Editorial
Gedankenbrei

von Karl Müller

05/03
 
 
trend
onlinezeitung

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Was haben ein Zimmerspringbrunnen und unsere onlinezeitung "trend" gemeinsam? Seltsame Frage. Hier die Antwort:

Beide dienen als Unterrichtsmaterial für den Deutschunterricht in der Sekundarstufe II. Die "Stark-Verlagsgesellschaft" beliefert nämlich im Abo StudienrätInnen mit Handreichungen für den Deutschunterricht.  In der Ergänzungslieferung 729-51 vom Ende des Jahres 2002 heißt es in den didaktischen Vorbemerkungen, dass die ausgesandten Handreichungen für "die Erziehung zum kritischen Umgang mit visuellen Medien" nützlich sein sollen.

Der 1995 erschienene Roman von Jens Sparschuh "Der Zimmerspringbrunnen" erfüllt noch "auf Jahre hinaus" diese Intention schreibt Stark; gerade auch deshalb, weil es durch den 2001 von Peter Timm ("Go Trabi go") produzierten gleichnamigen Film die "motivierende Chance der Aktualität" gibt. Und wie es immer so im Alltag der deutschen Staatsschule abläuft: Arbeitsblätter zur Erschließung und Erbauung der GymnasiastInnen dürfen nicht fehlen.

Nun kommt der "trend" ins Spiel: Mit dem  Arbeitblatt "AB1 Politische-soziale Hintergründe: Abwicklung" sollen die GymnasiastInnen nicht nur Paralellen zu Sparschuhs Roman herausarbeiten, sondern die "wesentlichen Aussagen des Textes" wiedergeben. Und der Text ist ein Auszug aus "Aus, Schluß, vorbei?" erschienen in trend 1/99. 

Bleibt nun zu hoffen, dass wir mit Hilfe dieser didaktischen Handreichung einige StammleserInnen dazu gewonnen haben. Diese müssen sich allerdings ebenso wie die uns seit Jahren treuen LeserInnen daran gewöhnen, dass beim trend das Meiste anders läuft als in herkömmlichen Zeitungen, gerade auch gegenüber anderen linken Onlinemagazinen ist dies hervorzuheben. 

Wichtigstes Merkmal: Trend ist (im linken Spektrum) strömungsübergreifend. So werden beispielsweise Texte von Robert Kurz ebenso veröffentlicht, wie die von Stefan Grigat, der von Kurz  z .Z. aufs Schärfste bekämpft wird. Doch dieses - von einigen verächtlich als zentristisch qualifizierte Prinzip - hat natürlich seine Grenzen. Bildlich gesprochen: am rechten Rand.

Die Ethnisierung des Sozialen - zentraler Programmpunkt rechten Denkens - erscheint mir als die zur Zeit wichtigste ideologische Schnittstelle, die aber von Linken bei ihren Querfrontrecherchen beständig vernachlässigt bzw. übersehen wird. Wenn Linke diese Ethnisierung unkritisch (sprachlich/begrifflich)  mitmachen, verbreitern sie im öffentlichen Raum die Einflußbereiche rechten-völkischen Denkens und werden - ohne dass sie es wollen - selber zu QuerfrontlerInnen.”

Auch die trend-redaktion und die AutorInnen sind prinzipiel gefährdet, zu nützlichen Idioten einer rechten Denke zu werden, die aus der Mitte der Gesellschaft kommt bzw. sich dort wärmt, um als medial vermittelter rechtslastiger Gedankenbrei Eingang in unsere linke Textproduktion zu finden.

Als Seismograph dafür erscheinen mir u. a. die aktuellen Texte zum den Irak-Krieg. Da ist schwupdiwupp - ohne großes Nachdenken - von den USA, den Juden, den Palästinensern die Rede. Kurzum: je nach Lesart und Verständnis werden Staaten als Personen behandelt und es ist von in Rassen und Völkern klassifizierten Menschen die Rede.

Diese Imaginationen mögen für den Einzelnen vielleicht noch nützlich sein, um als Monade im Alltag der spätbürgerlichen Gesellschaft scheinbar Orientierung zu bewahren und Haltung anzunehmen. Für linke Texte sollte so etwas tabu sein.