How to BFE
Die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit zwischen Männlichkeitsritualen, Korpsgeist und Anonymität

Eine Broschüre der GRÜNE JUGEND Göttingen

04/2016

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Am Anfang war der Schlagstock

Diese Broschüre dreht sich rund um die Beweissicherungs und Festnahmeeinheit (BFE). Sie bietet Hintergrundinformationen zur Ausbildung und Auswahl der Beamt*innen, zu Genderaspekten der Organisationsform BFE, zu Übergriffsdispositionen und zu vielem mehr. Doch warum eine so ausführliche Beschäftigung mit diesem Thema?

Seit 2012 gibt es in Göttingen eine Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit, die der Göttinger Einsatzhundertschaft der Bereitschaftspolizei zugeordnet ist. Schon vor ihrer offiziellen Einführung im November 2012 durch den damaligen Innenminister Uwe Schünemann (CDU), machte sie vor allem durch eines von sich reden: Polizeigewalt - und das in einem in Göttingen so lange nicht mehr dagewesenem Ausmaße. Direkt bei ihrem ersten Auftritt, dem Besuch Schünemanns am 10.01.2012 im ZHG der Universität, wurde klar, was sich wie ein roter Faden (oder eine Schneise der Verwüstung) durch die folgenden Jahre ziehen sollte. Zusammen mit BF-Einheiten aus Hannover griff sie den friedlichen Protest an und verletzte - gut dokumentiert durch Videos des NDR - zahlreiche Menschen. Die Welle der Empörung schlug bis in den Landtag, der Einsatz zog sieben Anzeigen gegen BFE-Polizisten wegen Körperverletzung im Amt nach sich. Auch Mitglieder der GJ Göttingen waren am 10.01.2012 im ZHG und wurden unmittelbar Zeug*innen und Opfer des gewalttätigen Einsatzes. Friedlich zu demonstrieren und dann bei einem politisch gewollten überharten Polizeieinsatz verletzt zu werden, ist das eine. Noch fassungsloser machte uns aber die (Nicht-)Reaktion auf die von vielen Seiten geäußerte Kritik: Kein Eingeständnis von Schuld, vielmehr wurden die Verfahren gegen die übergriffigen Beamten schließlich wegen Nichtidentifizierbarkeit eingestellt. So fühlt sich Ohnmacht an. Wenn noch irgendjemand an der Notwendigkeit der Kennzeichnungspflicht gezweifelt hätte - dann wäre das spätestens zu diesem Zeitpunkt vorbei gewesen.

Unsere persönlichen Erfahrungen im Zusammenspiel mit politischen Einschätzungen führten schließlich zu der Forderung, die wir seit Mitte 2012 konsequent vertreten: Die Göttinger BFE muss abgeschafft werden. Auch in der Folge gab es genügend Anlässe, die Kritik an der BFE aufrechtzuerhalten: Ihre ständige massive Präsenz auf Demonstrationen, ihr immer wieder schikanöses und einschüchterndes Verhalten. Die letzte Stufe der Eskalation der Polizeigewalt, die das Fass zum Überlaufen brachte, war die versuchte Abschiebung am 10.04.2014. Die BFE versuchte mit massiver Gewalt die Treppenhaus-Blockade einer Abschiebung im Neuen Weg aufzulösen. Auch hier waren GJ-Mitglieder wieder direkt betroffen. Wie es sich anfühlt, in einem geschlossenen Raum Pfefferspray abzukommen, unter Atemnot zu leiden, während neben dir ein*e Freund*in oder Bekannte*r einen Schmerzgriff im Gesicht
abbekommt - das vergisst und verzeiht man nicht so einfach. Schon gar nicht, wenn es getan wird, um die Abschiebung eines Menschen durchzusetzen. Mindestens genauso frustrierend waren auch hier die Schuldzuweisungen der Polizei: Die Abschiebegegner*innen seien für die Eskalation verantwortlich gewesen, das Pfefferspray wäre nur als Defensivwaffe eingesetzt worden. Man liest und hört es,
weiß, dass es dreist gelogen ist, weil gerade diejenigen den Pfeffer abbekommen haben, die auf der Treppe weit hinter dir standen und gar nicht die Möglichkeit hatten, Polizisten anzugreifen - es fühlt sich an wie ein erneuter Schlag ins Gesicht.

In der Folge initiierten wir einen von 50 Organisationen und zahlreichen Einzelpersonen unterzeichneten Offenen Brief, in dem wir die Abschaffung der BFE forderten. Parallel begannen wir aber auch mit der vertieften inhaltlichen Beschäftigung mit der BFE, veröffentlichten begleitend zum
Offenen Brief ein Dossier zu Einsätzen der BFE und organisierten gemeinsam mit amnesty international am 25.01.2015 eine Podiumsveranstaltung mit dem Polizeiwissenschaftler und Hochschullehrer Prof. Dr. Rafael Behr von der Akademie der Polizei Hamburg. Diese trug den Titel „BFE und „Cop Culture“ – Die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit zwischen Männlichkeitsritualen, Korpsgeist und Anonymität“ und war der Auftaktpunkt für eine wesentliche Intensivierung unserer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dieser Einheit.

Genau ein Jahr nach der eskalierten Abschiebung, am 10.04.2015, führten wir gemeinsam mit den Göttingen Grünen und Jusos eine gutbesuchte Kundgebung durch, bei der wir erneut die Abschaffung der BFE forderten. Zu dieser Zeit begannen wir auch, an dieser Broschüre zu planen und zu arbeiten.

Jetzt, erneut ein Jahr später, präsentieren wir das Ergebnis.

Die komplette Broschüre runterladen!

Impressum
Herausgeber*in und V.i.S.d.P. :
GRÜNE JUGEND Göttingen
Wendenstraße 5
37073 Göttingen
Mail: goettingen(at)gj-nds.de