Gegen selektiven Pazifismus und deutschen Nationalismus
Drei Thesen

von Max Brym

05/03
 
 
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These 1. Viele deutschen Pazifisten sind selektive Pazifisten

Der Pazifismus ist normalerweise gegen jegliche Gewalt. Er stellt sich grundsätzlich gegen jeden Krieg. Weite Teile der Friedensbewegung vermittelten kürzlich neuerlich diesen Eindruck, als sie gegen den US- Krieg durch das Land zogen. Damit beginnt das Problem, denn warum sind nur dann Hunderttausende auf den Straßen, wenn die USA Krieg führt ? Warum lockt das Massaker in Tschetschenien keinen Hund hinter dem Ofen hervor ? Warum wird nicht gegen die Abschlachtung tausender Muslime durch fanatische Hindus in Indien protestiert. Die Beispiele ließen sich hier beliebig fortsetzen. Es kann aber festgehalten werden : Der rigorose Pazifismus ist vielen angeblich „global“ denkenden Pazifisten nicht abzunehmen. Ihr Pazifismus ist selektiv und ausgrenzend.

These 2. Der selektive Pazifismus geht mit dem deutschen Nationalismus konform

Wo waren all die „ Friedensbewegten“ als 1999 ohne UN- Mandat Jugoslawien angegriffen wurde. Zumindest nicht massiv auf der Straße. Wahrscheinlich weil die deutsche Regierung den Krieg maßgeblich mitbetrieb. Die Herren Fischer und Schröder sprachen als „ gute Europäer“ von einer „ humanitären Aufgabe“ und brachen mit einer solchen Rhetorik, ein bis dato gültiges bundesdeutsches Tabu, nämlich keine deutschen Soldaten mehr zu Kampfeinsätzen in fremde Länder zu schicken. Warum gibt es keine nennenswerten Aktionen gegen das sich formierende „Kerneuropa“ mit einem eigenen Generalstab ? Das wurde doch Ende April in Brüssel beschlossen. Es gibt keinen nennenswerten Widerstand gegen die „Europäische Sicherheits und Verteidigungspolitik“ ( ESVP ) . Es scheint das viele die Haltung der TAZ einnehmen, die am 8.4. schrieb:“ Wir fordern eine europäische, militärische Gegenmacht zu den USA“. Die Bundesregierung wurde seitens vieler „Friedensbewegter“ nur aufgefordert ihre antiamerikanische Haltung zu intensivieren, Schließung von Stützpunkten keine Überflugrechte usw. Ergo Schröder wurde animiert, den Konflikt mit den USA zu verschärfen. Der selektive Pazifismus und mit ihm der traditionelle „Antiimperialismus“ war oft deutscher Nationalismus.

These 3. Die Kritik an den USA war antiamerikanisch und latent antisemitisch

Den USA wurde alles erdenklich negative unterstellt. Ihnen ginge es nur um das ÖL, um den Profit, war zu hören und zu lesen. An dieser Kritik ist durchaus etwas wahres, aber nur dann, wenn der deutsche Imperialismus mit genau den gleichen Maßstäben gemessen wird. Jenes Deutschland erklärte nur deshalb den USA aggressiv den Frieden, weil es seine Geschäfte mit dem barbarischen Saddam Regime friedlich abwickeln wollte. Dieser aggressive deutsche Frieden beinhaltet die Emanzipation von den USA, in ökonomischer, aber auch in militärischer Hinsicht. Das Interesse ist klar, es geht Deutschland um einen Platz an der Sonne, es geht um Macht und Profit. Alles schlechte auf die USA zu projizieren ist schlicht antiamerikanisch. Zudem wurde in der Kriegskritik, das mörderische Saddam- Regime höchstens am Rande erwähnt. An seine Stelle trat Israel, als das Böse schlechthin. Das war nicht nur abstrus, sondern latent antisemitisch. Die Phrasen gegen den Zionismus schufen Raum für diverse Verschwörungstheoretiker, die hinter dem US- Krieg eine „mächtige jüdische Lobby“ vermuteten. Nirgendwo wurde erkannt, dass bürgerliche Organe wie der Stern, mit dem Hinweis auf die jüdische Abstammung von Richard Perle und von Wolfowiz den klassischen deutschen Antisemitismus bedienten. Wie sollte das auch erkannt werden, wenn viele selbst in antiamerikanische und latent antisemitische Gemüts
lagen abrutschten.

Editorische Anmerkungen
Max Brym stellte uns diesen Artikel zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München. Im Partisan.net hat er seine Homepage.