Medien, Manipulation und Militanz gegen den Krieg

Von: Gruppe Landfriedensbruch

05/03
 
 
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WETZLAR (lhe). Knapp zwei Wochen nach dem Brandanschlag auf das Kreiswehrersatzamt in Wetzlar ist ein Bekennerschreiben einer bisher unbekannten Gruppe eingegangen. Nach Mitteilung der Polizei vom Mittwoch handelt es sich um eine Gruppierung mit dem Namen „feministisch-antimilitaristische Zelle“, die sich gegen Militarismus und die patriarchale Ordnung richte. Einen Tag nach Beginn des Irak-Kriegs hatte die Polizei in der Behörde zwei so genannte Molotow-Cocktails gefunden, von denen sich nur einer entzündet hatte.
(Quelle: Giessener Anzeiger im Internet, 3.4.2003,
http://www.giessener-anzeiger.de/sixcms/detail.php?id=800852&_next=GA_Mittelhessen )

Meldungen wie die obige stellten während des Irak-Kriegs immer nur Randnotizen dar - oder wurden komplett verschwiegen. Weil es nicht ins Bilder der „nationalpazifistische Volksgemeinschaft“ passte, die von Friedensbewegten bis zu Rot-grün reichte, deren Re-Militarisierung der BRD einfach „vergessen“ wurde. Nicht nur die Medien, auch die Friedensbewegung mitsamt den dominanten Kreisen dort, haben Teil daran, dass Protest gegen den Irak-Krieg in Doitschland umgehend kanalisiert wurde und Abweichendes ausgegrenzt und verdrängt wurde - emanzipatorische Positionen in weiter Ferne. Daher beschäftigt sich dieser Artikel etwas intensiver mit den Strukturen der Friedensbewegung und der Rolle der Medien und Diskurse ...

Friedensproteste - staatstreu, kanalisiert und „von oben“ organisiert

Deutlich wird immer wieder, dass „die“ Friedensbewegung (die natürlich keine geschlossene Einheit bildet) selbst von Dominanzen und elitären Zirkeln durchzogen ist, die den Unmut der Menschen kanalisieren - und diese Führungsebenen werden nicht einmal verleugnet, wie einige Zitate zum Thema belegen. Ein besonderes Beispiel bildet die Kampagne „resist“ - eine weitere „Retorte“, neben dem Netzwerk Friedenskooperative maßgeblich von den NGO-ManagerInnen initiert, welche auch schon im Anti-Atom-Bereich mit X-tausendmalquer und am erfolgreichsten mit Attac für die Kanalisierung von Protest sorgten. Die militanten Proteste in Göteborg und Genua hatten Globalisierungs- bzw. weitergehende Kapitalismuskritik einige Öffentlichkeit verschafft. Das öffentliche Interesse wurde in Deutschland von der bis dahin unbedeutenden NGO Attac genutzt, um Bewegung zu assimilieren mit einer widerlichen Mischung aus Vereinnahmung, Instrumentalisierung und gleichzeitiger Hetze gegen militante Aktionsformen. Auf ganz ähnliche Weise, mit verbalradikalem Gestus, den nötigen Presse-Kontakte und dem wohlwollende Hypen durch FR, junge welt usw. wurde in wenigen Wochen „resist“ zur wichtigsten Aktion und quasi-Dachverband der deutschen Friedensbewegung konstruiert. Jedes zweite Interview wird mit den selbsternannten SprecherInnen (voll basisdemokratisch ...) der Kampagne geführt. Wenig bekannt ist, dass z.B. bei den ersten Aktionen die „besetzen“ Flächen vor der Frankfurter Airbase durch die „resist“-Führung angemietet und mit der Gegenseite abgesprochen waren. Trotzdem werden die Sitzblockaden als die Spitze von Widerständigkeit inszeniert - andere Protestformen werden so verdrängt und „undenkbar“ gemacht .. ein Diskurs wird verschoben.
Kanalisierung hat in Deutschland Tradition - von linksliberaler Presse bis hin zu den Eliten in sozialer Bewegung ist mensch hier besonders modern, was die frühzeitige Integration bzw. komplette Assimilierung von Protest anbelangt. Leider gibt es dagegen wenig Gegenwehr oder Versuche, Gegenmodelle eines vielfältigen, hierarchiefreien Widerstands zu organisieren - ohne SprecherInnen, Wichtig-Gremien und informellen Dominanzen (Beispiele dafür unter http://www.hoppetosse.net ). Statt dem Abfeiern der eigen Aktion als „Erfolg“ a la resist wäre daher kritische Analyse und der Streit um weniger dominanzgeprägte, offene und herrschaftskritische Strukturen angesagt. Denn solange wird Widerstand „von unten“ in Doitschland eh nur eine leere Phrase sein ...

Diskurse als Helfer kanalisierten Ungehorsams

Diskurs meint ein Geflecht von Medien, wissenschaftlichen und öffentlichen Debatten, die ständige Wiederholung von Argumentationsmustern, welche zu bestimmten Denkweisen und Erwartungshaltungen bei Menschen führen: Der Glaube, dass Kinder minderwertig seien und unfähig zur Selbstbestimmung, ist so ein Diskurs, der Tag für Tag aufs Neue reproduziert wird. Diskurse als Form subtiler Beherrschung werden nicht zentral gelenkt - aber sie ist verschränkt mit institutioneller Herrschaft ... Regierungen, Medien und Presse können aus ihrer Stellung z.B. ganz anders auf Diskurse zugreifen und diese organisieren – da wird nichts dem Zufall überlassen. Diskurse sorgen in modernen Herrschaftssystemen dafür, dass Menschen ohne offensichtliche Gewalt oder Herrschaftsdurchgriff funktionieren, arbeiten gehen oder gegen Krieg demonstrieren, wenn es der Regierung passt.

Diskurse die erste: Bei den letzten Kriegen mit offizieller deutscher Beteiligung (Kosovo, Afghanistan) wurden Meldungen von sog. „Kollateralschäden“ usw. in deutschen Medien wenig hochgehalten ... Antikriegsproteste waren absolut marginal. Während des aktuellen Irak-Kriegs wurde mit Bildern verwüsteter Häuser, ziviler Einrichtungen usw. nicht gespart - es passt halt zu den Interessen von FR bis zum Schröder-Fischer Gespann, die sich darin einig sind, dass Europa in der Welt den Ton angeben soll. Ohne Genaueres zu wissen darf davon ausgegangen werden, dass die Berichterstattung in den offiziell kriegsführenden Ländern etwas anders aussah (Berichte oder Ergänzungen dazu erwünscht!). Die Meinung der Menschen scheint beliebig manipulierbar.

Diskurse die zweite: Als Legitimation für UN-Inspektionen wie den Krieg wurden im Vorfeld des Gemetzels immer wieder angebliche Massenvernichtungswaffen im Irak benannt, um bei den Menschen Akzeptanz für unzählige Tote und ein zerstörtes Land zu beschaffen. Weder wurden solche Waffen gefunden, noch von Saddam eingesetzt ... vielleicht wurde auch gar nicht danach gesucht. Sehr wahrscheinlich ist, dass es sich also um Kriegs-Propaganda handelte (ohne das widerliche Baath-Regime beschönigen oder entlasten zu wollen). In der Berichterstattung spielte die zentrale Kriegslegitimation jedenfalls plötzlich kein Rolle mehr. Nachdem der Diskurs seinen Dienst erfüllt hat, wird er halt weg geworfen - und es scheint niemanden zu interessieren oder die Glaubwürdigkeit der KriegstreiberInnen darunter zu leiden.

Diskurse die dritte: Zur Berichterstattung über Proteste gehört immer ein Diskurs darüber, welche Aktionsformen legitim, legal oder illegal sind, was friedliche Proteste sind und wo Gewalt beginnt. Dieser Diskurs dient dazu, Widerstand zu spalten, in systemgerechte Bahnen zu lenken, aber auch einfach, Sympathien oder Solidarisierungen mit direkten Aktionen zu verhindern: Während Mahnwachen, Lichterketten usw., die Herrschaft nicht angreifen und sich dem Demonstrationsrecht unterwerfen, gelobt werden, werden Ausschreitungen oder militante Aktionen diffamiert oder verschwiegen. Das ist nicht neu - dazu kommt, dass in der aktuellen Berichten über die Friedensbewegung dieser Diskurs um einiges verschoben wurde: Die Blockade von US-Militärfahrzeugen oder das versuchte Durchbrechen von Absperrungen wird in der FR plötzlich unter dem Begriff „Zwischenfall“ einsortiert. Auch die Führungskreise der Friedensbewegung selbst betonen immer wieder, Gewalt in den eigenen Reihen verhindern zu wollen Gleichzeitig wir z.B. die „resist“ Sitzblockade als Höhepunkt von entschlossenem Widerstand konstruiert und dadurch vieles verdrängt, was darüber hinaus gehen könnte. In Italien, wo sich in den letzten Jahren eine andere Kultur der Widerständigkeit entwickelt hat (da wird schon mal ein Abschiebeknast von hunderten AktivistInnen tagsüber zerstört), würden solche Berichte vermutlich eher Verwunderung und schmunzelnde Gesichter hervorrufen.
Formen des Widerstands, die den demokratischen Rahmen von Latschdemos, Lichterketten oder Mahnwachen verlassen, nicht an die Mächtigen appellieren und vom europa-patriotistischen Mainstream abweichende Positionen beziehen und sich daher nicht vereinnahmen lassen, sind nur als Randnotiz zu lesen oder werden totgeschwiegen. Gewerkschaften, Bewegungseliten und Mainstream-Presse haben die öffentliche Wahrnehmung fast völlig im Griff - all das führt dazu, dass unabhängige Aktionsgruppen, abweichende Positionen und radikale Aktionsformen diskursiv nahezu ausgelöscht sind.

Beispiel eins: Anlässlich des vierten Jahrestages des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien hatte eine Autonome Gruppe auf einem Berliner Garnisonsfriedhof mehre Kriegerdenkmäler beschädigt. In die jw schaffte es die Aktion immerhin als Randnotiz mit zwei Sätzen - während ansonsten resist und Co. abgefeiert werden.

Beispiel zwei: Ein Tag nach Beginn des Irak-Kriegs verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf das Kreiswehrersatzamt in Wetzlar. Nach Polizeiangaben entstand 3000 Euro Sachschaden, ein politischer Hintergrund sei nicht erkennbar. Während der Anschlag in lokalen Medien nur als Randnotiz vorkam und in überregionalen Medien nicht einmal erwähnt wurde, berichteten EinwohnerInnen in Wetzlar von einen großem Polizeiaufgebot inklusive Hubschraubereinsatz in der Anschlagsnacht. Was Ziel und Zeitpunkt allen nahe legte, die eins und eins zusammen zählen können, bestätigte die Polizei zwei Wochen später: „Nach dem Brandanschlag auf das Kreiswehrersatzamt in der Spilburgstraße bei dem ein Sachschaden von ca. 3.000 Euro entstand, ging mittlerweile ein Bekennerschreiben bei einer Frankfurter Zeitung von einer Gruppierung ein, die sich „feministisch-antimilitaristische Zelle“ nennt und sich u.a. gegen Militarismus, Nationen und Grenzen und die patriarchale Ordnung richtet. Die Gruppierung war bisher nicht bekannt.“ (Quelle: 2.04.03, Polizeipräsidium Mittelhessen im Internet, http://www.pp-mittelhessen.de ) Recherchen bei verschiedenen Frankfurter Zeitungen ergaben, dass nie Bekennerschreiben eingegangen waren. Das wirft neue Fragen auf, die wohl nie zu klären sind. Sicher aber dürfte sein, dass solche Aktionen nicht in die herrschende Berichterstattung und die Konstruktion dessen passen, was Schröder und anderen „Belli-PazifistInnen“ als nützlicher Protest gilt.

- Infos rund um Militarisierung in Doitschland & Europa: http://www.imi-online.de
- Textsammlung der Schwarzen Katze zu Antimilitarismus: http://www.free.de/schwarze-katze/sonderseite/frieden.html
- Infoseite gegen Krieg und Herrschaft: http://www.nolawnowar.de.vu
 

Editorische Anmerkungen
Bereits am 23. April 2003 erhielten wir diesen Artikel von der AutorInnengruppe zur Veröffentlichung und.... verschusselten ihn. SORRY.