Das nennt man
desavouieren: Drei Wochen vor einer
entscheidenden Wahl – dem ersten Durchgang der
französischen Präsidentschaftswahl -, bei der
mehrere Kandidaten die Verstärkung von Polizei
und Justiz beschwören, verlor die Regierung einen
hohen Justizbeamten in einem „sensiblen“ Bereich.
Erst im September
2016 war Philippe Galli zum Direktor der zentralen
Gefängnisverwaltung ernannt worden. Nach nur einem
halben Jahr im Amt erklärte er nun Ende März d.J.
seinen Rücktritt mit sofortiger Wirkung, wie am
Montag, den 03. April 17 in Paris bekannt wurde.
Zur Begründung gab er unüberbrückbare Differenzen
mit dem amtierenden rechtssozialdemokratischen
Justizminister Jean-Jacques Urvoas an.
Urvoas, eher ein
Mann der harten Linie, der als damaliger
Abgeordneter das neue Nachrichtendienstgesetz vom
Juli 2015 – das die Abhör- und sonstigen Befugnisse
des Sicherheitsapparats drastisch ausweitet –
maßgeblich mitverfasst hat, nahm Gallis Rücktritt
an. Letzterer hatte sich darüber beklagt, von
seinem Posten aus keinen Einfluss auf die realen
Entscheidungen zu haben, die allein vom Minister
und in dessen engstem Beraterkreis getroffen
würden.
Auch wenn das
Kommuniqué, das Gallis Abgang ankündigt, keine
näheren Angaben getroffen werden, so steht doch
erkennbar die Überbelegung der französischen
Haftanstalten – aufgrund derer Frankreich
wiederholt durch NGOs und die „Kommission zur
Vorbeugung von Folter“ des Europarats gerügt wurde
– im Hintergrund. Die Regierungen der letzten
fünfzehn Jahre setzten vor allem auf spektakuläre
Zahlen, um der Bevölkerung glaubhaft zu machen, sie
sorge für ihre Sicherheit. Am 1. Juli 2016, mit
damals 69.375 Insassen, und am 1. März dieses
Jahres mit nun 69.430 Inhaftierten wurden neue
historische Rekorde verzeichnet. Überbelegte
Zellen, Rattenplagen und gefährlich frei liegende
Stromkabel sind Begleiterscheinungen.
Die aktuelle
Regierung hat angekündigt, bis im Jahr 2015 den Bau
von zwischen 10.309 und 16.143 Haftplätzen auf den
Weg zu bringen, um die Zellen weniger dicht zu
belegen. Doch infolge einer Justizpolitik, die auf
Wegsperren zum Kaschieren drängender sozialer
Probleme als Kriminalitäts-Hauptursache setzt, und
wahlpolitische Demagogie drohen solche Ziele in ihr
Gegenteil zu verkehren und die Gerichte und
Staatsanwälte zu neuen Belegungsrekorden
anzuspornen.
Im Jahr 2002 war
bereits mit 59.000 Gefängnisinsassen ein damaliger
Rekord erreicht, bevor der seinerzeitige
Innenminister Nicolas Sarkozy den Bau von 11.000
neuen Haftplätzen lancierte. Die
PräsidentschaftskandidatInnen François Fillon und
Marine Le Pen wollen heute je 40.000 neue
Gefängnisplätze bauen lassen. Und gewiss nicht, um
humanere Haftbedingungen zu erzielen. Solche
Humanisierungsversuche sind hingegen Gegenstand
eines "Weißbuchs", das von einer am 24. Januar
eingesetzten Abgeordnetenkommission erstellt und am
Dienstag, den 04. April 17 an Minister Urvoas
übergeben wurde. Demnach sollen kleinere Einheiten
im Gefängnissystem gebildet werden, und den
Insassen sollen mindestens fünf Stunden Aktivität -
ob Sport, Unterricht oder Arbeit - pro Tag
gewährleistet werden. Auch sollen die Zu- und
Abgänge kontrolliert werden, was bedeutet, dass die
Richter bei der Strafmessung zur Mäßigung
angehalten würden. Nicht übernommen wurde die
andiskutierte Forderungen nach einem "Numerus
Clausus", der zufolge keine Neuinhaftierung ohne
eine Freilassung oder Haftbeurlaubung vorgenommen
werden dürfte.
Editorischer Hinweis
Den
Text erhielten wir vom Autor für diese
Ausgabe.
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