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12. April 16
Seit
nunmehr einer Woche ist die rechtsextreme
Medienlandschaft in Frankreich, die sich besonders im
Interet ausgebreitet hat, schwer empört. Es geht um den
internationalen Finanzskandal, der sich um
Steuerparadiese rankt und weltweit unter dem Name
Panama papers bekannt geworden ist. Er
startete mit Enthüllungen in 110 Presseorganen
weltweit, unter ihnen sie Süddeutsche Zeitung
in München und Le Monde in Paris, ab dem
vergangenen Montag (04. April 16). Der dadurch
ausgelöste Skandal sorgte mittlerweile für den
Rücktritt eines Regierungschef, des isländischen, und
zwang den britischen Premierminister David Cameron zu
scheibchenweise vorgetragenen Enthüllungen über
seine privaten Finanzinteressen. In Frankreich ist der
Name der Affäre besonders lustig, denn hat in der
Geschichte des Landes bereits einmal einen als
„Panama-Affäre“ bezeichneten Finanzskandal
gegeben, der damals die Republik tüchtig erschütterte;
dies war 1892.
Nun
hätte man erwarten dürfen, dass die extreme Rechte
den Skandal nutzen werde, um einmal mehr gegen die
Gefahren der „Globalisierung“ zu wettern, die in ihren
Augen ebenso einen gezielten Angriff auf die Nationen
darstellt wie die Interessen der Arbeitenden
gleichernmaßen schwächt. (Weshalb auch, angeblich,
„nationale Frage“ und „soziale Frage“ zusammenfielen.)
Doch
weit gefehlt. Gegenstand der Empörung auf der
französischen extremen Rechten sind im Augenblick
weitaus mehr die Enthüllungen selbst als die Praktiken,
die da enthüllt wurden. Stellvertretend sei ein
Artikel aus der mittlerweile hardcore-faschistischen,
ursprünglich vor allem anti-muslimischen
Internetpublikation Riposte Laïque
(ungefähr: „Die Säkularisten schlagen zurück“, ein
Titel mit rein anti-muslimischer Stoßrichtung) zitiert,
der dort am Wochenende des 09./10. April 16 publiziert
wurde. Er erschien unter dem Titel: „Panama
papers, Soros: eine gigantische Medienmanipulation
zeichnet sich ab.“ Der täglich bestückten
rechtsextremen Internetzeitung zufolge steckt hinter
den Enthüllungen in 110 Zeitungen weltweit der
US-amerikanische Milliardär George Soros, der eine
Reihe von NGOs finanziell unterstützt und in
rechtsextremen Kreisen ebenso als eine Art Zentralfigur
der Weltverschwörung wie als Initiator von
„Farbrevolutionen“ gegen an und für sich tolle Regimes
betrachtet wird.
Und der Artikel kommt zu
dem Schluss, durch die Enthüllungen – bei denen
ansonsten tatsächlich auffällt, dass sie keine
US-amerikanischen Interessen tangieren, die
wahrscheinlich bei der Publikation der Panama
papers ausgespart wurden – würden vor allem
„Widerständler gegen die Neue Weltordnung“
getroffen. Tatsächlich enthalten die Panama-Dokumente
unter anderem (zweifellos wahre!) Enthüllungen
beispielsweise über die Anlage von Vermögenswerte
Wladimir Putin nahe stehender, russischer Oligarchen in
Panama. Riposte Laïque behauptet nun,
dies sei das einzige Zweck der Übung gewesen. Sämtliche
Enthüllungen seien auf eine Manipulation
zurückzuführen, die sich gegen so freundliche
Zeitgenossen (respektive Helden aus Sicht der zitierten
Publikation) richte wie Wladimir Putin, den syrischen
Folterregimes-Chef Bascher Al-Assad – durch
Riposte Laïque kurioserweise „El-Hassad“
geschrieben – oder gegen Marine Le Pen.
Die Vorsitzende des
französischen Front National (FN) hatte sich ihrerseits
zwei Tage zuvor zu Wort gemeldet. In einer
Presseaussendung vom 07. April 16 unter dem Titel
„,Le Monde', ein Schwindel“ (die Replik zu
einem Leitartikel der Pariser Abendzeitung vom Dezember
2015: „Der FN, ein Schwindel“) schäumte
und wütete sie gegen die Enthüllungen vom Wochenbeginn.
Zornesentbrannt schrieb die rechtsextreme Politikerin,
es handele sich um eine „gigantische
Medienoffensive gegen den Front National“ und
eine „ununterbrochene Flut von Behauptungen,
unzulässigen Vermischungen und Unterstellungen.“
Was war los? Am zweiten
Tag der Enthüllungen über die Panama-Affäre – also am
Dienstag, den 05. April d.J. - berichtete die Pariser
Abendzeitung über einen allgemein eher als unangenehm
zu bezeichnenden Zeitgenossen, der ordentlich in
Finanzmanipulationen mit Umweg über Panama verwickelt
war. Es handelt sich um Frédéric Chatillon, einen
persönlichen Freund von Marine Le Pen.
Er ist in der
französischen extremen Rechten nicht „irgend wer“. Das
frühere Mitglied der außerordentlich gewalttätigen
rechtsextremen Studentengruppe GUD (Groupe
Union-Défense), die in der Vergangenheit vor
allem an der reaktionären Pariser Jurafakultät von
Assas ihre Hochburg hatte – und noch immer existiert -,
ist ein langjähriger Bekannter von Marine Le Pen. Beide
studierten an ebendieser juristischen Fakultät von
Assad. Im Februar 2003 berichtete die französische
Regenbogen- und sonstige Presse darüber, dass Marine Le
Pen (damals noch nicht Parteivorsitzende, sondern als
„Tochter von“ prominent) sich einer Beamtenbeleidigung
gegenüber einem Polizisten schuldig gemacht hatte,
welch letzterer wegen nächtlicher Ruhestörung bei einer
Party vorstellig geworden war. Die nächtliche Feier
fand in der Privatwohnung von Frédéric Chatillon statt,
und Marine Le Pen nahm an ihr teil.
Chatillon, ansonsten u.a. auch als aktiver Unterstützer
und Propagandist der syrischen Folterdiktatur
bekannt, ist aber auch ein offizieller „Dienstleister“
und Geschäftspartner für den FN. Sein
Dienstleistungsunternehmen mit Namen Riwal (und dessen
Klon unter dem Namen Unanime) übernimmt/übernehmen
Aufträge für die Partei, etwa für die Logistik bei
Großveranstaltungen. Gegen Frédéric Chatillon läuft
aber auch ein Strafverfahren, bei dem es um handfeste
Interessen der Partei geht. Seit dem 23. Januar 2015
wird strafrechtlich gegen ihn ermittelt, wegen
betrügerischer Machenschaften, Dokumentenfälschung,
Missbrauch von Gesellschaftsvermögen und Geldwäsche –
so lauten die offiziellen Anklagepunkte der
Ermittlungsbehörden. Worum geht es? Um illegale
Parteienfinanzierung zugunsten FN und zu Lasten des
Staates. Letzterem wurden rund um die Parlamentswahlen
vom Juni 2012, für welche der FN ein Recht auf
Wahlkampfkosten-Rückerstattung geltend machen konnte,
erheblich übertriebene und aufgeblasene Kosten in
Rechnung gestellt. So mussten Kandidatinnen und
Kandidaten des FN zur Parlamentswahlen einen
Argumentationsleitfaden für die stolze Summe von 16.500
Euros bei ihrer eigenen Partei abkaufen. Solche
künstlich aufgeblasenen Unkosten wurden anschließend
beim Staat zwecks Rückerstattung geltend gemacht. Den
Profit erzielte dabei zunächst Chatillons Firma Riwal,
doch natürlich tat er dies nicht (nur) für sich allein,
sondern auch im Interesse der Partei. Letztere muss
deswegen eventuell noch vor den Wahlen von 2017 mit
einem Prozess rechnen.
Chatillon ist nicht der
einzige frühere Anführer des GUD, der beim Front
National zwar nicht in formale Führungspositionen
aufstieg (offiziell taucht er im Organigramm der Partei
nicht auf), doch in dessen Hand entscheidende Fäden
zusammenlaufen. Beobachter und Journalistinnen sprechen
von einer regelrechten „GUD Connection“ in den
Führungsetagen der Partei, insbesondere bei den für
Finanzierungsoperationen zunständigen Strukturen. Eines
ihrer Mitglieder ist Philippe Péninque; er war es, der
dem früheren Haushaltsminister Jérôme Cahuzac (ein
Strafverfahren gegen ihn läuft) jenes Konto in der
Schweiz eröffnete, das bei seinem Bekanntwerden 2013
einen Riesenskandal löste – Cahuzac war zuvor offiziell
für die Bekämpfung von Steuerhinterziehung zuständig
und stellte sich nun selbst als Steuerbetrüger heraus.
Sein, Cahuzacs, Name taucht auch in den Dokumenten zum
Panama-Skandal auf. - Anlässlich des
„Strategieseminars“ des FN vom 05. bis 07. Februar 16
im südlichen Pariser Umland waren es insbesondere
Angehörige der GUD Conncetion“, die lautstark für eine
wesentlich stäkere Berücksichtigung von
Unternehmerinteressen und durch die Partei plädierten.
Schlechtes Timing
Am Nachmittag des Montag,
den 04. April 2016, infolge der ersten Welle von
Enthüllungen über das Panamagate, hatte der FN zunächst
in einem Pressekommuniqué über bzw. gegen die
„ungezügelte Globalisierung“ (mondialsiation
sauvage) gewettert, deren Ausfluss und Abbild
der internationale Finanzskandal sei. Doch am frühen
Abend warnte Chatillon dann seine Freunde und
politischen Bekannten über seine Facebookseite vor: Am
kommenden Tag werde er, Frédéric Chatillon, „die
Ehre haben“, in Enthüllungen bei Le Monde
aufzutauchen. Gut, dass er die Anderen vorsorglich
gewarnt hatte...
Dem Artikel in Le
Monde vom 05. April zufolge existierte
„ein ausgeklügeltes Offshore-Finanzierungssystem, das
zwischen Hongkong, Singapur, den Jungferninseln und
Panama aufgespannt worden ist. Es war nützlich dafür,
Geld aus Frankreich herauszuschaffen, mittels
Briefkastenfirmen und fingierten Rechnungen, und mit
dem Willen, den französischen Geldwäsche-Ermittlern zu
entkommen.“ Frédéric Chatillon stand demnach
„im Herzen dieses Finazierungsmechanismus.“ Er
war es, der Gelder zunächst in Hong-Kong angelegt
hatte, in Höhe von rund 300.000 Euro (die Zeitung
spricht von einer Summe von 316.000 Euro). Diese wurden
offiziell in eine Firma namens Time Dragon, welche
inzwischen in „Unanime Asien“ umgetauft wurde,
investiert. Letztere war die Filiale einer
Muttergesellschaft, die von der mittlerweile
berüchtigten panamesischen Kanzlei Mossack-Fonseca auf
den Jungferninseln in der Karibik gegründet worden war,
in 15.000 Kilometern Entfernung von Hongkong. Später
wurde diese Briefkastengesellschaft aufgelöst und das
Geld erneut transferiert, dieses Mal nach Singapur.
Um die Gelder dort parken
zu können, griff Chatillon auf die Hilfe eines
Finanzbuchhalters mit Namen Nicolas Crochet zurück, der
ihm auch dabei half, den ersten Geldtransfer (in
Richtung Hongkong) über eine unverdächtig wirkende
Firma abzuwickeln – er nutze dazu eine durch seinen
Bruder in Hongkong angemeldete Struktur, Ever Harvest
Garments Limited. Doch auch Crochet ist bei der
französischen extremen Rechten nicht „irgendwer“: Er
war im Jahr 2012 mit der Ausarbeitung des
Wirtschaftsprogramms für die Präsidentschaftskandidatin
Marine Le Pen beauftragt worden.
„Globalisierungskritik“,
wie die extreme Rechte sie ansonsten auf demagogische
Weise übt? Pustekuchen! Einen der übelsten Aspekte, den
die kapitalistische Globalisierung bereithält – einen
planetaren Finanzmarkt mit zahllosen Nischen und
Winkeln -, verstehen ihre Protagonisten für sich zu
nutzen. Denn was die extreme Rechte in letzter Instanz
interessiert, ist weder die Globalisierung noch sonst
irgendeine gesellschaftliche Grundfrage. Sondern das
Recht des Stärkeren, in diesem Falle: des
wirtschaftlich Stärkeren oder Skrupelloseren.
Editorische Hinweise
Den Artikel
erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.
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