Von Demokrits und Epikurs Schriften sind nur
Bruchstücke erhalten, obgleich Epikur nächst dem
Stoiker Chrysipp der fruchtbarste Schriftsteller
des Altertums gewesen ist und nicht weniger als
dreihundert Rollen verfasst haben soll. Beiden
Philosophen hat die Überlieferung sehr übel
mitgespielt, unter dem Einfluss der idealistischen
Weltanschauung, die bei aller angeblich idealen
Gesinnung immer eine boshafte Zunge hat, wenn es
die materialistische Weltanschauung zu verketzern
gilt.
Demokrits Lehre war ein streng geschlossener
Materialismus, dessen Hauptsätze sich etwa
zusammenfassen lassen wie folgt. Aus nichts wird
nichts; nichts, was ist, kann vernichtet werden.
Alle Veränderung ist nur Verbindung und Trennung
von Teilen. Nichts geschieht zufällig, sondern
alles aus einem Grunde und mit Notwendigkeit.
Nichts existiert als die Atome und der leere Raum,
alles andere ist Meinung. Die Atome sind unendlich
an Zahl und von unendlicher Verschiedenheit der
Form. In ewiger Fallbewegung durch den unendlichen
Raum prallen die größeren, die schneller fallen,
auf die kleineren; die dadurch entstehenden
Seitenbewegungen und Wirbel sind der Anfang der
Weltbildung. Unzählige Welten bilden sich und
vergehen wieder, nebeneinander wie nacheinander.
Die Verschiedenheit aller Dinge rührt her von der
Verschiedenheit ihrer Atome an Zahl, Größe, Gestalt
und Ordnung; eine qualitative Verschiedenheit der
Atome findet nicht statt. Die Atome haben keine
inneren Zustände; sie wirken aufeinander nur durch
Druck und Stoß. Die Seele besteht aus feinen,
glatten und runden Atomen, gleich den Atomen des
Feuers. Diese Atome sind die beweglichsten, und
durch ihre Bewegung, die den ganzen Körper
durchdringt, werden die Lebenserscheinungen
hervorgebracht. Im Keim enthalten die Hauptsätze
Demokrits fast alle großen Grundsätze des modernen
Materialismus, als wissenschaftlicher
Naturforschung wie als philosophischer
Weltanschauung.
Epikur übernahm nun die Naturphilosophie Demokrits,
jedoch mit gewissen Änderungen. Auch Demokrit
sprach dem Atom die sinnliche Erscheinung ab, aber
nur die materielle Existenz des Atoms interessierte
ihn. Dagegen machte Epikur den Begriff des Atoms,
neben seiner Materie auch seine Form, neben seiner
Existenz auch sein Wesen geltend; er sah im Atom
auch das Sinnbild des isolierten Individuums, des
abstrakt-einzelnen Selbstbewusstseins, die Negation
jeder Beziehung auf ein anderes Dasein. Um diesen
Gedanken durchzuführen, musste er jene Änderungen
vornehmen, die ihm so viele, nichts weniger als
schmeichelhafte, Komplimente von Cicero und
Plutarch bis auf Leibniz und Kant eingetragen
haben. Diese Komplimente wären vollkommen
berechtigt gewesen, wenn Epikur eben nur
Naturphilosoph wie Demokrit hätte sein wollen; es
war Epikurs Schicksal, dass schon im Altertum das
Verständnis dessen verlorenging, worauf es ihm bei
seiner Physik eigentlich ankam.
Nirgends glaubt der historische Idealismus eine so
feste Burg zu haben wie in der Geschichte der
Philosophie, und doch ist er gerade hier, wenn
möglich, noch hinfälliger als irgendwo anders. Nach
seiner Auffassung entstehen die Philosophien in den
Köpfen und pflanzen sich in den Köpfen fort, wobei
jede Philosophie im Sinne ihres Urhebers weiter
wirkt, indem sie entweder durch ihre Wahrheit
überzeugt oder durch ihre Unwahrheit den
Widerspruch weckt. Tatsächlich aber entsteht jede
Philosophie aus den Bedürfnissen eines Volks oder
einer Zeit, die in dem ökonomischen
Produktionsprozesse dieses Volks oder dieser Zeit
ihre tiefste Wurzel haben; ist sie aber einmal in
die Welt getreten, so wirken ihre Gedanken nicht
durch ihre eigene Schwerkraft fort, sondern als
Werkzeuge der historischen Entwicklung, die
wiederum durch den ökonomischen Produktionsprozess
bestimmt wird.
Die epikureische Schule war unter allen
Philosophenschulen des Altertums weitaus die
geschlossenste; ihre Lehre blieb jahrhundertelang
dieselbe, und so häufig sie Zuzug aus anderen
Schulen erhielt, so selten ging ein Epikureer zu
anderen Systemen über. Gleichwohl hat sie schon im
Altertum als geistige Macht ganz anders gewirkt,
als den Ab-und Ansichten ihres Stifters entsprach.
Seine strenge Sittlichkeit hinderte nicht, dass
seine Lehre für die herrschenden Klassen im
römischen Weltreich eine philosophische Maske
wurde, die den schnödesten Sinnengenuss
beschönigte, sowenig wie sein Hass gegen alle
Religion hinderte, dass der Epikureismus unter den
Armen und Elenden ein wesentliches Ferment der
christlichen Religion wurde: Epikur hat zuerst
gefordert, einen edlen Mann als göttliches Vorbild
zu wählen, „damit wir leben, als schaue er zu, und
handeln, als sehe er es"; der Spruch, dass Geben
seliger sei denn Nehmen, rührt von Epikur her und
ebenso der minder einleuchtende Spruch: Seid
Untertan der Obrigkeit, die Gewalt über euch hat.
So wurde diese Philosophie von den sozialen Kämpfen
der Klassen ergriffen, umgestaltet, in ihr
Gegenteil umgestürzt. Die politische Windfahne
Cicero, die umso mehr mit stoischer Strenge
prahlte, je weniger sie selbst davon besaß,
popularisierte den Epikureismus im schlimmsten
Sinne seichter Schwatzhaftigkeit, und der
geschmeidige Hofpoet Horaz bewitzelte sich selbst
als ein „Schwein aus der Herde Epikurs", aber
Lukrez, der charaktervollste und gedankentiefste
Dichter der römischen Literatur, entlastete unter
den drohenden Wolken des Bürgerkrieges sein
bekümmertes Gemüt durch das große Lehrgedicht vom
Wesen der Dinge, worin er „die goldenen Worte alle
aus den Rollen des Epikur" zusammenlas, der die
anderen Weisen überstrahle, wie die Sonne die
Sterne verdunkele.
Lukrez stellte die epikureische Philosophie ganz so
dar, wie sie ihr Urheber gemeint hatte. Gleichwohl
wurde sein Gedicht die Ursache, dass in der
Auffassung der neuen Zeit Epikur an die Stelle
Demokrits trat und damit einen unverdienten Ruhm
erntete, während doch seine Abweichungen von dem
System Demokrits so verächtlich behandelt wurden,
wie nur je im Altertum von Cicero und Plutarch. Es
sei nur an Kant erinnert, der in seiner
Naturgeschichte des Himmels die Deklination des
Atoms von der geraden Linie, den wesentlichsten
Unterschied der demokritischen und epikureischen
Physik, als „unverschämt" abfertigte, in seiner
Kritik der reinen Vernunft aber in Epikur den
vornehmsten Philosophen der Sinnlichkeit sah, im
Gegensatze zu Plato als dem vornehmsten Philosophen
des Intellektuellen. Der Zusammenhang erklärt sich
so, dass der neuen Zeit die erste gründliche
Kenntnis des antiken Materialismus durch das
Lehrgedicht des Lukrez kam, das den Epikur wie
einen Gott verherrlichte, dem Demokrit aber viel
ferner stand. Indem Gassendi im 17. Jahrhundert die
epikureische Philosophie als schärfste Waffe gegen
die platonisch-aristotelischen Überlieferungen des
Mittelalters kehrte, bahnte er den Weg des modernen
Materialismus. Marx urteilt in der Vorrede seiner
Dissertation etwas zu hart über Gassendi, der
allerdings ein französischer Geistlicher war, aber
keineswegs im Interesse der Kirche, sondern nur um
sich vor der klerikalen Verfolgungssucht zu
schützen, einen christlichen Nonnenkittel um den
heiter blühenden Leib der Lais warf. Gassendi tat
damit nichts Schlimmeres, als noch ein Jahrhundert
später Kant, der seine epochemachende Theorie des
Himmels aus dem demokritisch-epikureischen
Atomismus entwickelte, aber gleichwohl Demokrit und
Epikur für „ungereimt" erklärte, weil sie eine
mechanische Weltentstehung angenommen und nicht
vielmehr gerade daraus, dass sich aus dem Chaos
eine Welt entwickelt habe, das Dasein eines Gottes
gefolgert hätten.
Gewannen die drei philosophischen Schulen des
antiken Selbstbewusstseins einen beherrschenden
Einfluss auf die bürgerliche Aufklärung des 17. und
18. Jahrhunderts, so unter ihnen doch in erster
Reihe der Epikureismus, dessen Religionshass dabei
keineswegs allein in die Waagschale fiel. Eine
Philosophie, die sich aus dem Prinzipe des
isolierten Individuums ableitete, musste sich in
allen ihren Konsequenzen der anhebenden
kapitalistischen Produktionsweise einschmeicheln,
während zugleich die durch Männer wie Descartes,
Newton und Boyle mannigfach umgestaltete Lehre von
den Elementarkörperchen und der Entstehung aller
Erscheinungen durch ihre Bewegung zur Grundlage der
modernen Naturwissenschaft wurde. Diese
Wissenschaft musste dann die Erkenntnis
hervorrufen, dass der konsequente Materialismus
Demokrits durch Epikur eigentlich zerstört worden
sei, aber das ganze Übergewicht der epikureischen
Philosophie war so groß, dass selbst noch Albert
Lange sie in seiner „Geschichte des Materialismus"
„das vollendetste materialistische System des
Altertums" nannte, obgleich er anerkannte, dass
Epikur die Physik in den Dienst der Ethik gestellt
und diese untergeordnete Stellung der Physik
nachteilig auf Epikurs Naturerklärung eingewirkt
habe. Klarer und schärfer wies Zeller in seiner
Geschichte der griechischen Philosophie die
Auffassung zurück, als ob Epikur eine zweite
Auflage Demokrits gewesen sei. Gerade wegen der
Schwäche seines naturwissenschaftlichen Interesses,
so führt Zeller aus, schließe sich Epikur zwar eng
an Demokrit an, aber diese ganze physikalische
Theorie sei für ihn nur Mittel zum Zweck und von
durchaus relativem Werte gewesen, so dass er sich
nicht im geringsten bedacht habe, ihre ganze
Konsequenz durch die Annahme der Atomenabweichung
und der Willensfreiheit aufzuheben; eine genaue
Beobachtung zeige, dass selbst da, wo die beiden
Philosophen in ihren einzelnen Behauptungen
übereinstimmten, doch die Bedeutung dieser
Behauptungen und der ganze Geist dieser Systeme
aufs evidenteste auseinandergingen. Demokrit habe
Naturwissenschaft um ihrer selbst willen getrieben,
Epikur aber nur eine Naturansicht aufgestellt, um
ein philosophisches System zu begründen.(1)
Lange ehe Zeller diesen Unterschied der
demokritischen und epikureischen Physik in seinen
allgemeinsten Umrissen begründete, hatte Marx ihn
bis ins Einzelnste hinein durchgeführt. Seine
Abhandlung darüber ist, wie sie der erste Versuch
dieser Art war, so auch bisher der einzige
geblieben, was seiner Dissertation heute noch einen
wissenschaftlichen Wert gibt. Die feine, in
scheinbaren Mikrologien sich umtreibende
Untersuchung wird in künstlerischer Steigerung
fortgeführt, bis die Gestirne selbst dem
einseitigen Prinzip des isolierten Individuums das
auflösende Urteil sprechen; aus der Hegelschen
Terminologie bricht überall die plastische
Gestaltungskraft hervor, und die Sprache hat einen
markigen Ton, wie er dem Tross der Hegelschen
Schule längst abhanden gekommen war. Möglich, dass
Marx der epikureischen Philosophie, die Hegel als
Gedankenlosigkeit im Prinzip gekennzeichnet hatte,
nun seinerseits eine tiefere Spekulation unterlegt,
als sie gehabt hat; gewiss, dass Epikur, der als
Autodidakt immer großes Gewicht auf die gewöhnliche
Sprache des Lebens legte, seine Physik nicht in den
Hegelschen Wendungen begründet hat, in denen Marx
sie erläutert, aber eben darin zeigt sich die Tatze
des jungen Löwen, ganz ähnlich wie sie sich in
Lassalles „Heraklit" zeigt.
Marx selbst führt in seiner Dissertation aus, dass
die Schule eines Philosophen, der eine Akkomodation
begangen habe, nicht den Lehrer verdächtigen,
sondern seine Akkomodation aus der Unzulänglichkeit
seines Prinzips, worin sie wurzeln müsse, erklären
und somit zu einem Fortschritte des Wissens machen
solle, was als Fortschritt des Gewissens erscheine.
Aus einem ähnlichen Gedankengange heraus kann man
sagen, dass es immer einen Unterschied machen wird,
ob denkende Köpfe oder gelehrte Fachmänner ein
philosophisches System aus seinen Trümmern
wiederherstellen; so wird es auch immer einen
Unterschied ergeben, ob ein Handwerker oder ein
Künstler einen antiken Tempel wiederaufbaut, von
dem nur einige Überreste erhalten sind. Die Arbeit
der Fachmänner soll damit nicht herabgesetzt
werden; sie hat gewiss die erste und notwendigste
Aufgabe zu lösen, aber der letzte Schritt ist sie
nicht. Wenn beispielsweise die heraklitische
Weltverbrennung von Schleiermacher, Hegel und
Lassalle als ein Sinnbild des dialektischen
Weltprozesses aufgefasst wird, während die
fachmännischen Historiker der griechischen
Philosophie, wie Ritter, Brandis, Bernays, Zeller,
die heraklitischen Bruchstücke dahin auslegen, dass
der dunkle Philosoph geglaubt habe, die Welt gehe
von Zeit zu Zeit in wirklichen Flammen auf, so
können diese gelehrten Forscher sehr wohl recht
haben, ohne dass jene denkenden Köpfe deshalb
unrecht haben. Schleiermacher, Hegel und Lassalle
haben dann eben eine unzulängliche Fassung des
heraklitischen Prinzips aus der wesentlichen
Bewusstseinsform des Ephesiers zu einer bestimmten
Bedeutung erhoben und die Tiefe der heraklitischen
Philosophie klarer erhellt, als deren wortgetreue
Ausleger. In diesem Sinne hat einmal ein Berliner
Professor, wie Brandes in seiner Schrift über
Lassalle berichtet, ebenso treffend wie witzig
gesagt, ein normaler Philologe werde Heraklit nicht
verstehen, ja dürfe ihn nicht einmal verstehen,
aber Lassalle habe ihn allerdings verstanden. So
auch wird die Rekonstruktion der epikureischen
Naturphilosophie durch Marx ihr gutes Recht
behalten, selbst wenn die fachmännische Kritik
manches daran auszusetzen haben sollte, dessen
Berechtigung, eben vom Standpunkt der
fachmännischen Kritik aus, nicht bestritten werden
könnte.
Die wirklichen Schwächen der Abhandlung liegen
darin, dass Marx in ihr, wie schon die Widmung
verkündet, noch durchaus auf idealistischem Boden
steht. Die Philosophie ist ihm noch dermaßen die
Wissenschaft, dass er dem Epikur nachrühmt, die
Wissenschaft der Atomistik geschaffen zu haben,
während Epikur doch nur ihre Philosophie geschaffen
hat. Soweit die Atomistik eine Wissenschaft
geworden ist, soweit die moderne Naturforschung aus
ihr die Gesetze des Schalles, des Lichtes, der
Wärme, der chemischen und physikalischen
Veränderungen in den Dingen erklärt, ist Demokrit
ihr Bahnbrecher, nicht Epikur. Freilich handelt es
sich an dieser Stelle wohl nur um ein
charakteristisches Ausgleiten der Feder, denn an
anderen Stellen hebt Marx gebührend die grenzenlose
Nonchalance Epikurs in der Erklärung der physischen
Phänomene hervor, wobei alle wahre und wirkliche
Wissenschaft aufhöre, soweit nicht die Einzelheit
in der Natur der Dinge selbst herrsche. Allein im
Allgemeinen zeigt sich doch in seiner Parallele
zwischen Demokrit und Epikur, wie tief er bei aller
beginnenden Opposition gegen Hegel noch in der
Begriffsphilosophie steckte und wie fern er noch
den Naturwissenschaften stand.
Was er über „die skeptische, unsichere und
innerlich sich widersprechende" Stellung Demokrits
zur Gewissheit des menschlichen Erkennens sagt, ist
selbst unsicher genug. Wenn Marx über diese
Antinomie Demokrits etwas weitschweifig, aber
keineswegs erschöpfend spintisiert, so hätte ein
Blick auf Kants Kritizismus genügt, um den Zweifel,
den Demokrit und die bedeutendsten ionischen
Naturphilosophen überhaupt an der Sicherheit des
sinnlichen Erkennens hegten, als ein Problem zu
erfassen, das rein philosophisch hoch über der
naiven Annahme Epikurs stand, wonach die sinnliche
Wahrnehmung das einzige Kriterium der Wahrheit und
die Sonne zwei Fuß groß sein sollte, weil sie
unserem Auge so groß erscheine. In dieser Beziehung
wussten sich zur damaligen Zeit oder doch nicht
lange darauf Lassalle und selbst Schopenhauer
klarer und kürzer zu erklären, indem Lassalle in
dem heraklitischen und Schopenhauer gerade in dem
demokritischen Zweifel an der Untrüglichkeit der
sinnlichen Erkenntnis einen dem modernen
Kritizismus analogen Standpunkt entdeckten.
Anfechtbar ist auch der die ganze Abhandlung
durchklingende und sich in ihren letzten Worten
noch einmal zusammenfassende Gedanke, dass
Demokrits Atomistik eine Hypothese sei, die, ein
Resultat der Erfahrung, aber nicht ihr energisches
Prinzip, ebenso wohl ohne Realisierung bleibe, wie
die reale Naturforschung nicht weiter von ihr
bestimmt werde. Es ist eben schon hervorgehoben
worden, was diese Hypothese für die moderne
Naturwissenschaft bedeutet hat. Konnte Marx auch im
Jahre 1841 nicht alle Entwicklungen dieser
Wissenschaft vorhersehen, so hatte doch schon
speziell in der Literatur der deutschen Philosophie
Kants Naturgeschichte des Himmels gezeigt, wie sich
Demokrits Atomismus im unermesslichen Weltgebäude
verwirklicht und wie die reale Naturforschung von
ihm zu ihren gewaltigsten Entdeckungen bestimmt
wird. Freilich war diese Schwäche der Abhandlung
zugleich eine Stärke ihres Verfassers, der bei der
„disparaten Energie und Praxis" der beiden
Philosophen sich eher für Epikur als für Demokrit
erwärmte.
Eben dieser kämpfende Geist hat Marx gehindert, das
beabsichtigte Werk über den Zyklus der
epikureischen, stoischen und skeptischen
Philosophie zu schreiben. Je mehr sich die
Möglichkeit praktischen Kampfes erweiterte, desto
rückhaltloser warf er sich hinein, um im
siegreichen Vorwärtsschreiten das erwachende
Selbstbewusstsein derjenigen Klasse über sich
selbst aufzuklären, deren Sieg allein die
Philosophie des Selbstbewusstseins realisieren und
einen Zustand der menschlichen Gesellschaft
schaffen kann, worin die freie Entwicklung eines
jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller
ist. In diesem entscheidenden Gedanken des
Kommunistischen Manifestes gipfelte die geistige
Arbeit, die Marx in seiner Doktordissertation
begann.
Editorische Hinweise
Franz Mehrings Aufsatz "Demokrit
und Epikur" wurde entnommen
aus: Franz Mehring, Gesammelte Schriften,
Berlin 1977, Band 13, S.
17-23, erstveröffentlicht in:
Aus dem literarischen Nachlass von Karl
Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle.
Herausgegeben von Franz Mehring, Erster Band,
Stuttgart 1902, S. 51-57. |