Im Spiel ohne Grenzen
Kerneuropa will „erwachsen werden“

von Max Brym

05/03
 
 
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Die Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg schlugen am 29.4.o3 in Brüssel vor, einen Generalstab für eine eigene Eingreiftruppe zu bilden. Ab 2004 soll der Generalstab, unabhängig von der NATO seine Arbeit aufnehmen. Damit wurde eine Idee aufgegriffen die innerhalb der EU schon länger debattiert und vorbereitet wird: eine eigene EU- Verteidigungsunion.  Diese Kerneuropäische militärische Formation bezeichnet sich selbst als eigenständiges Machtzentrum. Es läuft der Versuch, gemäß den alten Planungen andere europäische Länder in das deutsch- französische Kriegsboot zu holen. Mit dem EU- Gipfel in Nizza im Dezember 2000 wurde die Schaffung einer eigenen 60000 Mann starken Interventionsarmee beschlossen. In der damaligen Erklärung ist zu lesen: „ Es ist Notwendig eine Truppe zu unterhalten, die innerhalb von 60 Tagen mobilisiert werden kann und unabhängig von der NATO in großer Entfernung eingesetzt werden kann“. Worum es geht brachte damals schon der französische Präsident Chirac auf den Punkt. Chirac sagte in Nizza: „Falls Europa aus eigenen Gründen zu intervenieren wünscht, wo die USA nicht involviert sein möchte, hat es die Mittel dazu zu haben“.  Schröder wollte zwar in Brüssel den Eindruck vermeiden, daß sich die „Europäische Sicherheits und Verteidigungspolitik ( ESVP ) gegen die USA richten würde, aber dieser Versuch scheiterte kläglich. Erklärten doch die Verteidigungsminister der BRD und Frankreichs im Januar dieses Jahres: „ Frankreich und Deutschland betrachten die Entwicklung  der ESVP als eine der herausragenden politischen Gestaltungsaufgaben. Sie waren es, die den Gedanken einer gemeinsamen europäischen Verteidigung bereits in den Vertrag von Maastricht eingebracht haben“.  So stand es in der FAZ am 24.01.03 zu lesen. Nach dem Treffen in Brüssel, schwelgte die  „Kinder FAZ“, die TAZ in Wohlgefallen.  Selbstverständlich findet die TAZ die EU- Armee toll, da dadurch ein „friedenspolitisches Gegengewicht zu den USA entstünde“. Im bürgerlichen deutschen Pressewald wird das neue militärische Monster abgefeiert. Mit offensichtlicher Begeisterung berichtete die SZ am 3.5.03 über die Tagung der europäischen Außenminister, besonders belobigt wurde der Grieche Papandreou der als Tagungsleiter folgenden Satz prägte:“ Europa muß erwachsen werden und eine eigene Verteidigungsdoktrin entwickeln“. Genüßlich wird in dem Artikel Joschka Fischer zitiert, der laut und deutlich eine eigenständige europäische Rolle in Sicherheitsfragen einklagte. Der böse Bube war für die SZ der Brite Tony Blair der kürzlich der EU- empfahl: „ Die unilaterale Führung der USA nicht in Frage zu stellen“.

 Ein deutsch dominiertes Europa gegen die USA

„Unsere Verteidigung beginnt am Hindukush“ erklärte vor einiger Zeit der deutsche Verteidigungsminister Struck. Die Betonung lag auf UNSERE. Dieses UNSER, steht im Gegensatz zu den USA. Mit der Schaffung der ESVP zieht das zusammengeschusterte europäische „Möchtegern-Imperium“ die Konsequenzen aus gegebenen weltpolitischen Lage. Selbsttätig sollen militärische Einsätze führbar  werden. Der deutschen Elite ist bewußt, daß Deutschland alleine keine erfolgversprechenden militärischen Einsätze führen kann. Demzufolge wird als Spielpartner Frankreich hinzugezogen, gegenüber diesem Land sind  die Rivalitäten weniger stark entwickelt, als zu den USA. Die deutsch-französische Kooperation ist nötig, um einen militärischen Machtfaktor auf das Spielfeld zu schicken.  Es wird die Konsequenz gezogen aus den Erfahrungen des Irakkrieges. Friedlich wollte die deutsche Industrie den arabischen Raum durchdringen und noch im letzten Jahr anläßlich der Handelsmesse in Bagdad, forderte die Creme der deutschen Industrie eine Aufhebung des Embargos gegen den Irak. Das traf sich mit den französischen Interessen, speziell mit den Optionen der französischen Firma Elf für ein kommendes Irakgeschäft. Auch Rußland hat neben Milliardenforderungen an den Irak mit dem alten Regime Vorverträge für die Nutzung diverser Ölquellen geschlossen. Diese friedliche Option, den Raum im eigenen imperialen Interesse zu durchdringen, ist gescheitert. Die herrschenden Kreise „Kerneuropas“ begriffen das ihnen um mit dem belgischen Außenminister zu sprechen „die nötigen militärischen Mittel während der Irakkrise fehlten, um diplomatischen den USA entgegentreten zu können“. Es bestätigt sich, die brecht´sche Erkenntnis, daß die Imperialisten keinen Krieg wollten, aber ab einer gewissen Stufe müssen sie ihn wollen, denn das friedliche Getue und der reaktionäre Bezug auf die UNO sind zu wenig, um gegen die USA anzutreten. Es besteht die Notwendigkeit über eigenständige hochtechnologisierte militärische Verbände zu verfügen, um eigene Interessen wahrzunehmen. Selbstverständlich ist man in Sachen Wehrkraft den USA weit unterlegen, deshalb wird fieberhaft an einer europazentrierten Militärplanung unter Ausschluß der US-Konkurrenten gearbeitet. Bereits m 14. Oktober 1999 wurde die Gründung der „European Aeronautic Denfense and Space Company“ die EADS in Straßbourg bekanntgegeben.

Wer ist die EADS?

Im wesentlichen ein Zusammenschluß der Daimler-Tochter DASA und der französischen Aèrospatiale. In der DASA ist seit 1989 praktisch die gesamte deutsche Luftfahrtindustrie zusammengefaßt. Der wichtigste Anteilseigner bei Daimler ist die Deutsche Bank. Die EADS ist Weltmarktführer in den Marksegmenten leichte und mittlere militärische Transportflugzeuge. Mit dem schweren Transportflugzeug erwartet EADS eine breite Palette taktischer und militärischer Transportflugzeuge anbieten zu können und einen Markt mit hohem Ersatzpotential zu erobern, der bisher von Lockheed Martin beherrscht wurde. Neben dem flexiblen Transport von Militärstreitkräften zwischen Kontinenten soll dieses neue Flugzeug den neuen geopolitischen Erfordernissen, insbesondere der zunehmenden Anzahl bestimmter Missionen Rechnung tragen. So beschrieb die FAZ vor einiger Zeit die Zukunftsperspektive des Airbus A400M. Die Entwicklung dieses Transportflugzeuges geht einher mit der eines strategischen Tankflugzeuges auf der Basis des A400, was der Aggressionsfähigkeit Europas in der Welt ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Im Jahr 2002 begann man mit der Auslieferung des Eurofighters, früher bekannt unter dem Namen Jäger 90. Der Eurofighter, der von den „Rot-Grünen“ in der Regierung akzeptiert und bezahlt wird, garantiert der EADS 25 Milliarden Euro Umsatz und einen Anteil von geplanten 22% am Weltmarkt. Die EADS hält bewußt amerikanische Kapitalbeteiligungen draußen und bekommt jetzt eine kerneuropäisches Beschaffungsamt, daß der neue Generalstab entsprechend betreuen wird. Die US-amerikanische Wirtschaftspresse ist entsprechend sauer.  Das Imperium USA sieht sich politisch, ökonomisch, militärisch und ideologisch herausgefordert, durch das neue „Imperium“ Kerneuropa, daß sich noch mit einem russischen Rohstoffrumpf ausstatten will.

 „Kerneuropa“ nimmt die Herausforderung an.

Die USA drehten Syrien, nach der Besetzung des Irak, den Ölhahn ab. Syrien bezog bis vor kurzem die Masse seines Öls, aus dem Irak. Die deutsche Wirtschaft ist getroffen, denn in den Wirtschaftsstatistiken tauchte Syrien im letzten Jahr, als einer der wichtigsten Öllieferanten  Deutschlands auf. In Syrien selbst ist die französische Firma Elf aktiv, aber auch russische Unternehmen sind vor Ort. Bekanntlich gehen die rentablen Verträge für den Wiederaufbau des Irak an US-Unternehmen, der Zugriff auf Ölquellen wird selbstverständlich auch unter US-Regie gemanagt. George W. Bush forderte kürzlich Deutschland, Frankreich und Rußland auf, ihre Milliarden- Forderungen an den Irak ersatzlos zu streichen. Empört wiesen die „Friedenspolitiker“ aus der sich bildenden Achse Paris-Berlin-Moskau dieses Ansinnen von sich. Statt dessen beharren sie auf einem UNO-Mandat für den Irak, damit ihre Firmen ins Geschäft kommen Dieses „Spiel ohne Grenzen“ ist ein Ausdruck dafür, daß die weltweit operierenden Konzerne, nach wie vor an ihre nationalstaatlichen Heimatbiotope gebunden sind. Diese Heimatbiotope  werden weltweit auf das Spielfeld gebracht, um knallhart Interessen durchzusetzen. Die friedliche Konkurrenz muß ab einer gewissen Stufe, der weltwirtschaftlichen Krise durch außerökonomische Maßnahmen ersetzt werden. Die Intensivierung und der Aufbau der kerneuropäischen Truppe belegen, daß imperiale Mächte wie Deutschland, neben der aggressiven Friedensrhetorik, an eine militärische Struktur gebunden sind. Die NATO wird durch die EU- Truppe mit der Betonung auf Eigenständigkeit grundsätzlich in Frage gestellt. Wie eng Krieg und Frieden zusammenhängen belegt ein Blick in die Financial Times Deutschland am 24. Januar 2003 dort wird der belgischen Ministerpräsidenten Guy Vererhofstadt mit folgenden Worten zitiert: „Es ist paradox, aber je mehr Menschen auf unseren Straßen für den Frieden demonstrieren, desto dringender wird der Ausbau einer wirklich europäischen Verteidigungspolitik“.

Editorische Anmerkungen
Max Brym stellte uns diesen Artikel zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München. Im Partisan.net hat er seine Homepage.