1. Ein halbes Jahr
vor den Bundestagswahlen ist die Lage in
Deutschland von Polarisierung gekennzeichnet: Auf
der einen Seite kommt es zu großen
antirassistischen Protesten, ist die Solidarität
mit Geflüchteten weiterhin ausgeprägt, gibt es ein
erhebliches Potential für einen „Aufstand der
Pflege“, rückt die soziale Frage wieder stärker in
den Mittelpunkt und die G20-Gegenproteste
versprechen – auch wegen der Teilnahme von Trump
und Erdogan am G20-Gipfel – massiv zu werden. Auf
der anderen Seite ist rechte Gewalt gegen
Geflüchtete und Linke alltäglich, wird die AfD
(trotz Krise) in den Bundestag und Landtage
einziehen und hat es die Bundesregierung geschickt
vermocht, den Berliner Anschlag zur Durchsetzung
weiterer repressiver Maßnahmen der sogenannten
„Inneren Sicherheit“ zu nutzen. Union und SPD
setzen damit einen Teil der AfD-Programmatik in die
Praxis um.
2. Wir leben in einer Welt von immer mehr Kriegen
und einer zunehmenden Militarisierung der gesamten
Gesellschaft. Die Diskussionen über eine EU-Armee
unter Führung Deutschlands und die Erhöhung der
deutschen Militärausgaben sind nur die Spitze des
Eisberges. Die weltweite soziale Ungleichheit und
die wirtschaftlichen und militärischen Angriffe auf
die Länder des globalen Südens nehmen zu. Und auch
innerhalb der EU wachsen die Ungleichheiten und die
Länder der Peripherie werden von den
wirtschaftlichen stärkeren Ökonomien insbesondere
dem deutschen Kapital unterdrückt und ausgebeutet.
Die EU befindet sich in einer tiefen Krise und die
Antworten der herrschenden Eliten werden die
Ungleichheit weiter befeuern.
Schulz
ist fake news
3. Während die
Union die Grenzen gegen Flüchtlinge verstärkt,
Geflüchtete nach Afghanistan abschiebt und stärker
auf Law and Order setzt, um Stimmen von der AfD
zurück zu gewinnen, hat die SPD – wie oftmals vor
Bundestagswahlen – das Thema soziale Gerechtigkeit
für sich entdeckt. Martin Schulz präsentiert sich
als Kritiker der Superreichen und hoher
Managergehälter und versucht mit der Kritik an
einzelnen Elementen der Agenda 2010 „die hart
arbeitende Mitte“ und Mittelschichten anzusprechen.
Dabei stellt er sich als jemand dar, der nicht aus
dem Regierungs-Establishment kommt. Diese Strategie
ging bisher bei einem Teil der Wähler*innen auf und
die SPD konnte sich in Umfragen von 20 Prozent auf
im Durchschnitt 30 Prozent verbessern. Ob dieser
Trend bis zu den Bundestagswahlen anhält, ist
völlig offen.
4. Für DIE LINKE
ist es von Vorteil, dass das Thema soziale
Gerechtigkeit stärker in den Mittelpunkt rückt.
Wesentliche Aufgabe der LINKEN ist es, Menschen mit
Hoffnung auf soziale Gerechtigkeit ein Angebot zur
Selbstorganisation und dem Aufbau von Widerstand zu
machen. Es ist nicht Aufgabe der LINKEN, die
Illusionen in Schulz zu verstärken. Schulz ist fake
news. Als Verteidiger der kapitalistischen Ordnung
steht er für die Durchsetzung von CETA, hat die
Erpressung der südeuropäischen Länder durch die
Troika mit vorangetrieben und im Europaparlament
als Parlamentspräsident vor allem im Interesse der
dortigen Großen Koalition agiert. Er ist noch nicht
mal „SPD-Linker“. DIE LINKE hat erstens die
Aufgabe, Bewusstsein über die reale grausame
Politik der SPD zu schaffen und DIE LINKE als
einzige Alternative anzubieten. Zweitens sollte sie
der Bevölkerung helfen, die SPD an ihren Taten zu
messen und darauf hinzuweisen, dass manche
Ankündigungen von Schulz bereits jetzt im Bundestag
mehrheitlich beschlossen werden könnten. Dazu
sollte DIE LINKE eigene Anträge einbringen.
5. Der
Schulz-Hype, die gestiegenen Umfragewerte für die
SPD und die Angst vor der AfD werden die Debatte
über Rot-Rot-Grün (r2g) in der LINKEN befeuern, vor
allem aber völlig neu ausrichten. Bisher träumten
die r2g-Anhänger*innen in der LINKEN, ihre
parlamentarischen Abende mit Vertreter*innen der
drei Parteien würden das Projekt vorantreiben
können. Das war ein Irrtum. Mit dem neuen
„Megastar“ der SPD werden die r2g-Debatten den
„klassischen“ Weg gehen: Die SPD mit ihrem
Häuptling geht voran und diktiert, wo es lang geht
– Grüne und LINKE können sich fügen oder an den
Vorgaben abarbeiten. Für DIE LINKE bedeutet dies,
es wird nicht um die Entwicklung eigener Positionen
gehen, die die SPD unter Druck setzen, sondern wie
schon früher um die Debatte, wie weit können oder
sollen die programmatischen Aufweichungen der
LINKEN gehen. Die AKL lehnt eine solche
selbstzerstörerische Strategie ab. Bisher gibt es
in der Bevölkerung keine Wechselstimmung für r2g.
Martin Schulz erzielt seine Werte bei Umfragen
auch, weil die Menschen Merkel nach zwölf Jahren
gerne abgelöst sehen. In der Realität ist r2g mit
Schulz nicht qualitativ wahrscheinlicher geworden,
da die SPD eher auf die Fortsetzung der Großen
Koalition (GroKo) unter einem Kanzler Schulz setzt
und auch die herrschende Klasse kein Interesse an
r2g zum jetzigen Zeitpunkt hat. Trotzdem können wir
nichts ausschließen. Für die innerparteiliche
Debatte hat die AKL mit dem Buch „Die Linke und das
Regieren“ eine sehr gute Vorarbeit geleistet. In
der Partei machen wir uns jetzt vor allem für fünf
Punkte stark:
● DIE LINKE soll
mit eigenen Inhalten und sehr konkreten
zugespitzten sozialen Forderungen im Wahlkampf
punkten und unter anderem offensiv die Rücknahme
der Agenda 2010 und Hartz IV, einen Mindestlohn von
12 Euro, auskömmliche Renten, das Verbot von
Leiharbeit, ein Ende sachgrundloser Befristungen
und eine drastische Besteuerung von Konzernen,
Banken und Vermögen bei gleichzeitiger Entlastung
von Niedrig- und Normalverdienenden fordern. Die
Schuldenbremse muss weg.
● DIE LINKE geht als einzige Friedenspartei in den
Wahlkampf gegen alle Auslandseinsätze der
Bundeswehr, gegen Rüstungsexporte und gegen die
Aufrüstung der Bundeswehr. Mehr Geld für Soziales
und zur Bekämpfung der Fluchtursachen statt fürs
Militär!
● DIE LINKE erarbeitet „Worst-of-GroKo“-Material,
um auf die reale Politik der Großen Koalition und
der SPD in ihr aufzuklären. Wir warnen davor, dass
eine Regierung unter Schulz einen Politikwechsel im
Interesse der abhängig Beschäftigen, Schüler*innen
und Studierenden oder Rentner*innen bringen würde.
● Mit SPD und Grünen ist keine grundsätzlich andere
Politik umsetzbar. Statt Koalitionsangeboten
schlagen wir unserer Partei vor, anzubieten eine
rot-grüne Minderheitsregierung ins Amt zu bringen
und allen möglichen Verbesserungen der sozialen
Lage der Beschäftigten, Erwerbslosen, Jugendlichen
und Rentner*innen einer Regierung unter Schulz im
Einzelfall zuzustimmen und alle Verschlechterungen
abzulehnen.
In Erwägung, dass diese Position in der Partei
derzeit keine Mehrheit findet, ist es wichtig, dass
zumindest die Roten Haltelinien geschärft werden
(z. Bsp. „keine Auslandseinsätze“ statt „keine
Kampfeinsätze“, „Rücknahme der Agenda 2010 und
Hartz IV“, Keine Abschiebungen).
● DIE LINKE tritt in der Debatte um Alternativen
zur EU für einen Bruch mit der neoliberalen,
undemokratischen und militaristischen EU ein und
unterstützt fortschrittliche Bewegungen und
Initiativen in den Ländern, die aufgrund der
erpresserischen Austeritätspolitik der EU, aus
Souveränitätsgründen und um selbstbestimmt über die
Sozial- und Wirtschaftspolitik entscheiden zu
können, aus dem Euro austreten wollen.
Klassenkampf statt Spaltung
6. DIE LINKE muss
klare Kante gegen Rechts zeigen und
klassenpolitische Antworten und Alternativen im
Interesse aller Lohnabhängigen und sozial
Benachteiligten geben – von dauerhaft hier lebenden
Menschen und Geflüchteten. Äußerungen von
Spitzenkandidat*innen für Kapazitätsgrenzen,
Kontingente und Abschiebungen sind genauso
inakzeptabel wie Abschiebungen von Geflüchteten
durch rot-rot-grüne Landesregierungen. Die AKL
setzt sich für einen eindeutigen Umgang der LINKEN
mit der AfD ein:
● Es darf keine Abstriche an den Positionen der
LINKEN zu staatlichem Rassismus und Abschiebungen
geben.
● Wir lehnen den heuchlerischen Versuch der AfD
aber auch von Union und SPD ab, Angriffe auf Frauen
zur Durchsetzung rassistischer Maßnahmen zu
missbrauchen. Unser Anti-Sexismus bleibt
anti-rassistisch.
● Es ist eine Illusion zu glauben, wir könnten
gemeinsam mit CDU/CSU, SPD und Grünen, deren
neoliberale und rassistische Politik die AfD erst
stark gemacht hat, die AfD politisch bekämpfen.
7. Die wichtigste
Antwort der LINKEN auf das Thema Innere Sicherheit
ist Soziale Sicherheit für Alle. Die AKL ist
dagegen, sich am Überbietungswettkampf der
bürgerlichen Parteien zu Überwachung zu beteiligen
und lehnt den Ausbau und die Aufrüstung der Polizei
ab. Statt Video-Überwachung auf Bahnhöfen, setzen
wir uns für mehr Personal der Bahn auf den
Bahnhöfen ein. Statt Polizist*innen vor Schulen
fordern wir qualitativ und quantitativ mehr
Lehrer*innen und mehr Schulpsycholog*innen und
Sozialarbeiter*innen. Der beste Beitrag zur
Verhinderung von Anschlägen ist das Ende von
Rüstungsexporten, Auslandseinsätzen, Krieg und
Ausbeutung anderer Länder im Namen des
kapitalistischen Freihandels.
8. Die AKL macht
Vorschläge für einen aktivierenden, aufsuchenden
und mitgliederbasierten Wahlkampf. Die
Mitgliedschaft muss in wesentliche Diskussionen
über Ausrichtung, Strategie und Programm der LINKEN
eingebunden sein. Der auf Vorschlag von
AKL-Mitgliedern gestartete Slogan-Wettbewerb und
die Regionalkonferenzen zum Programm sind dafür ein
guter Anfang. Die Art und Weise wie sich die
Spitzenkandidat*innen am demokratischen Prozess der
Kandidat*innen-Aufstellung an Landesverbänden und
Bundesparteitag vorbei und mit Zustimmung durch den
Parteivorstand selbst inthronisiert haben, hat der
innerparteilichen Demokratie der Partei erheblich
geschadet. Wir stehen dazu: Alle Kandidat*innen und
Mandatsträger*innen sind gegenüber der Partei
rechenschaftspflichtig und dürfen nicht über den
Dingen schwebend agieren. Wir wollen sie deshalb
verstärkt in einen Wahlkampf von unten einbeziehen.
9. Vor, nach und
während Wahlkämpfen müssen wir Teil und Motor von
Widerstand und Bewegungen sein. Nur so können
grundlegende Verbesserungen erkämpft werden. Wir
machen uns für einen bewegungs- und
aktionsorientierten Wahlkampf stark: Die
bundesweite Tarifrunde Entlastung für mehr Personal
im Krankenhaus, die Forderungen der Beschäftigten
im Einzelhandel, die vielfachen lokalen Kämpfe
gegen steigende Mieten, die Proteste gegen G20, zu
Ende Gelände und zum Klimagipfel in Bonn, die
antirassistischen Proteste gegen die AfD und Nazis
und vieles mehr sind integraler Bestandteil unseres
Wahlkampfes. Wir wollen die Macht- und
Kräfteverhältnisse grundlegend ändern und von einer
Minderheitsposition Mehrheiten zur Abschaffung des
Kapitalismus erreichen: Das muss drin sein.
Für
eine antikapitalistische LINKE!
10. Die
Bundesmitgliederversammlung beauftragt den
Bundesprecher*innen-Rat und Länderrat Ende
April/Mai, konkrete Vorschläge für Änderungsanträge
an den Leitantrag des Parteivorstands zum
Wahlprogramm zu erarbeiten. Wir nutzen die Debatte
um Änderungsanträge vor allem auch, um das
politische Niveau der Debatten in unseren
Kreisverbänden zu erhöhen. Ein weiteres Treffen des
Länderrats in 2017 soll sich der Frage des
AKL-Selbstverständnisses widmen (aufgekommene
Fragen zu Verhältnis innerparteilicher und
außerparteilicher Arbeit).
11. Wir rufen alle
Mitglieder der AKL auf, sich aktiv an der
Unterstützung der Landtagswahlkämpfe im Saarland,
in NRW und Schleswig-Holstein mit dem Ziel guter
Ergebnisse für DIE LINKE zu beteiligen.
12. Die
Bundesmitgliederversammlung schlägt Mitgliedern
vor, in ihren Kreisverbänden im Herbst
Diskussionsveranstaltungen der LINKEN und
Jugendverband zur Russischen Revolution und ihrer
heutigen Bedeutung durchzuführen. Wir setzen uns
zum Ziel, in das Jahr der Novemberrevolution 2018
mit einem inhaltlichen Bulletin der AKL zu starten.
Quelle:
http://www.antikapitalistische-linke.de/?p=1924
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