirkt Menschen zu behindern. Deshalb wird auch nirgends von Enthinderung gesprochen. Es geht einzig um die Sorge um behinderte Menschen als von Gott geschaffen.

Auf diese Weise sind vollkommen berechtigte Forderungen nach einem “Abbau von Vorurteilen”, behindertengerechtem Wohnraum, Nahverkehr, Freizeitangeboten, Einbeziehung in “normale” Schulen, Eingliederung in die Berufswelt, sowie nach einer ausreichenden sozialen und ökonomischen Absicherung von Behinderte integriert in ein untragbares Weltbild, welches einzig auf Moral und überhistorisch verstandenen Regeln basiert.

Manipulation der Medien

Mit moralischen Interventionen in die Pressefreiheit eingreifen zu müssen, ist ebenso eine in der christlich-fundamentalistischen Szene verbreitete Vorstellung. Getrieben von der Vorstellung, dass die präsentierten Inhalte von Presseerzeugnissen direkt eins zu eins rezitiert würden und dass die eigene Meinung und Moralvorstellung objektiv seien, alle anderen dagegen nicht, forderte die CM die noch stärkere Verbreitung von “religiösen Informationen”, die nicht-Darstellung von Gewalt, “Katastrophenmeldungen und Negativschlagzeilen”. Die aktuelle Presslandschaft interpretiert sie als “weltanschauliche Indoktrination” und teilweise zumindest moralisch verwerflich. Letztlich geht es darum, die eigene Meinung als Leitmeinung zu installieren.

Arbeits- und Kinderzwang

Die Sozialpolitik der CM zielt darauf ab, das eigene Klientel besser abzusichern. Ein - im Vergleich zum Rest des Programms - unverhältnismäßig langer Abschnitt beschäftigt sich deshalb mit der Situation der Landwirtschaft, die - entgegen der ökonomischen Entwicklung - auf Basis von Kleinbetrieben erhalten werden soll. Der Glauben an die Gottgewolltheit von Schwangerschaften führt zu der Überzeugung, das jene Menschen, welche sich gegen Kinder entscheiden, durch höhere Abgaben bestraft werden müssen.

Arbeit wird als “eine besondere Form der Selbstverwirklichung des Menschen” verstanden. Nicht die Existenzsicherung steht hierbei für die CM im Vordergrund, sondern die Vollbeschäftigung als Voraussetzung zu sozialem Frieden und Wohlstand des Staates. Deshalb macht sich die CM auch nicht um die Arbeitsbedingungen oder ähnliche Themen Sorgen. Eher geht es ihr darum, die Strukturen von mittelständischen Unternehmen auf die gesamte Wirtschaft zu übertragen. Eine Firma habe als eine große Familie zu handeln. Fremdkapital oder Eigentumsformen, bei denen, wie in Aktiengesellschaften, “Betriebsfremde” Anteile von Firmen besitzen, gelten der CM als Gefährdung des gesunden Betriebsklimas.

Außenpolitik

Die von der CM geforderte deutsche Außenpolitik soll ebenfalls auf Grundlage der christlichen Moral stehen: „Wahrer Friede ist garantiert, wenn sich die Menschen an die Gebote Gottes halten.“ Entwicklungshilfe wird vor allem an das Recht christlicher Gruppen zur Religionsausübung gebunden. Andere Kriterien werden nicht genannt. Insgesamt wird Deutschland in einem christlichem Abendland verortet und auch hier die zumindest angestrebte religiöse Neutralität des Staates abgelehnt. Im gleichen Atemzug wird die Nation als positiver Wert angerufen: „Fundament Europas ist der christliche Glaube, die Liebe zur Heimat, zur nationalen Geschichte zur Muttersprache und eigenen Kultur.“

Partei Bibeltreuer Christen

Die PBC kann als die radikalste der drei Parteien gelten. In weiten Teilen führt sie das Programm der CM weiter, allerdings ist sie „moderner“ und aktiver. Gerade zu Wahlkampfzeiten macht sie sich auch außerhalb ihres Milieus bemerkbar. Ihr Auftreten ist offensiver und sie reagiert auf Entwicklungen schneller als die CM oder das Zentrum.

Das heilige Land

Eine besondere Stellung nimmt die PBC zu Israel ein. Auf Grundlage biblischer Vorhersagen ist sie mit diesem solidarisch und geht gegen Antisemitismus vor. Allerdings hat dies nichts mit einer politischen Analyse zu tun, sondern mit dem festen Glauben, dass das eigene Heil nur durch die Unterstützung Israels gewonnen werden könne. Nach der Wiedererrichtung Israels durch Gott begänne demnach ein letzter Kampf zwischen diesen und dem Teufel. Während dieses Kampfes müsse Gott unterstützt werden, bis sich - wie es in anderen Schriften heißt - „ganz Israel zu Jesus Christus bekenne werde“. Danach erfolge die Vernichtung des Teufels und die Errichtung eines Gottesreichs, welches erst durch Gott selber beendet würde.

So absurd dies klingen möge, ist doch das die Grundlage der Israelsolidarität des christlichen Fundamentalismus: der Glaube an einen aktuellen Kampf zwischen Teufel und Gott und die Notwendigkeit, alle Jüdinnen und Juden zum Christentum zu bekehren. Insoweit geht es nicht um die Bekämpfung von Ursachen des Antisemitismus, sondern um eine strategische Entscheidung im Rahmen einer als notwendig gedachten Missionskampagne.

Nationalismus

Zitat. „Natürlich kann die Bundesrepublik Deutschland nicht ausnahmslos alle Einwanderungswilligen aufnehmen.“

Gleichzeitig zur Israelsolidarität ist die PBC um das deutsche Volk besorgt. „Unglaube, Streben nach Selbstverwirklichung und Wohlstand bedrohen zur Zeit die geistliche Subtanz unseres Volkes.“ Die Lösung liege im Bekenntnis zum „Gott der Bibel“, welcher zum „Gott Deutschlands werden“ solle.

Zur Außenpolitik äußert die PBC, dass es Deutschland drum gehen müsse, durch eine Förderung der jeweiligen heimischen Wirtschaft Flüchtlinge davon abzubringen, nach Deutschland zu fliehen. Das Bild von Wirtschaftsflüchtlingen, die gleich am Ausgangsort ihrer Flucht zurückzuhalten seien, findet sich in ein christliches Gewand gepackt.

Familien, Mütter, Väter

Zitat. „Zerrüttete Ehen und Familien ziehen zerrüttete Strukturen des Staates nach sich.“

Die Vorstellung von der Kleinfamilie als zu bevorzugende Beziehungsform findet sich auch bei der PBC, ebenso die Interpretation von Verhütung und Schwangerschaftsabbruch als Mord. Im Gegensatz zur CM ist das hier allerdings weiter ausformuliert Zusätzlich wird eine „Erschwerung der Ehescheidungen“ und explizit die nicht-Gleichstellung von anderen Beziehungen mit der Ehe gefordert.

Einen besonderen Augenmerk legt die PBC auf die Bildung. Sie behauptet eine Tendenz der Jugend zu „einem ziellosen Leben“, dem mit dem Wort Gottes beizukommen sei. Die Schulen sollten sich an der Bibel orientieren, das Schulgebet einführen, sowie jegliche andere religiöse und esoterische Praktik, als die christliche selber, unterbinden. Genauer wird „eine gezielte, gründliche und praktische Aufklärung über die grausamen Spätfolgen solcher antigöttlicher Praktiken“ gefordert, die allerdings nur den christlichen Fundamentalistinnen und Fundamentalisten bekannt sein dürften. Gemeinhin wird bei der Beschreibung von Gefahren, die mit Sekten verbunden seien, von Seiten der Psychologie oder Sozialwissenschaft nämlich auch auf die radikalen Christinnen und Christen bezogen.

Ein Hauptangriffspunkt der PBC bildet der Biologieunterricht. Nicht nur die Sexualkunde wird angegriffen und die angeblich unzureichende Aufklärung über die Gefahren von Schwangerschafsabbrüchen kritisiert, sondern auch jegliche Form der Evolutionslehre als verwerflich angesehen. Explizit wird die Unterrichtung der „Schöpfungslehre der Bibel“ eingeklagt, dass heißt der Vorstellung, Gott allein hätte die Erde geschaffen und seitdem hätten sich die Tier- und Pflanzenarten nicht verändert.

Schulen sollten in der Vorstellung der PBC zu Missionierungsstätten für eine radikale Form des christlichen Glaubens werden. 

Gleichheit vor Gott

Auch im Programm der PBC finden sich Forderungen, die vollkommen berechtigt wären, wenn sie nicht in eine christlich-fundamentalistisches Weltbild eingebunden wären. Aus der Überlegung heraus, dass jeder Mensch vor Gott gleich sei, wird auf die Behindertenpolitik Wert gelegt, welche - wie bei der CM - allerdings die gesellschaftlichen Produktionsprozesse von „Behinderung“ außer Acht lässt. Auf gleicher Grundlage - und genau genommen im Widerspruch zur eigenen Vorstellung von Völkern, die es zu erhalten und schützen gälte - verurteilt die PBC Diskriminierungen von Menschen und betont die Berechtigung von Wiedergutmachungsforderungen an Deutschland durch Sinti und Roma.

Parallelen

Bei den Vorstellungen zur Landwirtschaft, zur Arbeits- und Sozialpolitik, zur Medien- und zur Außenpolitik gleichen sich PBC und CM. Eine Besonderheit der PBC ist, dass sie sich ernsthaft für nationale „Gebets- und Fastentage“ ausspricht. An solchen sollen durch intensive Gebete der Frieden in der Welt und in Deutschland genauso gesichert werden, wie Gefahren abgewendet. Die PBC fordert eine quasi-staatliche Einrichtung solcher Praktiken und damit eine moralische, wenn nicht gar gesetzliche Verpflichtung, an diesen teilzunehmen.

Deutsche Zentrumspartei

Zitat. „Auch wenn Christen nicht die überwiegende Mehrheit der Wähler unserer Partei stellen, so gibt es doch in unserem Volk eine Mehrheit, die nach christlichen Massstäben als Richtschnur für politisches Handeln ruft.“

Die liberalste der drei Partei ist das Zentrum, doch das ist nur relativ. Sie beruft sich auf eine Tradition seit 1870. Damals wurde die Partei als zwar überkonfessionell angelegte, aber letztlich doch katholische Vertretung in der Deutschen Politik gegründet. Im Laufe ihrer Geschichte führte sie als politischer Arm des Papstes gegen den deutschen Kaiser und den Reichskanzler Bismarck den Kirchenkampf, vertrat die sogenannte christliche Sozialethik, welche - gegen die revolutionäre Sozialdemokratie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts gerichtet - die Verbesserung der Lage der Arbeiterinnen und Arbeiter durch eine moralische Erneuerung, statt durch die Umgestaltung der Gesellschaft anstrebte. Die Politik zur Zeit der Kaiserreiches lässt sich ohne die damalige Zentrumspartei als teils liberale, teils konservative Kraft nicht verstehen. In der Weimarer Republik stellte das Zentrum - auch bedingt durch seine Autoritätshörigkeit - neben der SPD und der Deutschen Demokratischen Partei die politische Stütze der Republik dar. Die letzten Abgeordneten stimmten dann 1933 für die Ermächtigungsgesetze und somit letztlich für die Auflösung der eigenen Partei und der Republik.

Nach dem Nationalsozialismus - in der es so gut wie keinen Widerstand aus der katholischen Kirche, der katholischen Bevölkerung und somit der gesellschaftlichen Basis des Zentrum gab - wurde die Partei in der späteren BRD wiedergegründet und zog mit 10 Abgeordneten in den ersten Bundestag ein. Anschließend nahm die politische Bedeutung radikal ab. Im nächsten Bundestag stellte das Zentrum noch 3, danach nie wieder Bundestagsabgeordnete.

Heute ist das Zentrum eine Splitterpartei, die sich von der katholischen Grundlage entfernt hat, dafür aber sich dem freikirchlichen Milieu zuwandte und heute diesem zugeordnet werden kann. Die eigene Geschichte gilt vor allem als Referenz, die Themen des Zentrum sind die des fundamentalistischen Christentums, welche allerdings mit dem Willen zur Realpolitik verbunden wurden. 

Ewige Werte

Die Menschen seien vor allem dem Gesetz Gottes unterworfen, denen sie auch gar nicht entkommen können. Aufgabe des Zentrum sei einzig die aktuelle Interpretation, denn die „Grundsätze gelten seit jeher und sind unverrückbar.“ Das ist zwar Topos jeder religiösen Wahrnehmung der Welt, wird hier allerdings erstaunlich offen ausgesprochen: „In diesen [göttlichen] Ordnungen geht es nicht um eine durch demokratische Übereinstimmung hergestellte, sondern um eine von Gott gegebene Ethik, die wir als christlich-soziale Werteordnung verstehen [...]. Diese Ethik enthält auch Beschränkungen und Begrenzungen. Die Beschränkungen und Begrenzungen sind dem Menschen nicht gesetzt, um ihn zu bevormunden oder zu unterdrücken. Vielmehr dienen diese zu seinem Schutz.“

Das Zentrum glaubt das Beste für die Menschen erkennen und verkünden zu können. Aus diesem Weltbild heraus erklärt es für den Schutz des Lebens, letztlich heißt das gegen Schwangerschaftsabbruch, Verhütung, Sterbehilfe, aber auch Umweltzerstörung eingestellt zu sein. Dabei betont es auch - an den historischen Fakten vorbei - die „Ehe zwischen Mann und Frau“ als Grundlage jeder Gesellschaft und die Nation als unhinterfragbar gegebene Organisationsform der Menschen: „Als gesellschaftspolitisch größtmögliche Ordnungseinheit sehen wir die Nation, nicht den Nationenbund. [...] Die Politik des Zentrum steht für ein Europa der Vaterländer und die Wahrung der jeweiligen eigenen nationalen Identität [...].“

Familien

In diesem Denkrahmen sorgt sich das Zentrum um deutsche Familien und deutsche Nation gleichzeitig: „Zunehmender Geburtenrückgang, wachsende Zahl von Teilfamilien [...] und ständig ansteigende Zahlen von Single-Haushalten sind beunruhigende Signale im Hinblick auf ein gesundes Weiterbestehen unserer Nation.“ Es betont eine Verantwortung der Familien für Seniorinnen und Senioren, deren Betreuung angeblich - und des Zentrum Auffassung nach entgegen der christlichen Ethik - dem Staat übertragen wird. Zudem wird gefordert, dass Familien ihre Kinder alleine zu erziehen hätten, anstatt sie „an staatliche Einrichtungen [Krippen, Kindergärten, Schulen, Jugendclubs] abzugeben.“ Außerhalb der Familien sieht die Partei Jugendliche den Gefahren der Moderne [„Gruppenzwang, Zugang zum Internet ohne Kontrolle, Verbreitung von Drogen, Gewalt usw.“] ausgesetzt. Die Beziehungshölle Kleinfamilie soll als einzig vertretbare propagiert und gleichzeitig die Rolle der Frauen als Mütter und der Männer als Ernährer festgeschrieben werden: „Mann und Frau sind gleichartige und gleichberechtigte Geschöpfe Gottes. Sie haben bedingt durch ihre unterschiedlichen Anlagen spezifische Aufgaben, die sich zum Wohle von Familie und Volk ergänzen sollen.“

Belohnt werden soll die Anpassung an dieses Ideal durch einen „gestaffelten Rentenfaktor“, bei dem die Anzahl der Kinder über die Höhe der Rente entscheidet, zudem ist ein „Geburtsprämie“ vorgesehen. So stellt sich das Zentrum vor, Deutschland zu retten, da auf diesem Weg „wieder mehr Kinder geboren [werden] und der Fortbestand unserer Gesellschaft [...] nicht mehr ausschließlich durch Zuwanderung gesichert werden [muss].“

Zur Rettung der Jugendlichen vor „Rauschgift- und Rauschmittelgebrauch“, „sexuellem Missbrauch“, „Gewalt, Sexismus, Pornographie sowie [vor] horror- und kriegsverherrlichendes Material, welches vor allem durch Internet, Kino und Privatfernsehen, aber auch durch Zeitschriften und Comics Verbreitung findet“, wird vor allem die Gesetzesmacht angerufen, die regulierend und bestrafend den Moralkanon des Zentrum durchzusetzen hätte.

Überraschenderweise fordert die Partei keinen Bezug auf Gott oder die göttliche Lehre im Unterricht. Das unterscheidet sie von anderen christlich-fundamentalistischen Gruppen, sowie der PBC und CM. Allerdings will sie „christliche Schul-Psychologen“ im Schulalltag verankern und christliche Privatschulen fördern.

Wirtschaft für ein Volk

In der Wirtschaftspolitik will das Zentrum ethische Grundsätze wirken lassen. Es polemisiert gegen „Gewinnmaximierung“ und tritt dafür ein, dass „ein ausgewogener und gerechter Gewinn angestrebt wird.“ Firmenbesitzerinnen und -Besitzer haben sich, so die Vorstellung, an christliche Werte zu halten. Ebenso die Belegschaften. Arbeitskämpfe sind im Weltbild des Zentrum - und darin folgt es den christlichen Gewerkschaften, die heutzutage allerdings im Gegensatz zum deutschen Kaiserreich und der Weimarer Republik kaum noch ein Rolle spielen - nicht vorgesehen. Die jeweilige Firma sei eine große Familie, in der intern mittels Gesprächen alle Probleme gelöst werden könnten. Es ist erklärtes Ziel „christlich-soziale Ausgewogenheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer erfahrbar zu machen.“

Dieser Aufruf allerdings geht mit der marktradikalen Forderung nach bezahlbaren und flexiblen Arbeiterinnen und Arbeitern, der „Eigeninitiative des Einzelnen“ und „ausreichenden Wettbewerb“ einher. Dabei dürfte es „nicht zu überhöhten Lohnforderungen und auch nicht zur Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich kommen [...].“

Die Bringschuld wird den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern angelastet, welche letztlich sogar mit gewerkschaftlichen Forderungen Arbeitsplätze vernichten würden: „Wenn Arbeit bezahlbar bleibt, werden Arbeitsplätze erhalten [...]“. Es gälte für sie hauptsächlich der gottgewollten Arbeit nachzugehen, um dem Wohl der eigenen Firma und damit Deutschland zu dienen. Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern dagegen wird mit der Steuerpolitik entgegen gegangen, die auf der einen Seite zwar „die christliche Solidarität mit Schwachen einschließen“ solle, gleichzeitig aber „mindestens 60% der Bruttoeinnahmen“ bei jedem Menschen belassen müsse. Das liefe letztlich auf die Senkung des Spitzensteuersatzes hinaus. Besondere Beachtung findet auch beim Zentrum die bäuerliche Kleinfamilie, welche gesondert gefördert werden soll.

Der Staat

Zitat. „Ein schwacher Staat, der Unrecht toleriert, widerspricht dem christlich-sozialem Selbstverständnis, zerstört jegliches Rechtsbewusstsein und letztendlich sich selbst.“

Dem Staat werden unterschiedliche Aufgaben zugeschrieben. So sollen, wie schon erwähnt, die Gesetze hart angewendet und beim Justizvollzug vorrangig auf Strafe, statt auf Prävention und Resozialisierung geachtet werden.

Zudem solle er in der Medienpolitik zwar nicht unbedingt dem christlichen Gott der Vorrang geben, aber doch auf die Einhaltung der „verfassungsgemäße[n] Ordnung, [der] Würde des Menschen, der Ehe und Familie sowie die Sittlichkeit“ geachtet werden. Grundsätzlich habe er die Schwachen zu unterstützen, wobei auch hier die Behinderten explizit hervorgehoben werden. Vorrangig solle der deutsche Staat sich dabei um das deutsche Volk zu kümmern. Und auch im Programm des Zentrum wird das Bild vom Wirtschaftsflüchtling aufgerufen. Es herrscht die Vorstellung eines repressiv ausgelegten Asylrechts vor: „Deutschland ist kein Einwanderungsland. Insofern ist der unkontrollierten Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen Einhalt zu gebieten. Durch eine von Europa gesteuerte kontrollierte Einwanderungshilfe ist diesem Trend an der Wurzel zu begegnen. [...] Das Zentrum steht für eine ausländerfreundliche Politik, möchte jedoch kein multikulturelles Deutschland.“ Die „Erteilung der deutschen Staatsbürgerschaft [wenn es denn doch einmal dazu kommen sollte] [sei an] einem Beschäftigungsnachweis von Grundkenntnissen der deutschen Sprache in Wort und Schrift“ zu binden.

Gleichzeitig habe sich der Staat zu verschlanken, sowie den Kommunen „weitmöglichste Entscheidungsbefugnisse einzuräumen“. Mit diesen Positionen verortet sich das Zentrum mindestens im rechts-liberalen Spektrum der bundesdeutschen Politik. Letztlich würde es aber auch im rechtsradikalen Milieu wenig Widerspruch hervorrufen.

Bibel oder Nächstenliebe

Die Bewertung der drei christlich-fundamentalistischen Parteien, die in der Bundesrepublik Deutschland aktiv sind, mag unterschiedlich ausfallen. Es könnte sich sogar als falsch erweisen, ihnen allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Auch wenn - wie schon gesagt - bei religiösen Bewegungen Überraschungen nicht ausgeschlossen werden können, steht nicht zu erwarten, dass diese Gruppen in nächster Zeit mehr als kommunale Erfolge feiern können.

Dennoch sollte klar geworden sein, dass es sich hierbei nicht um menschenfreundliche Versionen des Christentums - wie immer die aussehen sollten - handelt, sondern um fundamentalistische. Statt, wie das mancherorts vorkommt, den christlichen Glauben als Aufforderung zur Nächstenliebe und sozialem Engagement zu verstehen, wird hier von unhintergehbaren göttlichen Wahrheiten ausgegangen, um schließlich bei sexistischen, homophoben und nationalistischen Vorstellungen zu enden. Zentrum, PBC und CM als reine Skurrilitäten in der Parteienlandschaft anzusehen ist deshalb unangebracht.

Literatur

Alle Zitate sind dem Parteiprogrammen der jeweiligen Partei entnommen.

CM : Grundsatzprogramm der Partei: Christliche Mitte - für ein Deutschland nach GOTTES Geboten Geboten [sic!] (CM), ohne Datum, - www.christliche-mitte.de, Version vom Oktober 2004

PBC : Grundsatzprogramm der Partei Bibeltreuer Christen - PBC, 1. April 2000, - www.pbc.de , Version vom Oktober 2004

Zentrum : Grundsatzprogramm 2003 der Deutschen Zentrumspartei, [Dormagen] April 2003, - www.zentrumspartei.de, Version vom Oktober 2004
 

Editorische Anmerkungen

Der Text ist eine Spiegelung von
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