Zum Volksbegehren der Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen"
Eine Stellungnahme der MLPD

von "di/ms"

04/2019

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Die Wohnungsfrage ist in Berlin und vielen anderen Städten ein Brennpunkt wachsender Kritik am Kapitalismus und der Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative.

Hintergrund ist die Mietenexplosion, ein rasanter Verdrängungsprozess von Mietern, insbesondere aus den Innenstädten. Aber auch eine zunehmende Verarbeitung der Unwirksamkeit von Versprechungen der Regierung, sich den Problemen anzunehmen - unter anderem mit der sogenannten „Mietpreisbremse“. 

Die MLPD vertritt in ihrem Programm die Forderung nach Erhaltung und Schaffung von ausreichendem, umweltgerechtem und preisgünstigem Wohnraum. Sie ist mit ihren Wohngebietsgruppen auch in einer ganzen Reihe von Mieterinitiativen gegen die Preistreiberei sowie gegen Zwangsräumungen aktiv und fordert den verstärkten Bau öffentlich geförderter Sozialwohnungen.

Berechtigte Anliegen und Motive

Auf der Kundgebung und Demonstration von rund 40.000 Menschen gegen Wohnungsnot und explodierende Mieten am 6. April in Berlin unterschrieben rund 15.000 Menschen für ein von der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ initiiertes Volksbegehren zur „Erarbeitung eines Gesetzentwurfes durch den Senat zur Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Wohnungsunternehmen“. Dazu soll eine staatliche „Anstalt des öffentlichen Rechts“ gegründet werden und eine „Verwaltung der in Gemeineigentum überführten Bestände unter mehrheitlicher demokratischer Beteiligung von Belegschaft, Mieterinnen, Mietern und Stadtgesellschaft“ erfolgen. 

Viele derjenigen, die für die Einleitung eines Volksbegehrens unterschrieben haben, wollen damit vor allem eine öffentliche politische Auseinandersetzung über die ganze Richtung der Wohnungspolitik erreichen. Es geht ihnen darum, die Konzerne mit ihren gigantischen Profiten ins Visier zu nehmen und die bürgerlichen Politiker zu wirksamen Maßnahmen zu zwingen. Ein wichtiges Anliegen sind aber auch grundlegende gesellschaftliche Veränderungen. Das zeigt sich in der Sympathie für Begriffe wie "Enteignung" oder "Vergesellschaftung", die gemeinhin mit Sozialismus verbunden werden.

Antikommunistische Attacken zurückweisen

Nicht von ungefähr reagieren die Wohnungskonzerne und ihre Sachwalter in CDU/CSU und FDP darauf mit pseudoempörten antikommunistischen Attacken - auch gegen das Bündnis -, die entschieden zurückgewiesen werden müssen.

Zugleich gibt es auch skeptische Stimmen, ob der von der Initiative vorgeschlagene Weg nicht eine Illusion ist. Gefordert wird in der Unterschriftensammlung für das Volksbegehren die „Vergesellschaftung“ von rund 200.000 Wohnungen, die einmal in öffentlichem Eigentum waren und sich heute im Besitz großer Wohnungskonzerne befinden. 

Die Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ beruft sich dabei auf Artikel 15 des Grundgesetzes, der in bestimmten Fällen eine „Sozialisierung gegen Entschädigung“ ermöglicht. Dies soll in Berlin alle privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen mit über 3.000 Wohnungen betreffen. Das wären rund 15 Prozent des dortigen Mietwohnungsbestandes.

Entschädigung wäre gutes Geschäft für Konzerne

Die von der Initiative dafür ebenfalls benutzten Begriffe „Enteignung“ und „Vergesellschaftung“ sind jedoch irreführend. Die Initiative übernimmt im Unterschriftentext für das Volksbegehren den Wortlaut des Grundgesetzes, nach dem in einem gesonderten Gesetz "Art und Ausmaß der Entschädigung" der Konzerne geregelt werden sollen. Sie geht selbst von einer Entschädigungssumme in Höhe von 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro aus. Eine amtliche Schätzung des Senats sogar von 28,8 bis 36 Milliarden Euro. 

Beides ist ein Vielfaches der Summe, die die Finanz- und Wohnungskonzerne für die massenhafte Privatisierung von kommunalen Wohnungsbeständen in Berlin bezahlt haben. So wurden die 70.000 Wohnungen der GSW im Jahre 2004 für gerade mal 405 Millionen Euro verkauft. Allein die Deutsche Wohnen hat im Jahr 2018 mehr als 1,9 Milliarden Gewinn aus der Immobilienspekulation erzielt. Eine Entschädigung in den genannten Größenordnungen wäre in Wirklichkeit keine Enteignung, sondern ein gutes Geschäft für die Deutsche Wohnen.

Verstaatlichung = Vergesellschaftung?

Eine Verstaatlichung in Form einer „Anstalt öffentlichen Rechts“ als „Vergesellschaftung“ zu bezeichnen, verkennt oder täuscht bewusst über den heutigen Charakter des bürgerlichen Staates hinweg. Was als „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ bezeichnet wird, ist in Wahrheit eine Diktatur des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals, zu dessen Dienstleister sich heute die Nationalstaaten entwickelt haben. 

Erwarten die Initiatoren allen Ernstes, dass Monopolparteien wie die SPD, die dem internationalen Finanzkapital mit einer entsprechenden Gesetzgebung erst die Tür zur Plünderung der Mieterinnen und Mieter geöffnet haben, jetzt zum Interessenvertreter der betroffenen Menschen mutieren? Die Linkspartei bzw. ihre Vorläuferorganisation PDS waren als Teil der Berliner Landesregierung maßgeblich an der Organisierung der Privatisierungswelle des kommunalen Wohnungsbestandes beteiligt.

Kein "Rechtsweg" für wirkliche Enteignung

Mit der Unterstützung des Volksbegehrens versucht die Linkspartei dies vergessen zu machen und verbreitet die Illusion einer Überwindung von Wohnungsnot durch Berufung auf das bürgerliche Grundgesetz. Dessen Kern ist jedoch der Schutz des Privateigentums an Produktionsmitteln und der damit verknüpften kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung. Für eine wirkliche Enteignung ist im System des staatsmonopolistischen Kapitalismus kein „Rechtsweg“ vorgesehen.  

Die MLPD lehnt aus diesen Gründen die Unterzeichnung des Volksbegehrens ab, unterstützt aber den Anspruch der Menschen, die Konzerne ins Visier zu nehmen und wirksame Maßnahmen durchzusetzen, mit all ihren Möglichkeiten. 

Die Orientierung auf Illusionen schwächt und zersetzt dagegen den konsequenten Kampf gegen Mietwucher und Wohnungsnot. Sie lenkt davon ab, die tatsächlich notwendigen grundsätzlichen Fragen aufzuwerfen. Notwendig ist der Kampf für ausreichenden, umweltgerechten und preisgünstigen Wohnraum, den die MLPD als Teil des Kampfs gegen die gesamte Rechtsentwicklung und als Schule für einen gesellschaftsverändernden Kampf führt.

Revolutionäre Vergesellschaftung tut not

Nur eine revolutionäre Vergesellschaftung aller wesentlichen Produktionsmittel, von Wohnraum, Boden und Natur, ihre Überführung in Gemeineigentum und ihre Unterstellung unter die Verwaltung durch die Arbeiterklasse sowie die werktätigen Massen kann eine Befreiung vom Profitsystem bringen. Dieses politische System ist der Sozialismus. Die Diktatur des Proletariats verhindert, dass sich die alten Ausbeutungs- und Machtverhältnisse mitsamt der menschenverachtenden Wohnraumspekulation wieder durchsetzen können. 

Schon Friedrich Engels sagte: "Um dieser Wohnungsnot ein Ende zu machen, gibt es nur ein Mittel: die Ausbeutung und Unterdrückung der arbeitenden Klasse durch die herrschende Klasse überhaupt zu beseitigen."

Wer für diese Perspektive des echten Sozialismus eintritt, sollte die revolutionäre Arbeiterpartei MLPD stärken. Ein positiver Schritt zur Stärkung des aktiven Widerstandes gegen Mietwucher und Verdrängung ist auch der in Berlin gemachte Vorschlag des Aufbaus einer Mieterplattform als Teil des Internationalistischen Bündnisses.

Quelle: https://www.rf-news.de/2019/kw16/was-meint-die-mlpd-zum-volksbegehren-der-initiative-deutsche-wohnen-co-enteignen vom 18.4.2019