Too sexy for the Antifa: Links ist niemals links genug!
Gruppe Internationaler SozialistInnen (im April 2005)
05/05

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"Für uns gibt es jetzt kein Minimal- und kein Maximalprogramm; eines und  dasselbe ist der Sozialismus: Das ist das Minimum, das wir heute durchzusetzen  haben." Rosa Luxemburg

Der 60. Jahrestag des Kriegsendes bestimmt die politischen Auseinandersetzungen dieser Tage. Jeder, der als Demokrat etwas auf sich hält, ist derweil sichtlich bemüht, das Ende des Zweiten Weltkrieges als Triumph von Freiheit und Demokratie zu verklären. In heuchlerischen Betroffenheitskundgebungen wird "allen Opfern von Krieg und Zerstörung" gedacht, werden die "Aufbauleistungen unserer Demokratie gewürdigt" und ein vom Makel des Nationalsozialismus rein gewaschenes Nationalbewusstsein propagiert. Indem die Verantwortung für Krieg und Zerstörung ausschließlich im Fanatismus, dem Terror und den Verführungskünsten "der Nazis" verortet wird, zelebriert die Nation ihre Aussöhnung mit sich selbst.  

Deutschland habe aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, die "Erinnerung an den Nationalsozialismus" sei sogar "elementarer Teil der nationalen Identität" (Bundespräsident Köhler), lauten die Phrasen mit denen parteiübergreifend die "Rückkehr zur Normalität" beschworen wird. Auf dieser Basis lassen sich Auslandseinsätze der Bundeswehr schon mal mit der "historischen Verantwortung Deutschlands für Frieden und Demokratie" legitimieren. Fragen nach der realen Verfasstheit der Warengesellschaft, den kapitalistischen Ursachen von Faschismus und Krieg, werden da eher als störend empfunden. In zynischer Manier feiert die Demokratie sich selbst, werden die Opfer von Krieg und Holocaust ausgeschlachtet, um uns die "freiheitlich demokratische Grundordnung" als annehmbarste Form kapitalistischer Vergesellschaftung zu verkaufen.  

Die NPD als Popanz staatsbürgerlicher Formierung  

Die Wahlerfolge der NPD in Sachsen haben eine rege Debatte über den "rechten Umgang mit dem Rechtsextremismus" entfacht. "Extremismusexperten", Pfaffen und Politiker diskutieren angeregt darüber, wie geschwundenes Vertrauen in die Demokratie wieder wettgemacht und Bürgerverantwortung und Zivilcourage gestärkt werden könnte. Unaufhörlich wird dabei die Gemeinsamkeit aller Demokraten beschworen, die weitere Verschärfung des Demonstrationsrechts gefordert und der Etablierung eines gesunden Patriotismus das Wort geredet. Dabei ist man sichtlich bemüht, die Nazis stets als ein der bürgerlichen Gesellschaft äußerliches Phänomen darzustellen, als Fehlgeleitete und Provokateure, die entweder in den Schoß der "Zivilgesellschaft" integriert, oder durch die geballte Macht des Rechtstaates gebändigt werden könnten. Mit der provokativen Ankündigung der NPD am 8. Mai in Berlin aufzumarschieren, erlangt dieser auf Gemeinsinn und Staatsverklärung orientierte Diskurs eine besondere Brisanz. Um zu verhindern, dass das "Ansehen unseres Landes Schaden" nehme, mit befürchteten Rückwirkungen auf die Investitionsbereitschaft ausländischer Unternehmen versteht sich, rufen Regierung, Parteien, Gewerkschaften, und NGO`s rund um das Brandenburger Tor zum "Tag der Demokratie" auf. Zweck der Veranstaltung ist es, so der erklärte Wunsch des Bundeskanzlers, "einen kraftvollen Beweis der Aufrechten und Anständigen gegen rechte Gewalt" zu erbringen. Ein Umstand, der bei einigen selbsternannten "Linken" wahre Begeisterungsströme auslöst. Und so ist auch die trotzkistische Gurkentruppe Linksruck mal wieder kräftig dabei, neue Perspektiven für den Antinazikampf herbeizuphantasieren: "Schröder hat zum Protest gegen die NPD gerufen. Wir begrüßen diesen Schritt und fordern alle auf, sich am 8. Mai auf den Weg nach Berlin zu machen. Eine breite Front aus SPD, Grünen, Attac, ASG, Gewerkschaften, Migrantenorganisationen und der Antifa kann die NPD an diesem Tag stoppen." Nur blöd, dass es beim besagten Spektakel mitnichten darum geht "die NPD zu stoppen", sondern Treuebekenntnisse für "unsere Demokratie" zu leisten, was von einem der Schirmherrn der Veranstaltung,  

Bundestagspräsident Thierse, auch ausdrücklich betont wird: "Der Tag der Demokratie", den der Senat für den 8. Mai ausgerufen hat, ist keine Demonstration gegen die NPD. Wir rufen auch nicht auf, um Aufgeregtheit zu verbreiten; es geht nicht darum, als "letztes Mittel" die Massen zu mobilisieren. Der Tag der Demokratie soll vielmehr zeigen, wem dieses Land gehört und wer bestimmt, wie es darin zugeht." Wer dermaßen dummdreist mit der Werbetrommel des Antifaschismus für dieses Event wirbt, und viele sich "links" oder "sozialistisch" nennende Gruppen und Organisationen tun dies, macht sich zum Erfüllungsgehilfen staatsbürgerlicher Formierung. Wieder einmal zeigt sich, dass das angeblich so clevere Konzept des "breiten antifaschistischen Bündnisansatzes" in letzter Konsequenz immer wieder zur Verteidigung des Staus quo führt.  

Gegen die Nazis aber nicht nur gegen die  

Das alles soll nicht bedeuten, dass die Nazis keine Gefahr wären. Sie sind ein Problem, allerdings eines von vielen. Wie wir bereits an anderer Stelle zu diesem Thema ausgeführt haben, sind wir nicht der Meinung, dass die Nazis außerhalb der gegenwärtig stattfindenden autoritären und nationalistischen Formierung stehen. Sie verkörpern weder Protest noch Opposition gegen die Verhältnisse, sondern radikalisieren die tagtäglich gestreuten Ideologien und Stammtischparolen der Herrschenden in ihrem Sinne. Von daher sind Nazis nicht als der Demokratie äußerliches Extrem zu bekämpfen, sondern als radikale Protagonisten bürgerlicher Ideologien und Sichtweisen. So richtig und wichtig es sein mag, sich gegen Nazis zu wehren, so idiotisch ist es sich dabei "antifaschistisch" in der "Zivilgesellschaft zu verorten, oder sonst wie positiv auf die Demokratie zu beziehen. Der Kampf gegen Nazis ist für uns Teil des umfassenden antikapitalistischen Kampfes zur Überwindung aller Formen bürgerlicher Herrschaft. Im Gegensatz zum Gros der Restlinken fällt es uns daher auch nicht im Traum ein, am 8. Mai den Alliierten Kriegsparteien für ihren Einsatz danken zu wollen, die imperialistischen Massaker des Zweiten Weltkrieges als hehren uneigennützigen Waffengang für Freiheit und Demokratie zu glorifizieren, und von den imperialistischen Zielsetzungen, die für die Kriegsführung der Alliierten bestimmend und alles andere als emanzipatorische waren, zu abstrahieren.  

Keine Macht dem Staat - Farewell to the Antifa!  

Das Wesen des Antifaschismus besteht darin, dem Faschismus zu widerstehen, indem man die Demokratie verteidigt. Der Vorschlag der Antifaschisten läuft darauf hinaus, angesichts der Gefahr des Faschismus den Kampf gegen den Kapitalismus einzustellen, den demokratischen Staat als kleineres Übel zu verteidigen und ihn durch genügend Druck zu zivilisieren. Die Demokratie verteidigen zu wollen, beinhaltet den Mythos des Staates als "klassenneutrale Instanz" zu akzeptieren, zu befördern und ihm letztendlich zu erliegen. Es bedeutet, den Staat zu stärken, sich seiner Gewalt zu unterwerfen und sich jeder Möglichkeit der Selbstaktivität gegen die Staatsgewalt zu berauben. Es bedeutet, das Proletariat an den Staat zu fesseln und seiner Repression schutzlos auszuliefern. Folgerichtig scheiterte der Antifaschismus immer da, wo er Effektivität vorgaukelte - die Verwandlung der Demokratie in eine offene Diktatur im breitestmöglichen Bündnis aller Gutmenschen zu verhindern. Alle Versuche, den Antifaschismus revolutionär zu bemänteln, führten entweder in die Blamage, wenn sich der Staat als demokratische Ordnungsmacht und besserer Antifaschist präsentierte, oder in die Katastrophe, wenn im Namen der "antifaschistischen Einheit" auf die Revolution verzichtet wurde. Als Ideologie der Staatsverherrlichung und praktische Anleitung zum Revolutionsverzicht ist der Antifaschismus somit genauso gegen das Proletariat gerichtet wie der Faschismus. Wer den Faschismus wirklich erledigen will, muss den Antifaschismus bekämpfen - und umgekehrt. Die Alternative vor der die Menschheit angesichts der destruktiven Entwicklungspotentiale des weltweiten Kapitalismus steht, lautet nicht "Demokratie oder Faschismus", sondern nach wie vor "Sozialismus oder Barbarei". Die einzige Perspektive aus dem Dilemma der Warengesellschaft herauszukommen, besteht darin, den "Kampf ums Ganze" aufzunehmen, der Diktatur des Kapitals den Krieg zu erklären: Mit allen Mitteln, auf allen Ebenen und gegen alle Ausformungen der bürgerlichen Ideologie!  

Für die Staaten - und klassenlose Gesellschaft!  

Editorische Anmerkungen

Der Text wurde uns am 29.4.2005 von den AutorInnen zur Veröffentlichung überlassen. Er ist deren Zeitschrift "Sozialismus oder Barbarei" Nr. 12 entnommen. Kontakt:Gruppe-Inter-Soz@gmx.net