Vor 25
Jahren konnten sich viele Europäerinnen und
Europäer über den Wegfall von
innereuropäischen Grenzkontrollen freuen: Am
26. März 1995 setzten sieben Staaten –
Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg,
die Niederlande, Portugal und Spanien – das
Schengener Abkommen in Kraft. In den
darauffolgenden Jahren wurde der
Geltungsbereich des Abkommens erweitert. So
gehören heute alle EU-Mitgliedstaaten und
die Nicht-EU-Mitglieder Island, Norwegen
sowie die Schweiz dazu. Nun sollten nicht
nur ein freier Waren- und Kapitalverkehr in
der Europäischen Union möglich sein, sondern
auch die Freizügigkeit der Menschen in
Europa. Dies gilt auch für Bürger aus
„Drittstaaten“. Erteilt ein Land einem
Drittstaatsangehörigen ein Visum, so kann
dieser innerhalb von 90 Tagen auch in andere
Schengen-Länder reisen (“Schengen-Visum“).
So positiv diese Regelungen waren, die 25
Jahre haben gezeigt, dass sie nur bedingt im
Interesse der Menschen verwirklicht wurden.
An drei Aspekten soll das erläutert werden.
Die
erste Kritik richtete sich gegen die
Verletzung der individuellen Menschenrechte
durch das polizeiliche
Schengen-Informations-System (SIS). Dem
Exekutivausschuss wird faktisch
unbeschränkte Polizeigewalt im
Schengen-Gebiet zugestanden. Französische
Menschenrechtsorganisationen kritisierten,
dass ein Mehr an Sicherheit auf Kosten der
Freiheiten der Bürger gehe. Im Zuge der
Terrorismus-Hysterie wurden solche
Kritikpunkte beiseite gewischt. Sie führen
bis heute dazu, dass Repressalien gegen
Globalisierungskritiker oder Antifaschisten,
die z.B. in Lettland gegen ein SS-Treffen
protestieren wollten, auf der Basis der
erhobenen Daten ausgeübt werden.
Die Aufhebung der innereuropäischen
Grenzkontrollen ging einher mit dem Ausbau
der „Festung Europa“. So waren Portugal und
Spanien gezwungen, Visazwang für Bürger aus
den Maghreb-Staaten einzuführen. Sichtbar
wird dies auch bei weiteren Restriktionen im
grenzüberschreitenden Verkehr gegenüber
Nicht-Schengen-Staaten. Insbesondere in der
Aufbau der 2004 geschaffenen
FRONTEX-Strukturen und ihr Einsatz gegenüber
allen Menschen, die aus nachvollziehbaren
Gründen auf der Flucht sind, macht deutlich,
dass hier Abschottung der Außengrenzen und
nicht Hilfe das Handlungsprinzip darstellt.
Die „Seeaußengrenzen-Verordnung“ von 2014
verhinderte natürlich keine Fluchtbewegung,
führte aber zu vielen hundert Toten im
Mittelmeerraum.
Trotz Schengen
Abkommen wurde auch die Freizügigkeit
europäischer Bürger in Frage gestellt. Es
sei nur an die Anordnung des damaligen
französischen Präsidenten Sarkozy erinnert,
der glaubte rumänische Roma-Familien auf aus
dem Land vertreiben zu können. Als 2015
tausende Menschen auf der Flucht tatsächlich
die Grenzen des Schengen Raums
überschritten, wurden an der
österreichisch-bayerischen Grenze die
Kontrollen wieder aufgenommen – und zwar bis
heute. Ein Verzicht sei "aus migrations- und
sicherheitspolitischen Gründen derzeit noch
nicht vertretbar“. Ähnlich reagierten
Frankreich, Schweden und Dänemark
- sie alle haben wieder Grenzposten an
Übergängen aufgebaut.
Die Reaktion der europäischen Staaten und
der Europäischen Union im Zusammenhang mit
der Corona-Krise macht deutlich, dass zwar
der freie Warenverkehr gewährleistet werden
soll, jedoch jeder Staat seine eigene
Strategie der Abgrenzung gegenüber der
Außenwelt verfolgt. Ein gemeinsames
solidarisches Handeln der Staaten der
Europäischen Union ist nicht erkennbar.
Die FIR ist
deshalb besorgt, dass durch solche Maßnahmen
der europäischen Idee und der Freizügigkeit
der Menschen in Europa politischer Schaden
zugefügt wird.
Quelle:
Zusendung per Email am 27.3.2020 durch die
Autor*innen
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