25 Jahre Schengen Abkommen
Kein Grund zum Jubeln
Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten

04/2020

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Vor 25 Jahren konnten sich viele Europäerinnen und Europäer über den Wegfall von innereuropäischen Grenzkontrollen freuen: Am 26. März 1995 setzten sieben Staaten – Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Portugal und Spanien – das Schengener Abkommen in Kraft. In den darauffolgenden Jahren wurde der Geltungsbereich des Abkommens erweitert. So gehören heute alle EU-Mitgliedstaaten und die Nicht-EU-Mitglieder Island, Norwegen sowie die Schweiz dazu. Nun sollten nicht nur ein freier Waren- und Kapitalverkehr in der Europäischen Union möglich sein, sondern auch die Freizügigkeit der Menschen in Europa. Dies gilt auch für Bürger aus „Drittstaaten“. Erteilt ein Land einem Drittstaatsangehörigen ein Visum, so kann dieser innerhalb von 90 Tagen auch in andere Schengen-Länder reisen (“Schengen-Visum“).

So positiv diese Regelungen waren, die 25 Jahre haben gezeigt, dass sie nur bedingt im Interesse der Menschen verwirklicht wurden. An drei Aspekten soll das erläutert werden.

Die erste Kritik richtete sich gegen die Verletzung der individuellen Menschenrechte durch das polizeiliche Schengen-Informations-System (SIS). Dem Exekutivausschuss wird faktisch unbeschränkte Polizeigewalt im Schengen-Gebiet zugestanden. Französische Menschenrechtsorganisationen kritisierten, dass ein Mehr an Sicherheit auf Kosten der Freiheiten der Bürger gehe. Im Zuge der Terrorismus-Hysterie wurden solche Kritikpunkte beiseite gewischt. Sie führen bis heute dazu, dass Repressalien gegen Globalisierungskritiker oder Antifaschisten, die z.B. in Lettland gegen ein SS-Treffen protestieren wollten, auf der Basis der erhobenen Daten ausgeübt werden.

Die Aufhebung der innereuropäischen Grenzkontrollen ging einher mit dem Ausbau der „Festung Europa“. So waren Portugal und Spanien gezwungen, Visazwang für Bürger aus den Maghreb-Staaten einzuführen. Sichtbar wird dies auch bei weiteren Restriktionen im grenzüberschreitenden Verkehr gegenüber Nicht-Schengen-Staaten. Insbesondere in der Aufbau der 2004 geschaffenen FRONTEX-Strukturen und ihr Einsatz gegenüber allen Menschen, die aus nachvollziehbaren Gründen auf der Flucht sind, macht deutlich, dass hier Abschottung der Außengrenzen und nicht Hilfe das Handlungsprinzip darstellt. Die „Seeaußengrenzen-Verordnung“ von 2014 verhinderte natürlich keine Fluchtbewegung, führte aber zu vielen hundert Toten im Mittelmeerraum.

Trotz Schengen Abkommen wurde auch die Freizügigkeit europäischer Bürger in Frage gestellt. Es sei nur an die Anordnung des damaligen französischen Präsidenten Sarkozy erinnert, der glaubte rumänische Roma-Familien auf aus dem Land vertreiben zu können. Als 2015 tausende Menschen auf der Flucht tatsächlich die Grenzen des Schengen Raums überschritten, wurden an der österreichisch-bayerischen Grenze die Kontrollen wieder aufgenommen – und zwar bis heute. Ein Verzicht sei "aus migrations- und sicherheitspolitischen Gründen derzeit noch nicht vertretbar“. Ähnlich reagierten Frankreich, Schweden und Dänemark - sie alle haben wieder Grenzposten an Übergängen aufgebaut.

Die Reaktion der europäischen Staaten und der Europäischen Union im Zusammenhang mit der Corona-Krise macht deutlich, dass zwar der freie Warenverkehr gewährleistet werden soll, jedoch jeder Staat seine eigene Strategie der Abgrenzung gegenüber der Außenwelt verfolgt. Ein gemeinsames solidarisches Handeln der Staaten der Europäischen Union ist nicht erkennbar.

Die FIR ist deshalb besorgt, dass durch solche Maßnahmen der europäischen Idee und der Freizügigkeit der Menschen in Europa politischer Schaden zugefügt wird.

Quelle: Zusendung per Email am 27.3.2020 durch die Autor*innen