Ende
März hat das Magazin „Der Spiegel“
Dokumente zugespielt bekommen, wonach
bei der Bundeswehr die Mobilisierung zum
größten Inlandseinsatz ihrer Geschichte
angelaufen ist.
Die Bundeswehr schickt 15 Tausend
Soldaten wegen der Krise auf dem
Gesundheitssektor („Coronaviruskrise“)
in den Inlandseinsatz.
Friedensbewegung, Linke und Demokraten
überlegen nicht zu unrecht, ob dies nicht
eine Gefahr ist und eine Diktatur gegen die
Mehrheit der Menschen droht. Faschismus,
Militärdiktatur und Militarismus hat in
Deutschland und vielen Staaten lange
Tradition aber wäre das auch heute möglich ?
Um dies zu ergründen ist es nötig das
Kräfteverhältnis zwischen Militär und
Zivilgesellschaft damals und heute zu
vergleichen. In den 1980er Jahren wimmelte
Deutschland sozusagen noch vor Soldaten. Das
aktive Feldheer der Bundeswehr hatte rund
500 Tausend Wehrpflichtige und
Berufssoldaten, hinzu kam das sogenannte
Territorialheer das aus militärisch
ausgebildeten Ex Berufssoldaten und Ex
Wehrpflichtigen bestand, das innerhalb von 2
Wochen auf stärke von 1 Millionen Soldaten
mobilisiert werden konnte und für die
Ausrüstung, Waffen und Munition eingelagert
waren. Zusätzlich waren über 1 Million
Soldaten von vielen Nato Staaten, auch aus
USA, Frankreich und Kanada, ständig in
Deutschland stationiert. Und dies nur in der
kleinen und früheren BRD, die DDR hatte
selbst jeweils Hunderttausende Soldaten,
Reservisten und Betriebskampfgruppen nebst
einer gleich großen Zahl stationierter
Truppen des Warschauer Paktes auf ihrem
Gebiet stationiert. Grob geschätzt gab es in
beiden deutschen Staaten auf Ca. 80
Millionen Einwohner mindestens 5 Millionen
Soldaten, was 16 Prozent Soldaten in der
Einwohnerschaft bedeutet, also 16 Soldaten
unter 100 Einwohner. Massive
Polizeieinheiten und diverse
„Staatssicherheiten“ in beiden deutschen
Staaten natürlich nicht mitgezählt.
Heute ist
der Anteil sämtlicher Soldaten in ganz
Deutschland im Vergleich zur Bevölkerung
etwa nur noch 0,35 Prozent, also rund 1
Soldat auf 300 Einwohner. Hinzu kommt das
die Bundeswehr jedoch bereits bei
Auslandseinsätzen etwa zur Hälfte gebunden
ist, wodurch derzeit dann etwa 1 Soldat auf
600 Einwohner kommt. Die 15 Tausend Soldaten
sind eigentlich fasst alles was die
Bundeswehr heute für diesen Inlandseinsatz
abkommandieren kann.
Die zahlenmäßig radikale Abnahme der Zahl
der Soldaten zeigt natürlich bereits eine
wesentliche Verschiebung des
Kräfteverhältnisses vom Militär und der
wachsenden Zivilgesellschaft andererseits,
an. Die Quantität ist aber noch lange nicht
alles, die Qualität im Verhältnis verschiebt
sich ähnlich dramatisch zu Gunsten der
Zivilgesellschaft. Schauen wir uns also die
einzelnen Bereiche an in denen die
Bundeswehr aktiv werden soll und Vergleichen
sie mit dem Potential der Zivilgesellschaft:
2500 der 15 Tausend Soldaten mit 500
Lastwagen sollen Transporte, Lagerung und
Logistik übernehmen. Diese Zahl entspricht
jedoch lediglich einer einzigen und
Mittelgroßen Spedition in Deutschland, von
denen es jedoch viele Hunderte und
zusätzlich unzählige kleinere und auch viele
Größere gibt. Und diese Speditionen sind
Fachfirmen auf ihrem Gebiet mit Fahrzeugen
und Logistiksystemen die hochentwickelt und
hocheffizient sind, die alles was man
braucht sogar über Nacht liefern können. Die
Bundeswehr hat hingegen meist eher
geländegängige und kompakte Fahrzeuge und
Systeme für ihren Eigenbedarf mit viel
geringerer Transportleistung. Beim
Personentransport ist der Unterschied ebenso
krass, zivile Bahnen, Flugzeuge und Busse
lassen die militärischen Personentransporte
in Kapazität und Schnelligkeit extrem weit
hinter sich.
5500 der 15 Tausend Bundeswehrsoldaten nebst
600 Militärpolizisten (Feldjägern) sollen
für „Absicherung und Schutz“, also für
Wachdienst eingesetzt werden. Auch und
gerade in diesem Bereich sind jedoch zivile
und private Wachdienste viel effizienter und
in erheblich größerer Zahl im Einsatz.
Eigentlich reicht diese Zahl von 15 Tausend
Wachsoldaten nicht einmal um die eigenen
Bundeswehrkasernen, Flugplätze, Depots usw.
zu bewachen, weshalb sie selber im Jahr 400
Millionen Euro für private Wachdienste
verausgabt, die diesen Schutz der Immobilien
und Anlagen der Bundeswehr übernehmen. An
die Möglichkeit einer flächendeckenden
Bewachung von Regierungsgebäuden,
Verwaltungsgebäuden, Bahnhöfen,
Wasserwerken, Kraftwerken, Bahn und
Straßenverbindungen und sonstiger
Infrastruktur ist gar nicht zu denken. Auch
nicht an die Überwachung von
Demonstrationsverboten, Ausgehverboten und
ähnlichem denn das könnten die zusammen 6100
Bundeswehrsoldaten gerade einmal für eine
Stadt wie Stuttgart erreichen, nicht aber
Flächendeckend für ein ganzes Bundesland
oder gar für alle Bundesländer. Die 5500
Bundeswehrsoldaten inklusive der 600
Feldjäger und Militärpolizisten können also
für „Absicherung und Schutz“ nur vereinzelt
Schwerpunkte bilden und sonst tätige
Polizeieinheiten und Private
Sicherheitsdienste da und dort etwas
unterstützen.
Die 18 Dekontaminationsgruppen mit 250
Soldaten bringen natürlich im Vergleich zu
Zivilgesellschaftlichen Einrichtungen auch
keine nennenswerte Leistung. Jede kleine
Großstadt hat erheblich mehr zivile
Laborkapazität und viel mehr Waschanlagen
für Fahrzeuge und Personen als die
Bundeswehr mit ihren 18 Gruppen, deren
Ausrüstung auch überwiegend für Eigenbedarf
unter Kriegsbedingungen ausgelegt ist.
Die „Sicherheit“ obliegt also auch nach
dieser Vollmobilisierung der Bundeswehr
weiterhin bei den Landesregierungen, die mit
ihren Sondereinsatzkommandos (SEK),
Bereitschaftspolizei (BePo) und den
örtlichen Polizeipräsidien und Revieren über
entsprechendes Personal verfügen, das die
Bundeswehr bestenfalls örtlich unterstützen
kann. Und bei den unzähligen privaten Wach
und Sicherheitsdiensten, die auch schon den
Schutz der Bundeswehreinrichtungen selber
übernommen haben.
Die Reichswehr hatte im Militarismus des
Kaiserreiches noch eine zentrale Rolle,
genau wie Hitlers Wehrmacht. Dies galt nicht
nur nach außen wo Märkte, Rohstoffe usw.
unter Kontrolle zu halten und zu bringen
waren, sondern auch nach innen in der
Bedeutung als großer Konzern und
Wirtschaftsfaktor und außerdem vielfältige
Funktionen ausübten und sozusagen auch
Schule der Herrschenden Klasse zur Erziehung
breiter Schichten waren.
Der ökonomische und wirtschaftliche Aspekt
ist eigentlich auch der entscheidende, nicht
das militärische Potenzial.
Dies wird
deutlich wenn man nach Afghanistan schaut wo
einige Tausend Bundeswehrsoldaten gemeinsam
mit der US Armee und großen Nato
Streitkräften den Krieg gegen eine arme
Bauerngesellschaft verloren haben, nachdem
ähnliches auch schon in Somalia und anderen
Ländern passiert ist: Das kapitalistische
Wirtschaftssystem kann den Menschen heute
keine Perspektive mehr bieten und so nutzt
auch die stärkste Armee der Welt gar nichts
mehr. Die Menschen können nicht damit leben
und organisieren aus Familien und Clans
heraus den Widerstand, der jede Besatzung
zermürbt, obwohl diese brutalen Terror mit
Raketen und Bombenangriffen ausübt.
Einen
solchen Terror im inneren könnte sich die
Bundeswehr und auch andere Armeen in
fortgeschrittenen Ländern allerdings nicht
leisten. Eine Kraftprobe mit der
Zivilgesellschaft wäre in diesem Falle sehr
schnell entschieden, weshalb man daran wohl
erst gar nicht denken wird und kann.
Und schließlich kann und muss man anmerken
das gerade auch militärische Verbände durch
die Viruskrankheit besonders gefährdet sind.
Auf dem US Flugzeugträger Theodore Roosevelt
gab es wegen zahlreicher Krankheitsfälle
bereits einen Aufstand, weshalb die ganze
Besatzung vom Schiff geholt und der Captain
und weitere Besatzungsmitglieder
„unehrenhaft“ entlassen wurden. Auch der
französische Flugzeugträger Charles de
Gaulles ist wegen zahlreicher
Krankheitsfälle auf dem Weg zurück in das
Mittelmeer und gen Heimathafen. Sicher gibt
es noch viel mehr Beispiele auch auf
Schiffen und Kasernen der Bundeswehr und wir
erfahren nur von den Fällen, wenn sich die
Soldaten in ihrer Not und der bitte um Hilfe
an die Zivilgesellschaft und an die
Öffentlichkeit wenden.
Die Geschichte wiederholt sich also nicht,
auch wenn die Bürokraten und Herrschenden
Klassen die Kontrolle behalten und ihr
kapitalistisches Wirtschaftssystem unbedingt
noch fortsetzen wollen.
Dabei bewegen sie sich aber auf sehr
dünnem Eis und sind auf die Akzeptanz und
die Duldung durch die Gesellschaft
angewiesen. Diese
wird es aber nicht ewig geben, vor allem
wenn immer mehr Menschen mit und in diesem
zusammenbrechenden Wirtschaftssystem nicht
mehr leben können.
Der Hauptzweck und Hauptsinn dieses
Bundeswehreinsatzes im inneren besteht darin
die Bürokratie zu beruhigen, deren Autorität
durch die breite Vernetzung der Menschen von
unten schon sehr untergraben ist. Er ist ein
Sandkastenspiel und ein Bluff der längst
überflüssigen Bürokratie, die um ihre
Stellung in der Gesellschaft besorgt ist.
PER EMAIL am 12.4.2020
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