Und diese Antworten müssen wir möglichst schnell finden! Die vergleichbare Gemütlichkeit, mit der wir in der Zeit vor Corona agieren konnten, ist jetzt vorbei. Alle Menschen, die das Ziel einer für alle besseren, gerechten und freien Welt nicht einfach stillschweigend begraben wollen, müssen jetzt leider viel mehr Risiko eingehen, als es noch vor kurzem der Fall war und schwerer noch, müssen wir viel mehr Mitstreiter_innen finden, als wir sie bisher hatten!
Unter diesen Umständen
wollen wir diesen 1. Mai
dafür nutzen, neue (oder
alte auffrischende)
Erfahrungen mit klandestinem
(verdecktem, subversivem)
Handeln zu sammeln. Es wird
eine große Herausforderung,
dem Bullenapparat ein
Schnippchen zu schlagen und
gleichzeitig viele Menschen
mit unseren Ideen und
Diskussionsbeiträgen zu
erreichen.
Dafür brauchen wir Geschick,
Organisation,
Entschlossenheit, viel Witz
und ein klein bisschen
Glück.
Unser Vorschlag geht so: Kommt am 1. Mai in Wuppertal auf die Straße! Organisiert euch in Bezugsgruppen, seid aktionsbereit, in der Lage euch unauffällig zu bewegen und möglichst mobil dabei. Wenn ihr keine Infos zu organisierten Aktionen habt, wartet nicht auf diese, sondern handelt autonom! Wir fordern auch explizit Menschen und Zusammenhänge aus anderen Städten auf, die Reise nach Wuppertal zu wagen!
Es wird organisierte Aktionen geben! Haltet unbedingt Augen und Ohren offen, um an die entsprechenden Infos zu kommen. Seid flexibel und denkt mit. Das letzte Jahr hat gezeigt, dass wir die Bullen auf dem falschen Fuß erwischen können! Was folgt, ist also Streich zwei unter erschwerten Bedingungen. Der 1. Mai kann nicht konsumiert werden – ob das Vorhaben gelingt, hängt von uns allen ab!
Treffpunkt ist wie
jedes Jahr, das Autonome
Zentrum um 14 Uhr. Ihr seid
schlau, ihr wisst Bescheid!
Was jedoch in diesem Jahr
aller Voraussicht nach nicht
wie in üblicher Form
stattfindet, ist das
Straßenfest nach der
Demonstration auf dem
Schusterplatz.
Ja – die Zeiten schreien nach Revolution! Und das nicht erst seit Corona. Wo wir hinschauen, Klimakrise oder Kriege und weltweite Bewegungen von Flüchtenden, die über den Planeten ziehen. Nicht zu vergessen, die brutale Ausbeutung. Überall Verhältnisse auf die sich keine, auch nur ansatzweise menschliche Lösung in den herrschenden kapitalistischen Zuständen andeutet. Aber „Lösungen“ an sich haben die Herrschenden genug, die eine ist fieser und brutaler als die andere.
Die Corona-Pandemie verschärft diese Verhältnisse! Die tiefe Menschenverachtung, die aus dem Umgang der Europäischen Union mit den in Lager gepferchten Menschen auf den griechischen Inseln hervorgeht, spricht Bände. Während für deutsche und europäische Urlauber_innen Luftbrücken geschaffen werden, oder Menschen aus Osteuropa unter miesester Bezahlung, hygienisch untragbaren Bedingungen und somit bewusster Inkaufnahme von Infektionen zur Spargelernte eingeflogen werden, werden die ohnehin schon katastrophalen Zustände zugespitzt. Wenn die Bundesregierung sich dann äußert, ganze 50 Jugendliche aus den Lagern nach Deutschland zu holen, ist das reinster Zynismus und an Widerwärtigkeit kaum zu überbieten. Wie der kapitalistische Markt funktioniert ist nicht neu und dennoch erzeugt es bei uns ein unfassbares Gefühl von Wut, Trauer und Hilflosigkeit. Der Tod und das Leid tausender Menschen wird zugelassen und bewusst erzeugt, weil diese nicht verwertbar sind.
Zwei Monate sind seit den
rassistischen Anschlägen in
Hanau vergangen und in der
Flut der Corona-Nachrichten
droht die Aufmerksamkeit und
das Gedenken an die Opfer
(nicht nur in den Medien) zu
verschwinden. Für die
betroffenen Menschen in
Hanau sind aber die Trauer,
Angst und Wut nicht
verschwunden. Die Angst
bleibt, dass sich eine
solche Tat wiederholen
könnte, dass einfach wieder
zur Tagesordnung
übergegangen wird, dass
vergessen wird.
#SayTheirNames – In
Erinnerung an:
Ferhat Unvar
Gökhan Gültekin
Hamza Kurtović
Said Nesar Hashemi
Mercedes Kierpacz
Sedat Gürbüz
Kalojan Velkov
Vili Viorel Păun
Fatih Saraçoğlu
Während in den letzten
Wochen und Monaten
Politiker_innen Migration
erneut zum Problem erklären,
anstatt den Rassismus in den
eigenen Institutionen zu
bekämpfen, schaffen sie
einen Nährboden für rechte
Gewalt und für weitere
rassistische Taten. So wurde
am 7. April der 15-jährige
Êzîde Arkan Hussein Khalaf
in Celle brutal ermordet.
Aus seiner Heimat, dem
Şengal im Nordirak,
flüchtete er mit seiner
Familie 2014 nach dem
Völkermord an den Êzîd_innen
durch den selbsternannten
„Islamischen Staat“ (IS).
Wie viele Andere suchte er
hier Schutz vor Gewalt und
Verfolgung und wurde dennoch
am 7. April von einem
Deutschen erstochen. Die Tat
erinnert an weitere Morde an
Menschen mit migrantischem
Hintergrund. Genau deshalb
muss in dieser Situation
über Rassismus als eine
Motivation für diese
tödliche Gewalt gesprochen
werden.
Wir werden weiter genau
hinsehen und gegen jeden
Rassismus und Faschismus im
Alltag, auf der Straße, in
den Institutionen und in der
Politik sowie Gesellschaft
kämpfen. Wir gedenken allen
Opfern rechter und
rassistischer Gewalt in
Deutschland und weltweit.
Die autoritäre Formierung
zeigt sich aktuell auch in
ganzer Deutlichkeit. In
Wuppertal kennen wir den
Polizeistaat zunehmend, seit
Polizeipräsident Röhrl
seinen Feldzug gegen die
Autonomen, gegen
Migrant_innen, gegen alle
die ihm nicht passen
begonnen hat. Ständige
Kontrollen unter Missachtung
jeglicher Privatsphäre,
Razzien unter dem Label
„Bekämpfung der
Clankriminalität“,
Kriminalisierung ganzer
Gruppen sind alltäglich
geworden. Die Geschichten
sind nicht neu und werden
immer weiter geschrieben.
Doch besser werden sie
nicht. Die Coronasituation
wirkt da wie die
Legitimation aus dem Krimi
einen Thriller zu machen,
neue Charaktere einzufügen
und die Spannungen zu
steigern. Die Geschichte des
autoritären Staates, des
unerbärmlichen Kapitalismus
und der ständigen
Überwachung ist die
Gruselgeschichte, die uns
aus diversen Gründen nachts
nicht schlafen lässt. Selbst
das den Demokrat_innen sonst
so wichtige Grundgesetz wird
mit einer Leichtigkeit
ausgehebelt. Die Polizei und
deren Recht&Ordnung-liebende
Begleiterscheinung das
Ordnungsamt, dürfen sich nun
noch willkürlicher als
ohnehin schon, als exekutive
Aufseher_innen der Nation
aufführen und fleißig
„Anzeigen gegen das
Infektionsschutzgesetz“
verteilen. Da wird so
mancher Beamt_innentraum
wahr…
Auch die geplante
Überwachung mittels einer
Corona-App oder das
Weitergeben von
Infiziertenlisten durch
Gesundheitsbehörden an die
Polizei lässt jegliche
Persönlichkeitsrechte unter
dem Deckmantel des
gemeinsamen
Infektionsschutzes
verschwinden. Diese nicht
neue, aber rasant gewachsene
Entwicklung ist gefährlich.
Denn wenn die Daten einmal
gesammelt sind, ist die
Verlockung groß diese auch
zu nutzen – nicht nur für
den Zweck des vermeintlichen
Infektionsschutzes. Wenn
Gesetze einmal beschlossen
sind, Daten erhoben und
Befugnisse erteilt, ist es
manchmal kompliziert dieses
wieder rückgängig zu machen.
Das Akzeptieren dieser
autoritären Maßnahmen bietet
den Nährboden für weitere
Verschärfungen. Eine
Begründung dafür wird der
Staat immer finden – nur
werden wir diese nicht
hinnehmen!
Die Pandemie, die jetzt alle
verrückt macht und die ja
tatsächlich noch unzählige
Menschenleben kosten wird,
wäre übrigens längst nicht
so eine Katastrophe, gäbe es
eine weltweite solidarische
Gesundheitsversorgung. Auch
in Deutschland, wo es wieder
Mal im Vergleich noch gut
aussieht, wurde das
Gesundheitssystem in den
letzten Jahrzehnten von
Gesundheitskonzernen wie
u.a. Helios, Asklepios, Sana
und Agaplesion ausgepresst.
Bezahlen müssen das die
Patient_innen und das massiv
ausgebeutete Pflegepersonal,
welches von den Milliarden,
die die Konzerne vom Staat
bekommen, mal wieder nichts
sehen soll. Die Ausbeutung
trifft neben dem Pflege- und
Medizinpersonal auch andere
Berufe, die „das System am
Laufen halten“ –
Einzelhandelsmitarbeiter_innen,
Zusteller_innen, Logistik,
soziale Berufe… Anstelle von
Lohnerhöhungen und
Unterstützung gibt es Lob
durch Politiker_innen,
Applaus am Fenster, die Ode
an die Freude und die
allgemeine Übereinstimmung,
für den Klassenerhalt
unerlässlich zu sein –
gemeinsam schaffen „wir“
das. Tja, wer braucht da
wohl noch mehr Lohn?
Auch sind unsere Gedanken
bei den Menschen, die
ohnehin schon unter
massivsten
Freiheitseinschränkungen
leiden. In den Knästen sind
die Maßnahmen noch einmal
härter als sonst und das
(Über-)Leben der
Eingeknasteten hängt
besonders in dieser
Situation an der Willkür des
Systems. Schutzmaßnahmen,
wie Abstand zu anderen oder
Hygienestandards, wie
Desinfektion werden nicht
eingehalten oder die
Menschen werden noch mehr
als sonst isoliert. Nicht
verwunderlich, richtig und
auch notwendig, dass es im
Zusammenhang mit der
Pandemie in verschiedenen
Staaten zu Ausbrüchen und
Revolten gegen das
Knastsystem kam, teilweise
mit Schwerverletzten und
Getöteten, teilweise mit
erfolgreicher
Fluchtgeschichte. Hier
möchten wir die Revolten in
dem Frauenknast in Thiva,
nach dem Corona-Tod einer
Gefangenen die keine
medizinische Hilfe bekam,
den Aufstand im
Abschiebeknast Gradisca
D`Isonzo nachdem Gefangene
in Hungerstreik getreten
waren oder den Ausbruch von
1350 Gefangenen während
Riots in brasilianischen
Knästen an nur einem Tag
erwähnen. Ebenso in Spanien,
Portugal und sonstwo auf der
Welt lassen sich dieser Tage
die Geschichten von
Aufständen, Ausbrüchen und
Hungerstreiks in den
Gefängnissen erzählen.
Aber auch durch die
repressiven Maßnahmen und
die allgegenwärtigen
Kontrollen „draußen“ werden
Opfer gefordert. Im
französischen Béziers nahm
die Stadtpolizei am 9. April
Mohamed Gabsi gewaltsam
fest, da sich der 33-jährige
ohne festen Wohnsitz nach
der verhängten Sperrstunde
auf der Straße aufhielt.
Bewusstlos wird der Vater
von drei Kindern in einem
Polizeiwagen zum
Polizeirevier verschleppt,
wo er leblos aufgefunden
wird. Im Stadtteil
Anderlecht in der belgischen
Hauptstadt Brüssel kam es am
11.04. zu Riots, nachdem der
19-jährige Jugendliche Adil
starb als er vor einer
Polizeikontrolle im Rahmen
der Ausgangssperren fliehen
wollte und von einem
Polizeiauto angefahren
wurde. Die ganze Nacht über
flogen Steine, Bullenkarren
brannten und die Cops wurden
angegriffen. Die Wut über
den Tod des Jugendlichen
entflammte in dieser Nacht
und traf die Staatsmacht.
Auch im chinesischen Wuhan
kam es zu einem Aufstand,
nachdem die Bewohner_innen
daran gehindert wurden ihre
Region zu verlassen. Die
Menschen dort griffen
ebenfalls die Cops an, um
sich gegen diese repressive
Einschränkung ihres Lebens
zu wehren, genau wie in
Kapstadt oder im englischen
Bristol, wo die Cops nach
Verkündung der
Ausgangssperre Jugendliche
belästigten und als Antwort
Steine und Flaschen bekamen.
To be continued…
Auch das #stayhome-Privileg
soll an dieser Stelle nicht
unerwähnt bleiben. Zuhause
bleiben kann nur, wer ein
sicheres oder überhaupt ein
Zuhause hat. Anstatt
Menschen ohne Unterbringung
zu versorgen, werden sie
kriminalisiert, wenn sie
sich an ihren Plätzen
aufhalten, weil sie gegen
das Infektionsschutzgesetz
verstoßen würden. Auch
steigt die Gewalt im
häuslichen Umfeld durch die
akute Situation – keine
Möglichkeit, sich woanders
(Freund_innen, Cafés, etc.)
aufzuhalten, unbestimmte
Zukunft, finanzielle
Unsicherheit durch
beispielsweise Jobverlust
oder Kurzarbeit. Auch die
sozialen Folgen der akuten
Lebensumstände müssen
thematisiert werden. Neben
den fehlenden
zwischenmenschlichen
Kontakten gehört die
Abstraktion menschlicher
Kontakte durch Videochats
und Messenger zu den Dingen,
die uns Sorgen bereiten.
So bleibt eines eindeutig:
Wer sowieso schon
unterdrückt, ausgebeutet,
erkrankt, abgehängt und
isoliert ist, den_die trifft
die akute Situation und die
Folgen der Pandemie enorm.
Wenn die Wirtschaft über den
Menschen steht,
Arbeiter_innen ihre
Gesundheit riskieren müssen,
notwendige Schutzmaßnahmen,
wie das zur Verfügung
stellen von ausreichendem
Schutzmaterial nicht
getroffen werden, dafür aber
das Sitzen auf einer Bank
zur Straftat wird, zeigt
sich noch einmal in aller
Deutlichkeit, warum wir
dieses System, welches uns
krank macht, uns ausbeutet
und uns zwingt, den Profit
über unser Wohlergehen zu
stellen, so sehr verachten.
Doch gibt es neben der
ganzen Gesamtscheiße, die
sich momentan wieder in
ihrem vollen Glanz
präsentiert, auch Dinge, die
uns erfreuen. So gab es in
diesem Jahr rund um den 8.
März wieder viele gute
Aktionen. In Wuppertal hat
die
anarcha-queer*feministische
Nachttanzdemo erfolgreich,
laut und kämpferisch, aber
nicht ohne Polizeirepression
stattgefunden. In anderen
deutschen Städten und
weltweit sind millionen
FLINT* auf die Straße
gegangen und haben
demonstriert oder sich zu
anderen Aktionsformen
entschieden, um ihre Wut
gegen die patriarchalen
Verhältnisse zum Ausdruck zu
bringen. An dieser Stelle
grüßen wir das
anarcha-queerfeministische
Hausprojekt Liebig34 in
Berlin, die am 30.04. ihren
Gerichtstermin zur
Räumungsklage haben.
Wir sind uns sicher, dass
die nächsten Jahre hart
werden. Wann das
Pandemie-Regime endet, ist
unklar und es ist sicher,
dass es in ein
Wirtschaftskrisenmanagement-Regime
übergeht. Auch über andere
Langzeitfolgen und deren
Ausmaße können wir nur
spekulieren. Aber was uns in
den letzten Wochen wirklich
Mut gemacht hat, sind die
beginnenden weltweiten
Aufstände. Und auch quer
durch die Republik gab es
zunehmend mehr
Demonstrationen,
Kundgebungen und sogar
militante Aktionen. Dass es
doch einige Menschen gibt,
die sich von den
verschärften Bedingungen
nicht lähmen lassen, gibt
uns Hoffnung und wir werden
viel, viel Kraft benötigen.
Die Krise ist da und mit ihr
endet die Welt, wie wir sie
kannten und ein neues
Kapitel wird aufgeschlagen.
Daran wird niemand etwas
ändern können. Doch dabei,
wer die Krise bezahlt und
wie dieses neue Kapitel
aussehen soll, wollen wir –
verdammte Scheiße! – ein
Wörtchen mitreden!
Shut down capitalism – Für die soziale Revolution!
Wir grüßen die 1.Mai-(Vorabend-)Demos und Aktionen in Hamburg, Leipzig, Berlin, London, Basel, Hannover, Paris, Nürnberg, Greifswald, Köln, Bern und alle Menschen auf der Welt, die nicht nur am 1. Mai und trotz Ausnahmezustand auf die Straße gehen! Und natürlich alle Menschen, die sich in Hamburg, Erfurt und sonstwo den Nazis und Rechtspopulist*innen entgegen stellen!